Europarecht

Keine Irreführung einer Rechtsanwaltskanzlei durch Beibehaltung des Namens eines ausgeschiedenen früheren Rechtsanwalts

Aktenzeichen  17 HK O 19867/16

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NJOZ – 2017, 1046
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256
UWG § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Bestreitet ein Dritter das Recht einer Rechtsanwaltskanzlei, ihren Namen zu führen, weil dieser irreführend sei, ist eine negative Feststellungsklage zulässig.  (red. LS Dirk Büch)
2 Den Namen eines früheren Partners einer Rechtsanwaltskanzlei nach dessen Ausscheiden weiterhin zu führen, ist im Grundsatz nicht irreführend.  (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Kläger durch die Verwendung der Kanzleibezeichnung „Dr. R. & Kollegen” nicht gegen Wettbewerbsrecht verstoßen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. für die Klagepartei vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig, für die negative Feststellungsklage besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO:
Es besteht ein schutzwürdiges Interesse der Klagepartei an alsbaldiger Feststellung wie beantragt. Denn dem von der Klagepartei behaupteten subjektiven Recht, die Kanzleibezeichnung „Dr. R. & Kollegen“ verwenden zu dürfen, droht eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch, dass der Beklagte dieses Recht ernstlich bestreitet. Darüber hinaus ist das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft auch geeignet, diese Gefahr zu beseitigen. Das Recht die besagte Kanzleibezeichnung verwenden zu dürfen, bestreitet der Beklagte gegenüber der Klagepartei. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ausweislich des Schreibens vom 04.11.2016, Anlage K 1, der Beklagte nicht nur dem Kläger zu 2) (der zugegebenermaßen keinen Doktortitel führt) das Recht abspricht, sich als Doktor zu bezeichnen, sondern er führt in diesem Schreiben eindeutig aus, dass er den Umstand, dass die Partnerschaftsgesellschaft den Namen Dr. R. & Kollegen führt, als wettbewerbswidrig ansieht. Darüber hinaus hat in diesem Schreiben der Beklagte von der Klagepartei die Vorlage einer Gestattung der Rechtsanwaltskammer München verlängt und darüber hinaus die Rechtsanwaltskammer München eingeschaltet (Anlage K 4, Schreiben vom 15.11.2016) und die Rechtsanwaltskammer ersucht, das Notwendige zu erlassen und die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens angeregt.
Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Beklagte das Recht der Klagepartei zu der Namensführung „Dr. R. & Kollegen“ ernstlich bestreitet, woraus sich eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit der Klagepartei im Zusammenhang mit dieser Namensführung ergibt. Das begehrte Feststellungsurteil ist auch geeignet, bei vorliegender Rechtskraft diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen, weil dann rechtskräftig feststeht, dass die Verwendung der Kanzleibezeichnung durch die Klagepartei nicht gegen Wettbewerbsrecht verstößt.
Das Rechtsschutzbedürfnis besteht bezüglich beider Kläger. Der Kläger zu 2) ist unbestritten nach wie vor für die Kanzlei unter, deren Kanzleibezeichnung tätig, der Kläger zu 2) wird von dem Verhalten des Beklagten somit in einer Rechtstellung unmittelbar berührt. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klagepartei zu 1) ist gegeben, weil in dem Schreiben vom 04.11.2016 (Anlage K 1) der Beklagte nicht nur dem Kläger zu 2) das Recht die Bezeichnung „Dr. R. & Kollegen“ führen zu dürfen, abgesprochen hat, sondern auch der Klagepartei zu 1) und diese somit in einer Rechtstellung unmittelbar berührt wird.
B.
Die Klage erweist sich auch als begründet. Die Klagepartei verstößt durch die Verwendung der Kanzleibezeichnung „Dr. R. & Kollegen“ nicht gegen Wettbewerbsrecht. Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise durch die Verwendung dieser Kanzleibezeichnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG liegt nicht vor.
Den angesprochenen Verkehrskreisen, Personen, die Rechtsberatung suchen, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, ist bekannt, dass es allgemeiner Übung entspricht, dass Rechtsanwaltskanzleien als Kurzbezeichnung Namen auch von solchen Rechtsanwälten führen, die nicht mehr aktiv in der Kanzlei tätig sind, sowie dass dies allgemeine Praxis ist.
Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise liegt deshalb nicht vor, weil die Kläger auf ihrem Kanzleibriefkopf ausdrücklich und zweifelsfrei deutlich und erkennbar machen, dass der Namensgeber der verwendeten Kurzbezeichnung Dr. H. R. im Jahre 1994 aus der Kanzlei ausgeschieden ist. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist somit zweifelsfrei erkennbar, dass es sich bei dem in der Kanzleibezeichnung aufgeführten Dr. R. um eine früheren Namensgeber dieser Kanzlei handelt, der aus dieser ausgeschieden ist.
Darüber hinaus liegt eine Irreführung auch deshalb nicht vor, weil sämtliche Partner der Partnerschaftsgesellschaft promoviert haben und folglich berechtigt einen Doktortitel führen. Die Kurzbezeichnung von Rechtsanwaltskanzleien kann verliehene akademische Grade und Titel enthalten, auch wenn es sich dabei eigentlich um personenbezogene Qualifikationen oder Ehrenzeichen handelt. Wenn die Kurzbezeichnung einen akademischen Grad enthält, die Berufsausübungsgemeinschaft nach dem Ausscheiden des namensgebenden Dr. aber nicht nur von Nicht-promovierten Anwälten weitergeführt wird, muss zur Vermeidung einer Irreführung entweder der akademische Grad aus der Kurzbezeichnung genommen werden oder die Kurzbezeichnung mit einem Nachfolgezusatz versehen werden (vgl. Hartung/Scharmer, BORA/FAO, Kommentar 6. Aufl., Rdn. 29 zu § 9 BORA).
Mit dem Doktortitel verbinden die angesprochenen Verkehrskreise eine besondere Befähigung. Nachdem aber unbestritten die derzeitigen Partner der Gesellschaft den Doktortitel berechtigt führen, wird eine Irreführung über diese Befähigung nicht herbeigeführt.
Somit verstößt die Verwendung der Kanzleibezeichnung „Dr. R. & Kollegen“ durch die Kläger nicht gegen Wettbewerbsrecht, so dass der geltend gemachte Feststellungsanspruch auch begründet ist.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 2 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben