Europarecht

Keine Haftung der herrschenden Gesellschaft für den von einer Konzerngesellschaft hergestellten Dieselmotor – Abgasskandal

Aktenzeichen  5 U 1351/19

Datum:
23.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41964
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
StGB § 263

 

Leitsatz

Die Beklagte haftet nicht für ein von einer Konzerngesellschaft in Verkehr gebrachtes Fahrzeug, in das ein Motor mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung eingebaut ist, wenn die Beklagte den Motor weder entwickelt noch die Abschaltvorrichtung eingebaut hat. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 O 664/18 2019-02-14 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 14.02.2019, Aktenzeichen 8 O 664/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 75.020,90 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Einstandspflichten der Beklagten im Hinblick auf ein vom Kläger erworbenes Dieselkraftfahrzeug, das die … AG, eine Firma aus dem Konzern der Beklagten, hergestellt hat.
Der Kläger kaufte am 28.06.2012 von einem Dritten ein neues Kraftfahrzeug der Marke Audi A 6.
Mit Schreiben vom 11.09.2017 (Anl. K 14) hat der Kläger gegenüber der Verkäuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Schadensersatz verlangt.
Er hat behauptet, die Beklagte habe den Motor in S. hergestellt. Dieser verfüge über zwei Abschalteinrichtungen, um die Abgasgrenzwerte einhalten zu können. Die Beklagte hafte dem Kläger aus § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB sowie unter deliktischen Gesichtspunkten.
Der Kläger hat beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 75.020,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A6 mit der Fahrgestellnummer …44 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 14.02.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat vorgetragen, nicht sie sei Herstellerin des Fahrzeugs, sondern die … AG in … Im Fahrzeug sei ein Motor Typ EA 897 verbaut, der nicht von der bekannten Problematik des Motors EA 189 betroffen sei. Eine Kenntnis ihres Vorstands zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufs habe nicht vorgelegen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.02.2019 abgewiesen. Der Kläger habe nicht dargetan, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB einen Schädigungsvorsatz nach § 826 BGB gehabt habe. Der Kläger habe nur pauschal behauptet, der Vorstand der Beklagten habe von Anfang an Kenntnis von den rechtswidrigen Abgasmanipulationen gehabt. Mit der behaupteten Kenntnis sei aber ein konkreter Schädigungsvorsatz einer konkret handelnden Person im Hinblick auf den Kläger nicht dargetan. Unter Würdigung der Gesamtumstände sei nicht ersichtlich, dass auf Vorstandsebene die konkrete Schädigung von potentiellen Kunden bewusst billigend in Kauf genommen worden sei.
Die Regelung von § 93 Abs. 1 AktG sei nicht anwendbar, weil die Vorschrift die allgemeine Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft regele. Die Beklagte treffe auch keine sekundäre Darlegungslast, da die Beklagte in diesem Fall die Unkenntnis des Vorstands und damit eine negative Tatsache darlegen müsste. Eine Haftung aus § 826 BGB scheitere außerdem deshalb, weil Schutzzweck der konkret verletzten Verhaltensnorm, auf den allein abzustellen sei, der Umweltschutz und nicht die Vermögensinteressen des Klägers sei. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sei nicht gegeben, weil nicht dargelegt sei, dass ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten in der Absicht rechtswidriger Bereicherung gehandelt habe. Denn der Vorteil müsse die Kehrseite des Schadens darstellen und ihm stoffgleich sein.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sei nicht gegeben, weil die zitierte Vorschrift nicht drittschützend sei.
Es fehle überdies an einem Schaden; das vom Kraftfahrtbundesamt zugelassene Software-Update beseitige den konkret vorliegenden Mangel in der Software des Fahrzeugs. Auch könne nicht auf einen dauerhaften merkantilen Minderwert oder eine Bemakelung des Fahrzeugs abgestellt werden, weil es faktisch nicht möglich sei, das etwaige sinkende Kaufinteresse an Fahrzeugen „mit dem EA-189-Motor“ von der Entwicklung des generellen Kaufinteresses an Dieselfahrzeugen zu trennen.
Gegen dieses am 21.02.2019 zugestellte Endurteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er am 21.03.2019 eingelegt und nach Fristverlängerung bis 23.05.2019 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Das Urteil beruhe auf einer unvollständigen Erfassung der Tatsachen und der Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei vom Abgasskandal betroffen, weil es mit einer von der Beklagten und der … AG entwickelten Abschalteinrichtung ausgerüstet sei. Der eingebaute Motor EA 897 sei eine Dieselmotorenbaureihe der Beklagten, die federführend von der … AG entwickelt worden sei und in verschiedenen Fahrzeugen des …-Konzerns eingesetzt werde. Die Abschalteinrichtung sei gemeinsam mit der R. B. GmbH entwickelt worden; die Beklagte habe nur einen Zentraleinkauf, daher habe die … AG auch nicht in Eigenverantwortung die Einzelteile bestellt. Im Katalog der R. B. GmbH werde zwischen Fahrzeugen von VW und Audi nicht unterschieden. Für das streitgegenständliche Fahrzeug seien alle Komponenten für den Motor und die Abgasreinigung von der Beklagten bei R. B. gekauft worden, was Aufkleber der Beklagten auf den Einzelteilen belegten. Auch wenn die Motoren im …werk in Ungarn endgefertigt würden, ändere dies nichts daran, dass die Motorenblöcke von der Beklagten in S. gegossen würden. Es habe Überkreuzregelungen für die im Konzernverbund tätigen Vorstände gegeben; Herr H. sei gleichzeitig Motorentwicklungschef bei der … AG und Chef der Motorenentwicklung bei der Beklagten gewesen. Die Beklagte sei mit der … AG über einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verbunden und hafte daher gemäß §§ 322, 15 AktG als Gesamtschuldnerin.
In den 3,0 l-Diesel-Fahrzeugen sei die Software komplizierter konstruiert als in den Vierzylindermotoren, da nicht nur auf die Abgasrückführungsquote und den Partikelfilter abgestellt werde, sondern auch auf die Außentemperatur, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs und die Motordrehzahl. Sämtliche mit der Betrugssoftware der Beklagten ausgestatteten Fahrzeuge reagierten auf Testzyklen. Dieser Technologie sei der Vorzug vor der Technologie mit dem Einsatz von AdBlue gegeben worden. Im Jahr 2006 sei erkannt worden, dass bei den 3,0 l-Fahrzeugen der AdBlue-Tank viel zu klein konstruiert worden sei, da in den USA AdBlue nur durch Fachpersonal im Rahmen von Inspektionen nachgetankt werden dürfe. Herr W., der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten und der Vorstand der … AG hätten sich dahingehend abgestimmt, dass im VW Touareg und Audi Q 7 der zu kleine AdBlue-Tank bleibe und stattdessen beim 3,0 l-Motor über die Abgasrückführungsquote und eine weitere Software der geringere Verbrauch von Harnstoff auf der Straße gegenüber der Prüfstandsumgebung gleich mitgesteuert werde. Die Beklagte habe in dem in New York geführten Verfahren eingeräumt, dass sie eine doppelte Abschalteinrichtung in den 3,0 l-Fahrzeugen verbaut habe.
Die Beklagte sei passivlegitmiert, sie hafte nach § 322 Abs. 1 AktG. Dies habe das Landgericht ebenso verkannt, wie eine mögliche Haftung nach §§ 15, 309 AktG. Auch habe das Landgericht die Substantiierungsanforderungen hinsichtlich der beschriebenen Mängel überspannt. Zu der Frage, ob eine unzulässige Abschaltvorrichtung verbaut ist, hätte es das angebotene Sachverständigengutachten erholen müssen.
Die Beklagte, die sich das Wissen ihrer Repräsentanten zurechnen lassen müsse, habe den Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Ein konkreter Vortrag bezüglich einzelner Personen, die der Kläger namhaft gemacht habe, sei nicht erforderlich, da die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe. Die Beklagte hafte auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 EG-FGV, da es sich bei dieser Vorschrift um ein Schutzgesetz handele.
