Europarecht

Keine systemischen Mängel in Frankreich

Aktenzeichen  M 25 S 16.51232

Datum:
19.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25
GRCh GRCh Art. 4

 

Leitsatz

1 Der Überstellung der Antragstellerin nach Frankreich steht nicht das Hindernis systemischer Mängel entgegen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine ärztliche Bescheinigung, die keine ausreichenden Ausführungen zu den tatsächlichen Umständen, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, der Methode der Tatsachenerhebung, der fachlich-medizinischen Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), dem Schweregrad der Erkrankung sowie den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthält, ist nicht geeignet, ein krankheitsbezogenes Abschiebungsverbot zu tragen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die am … 1977 geborene Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung in die Republik Frankreich (im Folgenden: Frankreich) im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens.
Die Antragstellerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, reiste nach eigenen Angaben am 18. Februar 2016 in das Bundesgebiet ein.
Am 28. Juni 2016 stellte sie Asylantrag (Behördenakte, Bl. 4).
Ermittlungen ergaben einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Frankreich, die Antragstellerin hatte bereits in Frankreich Asyl beantragt (Behördenakte, Bl. 31).
Am 28. August 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Wiederaufnahmeersuchen an die Französischen Behörden unter Berufung auf das Eurodac-Ergebnis gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl EU Nr. L 180 S. 31; Dublin-III-Verordnung) (Behördenakte, Bl. 32 ff.).
Bei der Anhörung am 24. Oktober 2016 (Behördenakte, Bl. 44 ff.) teilte die Antragstellerin unter anderem mit, dass sie keine Krankheiten habe (Behördenakte, Bl. 51).
Am 2. September 2016 antworteten die französischen Behörden auf das Wiederaufnahmegesuch und stimmten ihm nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-Verordnung zu (Behördenakte, Bl. 56).
Bei der Zweitbefragung am 8. November 2016 trug die Antragstellerin vor, dass sie spirituelle Probleme habe (Behördenakte, Bl. 62). Vor ihrer Ankunft habe sie Probleme mit ihren beiden Händen gehabt. Sie habe über ihre Probleme bereits in der Anhörung gesprochen. Sie habe keinen Unfall gehabt, sie kenne die Ursachen nicht. Sie sei im Krankenhaus gewesen, dort sei keine Krankheit festgestellt worden. Man vermute, dass die Probleme spirituell seien. Sie habe ihre Hand nicht bewegen können. Ihre Hand sei nicht gebrochen gewesen, sie sei geschwollen und rötlich gewesen. Dasselbe Problem sei auch mit ihrem rechten Ohr passiert. Sie habe bei einem Berater für den morgigen Tag einen Termin. Die Antragstellerin zeigte Fotos von ihrer Hand. Sie führte weiter aus, dass sie in ärztlicher Behandlung sei. Auf die Frage, ob ärztliche Atteste oder Nachweise vorlägen, antwortete die Antragstellerin: „Nein, nicht dabei“. Auf die Frage, welche Medikamente erforderlich seien, antwortete sie: „ja, aber ich kann mich nicht erinnern.“ Die Antragstellerin wurde daraufhin aufgefordert, innerhalb von drei Tagen die Atteste vorzulegen. Weiter gab sie an, nicht nach Frankreich überstellt werden zu wollen. Ihr Asylantrag in Frankreich sei abgelehnt worden. Wenn sie zurückgehe, werde es problematisch für sie. Sie bevorzuge Deutschland.
Am 10. November 2016 ließ die Antragstellerin zwei ärztliche Bescheinigungen vorlegen. Nach der ärztlichen Bescheinigung vom … November 2016 habe sich die Antragstellerin am … Oktober 2016 wegen ausgeprägter Gelenksschwellungen in Behandlung gefunden und sei zu einer fachärztlichen Untersuchung überwiesen worden (Behördenakte, Bl. 70). Laut dem ärztlichen Bericht vom … November 2016 sei zu diagnostizieren: Tendovaginitis Handgelenk rechts, V.a. Ganglion am Handgelenk links (Behördenakte, Bl. 71).
Mit angegriffenem Bescheid vom 18. November 2016 ordnete die Antragsgegnerin Folgendes an (Behördenakte, 52 ff.):
„1. Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt.
2. Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
3. Die Abschiebung nach Frankreich wird angeordnet.
4. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass der Asylantrag gemäß § 29 AsylG unzulässig sei, da Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen. Der Asylantrag werde in der Bundesrepublik Deutschland daher nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Frankreich beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es lägen keine Abschiebungshindernisse oder Gründe für ein etwaiges Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland und auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Speziell zu den vorgetragenen Problemen der Antragstellerin führte die Antragsgegnerin Folgendes aus (Behördenakte, Bl. 75): Die Antragstellerin habe im Rahmen der Zweitbefragung vorgetragen, dass sie spirituelle Probleme, sowie Probleme mit ihren beiden Händen gehabt habe. Die Antragstellerin habe ein ärztliches Attest vom … Noember 2016 vorgelegt. Ergänzend sei ein Scheiben eingereicht worden, dass die Antragstellerin wegen ihres Problems mit Voodoo /Juju die Fachberatungsstelle … … … besuche. Aufgrund fehlender Vollmacht und wegen eines fehlenden aussagekräftigen medizinischen Gutachtens könne letzteres Vorbringen nicht berücksichtigt werden. Eine Reiseunfähigkeit könne daher nicht festgestellt werden. Des Weiteren habe die Antragstellerin vorgetragen, dass ihr Asylantrag in Frankreich angelehnt worden sei. Die Antragstellerin kenne kein anderes europäisches Land und bevorzuge Deutschland. Sie wolle, dass ihr Asylantrag nicht abgelehnt werde, und wolle ein Bleiberecht in Deutschland haben, damit sie frei leben könne. Außerdem hat die Antragstellerin vorgetragen, dass sie nichts gegen andere europäischen Länder habe. Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Gründe, die einer Überstellung nach Frankreich entgegenstehen könnten, seien weder vorgetragen noch aus dem Akteninhalt ersichtlich. Der Bescheid wurde am 5. Dezember 2016 zugestellt.
Am 12. Dezember 2016 ließ die Antragstellerin Klage erheben und beantragen,
„die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin eingelegten Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.11.2016, Az. … anzuordnen und die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.“
Zur Begründung verwies der Prozessbevollmächtigte zunächst auf den beigefügten ärztlichen Bericht vom 2. Dezember 2016:
„Diagnosen:
paranoide Schizophrenie
DD psychotische Störung unklarer Zuordnung gestellt.
Anamnese:
Die 39-jährige, aus Nigeria stammende Patienten berichtet, dass sie immer wieder Gestalten sieht, die keine menschlichen Wesen sind, rot oder weiß bekleidet, sehr bedrohlich, die sie mitnehmen möchten und zu ihr greifen. Sie habe sogar am Unterarm eine Bissverletzung gehabt, die von diesen Gestalten stamme. Sie kann nicht schlafen, weil sie Angst hat, dass diese Wesen in der Nacht zu ihr kommen. Auch hören sie, was sie sagt. Eine Schwester der Antragstellerin habe eine ähnliche Symptomatik gehabt und sei mit 46 Jahren verstorben. Neulich haben diese Wesen auch ein Riesenloch in der Straße gegraben, damit sie da hineinfällt. Die Symptomatik sei vor zwei Jahren erstmalig aufgetreten (…).
Psychopathologischer Befund:
Im Kontakt angespannt wirkende Patientin. Der Gedankengang ist durch Wahnvorstellungen mit optischen Halluzinationen und Zoenästhesien geprägt. Die Stimmung ist ängstlich.
Beurteilung:
Es handelt sich um eine paranoide Symptomatik, die differenzialdiagnostisch im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie oder einer Folge von traumatischen Erlebnissen sein kann. Eine Behandlung mit Antipsychiotika wurde in die Wege geleitet. Um die Patientin nicht weiter zu destabilisieren, ist es wichtig dass sie sich im Alltag sicher fühlt. Dazu gehört nicht nur ein sicherer Aufenthaltsort, sondern auch vertrauensvolle Personen, die sie unterstützen. Eine kontinuierliche psychiatrische Behandlung ist unbedingt notwendig.
Procedere:
Risparidon 0 – 0 – 1 mg
Ein Wiedervorstellungstermin wurde vereinbart, da die mit Medikation wahrscheinlich weiter erhöht werden muss.“
Bedauerlicherweise habe die psychiatrische, auch die medikamentöse antipsychotische Behandlung erst kurzfristig aufgenommen werden können da die Antragstellerin wohl zu einem früheren Zeitpunkt noch kein Arzt aufgesucht habe. Derzeit werde die Antragstellerin im Rahmen der am 1. Dezember 2016 eingeleiteten Therapie behandelt und von der Fachberatungsstelle … … engmaschig unterstützt. Diese medizinische und anderweitige Unterstützung dürfe ausweislich des Arztberichts nicht unterbrochen werden. Die Abschiebung der Antragstellerin nach Frankreich sei mit einer unmittelbaren und erheblichen Gefahr für Leib und Leben verbunden. Es läge ein Abschiebungsverbot vor. Zudem wies der Prozessbevollmächtigte vorsorglich darauf hin, dass die Beauftragung erst extrem kurzfristig erfolgt sei. Hierbei spiele wohl auch die Erkrankung der Antragstellerin eine Rolle. Er beantragte daher Akteneinsicht in die Verfahrensakte und teilte mit, dass er gleichzeitig auch bei der Antragsgegnerin um Akteneinsicht gebeten habe. Da die Akteneinsicht dort häufig erst nach mehreren Wochen erfolge, bat er, nicht vor der Akteneinsicht oder nur nach vorheriger Ankündigung und Gelegenheit zu weiteren Ausführungen zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 teilte das Verwaltungsgericht dem Prozessbevollmächtigten mit, dass der Antrag am 12. Dezember 2006 eingegangen sei. Wenn Akteneinsicht gewünscht werde, werde darum gebeten mit der Geschäftsstelle des Gerichts telefonisch Kontakt aufzunehmen.
