Europarecht

Keine Haftung von Porsche und Audi für Thermofenster in von Audi entwickeltem und hergestelltem Dieselmotor (hier: Porsche Cayenne Diesel V6 EU5)

Aktenzeichen  10 O 2893/20

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43093
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826, § 831
VO (EG) 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
StGB § 263
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – Schadensersatzansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein mit einem sog. Thermofenster ausgestatteter, von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Annahme einer vorsätzlichen Täuschung durch Einbau eines Thermofensters steht bereits entgegen, dass die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, nämlich Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10, keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies gilt insbesondere, wenn davon auszugehen ist, dass dem Kraftfahrbundesamt bei Erteilung der Typgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate bekannt gewesen sein muss, von ihm aber nicht beanstandet worden ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist örtlich (§ 32 ZPO) und sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG) zuständig.
B.
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung von … € Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
1. Vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich. Unstreitig wurde der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits, sondern zwischen dem Kläger und einem Autohaus geschlossen.
2. Deliktische Ansprüche sind ebenfalls nicht gegeben.
a. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagten wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB), sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) oder Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen, nämlich mit einer Prüfstandserkennung verbundenen Abschalteinrichtung sind vom Kläger unschlüssig und nicht ausreichend dargelegt worden. Über seine Behauptung, das streitgegenständliche Fahrzeug enthalte eine unzulässige, nämlich mit einer Prüfstandserkennung verbundene Abschalteinrichtung ist kein Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, Az.: 5 U 1670/18).
(1) Zwar darf ein Kläger im Rechtsstreit auch solche Tatsachen behaupten, über deren Vorliegen er kein sicheres Wissen hat und ein solches nicht erlangen kann. Eine Partei kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (zuletzt BGH, NJW-RR 2015, 829). So liegt es auch hier: Der Kläger kann, sofern sie keine mutmaßlich aufwändige technische Untersuchung durchführen lässt, kein sicheres Wissen darüber haben, ob die Motorsteuerung seines Pkws so gestaltet ist, dass sie einen Prüfstandbetrieb erkennt und dann den Verbrennungsvorgang im Motor so steuert, dass die relevanten Emissionsgrenzwerte, hier der EURO-6-Norm, eingehalten werden, während außerhalb des Prüfzyklus, also im gewöhnlichen Fahrbetrieb, der Verbrennungsvorgang anders gesteuert wird und es deshalb insbesondere zu höheren, nicht mehr normgerechten Stickoxid-Emissionen kommt. Jedoch wird ein solches prozessuales Vorgehen dann unzulässig, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürliche Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, was nur angenommen werden darf, wenn es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten für die Richtigkeit der betroffenen Behauptung fehlt (BGH, a.a.O., sowie NJW-RR 2004, 337).
(2) Im vorliegenden Fall fehlt es in diesem Sinne an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten. Weder hatte der Kläger solche aufgezeigt noch sind sie sonst für das Gericht in irgendeiner Weise erkennbar.
(a) Offenkundig ist, dass die inzwischen allgemein bekannte Verwendung einer manipulativen Motorsteuerung in Fahrzeugen des … Konzerns, die mit dem Motor der Baureihe EA 189 ausgestattet sind, für den Streitfall keinerlei Aussagekraft haben kann. Denn dieser Motor ist im Fahrzeug des Klägers unstreitig nicht eingebaut.
(b) Eine unzulässige an die Erkennung des Prüfstandsbetriebes gekoppelte Beeinflussung der zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen dienenden Abgasrückführung wurde im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt festgestellt. Alle vom Kläger vorgelegten KBA-Auskünfte und Bescheide, Anlagen K7, K8 und K12, betreffen nicht das streitgegenständliche Fahrzeug Porsche Cayenne Diesel V6 EU5.
Vielmehr hat das Gericht angesichts der von der Beklagten zu 2) mit dem Schriftsatz vom 15.10.2020 vorgelegten Anlage „Nicht-Betroffenheit-KBA vom 11. September 2020“ und angesichts der sog. Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts vom Gegenteil auszugehen. Unstreitig ist, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug eine bestandskräftige Typgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vorliegt, die auch nicht durch nachträgliche Nebenbestimmungen eingeschränkt worden ist. In diesem bestandskräftigen Verwaltungsakt wird dem Hersteller bescheinigt, dass das streitgegenständliche Fahrzeugmodell insbesondere im Hinblick auf die Schadstoffemissionen den Anforderungen genügt. Auf Grund der sogenannten Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes sind Zivilgerichte daran gehindert, etwas anderes anzunehmen (OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 15.09.2020, 5 U 1331/29, II.2.1. m.w.N.).
b. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagten wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB), sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) oder Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sog. thermischen Fensters gegeben.
