Europarecht

Keine Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes gegen Abschiebungsanordnung nach Belgien für afghanische Familie im Rahmen des Dublin-Verfahrens

Aktenzeichen  M 9 S 16.51044

Datum:
27.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5
AsylG AsylG § 77 Abs. 2
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3, Art. 18 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für die Berechnung der 2-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO ist weder auf den Zeitpunkt der Ausstellung der BÜMA noch den der Einreise ins Bundesgebeit abzustellen, sondern auf denjenigen des Abrufs des EURODAC-Treffers (vgl. VG Cottbus BeckRS 2017, 104673). (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein Asylbewerber im Falle einer Abschiebung nach Belgien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt wäre. (Rn. 13) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation einem Asylbewerber zwar allgemein zur Verfügung steht, ihm jedoch individuell aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 53198). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Reiseunfähigkeit (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 100316) liegt nur dann vor, wenn und solange der Betroffene wegen seiner Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des “Reisens” wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn); zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgang – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Betroffenen bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Eine Abschiebung kann auch mit Rücksicht auf ein nach Bescheiderlass geborenes Kind durchgeführt werden; der Grundsatz der Achtung der Familieneinheit, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK, Art. 34a Abs. 1 S. 1 Dublin III-VO iVm § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG wird gewahrt, wenn das Neugeborene noch keinen Asylantrag gestellt hat, der in irgendeiner Weise verbeschieden worden wäre und das Kind deshalb schlicht gemeinsam mit seinen Eltern ausreist (vgl. VG München BeckRS 2017, 106421). (Rn. 21) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben gesamtschuldnerisch die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen einen sog. Dublin-Bescheid.
Sie wurden nach eigenen Angaben am 2. Februar 1980, am 1. Januar 1990, am 7. Juli 2013 und am 17. Juli 2014 jeweils in Afghanistan geboren (Bl. 23f. d. Behördenakts – i.F.: BA –); die Antragsteller zu 1. und zu 2. sind laut eigener Aussage die Eltern der Antragsteller zu 3. und zu 4. Nach Angaben der Antragsteller zu 1. und zu 2. reiste die Familie am *. März 2016 in das Bundesgebiet ein (Bl. 5 und Bl. 14 d. BA). Alle Familienmitglieder beantragten am 12. August 2016 Asyl (Bl. 23f. d. BA). Die Antragsteller sind nach eigenen Angaben Staatsangehörige Afghanistans.
Aufgrund von Eurodac-Treffern der Kategorie 1 für Belgien – „BE1…“ – vom 12. August 2016 (Bl. …, Bl. … und Bl. … d. BA) wurden am 11. Oktober 2016 jeweils Wiederaufnahmegesuche für die Antragsteller zu 1. und zu 2. an Belgien gerichtet (Bl. … und Bl. … d. BA), wobei die Antragsteller zu 3. und zu 4. im Wiederaufnahmegesuch für die Antragstellerin zu 2. mitbehandelt wurden; Zugangsbestätigungen liegen vor (Bl. … des BA). Die belgischen Behörden haben die Wiederaufnahmegesuche mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO ausdrücklich akzeptiert (Bl. … d. BA).
Mit Bescheid vom 3. November 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Belgien an (Ziff. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4).
Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat am 14. November 2016 Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Auf den Sachvortrag wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der nach Auslegung, § 122, § 88 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung, Ziff. 3 des Bescheids gerichtete Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (i.F.: Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Belgien ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 23 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1, Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Dublin III-VO. Die belgischen Behörden haben die Wiederaufnahmegesuche, die am 11. Oktober 2016 und damit rechtzeitig innerhalb der allein entscheidenden 2-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO gestellt wurden, ausdrücklich akzeptiert (Bl. 132ff. d. BA). Dass bei den erforderlichen Fristberechnungen – anders als der Bevollmächtigte meint – nicht auf die BÜMA oder gar auf den Zeitpunkt der Einreise der Antragsteller ins Bundesgebiet abzustellen ist, sondern auf den Zeitpunkt des Abrufs der Eurodac-Treffer – hier: 12. August 2016 –, ergibt sich an sich bereits aus dem Gesetz, vgl. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO, ist zudem aber auch wiederholt gerichtlich bestätigt bzw. entschieden worden (vgl. statt aller VG Cottbus, B.v. 15.3.2017 – 5 L 238/16.A – juris m.w.N.).
Die Überstellung an Belgien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsteller und das Neugeborene im Falle einer Abschiebung nach Belgien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta) entspricht. Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich, vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Betroffenen führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EU-GRCharta ausgesetzt zu werden. Eine Widerlegung der Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten anzunehmen, an die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Belgien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben genannten Sinne gegeben sind. Dazu wird Bezug genommen auf die – soweit ersichtlich – einhellige Rechtsprechung, die keine systemischen Mängel hinsichtlich Belgien (an-)erkennt (zuletzt z.B. VG Lüneburg, B.v. 18.5.2017 – 8 B 94/17 – juris; VG Ansbach, B.v. 17.5.2017 – AN 14 S. 17.50448 – juris; VG München, B.v. 28.4.2017 – M 1 S. 17.51013 – juris). Nach diesen Entscheidungen und nach der dem Gericht vorliegenden Erkenntnislage sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die o.g. Vermutung für Belgien widerlegt wäre. Die Familie F. wird bspw. Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Medikamenten erhalten. Auch haben die Antragsteller bzw. ihr Bevollmächtigter nicht vorgetragen, dass das belgische Asylverfahren oder die belgischen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel oder Schwachstellen aufwiesen.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden nicht belegt.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (BayVGH, B.v. 21.9.2016 – 10 C 16.1164 – juris mit Bezug auf BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris).
Nach Obenstehendem ist Letzteres im Falle der Familie F. ausgeschlossen, da sie Zugang zu entsprechenden Medikamenten erhalten wird. Auch im Übrigen ist für ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nichts ersichtlich. Das Leiden des Antragstellers zu 3. – Schmerzen wegen der Verbrühungen, juckende Narben – ist in Belgien ebenso gut therapierbar wie im Bundesgebiet; den „eingeleiteten Hilfsmaßnahmen“ wird deswegen durch die Rückführung nach Belgien nicht zwangsläufig ein „Ende bereitet“. Die vorgelegten Atteste belegen nichts anderes, beschäftigen sie sich doch bestenfalls damit, dass eine Abschiebung nach Afghanistan die weitere Gesundung oder Entwicklung des Kindes gefährde. Die Kompressionsjacke kann auch in Belgien getragen werden, weiter ist die lindernde Salbe für die Narben auch dort erhältlich. Gleiches gilt für etwaige weitere Kontrollen und Therapieansätze. Dass die Familie von Belgien aus – wie im Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 24. Februar 2017 anklingt – gleichsam im Sinne eines „Automatismus“ weiter nach Afghanistan abgeschoben würde, kann erstens nicht nachvollzogen werden, da eventuell bestehende Abschiebungsverbote hinsichtlich Afghanistans von den belgischen Behörden ebenso geprüft werden müssten wie von den deutschen Behörden und ist zweitens nicht Streitgegenstand. Auch die weiteren Ausführungen hinsichtlich Afghanistans im Schriftsatz vom 9. März 2017 gehen deswegen von vorn herein ins Leere.
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte für eine im hiesigen Verfahren zu beachtende Reiseunfähigkeit im weiteren oder im engeren Sinn. Reiseunfähigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BayVGH, B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris) nur dann vor, wenn und solange der Betroffene wegen seiner Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn); zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Betroffenen bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Beides wird durch die vorgelegten ärztlichen Atteste nicht behandelt, die sich nur mit dem weiteren Therapieverlauf beschäftigen bzw. diesbezügliche Empfehlungen aussprechen. Einschätzungen bzw. Bewertungen von ehrenamtlichen Betreuern (vorliegend: Bestätigung an Eides statt von Fr. K. vom 9. November 2016) sind von vorn herein nicht geeignet, die Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG zu widerlegen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich der Antragsteller zu 3. die Verletzungen bereits in Afghanistan zugezogen hatte und danach mit seinen Eltern noch bis nach Deutschland gereist ist. Inwiefern er deswegen „aufgrund seiner schweren Verbrennungen“ reiseunfähig sein soll – wie vom Bevollmächtigten behauptet –, kann nicht nachvollzogen werden.
Bezüglich der Antragstellerin zu 2. ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass sie am 9. Dezember 2016 entbunden hat (vgl. die Kopie des Mutterpasses, Bl. 65ff. d. GA im Verfahren M 9 K 16.51043), kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (mehr) begründet. Unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung ergibt sich aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG, dass der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung – § 3 Abs. 2 MuSchG – beginnt und bis acht bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten bis zwölf Wochen nach der Entbindung – § 6 Abs. 1 MuSchG – andauert (vgl. z.B. VG München, B.v. 19.7.2016 – M 12 S. 16.50456 – juris; B.v. 29.12.2016 – M 1 S. 16.50997 – juris). Diese Zeiträume sind mittlerweile vergangen.
Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die behaupteten starken Augenschmerzen des Antragstellers zu 1. auch kein Abschiebungsverbot begründen. Die als Anlage K5 vorgelegte „Ärztliche Anzeige“ genügt in keiner Hinsicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG. Weiter können Augenschmerzen auch in Belgien behandelt werden.
Schließlich ergeben sich aus dem Umstand, dass vorliegend eine Familie mit einem Neugeborenen – Geburt am *. Dezember 2016 (vgl. Bl. … d. GA im Verfahren M 9 K 16.51043) – betroffen ist, keine Gründe dafür, Abschiebungsverbote festzustellen. Die Abschiebung kann auch mit Rücksicht auf das nach Bescheiderlass geborene Kind durchgeführt werden; der Grundsatz der Achtung der Familieneinheit, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK, § 34a Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. dazu VG München, B.v. 6.4.2017 – M 9 S. 17.50799 – juris) wird gewahrt, da das Neugeborene selbst noch keinen Asylantrag gestellt hat, der in irgendeiner Weise verbeschieden wäre und deshalb schlicht gemeinsam mit seinen Eltern ausreist. Auch aus Art. 11 Dublin III-VO folgt deswegen nichts anderes; alle Antragsteller (und auch das Neugeborene) werden gemeinsam nach Belgien rücküberstellt. Vorliegend und generell bestehen hinsichtlich Belgiens auch keinerlei Anzeichen für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer, weswegen – anders als eventuell für Italien – nicht zu fordern war, dass die deutschen Behörden eine konkrete und einzelfallbezogene individuelle Zusage Belgiens dafür einholen, dass die Familie bei der Übergabe eine gesicherte Unterkunft erhält (vgl. dazu BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris; B.v. 17.4.2015 – 2 BvR 602/15 – juris m.w.N.).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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