Mit Schreiben ebenfalls vom 16. Dezember 2016 teilte das Verwaltungsgericht dem Prozessbevollmächtigten zudem mit, dass die Behördenakten in elektronischer Form eingegangen seien und dass eine Akteneinsicht bis zum 4. Januar 2017 zu erfolgen habe, da ab diesem Zeitpunkt eine Entscheidung avisiert sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Es bestehen keine erheblichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Die Antragsgegnerin hat nach den vorliegenden Unterlagen die Abschiebung nach Frankreich zutreffend nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG angeordnet.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verweist auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG und verpflichtet das Bundesamt, in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Für die Prüfung des auch in Deutschland gestellten Asylantrags ist Frankreich gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung zuständig. Die Antragsgegnerin hat Frankreich, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-III-Verordnung, innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung, gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung um Wiederaufnahme ersucht. Frankreich hat innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auf das Wiederaufnahmegesuch geantwortet und ihm, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-III-Verordnung, zugestimmt. Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung ist auf Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b), c) oder d) Dublin-III-Verordnung anwendbar.
Die Antragsgegnerin ist damit grundsätzlich nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Frankreichs den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
b) Grundsätzlich gilt die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründende Vermutung, dass die Behandlung der Asylsuchenden in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK in Einklang steht.
Nur wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU–Grundrechte-Charta mit sich bringen, setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Der Überstellung der Antragstellerin nach Frankreich steht nicht das Hindernis systemischer Mängel entgegen. Systemische Mängel sind bislang nicht vorgetragen und derzeit auch nicht anderweitig ersichtlich. Frankreich ist bislang im Dublin-III-Verfahren nicht auffällig in Erscheinung getreten. Antragstellern, die zu einem besonders vulnerablen Personenkreis gehören – so man dies an dieser Stelle als wahr unterstellt –, kommt in Frankreich besonderer Schutz zu.
c) Auch ein Abschiebungsverbot ist nicht ersichtlich.
Eine die Abschiebung hindernde Erkrankung ist nicht glaubhaft gemacht.
Zum einen steht der Vortrag im Widerspruch zu den Aussagen der Antragstellerin bei der ersten Anhörung am 24. Oktober 2016. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie keine Krankheiten habe (Behördenakte, Bl. 51). Diese Aussagen liegen kaum drei Monate zurück. Diesen offenkundigen Widerspruch hat die Antragstellerin auch nicht aufgeklärt. Die am 10. November 2016 vorgelegten ärztlichen Atteste betreffen allein körperliche Beschwerden.
Zum anderen trägt auch das in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals vorgelegte ärztliche Attest ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis nicht. Eine ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Dabei ist voranzustellen, dass die Diagnose einer „psychotische Störung von unklarer Zuordnung“ äußerst vage ist. Diese erhellt sich auch nicht näher durch die Beurteilung einer „paranoiden Symptomatik“. Ursachen werden lediglich als Möglichkeit („sein kann“) hingestellt. Auch der psychopathologische Befund, der – neben der Prägung durch die in der Anamnese genannten Vorstellungen – von Angespanntsein und Ängstlichkeit spricht, beschreibt im Wesentlichen eine Person, die in der Situation ist, aus Deutschland abgeschoben zu werden. Insgesamt trifft der ärztliche Bericht keine Aussage zu dem Schweregrad der Erkrankung. Die Methode der Tatsachenerhebung legt der ärztliche Bericht ebenfalls nicht offen.
Der ärztliche Bericht bleibt schließlich auch in Bezug auf die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, hinter den rechtlichen Anforderungen zurück. Hierbei ist wesentlich, dass der ärztliche Bericht aus den getroffenen Feststellungen gerade nicht die Reiseunfähigkeit schlussfolgert. Gefahren für Leib und Leben werden nicht erwähnt. Die Schlussfolgerung hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin vorgenommen. Der ärztliche Bericht beschränkt sich darauf, die Bedeutung von Sicherheit im Alltag für die Antragstellerin zu unterstreichen. Genauso wenig ist dargetan oder anderweitig ersichtlich, dass Frankreich nicht ein solcher sicherer Aufenthaltsort allgemein ist und für die Antragstellerin auch sein kann. Es ist auch weder dargetan noch anderweitig erkennbar, dass es in Frankreich keine vertrauensvollen Personen gibt, welche die Antragstellerin unterstützen können. Der ärztliche Bericht hat den Begriff der „Vertrauensperson“ vermieden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass, woraufhin der Prozessbevollmächtigte selbst hingewiesen hat, die Antragstellerin sich anscheinend erstmals am 1. Dezember 2016 kurzfristig in eine psychiatrische Behandlung begeben hat. Insoweit unterbricht eine Ausreise auch keine relevante bereits seit Langem bestehende kontinuierliche Behandlung. Es ist nicht ersichtlich, dass in Frankreich eine solche kontinuierliche psychiatrische Behandlung nicht möglich ist.
3. Gelegenheit zur Akteneinsicht wurde gewährt. Dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der zuständigen Geschäftsstelle in Verbindung gesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Auch wurde angekündigt, dass mit einer Entscheidung ab dem 4. Januar 2017 zu rechnen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
4. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben