Europarecht

Kein Vorsteuerabzug für Dachreparatur wegen Schäden durch Installation einer Photovoltaikanlage

Aktenzeichen  2 K 826/20

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UStB – 2021, 251
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
UStG §§ 3 Abs. 4,15 Abs. 1
MwStSystRL Art. 168

 

Leitsatz

1. Geht es um den Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche, muss das gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden. Daher kommt es für die Frage, ob die von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach und der gesamten Dachfläche an. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Obgleich die Photovoltaikanlage hier nur einen Teil der Dachfläche einnimmt (weniger als 10 Prozent), kam die Reparatur nicht nur einem Teil des Hauses, sondern dem gesamten Haus zugute, weil es sich im Wesentlichen um einen einheitlichen Baukörper mit einer einheitlichen Dachkonstruktion handelt, so dass die eindringende Feuchtigkeit geeignet war, das gesamte Haus zu beschädigen.(Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Irrelavant ist, dass die Schäden am Dach ausschließlich durch die Installation der Photovoltaikanlage entstanden sind. Dies führt von Rechts wegen noch nicht dazu, dass von einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung der bezogenen Werklieferung auszugehen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Steuerbescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Das Finanzamt ging zurecht davon aus, dass der Kläger die Vorsteuer aus den Rechnungen des Dachdeckers und des Zimmerers nicht abziehen darf, weil er ihre Leistungen zu weniger als 10% für sein Unternehmen nutzt.
1. Der während des Klageverfahrens zuletzt erlassene Steuerbescheid vom 29.01.2021 wurde zum Gegenstand des Verfahrens (vgl. § 68 Satz 1 FGO, BFH-Urteil vom 19.07.2011 XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl. II 2012, 434, Rz. 20).
2. In diesem Steuerbescheid war die in den Rechnungen des Dachdeckers und des Zimmerers ausgewiesene Vorsteuer mit nicht mehr als 90 € zu berücksichtigen. Der Steuerbescheid enthält insoweit keinen Rechtsfehler zu Lasten des Klägers.
a) Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.
b) Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 168 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige danach berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, abzuziehen. Der Rat der Europäischen Union kann nach Art. 395 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Mit Entscheidung 2009/791/EG vom 20.10.2009 (ABl. L 283 vom 30.10.2009, S. 55) ermächtigte der Rat Deutschland, abweichend von Art. 168 MwStSystRL die anfallende Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die zu mehr als 90% für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden, vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen. Mit Durchführungsbeschluss (EU) 2018/2060 vom 20.12.2018 (ABl. L 329 vom 27.12.2018, S. 20) verlängerte er diese Ermächtigung bis 31.12.2021.
c) Geht es um den Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche, muss das gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden. Daher kommt es für die Frage, ob die von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach und der gesamten Dachfläche an. Einzubeziehen in die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung sind daher neben den Innenräumen die Dachflächen, die nicht unternehmerisch genutzt wurden (BFH-Urteil in BFHE 258, 553, BStBl. II 2017, 1209, Rz. 18 f.). Da Flächen innerhalb des Gebäudes und Dachflächen nicht miteinander vergleichbar sind, ist der unternehmerische Nutzungsanteil anhand eines Umsatzschlüssels durch Gegenüberstellung des fiktiven Vermietungsumsatzes für die Innenräume und des fiktiven Vermietungsumsatzes für die Dachfläche zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile in BFHE 234, 564, BStBl. II 2012, 438, Rz. 42 ff.; in BFHE 235, 14, BStBl. II 2012, 434, Rz. 58 ff.; in BFH/NV 2012, 1192, Rz. 35 ff.).
d) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger die vom Finanzamt nicht berücksichtigte Vorsteuer aus den Rechnungen des Dachdeckers und des Zimmerers nicht abziehen, weil er von Dachdecker und Zimmerer Lieferungen bezog, die er zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.
aa) Dachdecker und Zimmerer führten Lieferungen in Form von Werklieferungen aus. Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt nach § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. So verhielt es sich im Streitfall, weil Dachdecker und Zimmerer das Dach ausweislich der vom Kläger vorgelegten Rechnungen mit von ihnen beschafften Materialien reparierten, die sie durch den Einbau mit Grund und Boden fest verbanden.
bb) Der fiktive Vermietungsumsatz für die Dachfläche, auf der die Photovoltaikanlage installiert ist, beträgt weniger als 10 Prozent des fiktiven Vermietungsumsatzes für das gesamte Haus. Der Senat macht sich insofern die nachvollziehbare und vom Kläger nicht substantiiert angegriffene Schätzung in der Einspruchsentscheidung zu eigen. Obgleich die Photovoltaikanlage nur einen Teil der Dachfläche einnimmt, kam die Reparatur nicht nur einem Teil des Hauses, sondern dem gesamten Haus zugute, weil es sich im Wesentlichen um einen einheitlichen Baukörper mit einer einheitlichen Dachkonstruktion handelt, so dass die eindringende Feuchtigkeit geeignet war, das gesamte Haus zu beschädigen. Daher sind auch die Reparaturkosten dem gesamten Gebäude zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1192, Rz. 30 ff.).
cc) Der unternehmerische Nutzungsanteil erhöht sich nicht wegen einer Nutzung von Innenräumen für die schriftstellerische Tätigkeit. Der Kläger machte eine solche Nutzung selbst nicht geltend, sondern trug in der Klagebegründung vom 04.08.2020 vor, er nutze das Haus abgesehen von der Photovoltaikanlage privat. Auch unabhängig davon erscheint es unter den Umständen des Streitfalls wenig wahrscheinlich, dass eine etwaige Nutzung des Hauses für die schriftstellerische Tätigkeit mehr als nur geringfügig sein könnte. Dagegen spricht nicht nur die aus den Akten erkennbare Größe des Hauses, die nahelegt, dass ein etwaiges häusliches Arbeitszimmer nur einen vergleichsweise geringen Teil einnimmt. Auch die Tätigkeit des Klägers als Teilhaber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft lässt vermuten, dass er ein etwa vorhandenes Arbeitszimmer zu einem nicht unerheblichen Teil für diese Tätigkeit und nicht ausschließlich für die schriftstellerische Tätigkeit nützt.
e) Dagegen kann der Kläger nicht einwenden, die behobenen Schäden seien, wovon der Senat in tatsächlicher Hinsicht überzeugt ist, ausschließlich durch die Installation der Photovoltaikanlage entstanden. Dies führt von Rechts wegen noch nicht dazu, dass von einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung der bezogenen Werklieferung auszugehen ist.
aa) Ein direkter und unmittelbarer zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz bedeutet nicht auch eine ausschließlich unternehmerische Nutzung. Der BFH ging in den Urteilen in BFHE 234, 564, BStBl. II 2012, 438 (dort Rz. 28) und in BFHE 235, 14, BStBl. II 2012, 434 (dort Rz. 35) von einem solchen direkten und unmittelbaren Zusammenhang aus, hielt gleichwohl in beiden Urteilen nähere Feststellungen zum unternehmerischen Nutzungsanteil für erforderlich und zog in dem Urteil in BFHE 235, 14, BStBl. II 2012, 434 (dort Rz. 47 ff.) ausdrücklich die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG in Betracht.
bb) Soweit der EuGH in dem Urteil Investrand in UR 2007, 225 (Rz. 33) und ihm folgend der BFH in dem Urteil in BFH/NV 2012, 1667 (Rz. 38, 45) auf den „ausschließlichen Entstehungsgrund“ abstellen, lehnen sie jeweils einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz ab, weil der Eingangsumsatz seinen „ausschließlichen Entstehungsgrund“ nicht in der steuerpflichtigen Tätigkeit habe. Auch wenn der Umkehrschluss zulässig ist, begründet dies zwar einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Dachreparatur und Betrieb der Photovoltaikanlage, der aber nach dem soeben (unter aa.) gesagten nicht gleichbedeutend mit einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung ist.
cc) Aus den gleichen Gründen führt auch der Umstand, dass die Aufwendungen für die Dachreparatur zu den Kostenelementen für den Betrieb der Photovoltaikanlage gehören (vgl. EuGH-Urteile Becker in UR 2013, 220, Rz. 19; Iberdrola in UR 2017, 928, Rz. 28; Mitteldeutsche Hartstein-Industrie in UR 2020, 840, Rz. 26; BFH-Urteil in BFHE 253, 456, BStBl. II 2017, 577, Rz. 33), nicht zu der Annahme einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung.
dd) Eine ausschließlich unternehmerische Nutzung ist auch nicht mit Blick auf die Erwägungen des EuGH zu der dritten Vorlagefrage in dem Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie in UR 2020, 840 anzunehmen. Der EuGH hatte darin nicht über die hier streitige Abgrenzung zwischen unternehmerischem und nichtunternehmerischem Zweck des Leistungsbezugs zu entscheiden (vgl. EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie in UR 2020, 840, Rz. 64), sondern darüber, ob das Ergebnis des Leistungsbezugs trotz des unternehmerischen Zwecks beim Leistungsempfänger zu einem unversteuerten Endverbrauch eines Dritten führen könne. Einen solchen unversteuerten Endverbrauch lehnte der EuGH unter anderem deswegen ab, weil das Ergebnis vor allem für die unternehmerischen Zwecke der Klägerin des Ausgangsverfahrens genutzt wurde (vgl. EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie in UR 2020, 840, Rz. 65).
ee) Die vom Kläger angeführten Unterschiede zu den vom BFH entschiedenen Sachverhalten wirken sich daher – soweit sie überhaupt bestehen – im Ergebnis nicht aus. Dies verdeutlicht das BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1192, in dem der BFH einen vollen Vorsteuerabzug aus den Kosten für eine teilweise Neueindeckung ablehnte, obwohl ausschließlich die Installation einer Photovoltaikanlage Anlass dafür war, wohingegen die vom FG festgestellte Asbesthaltigkeit nach den Feststellungen keine Baumaßnahmen erforderlich machte.
Die Klage war daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil die streitentscheidenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, insbesondere die BFH-Urteile in BFHE 234, 564, BStBl. II 2012, 438; in BFHE 235, 14, BStBl. II 2012, 434; in BFHE 258, 553, BStBl. II 2017, 1209 und in BFH/NV 2012, 1192 geklärt sind.


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