In der Berufungsinstanz beantragt der Kläger unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II vom 14.02.2019, Aktenzeichen 8 O 664/18:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 75.020,90 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 29.06.2012 bis zum 14.02.2018 und seitdem in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A6 mit der Fahrgestellnummer …44 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 15.02.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2018 zu zahlen.
Hilfsweise: 1. Das Urteil des Landgerichts München II, Aktenzeichen 8 O 664/18 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an das Landgericht München II zurückverwiesen;
2. die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass sie weder das streitgegenständliche Fahrzeug noch dessen Motor entwickelt, hergestellt oder in Verkehr gebracht habe. Ein haftungsbegründendes deliktisches Verhalten könne frühestens im Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorliegen; zeitlich vorangehende Handlungen entfalteten lediglich Binnenwirkung. Auch die genehmigungsrechtlichen Normen wie § 27 EG-FGV stellten auf das Inverkehrbringen ab. Der Kläger habe auch keinen kausalen Schaden erlitten, da nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Emissionswerte des streitgegenständlichen leistungsstarken Fahrzeugs der entscheidende Faktor für den Abschluss des Kaufvertrags gewesen sein sollten. Der abgeschlossene Kaufvertrag stelle keinen Schaden dar, da er für den Kläger weder ungewollt noch nachteilig sei. Weder habe der Kläger ein rechnerisches Minus erlitten, noch sei das Fahrzeug für seine Zwecke nicht voll brauchbar. Der Kläger habe überdies nicht ausreichend zur Funktionsweise der Motorsteuerung vorgetragen, um einen vorsätzlichen Verstoß gegen die guten Sitten zu begründen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.08.2019 auf seine Absicht hingewiesen, die offensichtlich unbegründete Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es sei nicht ersichtlich, weshalb die hier beklagte … AG für den federführend von der … AG und B. GmbH entwickelten Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs des Herstellers Audi haften solle.
Dem ist der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2019 entgegengetreten. Den Entwicklungsauftrag für den EA 897 habe die Beklagte erteilt. Es sei auch in … bei der Beklagten die Entscheidung getroffen worden, die illegalen Abschaltvorrichtungen, die schon beim EA 189 zum Einsatz gekommen seien, auch in den EA 897 einzubauen. Die Beklagte habe gemeinsam mit der B. GmbH unter der Führung von Herrn H. den streitgegenständlichen Motor und seine Abschalteinrichtung entwickelt. Sie habe auch bestimmt, auf welchen Plattformen und Typen dieser Motor eingesetzt werde. Die Vorstände der Beklagten hätten auch entschieden, dass die Blöcke der 6-Zylinder-Motoren von ihr in S. gegossen würden und die Commonrail-Einspritzung, die Motorsteuerung und die Abgasreinigung von der R. B. GmbH geordert werden sollten. Die Vorstände der Beklagten hätten die Motorenentwicklung durch den leitenden Ingenieur bei der … AG Herrn H., der zugleich Motorenentwicklungschef bei der Beklagten gewesen sei, ihrer Tochter … AG übertragen, die der Beklagten durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unterstehe. Die Beklagte habe sich für die Entwicklung des EA 897 der … AG unter der Führung ihres eigenen Motorenentwicklungschefs bedient. Die Commonrail-Einspritzung, die Motorensteuerung und insbesondere die gesamte Software zur Abgasreinigung stammten von der R. B. GmbH und seien ebenfalls gemeinsam mit der Beklagten entwickelt worden. Für das streitgegenständliche Fahrzeug seien alle Komponenten für den Motor und die Abgasreinigung von der Beklagten bei der R. B. GmbH eingekauft worden. Viele Führungskräfte wie Herr H. hätten in Personalunion für die Beklagte und die … AG durch Überkreuzregelungen der Vorstände entschieden.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das Ersturteil, den zitierten Hinweisbeschluss des Senats sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.02.2019, Aktenzeichen 8 O 664/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Dem Kläger ist zuzugeben, dass ein Anspruch aus § 826 BGB grundsätzlich denkbar wäre, wenn die Beklagte einen mit einer unzulässigen Abschaltsoftware ausgerüsteten Motor in Verkehr gebracht und dabei verschwiegen hätte, dass die EG-Typengenehmigung erschlichen war. Dies kann eine sittenwidrige Handlung darstellen (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019, 17 U 160/18, Rn. 85 ff., juris m.w.N.), wenn sich der Fahrzeughersteller öffentlich erklärte Messergebnisse zu eigen macht, d.h. er aus Sicht eines objektiven Beobachters konkludent erklärt, die behaupteten Messwerte seien unter ordnungsgemäßen Bedingungen zustande gekommen. Durfte ein Käufer als selbstverständlich voraussetzen, dass das entsprechende Fahrzeug die materiellen Voraussetzungen der verwendeten EG-Typengenehmigung erfüllte, ist dem Inverkehrbringen schon aus Verkehrsschutzgründen der Erklärungswert eines positiven Tuns beizumessen (BeckOGK/Spindler, 1.10.2019, BGB § 826 Rn. 169).
Das von dem Kläger erworbene Fahrzeug und den darin verbauten Motor hat jedoch nicht die Beklagte in Verkehr gebracht, sondern vielmehr die … AG. Auf den Vortrag des Klägers, die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs sittenwidrig gehandelt (Klageschrift vom 15.02.2018, S. 35) und die offensichtlich ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, „alle Motoren würden von der Beklagten gebaut und in S. hergestellt“ (Schriftsatz vom 22.06.2018, S. 2 = Bl. 122) hat die Beklagte erwidert, dass der fragliche Motor nicht von der Beklagten in S., sondern im …-Motorenwerk in G. (Ungarn) hergestellt werde. In seiner Berufungsbegründung hat der Kläger gegen diesen Vortrag lediglich eingewandt, „dass die Motorenblöcke im …-Werk in S. gegossen“ würden (Berufungsbegründung vom 23.05.2019, S. 10 = Bl. 191) und mit Schriftsatz vom 17.09.2019 (S. 3 = Bl. 264) zum Ausdruck gebracht, wo das „Assembling“ stattfinde, sei egal. Da ein frisch gegossener Motorenblock zum einen keine wie auch immer geartete Software enthält, zum anderen die Fertigung des Motors samt seiner Steuerung nicht durch die Beklagte, sondern durch die … AG (die der Klägervertreter bezeichnenderweise gelegentlich als „Beklagte“ bezeichnet – etwa Klageschrift, S. 16; Schriftsatz vom 17.09.2019, S. 3 f. = Bl. 264 f.) erfolgte, fehlt es an einer Handlung der Beklagten im Sinne eines „Inverkehrbringens“ eines fehlerhaften Motors, an das das Verdikt der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung geknüpft werden könnte.
2. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 17.09.2019 pauschal und nicht durch Beweisangebote unterlegt behauptet, die Beklagte habe den streitgegenständlichen Motor und die Abschaltvorrichtungen zusammen mit der R. B. GmbH entwickelt (S. 2 = Bl. 263, 3. Abs.), setzt er sich nicht mit dem Vorbringen der Beklagten auseinander, sie habe den streitgegenständlichen Motor nicht entwickelt (Klageerwiderung vom 11.05.2018, S. 1 = Bl. 74), das Vorbringen in der Klageschrift sei irrelevant, weil es sich allein auf den Motor EA 189 beziehe (ebd., S. 9 = Bl. 82).
Überdies trägt der Kläger im Widerspruch hierzu (aber übereinstimmend mit dem Vorbringen der Beklagten) auf der folgenden Seite dieses Schriftsatzes vor, die Motorenentwicklung sei der … AG übertragen worden, die Beklagte habe sich der Motorenentwicklung der … AG unter Führung ihres Motorenentwicklungschefs bedient. In der Erteilung dieses Entwicklungsauftrags durch die Beklagte kann eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigungshandlung nicht gefunden werden, denn zu diesem Zeitpunkt war noch völlig offen, welche technischen Spezifikationen der zu entwickelte Antrieb aufweisen wird, welche Schwierigkeiten hinsichtlich der Erreichung und Einhaltung der leistungsmäßigen, bzw. verbrauchstechnischen und umweltrechtlichen Vorgaben entstehen können und welche denkbaren Lösungsansätze zu deren Überwindung aufscheinen. Abgesehen davon, dass es aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn ergeben würde, behauptet auch der Kläger selbst nicht, dass die Beklagte einen Entwicklungsauftrag für betrügerische Motorsteuerung erteilt hätte. Es mag sein, dass das damalige Vorstandsmitglied der Beklagten W. 2004 die R. B. GmbH beauftragt hat, das Motorsteuergerät EDC17 zu entwickeln. Das besagt aber nichts dazu, dass und wie W. daran beteiligt war, „später“ eine illegale Softwarefunktion zu entwickeln (Berufungsbegründung, S. 18 5 U 1351/19 – Seite 8 – = Bl. 199) bzw. inwiefern er sich später an deliktischem Handeln der … AG zulasten des Klägers beteiligt hatte
3. Mangels relevanter eigener Handlungen der Beklagten insbesondere auch im Typengenehmigungsverfahren scheitern auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der §§ 6 Abs. 1, Abs. 2, 27 Abs. 1, Abs. 2 EG-FGV. Folglich kommt es vorliegend nicht auf eine Schutzgesetzeigenschaft im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB der §§ 6 Abs. 1, Abs. 2, 27 Abs. 1, Abs. 2 EG-FGV, Art. 5 VO (EG) 715/2007 an (vgl. ablehnend z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, Rn. 137-159, juris m. zahlr. w.N.).
4. Es kann dahinstehen, ob gegebenenfalls die … AG eine Haftung wegen des Fahrzeugverkaufs trifft, denn hierfür muss die Beklagte nach aktienrechtlichen Vorschriften nicht einstehen (vgl. hierzu Hinweisbeschluss vom 29.08.2019, zu dem sich der Kläger insoweit nicht mehr erklärt hat). Der Kläger legt selbst nicht dar, dass die … AG in die Beklagte eingegliedert wäre. Er verweist lediglich darauf, dass der BFH entschieden habe, dass eine Eingliederung im Sinne von § 291 AktG vorliege, wenn eine juristische Person organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sei. Das mag etwas zum Vorliegen eines Beherrschungsvertrags im Sinne von § 291 AktG besagen, nicht aber dazu, dass hier eine Eingliederung im Sinne von § 319 AktG vorliegt bzw. es hierfür nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Eingliederungsbeschlüsse gemäß §§ 319, 320 AktG bedürfte.
5. Über die vom Kläger erstmals in der Berufungsbegründung im Wege einer verdeckten Klageerweiterung beanspruchten Deliktszinsen (§ 849 BGB) muss nicht entscheiden werden, da, die Klageerweiterung ihre Wirkung entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO verloren hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 09.07.2019, VII ZR 86/17, Rn. 6, juris m.w.N.).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert war in Höhe der im Berufungsrechtszug verlangten Klagesumme festzusetzen.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Revisionszulassung nicht vor. Aus demselben Grund war eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich, § 522 Abs. 2 Nr. 3, 4 ZPO, da eine Einzelfallentscheidung zu treffen war, die auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs getroffen wird. Mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil die Rechtsverfolgung für die Beklagte keine existentielle Bedeutung hat und das erstinstanzliche Urteil zutreffend begründet ist (§ 522 Abs. 2 S.1 Nr. 4 ZPO; vgl. dazu Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 1. Juli 2011, BT-Drucks. 17/6406, Seite 9). Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (BGH, Beschluss vom 21.11.2018, VII ZR 1/18, Rn. 13, juris, m.w.N.). Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Die Revision ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht. Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2016, II ZR 290/15, Rn. 7, juris m.w.N.).

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