(1) Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB. Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum oder ein sonstiges absolutes Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Die gleiche Verpflichtung trifft gemäß § 823 Abs. 2 S. 1 BGB denjenigen, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Bei dem Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein solches Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Betrug im Sinne des § 263 StGB ist die Vermögensschädigung durch Täuschung eines anderen in Bereicherungsabsicht. Er setzt im äußeren Tatbestand eine Täuschungshandlung des Täters, einen Irrtum des Getäuschten, eine Vermögensverfügung des Getäuschten und einen Vermögensschaden des Getäuschten oder eines anderen voraus. Im inneren Tatbestand setzt er den zumindest bedingten Vorsatz voraus hinsichtlich aller Merkmale des äußeren Tatbestandes und des zwischen ihnen notwendigen Kausalzusammenhangs sowie einen erstrebten (nicht notwendig erreichten) rechtswidrigen Vermögensvorteil des Täters oder eines Dritten. Zwischen den Merkmalen des äußeren Tatbestandes muss ein kausaler und funktionaler Zusammenhang und zwischen dem Schaden und dem Vorteil die sogenannte Stoffgleichheit bestehen. Geschütztes Rechtsgut ist dabei ausschließlich das Vermögen; nicht die Redlichkeit im Geschäftsverkehr und auch nicht die Dispositionsfreiheit als solche (vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., Rn. 1, 2 m.w.N.).
Eine vorsätzliche Täuschung im Sinne eines Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB durch die Beklagte vermag das Gericht nicht festzustellen. Die Beklagte müsste zumindest mit Vorsatz hinsichtlich des Vorhandenseins einer unerlaubten Abschalteinrichtung gehandelt haben, und zwar zum Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs (OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.2019, Az.: 5 U 1783/19, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19 mit weiteren Nachweisen), hier also im Jahr 2013. Der heutige Meinungsstand – und insbesondere die heutige Auffassung eines Zivilgerichts – ist dagegen nicht maßgeblich (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19 mit weiteren Nachweisen), ebenso wenig die Auffassung der Generalstaatsanwältin in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache C-693/18 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union am 30.04.2020, wonach die Ausnahmebestimmung des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eng auszulegen sei.
Der Annahme des Vorsatzes steht hier entgegen, dass die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, nämlich Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10, keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste (OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, Az.: 5 U 1670/18, OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.2019, Az.: 5 U 1783/19, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Beklagte konnte vielmehr durchaus annehmen, dass die von ihr gewählte Steuerung der Abgasrückführung jedenfalls dem Grunde nach nicht zu beanstanden sei. Denn die Einstufung einer temperaturabhängigen Abgasrückführungssteuerung als „unzulässige Abschalteinrichtung“ aufgrund der damals geltenden Bestimmungen war nicht derart eindeutig, dass eine andere Auffassung kaum vertretbar erschiene und daraus der Schluss gezogen werden müsste, die Beklagte habe die Unerlaubtheit ihres Vorgehens erkannt und folglich die Typgenehmigungsbehörde – und letztlich auch die Käufer – täuschen wollen (OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, Az.: 5 U 1670/18, OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.2019, Az.: 5 U 1783/19, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die unpräzise Fassung der Ausnahmebestimmung des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 räumt den Motorherstellern möglicherweise einen weiten Ermessensspielraum (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19).
Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Beklagte, wie in der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 in Art. 3 Nr. 9 vorgeschrieben, zur Erlangung der EG-Typgenehmigung Angaben zur Arbeitsweise des zur Erlangung der EG-Typgenehmigung Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems, einschließlich seines Funktionierens bei niedrigeren Temperaturen nebst Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emission gemacht hat, so dass dem Kraftfahrbundesamt bei Erteilung der Typgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate bekannt gewesen sein muss, von ihm aber – offensichtlich – nicht beanstandet worden ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19). Dass die EG-Typgenehmigung trotz Fehlens der vorgeschriebenen Angaben erteilt worden ist, kann ausgeschlossen werden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19). Hätte das Kraftfahrtbundesamt hinsichtlich der Zulässigkeit der u.a. temperaturabhängig gesteuerten Abgasrückführung Bedenken gehegt, so hätte es die Typgenehmigung nicht oder nicht ohne weiteres erteilt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19). Weshalb den verantwortlichen Personen auf Seiten der Beklagten gleichwohl bewusst gewesen sein sollte, dass die von ihnen gewählte Steuerung der Abgasrückführung unzulässig sei, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht aufgezeigt. War aber die Einstufung der temperaturabhängigen Abgasrückführungssteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung aufgrund der damals (2013) geltenden Bestimmungen nicht derart eindeutig, dass eine andere Auffassung kaum vertretbar erschiene, so ist der Schluss nicht gerechtfertigt, die Beklagte habe die Unerlaubtheit ihres Vorgehens erkannt und somit die Typgenehmigungsbehörde und damit auch die Käufer täuschen wollen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19).
(2) Ein Anspruch der Klagepartei aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Artikel 5 Absatz II der VO (EG) Nr. 715/2007 besteht ebenfalls nicht. Artikel 5 Absatz II der VO (EG) Nr. 715/2007 ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Zwar können EU-Verordnungen im Einzelfall grundsätzlich Schutzgesetze gemäß § 823 Abs. 2 BGB darstellen. Im vorliegenden Fall kommt Artikel 5 Absatz II der VO (EG) Nr. 715/2007 jedoch bereits keine individualschützende, das heißt insbesondere das Vermögen Privater schützende Funktion zu. Ausweislich der Erwägungsgründe zu der vorzitierten Verordnung dient diese der Verwirklichung des Binnenmarktes (vergleiche Ziffer 1 der Erwägungsgründe) sowie der Verbesserung der Luftqualität und der Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere zur Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vergleiche Ziffern 5 und 6 der Erwägungsgründe).
(3) Ein Anspruch der Klagepartei aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV besteht ebenfalls nicht. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sind keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Diese Vorschriften der EG-FGV, welche die Richtlinie 2007/46/EG in nationales Recht umsetzen, berücksichtigen nicht den Schutz individueller Interessen, sondern stellen eine (nur) die Allgemeinheit schützende Norm dar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Individualschutz – hier der Schutz des Vermögens des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs – im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften liegt oder aber aus deren Auslegung unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Richtlinie 2007/46/EG folgt.
Aus den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) der Richtlinie 2007/46/EG ergibt sich eindeutig, dass das Ziel der Richtlinie in erster Linie die Vollendung des europäischen Binnenmarktes ist. Überdies sollte sie die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisieren und spezifizieren, wobei diese Rechtsakte vor allem auf hohe Verkehrssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung abzielten. Individualinteressen, vor allem das Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, finden darin keine Erwähnung. Auch sonstige Erwägungsgründe der Richtlinie, insbesondere die unter Nrn. 14 und 17 genannten, betreffen neben den bereits genannten Erwägungsgründen ausschließlich weitere Allgemeingüter, nämlich ein hohes Umweltschutzniveau, den Schutz der Gesundheit und den Schutz der Verbraucher, ohne dass der Vermögensschutz des Einzelnen darin angesprochen wäre.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Zweck der Art. 18 Abs. 1 und 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG selbst, deren Umsetzung die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV dienen. Soweit nach Art. 26 Abs. 1 die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf und die Inbetriebnahme von Fahrzeugen gestatten, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind, zielt dies auf die Erleichterung des Binnenmarktes; Anhaltspunkte dafür, dass die Richtlinie auf den Schutz des Vermögens des Autokäufers abstellt, ergeben sich nicht.
(4) Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich auch nicht aus § 826 BGB. § 826 BGB ist als übergeordnete allgemeine Norm des Schadensrechts grundsätzlich neben anderen Anspruchsgrundlagen innerhalb und außerhalb des BGB anwendbar und ergänzt insoweit die konkreten Tatbestände des § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Teichmann in Jauernig, BGB, 17. Aufl., § 826 Rn. 2). Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen gemäß § 826 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Auch hier gilt, dass die Beklagte zumindest mit Vorsatz hinsichtlich des Vorhandenseins einer unerlaubten Abschalteinrichtung gehandelt haben müsste. Der Annahme des Schädigungsvorsatzes steht jedoch hier wie oben ausgeführt unter B. I. 2. b. (1) entgegen, dass die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste (OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, Az.: 5 U 1670/18, OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.2019, Az.: 5 U 1783/19, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19, jeweils mit weiteren Nachweisen). Da die Einstufung der temperaturabhängigen Abgasrückführungssteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung aufgrund der damals (2013) geltenden Bestimmungen nicht derart eindeutig war, dass eine andere Auffassung kaum vertretbar erschiene, ist der Schluss nicht gerechtfertigt, die Beklagte habe die Unerlaubtheit ihres Vorgehens erkannt und somit die Typgenehmigungsbehörde und damit auch die Käufer täuschen wollen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19).
(5) Ansprüche der Klagepartei gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 826 BGB und gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sind ebenfalls nicht gegeben. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB stellt keine Zurechnungsnorm, sondern einen eigenständigen Haftungstatbestand dar. Der Verrichtungsgehilfe muss den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 826 BGB bzw. des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB erfüllt haben, und zwar rechtswidrig (Sprau in Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 831 Rn 8) sowie auch subjektive Elemente der unerlaubten Handlung, nämlich Vorsatz gemäß § 826 BGB und bei vorsätzlicher Straftat wie hier der des Betrugs im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 831 Rn 8). Auch hier gilt das oben unter B. I. 2. b. (1) Ausgeführte: Der Annahme des Vorsatzes steht jedenfalls entgegen, dass die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste (OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, Az.: 5 U 1670/18, OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.2019, Az.: 5 U 1783/19, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.02.2020, Az.: 5 U 3382/19, jeweils mit weiteren Nachweisen).
II.
Die Nebenforderung sowie die Klageanträge in Ziffern II.-III. teilen das Schicksal des Hauptanspruchs.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.
§ 708 Nr. 11, 2. Alt. ZPO ist hier nicht anwendbar, da die isolierte Kostenvollstreckung € 1.500 überschreitet.


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