Europarecht

Leistungen, Krankenversicherung, Versorgung, Bescheid, Genehmigung, Auswahlverfahren, Vertragsarzt, Vergleich, Krankenkasse, Absenkung, Zeitpunkt, Beteiligung, Leistung, Befruchtung, gesetzlichen Krankenversicherung, Sinn und Zweck, kein Anspruch

Aktenzeichen  S 38 KA 621/17

Datum:
7.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23875
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Die Mitwirkung eines sogenannten Beratergremiums bei der Genehmigung nach § 121a SGB V ist dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein solches Gremium dem Entscheidungsträger nur beratend zur Seite steht, dessen Beurteilung von der zuständigen Behörde nicht ungeprüft übernommen wird und es sich somit um dessen ureigene Entscheidung handelt.
2. Eines Ausschreibungsoder Nachbesetzungsverfahrens bei Genehmigungen nach § 121a SGB V, einem Verfahren „sui generis“ entsprechend § 103 Abs. 3 a SGB V bedarf es nicht.
3. Die Regelung des § 121a SGB V verstößt nicht gegen die sogenannte Wesentlichkeitstheorie als Ausfluss des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 GG). Es ist generell zulässig, wenn „Grundsätze für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung der künstlichen Befruchtung“ (zuletzt in der Fassung vom 01.05.2020) aufgestellt werden und sich der Entscheidungsträger daran orientiert. Hierbei handelt es sich um „gesetzesauslegende und norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zum in § 121a Abs. 1, Abs. 2 SGB V enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der Bedarfsgerechtigkeit“ (vgl. BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/19).
4. Sinn und Zweck von § 121a SGB V zum Zeitpunkt der Einführung der Vorschrift im Jahr 1990 war, es solle einer Entwicklung vorgebeugt werden, die zu einem Absinken der Indikationsschwelle führe (BT-Drucks. 11/6760 zu Nummer 6). Diesem Aspekt wird heute zumindest nicht mehr die Bedeutung beizumessen sein, wie dies damals der Fall war (Einführung der Kryokonservierung in § 27a Abs. 4 SGB V als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung; Förderung der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung entsprechend der Bundesrichtlinie und der Landesrichtlinie).
5. Zum Kriterium der „Bedarfsgerechtigkeit“ gehört auch, dass die Einrichtung entsprechend leistungsfähig ist, damit ein hoher Qualitätsstandard (zu messen an der Erfolgsquote) erreicht wird. Dies ist in der Regel bei Einrichtungen der Fall, die eine ausreichend hohe Anzahl an Behandlungszyklen erbringen.
6. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken Planungsbereiche mit einem Radius von 80 km festzulegen.
7. Werden für die Ermittlung des Bedarfs allgemeine Verhältniszahlen zugrunde gelegt, müssen diese den aktuellen Bedarf widerspiegeln. Das Abstellen auf den Stichtag 31.12.1998 wird dem seither eingetretenen Zuwachs an Leistungen der künstlichen Befruchtung nicht gerecht.
8. Grundsätzlich ist bei Planungen für Einrichtungen der künstlichen Befruchtung darauf zu achten, dass diese flächendeckend (Art. 3 Abs. 2 S. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern) sind. Ergibt sich aber in einem Planungsraum ein Bedarf, in dem bereits eine gute Versorgung besteht, kann eine Genehmigung nach § 121a SGB V nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Versorgung in anderen Regionen deutlich schlechter ist und an sich in erster Linie dort zusätzliche Versorgungsangebote zu schaffen wären.

Tenor

I. Der Bescheid des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 23.10.2017 in Gestalt des Bescheides vom 13.12.2018, betreffend Frau R. und der Bescheid des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 13.12.2018, betreffend Herrn M. werden aufgehoben, soweit den Anträgen der Kläger nach § 121 a SGB V nicht stattgegeben wurde.
II. Der Beklagte wird verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist sowohl, was den Hauptantrag, als auch den Hilfsantrag betrifft, zulässig, jedoch lediglich hinsichtlich des Hilfsantrages als begründet anzusehen.
Die Entscheidung erfolgte durch die Kammer mit der Kammerbesetzung, bestehend neben dem Vorsitzenden aus einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und aus einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Ärzteschaft. Die Kammerbesetzung entspricht daher den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.06.2013, Az B 6 KA 28/12 R).
Die ursprüngliche Klage richtete sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.10.2017, betreffend Frau R. Nachdem der Beklagte für Frau R einen neuen Bescheid mit Datum vom 13.12.2018 erlassen hat, ist dieser nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Einer Erklärung, ob es sich um eine zulässige Klageänderung im Sinne von § 99 SGG handelt, bedarf es somit nicht. Zumal M., der ebenfalls in dem Zentrum zusammen mit Frau R. tätig werden soll bzw. dort bereits tätig ist (Behandlung von Patienten außerhalb der GKV), einen inhaltsgleichen Bescheid erhalten hat, erschien es angezeigt, auch hierüber zu entscheiden und zwar im Wege einer subjektiven und objektiven Klagehäufung nach § 99 SGG, die als sachdienlich zu betrachten war. Abgesehen davon erklärten die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit der Klageänderung.
In dem Verfahren ist zu klären, ob die Bescheide des Beklagten vom 13.12.2018, betreffend R. und M. rechtmäßig sind und die Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach § 121a SGB V haben.
Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Genehmigung ist § 121a SGB V i.V. m. den „Grundsätzen für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung der künstlichen Befruchtung“. Die Durchführung von künstlichen Befruchtungen steht unter einem Genehmigungsvorbehalt (§ 121a Abs. 1 SGB V). Voraussetzung ist, dass 1. die in Abs. 1 Satz 1 genannten Ärzte und ärztlichen Einrichtungen über die für die Durchführung der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und 2. diese die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) bieten. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach 1. ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Strittig ist dagegen, ob die Einrichtung die Gewähr für eine bedarfsgerechte Durchführung von Maßnahmen … bietet.
Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages (Anfechtung der Verwaltungsakte, sowie Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 121a SGB V) unbegründet. Denn dem Beklagten steht ein Beurteilungsspielraum zu, was die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 121a Abs. 2 Ziff. 2 SGB V) betrifft, der von den Gerichten nur eingeschränkt überprüfbar ist (BSG, Beschluss vom 11.02.2015, Az B 6 KA 43/14 B; BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az B 6 KA 5/13 R). Das Gericht kann nicht seinerseits anstelle des Beklagten den Beurteilungsspielraum ausüben und den ausschließlich dem Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraum ersetzen. Die Klage ist jedoch hinsichtlich des Hilfsantrags (Anfechtung der Verwaltungsakte, sowie Verpflichtung des Beklagten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden) als begründet anzusehen.
Die Bescheide sind nicht deshalb formell rechtswidrig, weil im Vorfeld ein sogenanntes Beratergremium mitgewirkt hat. Ein solches ist zwar weder im Gesetz (§ 121a SGB V), noch in den „Grundsätzen für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtung“ vorgesehen. Gleichwohl ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein solches Gremium dem Entscheidungsträger beratend zur Seite und auf diese Weise zusätzlicher Sachverstand zur Verfügung steht. Die Klägerseite hat zwar geltend gemacht, in diesem Gremium seien Personen aus dem niedergelassenen Bereich (Personen aus bereits bestehenden und nach § 121a SGB V genehmigten Zentren) vertreten. Wäre dies der Fall, kann nicht ausgeschlossen werden, dass deren subjektive Interessen im Vordergrund stehen und diese nicht daran interessiert sind, dass durch die Etablierung neu nach § 121a SGB V genehmigter Zentren eine zusätzliche Konkurrenz geschaffen wird. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass Gesichtspunkte und Bewertungen des Beratungsgremiums ungeprüft vom Beklagten übernommen wurden und dass es sich bei den Entscheidungen des Beklagten nicht um dessen ureigene Entscheidungen handelt. Insofern ist es zwar nicht unproblematisch für eine beratende und zugleich objektiv ausgewogene Tätigkeit, aber doch unschädlich, wenn dem Beratergremium Personen aus dem niedergelassenen Bereich (Personen aus bereits bestehenden und nach § 121a SGB V genehmigten Zentren) angehören. Dies hat auch der Beklagte erkannt. In der mündlichen Verhandlung am 07.07.2021 hat dieser vorgetragen, die Besetzung des Beratergremiums sei mittlerweile so, dass eine Interessenkollision nicht zu befürchten sei.
Dass es für das Verfahren, betreffend Genehmigungen nach § 121a SGB V kein Ausschreibungsoder Nachbesetzungsverfahren entsprechend § 103 Abs. 3 a SGB V gibt, erscheint ebenfalls rechtlich unbedenklich. Denn es handelt sich hierbei um ein Verfahren, das zwar einem Zulassungsverfahren ähnelt, jedoch als Verfahren „sui generis“ zu betrachten ist. Im Übrigen sieht das Gesetz auch für Ermächtigungen nach § 116 SGB V kein Ausschreibungsund Nachbesetzungsverfahren vor. Darüber hinaus ist eine grundgesetzwidrige Berufszugangsbeschränkung (Art. 12 Grundgesetz) nicht erkennbar.
Was die materielle Rechtmäßigkeit betrifft, kann nicht eingewandt werden, § 121a SGB V sei nicht hinreichend bestimmt. Es gilt zwar grundsätzlich die sogenannte Wesentlichkeitstheorie als Ausfluss des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 GG). Danach muss der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (BVerfGE 77,170/230; Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 16. Aufl., Rn 72 zu Art. 20). Zu der Regelung des § 121a SGB V hat das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber rechtlich nicht gehalten war, die Kriterien für eine Bedarfsprüfung im Einzelnen vorzugeben. Vielmehr könne auf die für die Bedarfsbeurteilung etwa bei der Erteilung einer Ermächtigung oder der Genehmigung einer Zweigpraxis entwickelten Prüfungsgesichtspunkte zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az B 6 KA 5/13 R). Ferner hat das Bundessozialgericht, wenn auch in anderem Zusammenhang (§ 119 SGB V) die Auffassung vertreten, die erforderlichen Vorgaben müssten sich nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Es genüge, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen ließen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte (BSG, Urteil vom 17.02.2016, Az B 6 KA 6/15 R).
Insofern ist es zulässig, dass der Beklagte für die Auslegung von § 121a SGB V „Grundsätze für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung der künstlichen Befruchtung“ (zuletzt in der Fassung vom 01.05.2020) aufgestellt hat und sich daran orientiert. Hierbei handelt es sich um „gesetzesauslegende und norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zum in § 121a Abs. 1, Abs. 2 SGB V enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der Bedarfsgerechtigkeit (BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/19). Mit dem Bayerischen Landessozialgericht bestehen dagegen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, ermöglichen die Grundsätze … ein einheitliches Verwaltungshandeln.
Außerdem führte das Landessozialgericht in der letztgenannten Entscheidung aus, ein Verstoß gegen Art. 12 GG liege nicht vor. Die Vorschriften über die Zulassungsbeschränkungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung seien als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren, denen keine eine Berufswahl nahekommende Bedeutung zukomme. Allerdings hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az B 6 KA 5/13 R) darauf hingewiesen, eine reproduktionsmedizinisch ausgerichtete Praxis unterscheide sich so deutlich von einer gynäkologischen Praxis ohne diesen Schwerpunkt, dass die tatsächlichen Auswirkungen einer Genehmigung denen einer Statusentscheidung nahe kämen. Es werde dem Vertragsarzt oder dem MVZ nicht nur ein zusätzlicher Leistungsbereich öffnet, sondern eine qualitativ andersartige Teilnahmemöglichkeit. Gleichwohl sind Genehmigungen nach § 121a SGB V nicht der Berufswahl zuzuordnen, sondern der Kategorie der berufswahlnahen Rechtspositionen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2012, Az L 5 KA 2791/12). Einschränkungen sind somit zulässig, soweit sie durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind.
Bei dem Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit steht der zuständigen Behörde ein der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu (BSG, Beschluss vom 11.02.2015, Az B 6 KA 43/14 B; BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az B 6 KA 5/13 R).
Sinn und Zweck von § 121a SGB V zum Zeitpunkt der Einführung der Vorschrift im Jahr 1990 war, es solle einer Entwicklung vorgebeugt werden, die zu einem Absinken der Indikationsschwelle führe (BT-Drucks. 11/6760 zu Nummer 6). Diesem Aspekt wird heute zumindest nicht mehr die Bedeutung beizumessen sein, wie dies damals der Fall war. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 27a Abs. 4 SGB V die Kryokonservierung als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt hat und insbesondere nunmehr eine bundesweite und landesweite Förderung der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch den Staat erfolgt, ist zu schließen, dass der Gesetzgeber Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sogar befürwortet und das ursprüngliche Ziel in diesem Lichte zu relativieren ist. Dennoch ist das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit nach wie vor zu beachten, da es zu den Genehmigungsvoraussetzungen in § 121a SGB V gehört. Die in diesem Zusammenhang vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 05.12.2012, Az L 5 KA 2791/12) vertretene Auffassung, mit der Formulierung „Gewähr für die bedarfsgerechte Durchführung“ habe der Gesetzgeber die Genehmigung nicht davon abhängig gemacht, dass ein von den bereits praktizierten Genehmigungsinhabern nicht gedeckter Versorgungsbedarf bestehe und der Genehmigungspflicht damit ausschließlich der Gedanke des Patientenschutzes zugrunde liege, wurde vom Bundessozialgericht in der nachfolgenden Revisionsentscheidung (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az B 6 KA 5/13 R) nicht geteilt. Zur Begründung führte das BSG aus, das Merkmal bedarfsgerecht stehe im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers (Verhinderung des Absenkens der Indikationsschwelle für Maßnahmen der Reproduktionsmedizin; Gesetz vom 26.06.1990 (BGBl I S. 1211)) in untrennbarem Zusammenhang mit der Zahl der Leistungserbringer. Nach der Begründung der Vorschrift habe die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung die Bedarfssituation und den Grundsatz der Vielfalt der Einrichtungsträger zu berücksichtigen.
Zum Kriterium der „Bedarfsgerechtigkeit“ gehört zunächst auch, dass die Einrichtung entsprechend leistungsfähig ist. Wie das BRZ in seinem Antwortschreiben vom 19.07.2019 unter Hinweis auf das D.I.R.-Jahrbuch 2017 ausgeführt hat, ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Erfolgsrate und der Anzahl der Behandlungszyklen. Viele Behandlungszyklen fänden in großen Zentren statt, weshalb dort die Erfolgsquote höher sei (32,8%). Es ist daher darauf zu achten, dass ausreichend leistungsfähige Zentren entstehen, die aufgrund der Anzahl der Zyklen die Gewähr dafür bieten, dass ein hoher Qualitätsstandard (zu messen an der Erfolgsquote) erreicht wird. Das Entstehen von vielen kleinen Einrichtungen auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung würde deshalb dem Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit nicht gerecht werden. Das Zentrum der Kläger ist jedoch nicht als kleines Zentrum einzustufen. Die Anzahl der Behandlungszyklen liegt, den unwidersprochenen Angaben der Kläger zufolge, im Mittelfeld. Insoweit ist die Einrichtung der Kläger als „bedarfsgerecht“ anzusehen.
Die eigentliche Bedarfsfeststellung hat der Beklagte auf der Grundlage seiner von ihm festgelegten „Grundsätze für Genehmigungen nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtung“ getroffen. Danach (II. Ziff. 1. bis 5.) werden allgemeine Verhältniszahlen und örtliche Verhältniszahlen gebildet und diese miteinander verglichen. Ein Gebiet gilt dann als überversorgt, wenn die örtliche Verhältniszahl um 15% kleiner ist, als die allgemeine Verhältniszahl (das wäre bei Zahlen unter 766.280 der Fall).
Was die Berechnung der örtlichen Verhältniszahl betrifft, ist diese grundsätzlich nicht zu beanstanden. Unter II. Ziff. 1 der Grundsätze für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen werden die Planungsräume mit einem Radius von jeweils 80 km abgegrenzt (Radius = zumutbare Anfahrtsstrecke). In diesen Bereichen seien keine weiteren neuen Zentren mehr zuzulassen, falls dort eine ausreichende Versorgung sichergestellt sei. Damit soll im Hinblick auf die Gewährleistung der Bedarfsgerechtigkeit sichergestellt werden, dass eine Überversorgung in einzelnen Regionen nicht stattfindet, während andere Gebiete unterversorgt sind (BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/90). Gegen eine solche Festlegung (80 km-Radius) bestehen keine rechtlichen Bedenken, wie auch das Bayerische Landessozialgericht ausgeführt hat. Denn es handelt sich auch hier eine Bedarfsplanung, sodass die im Zusammenhang mit anderen Bedarfsplanungen entwickelten Grundsätze zumindest ergänzend herangezogen werden können. Bei der Bedarfsplanung gilt allgemein, je spezieller die Leistungen sind, umso längere Anfahrtswege sind den Patienten zuzumuten, um die Angebote wahrzunehmen. Entsprechend groß sind die Planungsbereiche bzw. Planungsräume. Die Größe der Planungsbereiche orientiert sich nach § 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie an den Versorgungsebenen. Beispielsweise ist für die gesonderte fachärztliche Versorgung Planungsbereich der Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (§ 14 Abs. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Es dürfte unbestritten sein, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht zur allgemeinen Versorgung, sondern zu einer speziellen Versorgung gehören. Deshalb ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Planungsbereich/Planungsraum mit einem Radius von 80 km in den Grundsätzen festgelegt wird. Der Beklagte kam so zum Ergebnis einer örtlichen Verhältniszahl von 540.775 pro Zentrum unter Berücksichtigung der Einwohner aus M, den Landkreisen B, D, E1, E2, F1, F2, L, Landkreis M, P, S und W (Einwohnerzahl: 3.274.650) und der Berücksichtigung von insgesamt sechs vorhandenen Zentren. Da aber die Übertragung der Genehmigung der L auf die T außen vor bleiben muss, weil sie nicht zustande gekommen ist, sind nur fünf Zentren zugrunde zu legen, so dass sich dann die örtliche Verhältniszahl auf 664.850 erhöht (BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/90).
Dagegen erscheint die Berechnung der allgemeinen Verhältniszahl äußerst problematisch. Denn es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die verwendete allgemeine bundesweite Verhältniszahl geeignet ist (II. Ziff. 2 und 3 der Grundsätze), in den Vergleich einbezogen zu werden. Entscheidend muss sein, dass diese den aktuellen allgemeinen Bedarf widerspiegelt. Wie sich aus den Grundsätzen ergibt, wurde für die Ermittlung der bundesweiten Verhältniszahl als Stichtag der Stand der Versorgung am 31.12.1998 (II. Ziff. 3 der Grundsätze) festgelegt. Die Bevölkerungszahl von 82.037.000 (Quelle: statistisches Bundesamt Deutschland) wurde durch die zum Stichtag bestehenden 91 IVF-Zentren geteilt. Daraus errechnete sich eine allgemeine Verhältniszahl von 901.505 Einwohnern pro Zentrum. Von einer Überversorgung (II. Ziff. 5 der Grundsätze) wird dann ausgegangen, wenn die örtliche Verhältniszahl um 15% kleiner ist als die allgemeine Verhältniszahl, also bei Zahlen unter 766.280. Es mag sein, dass mangels anderweitiger Anhaltspunkte zum damaligen Stichtag (31.12.1998) mit dieser bundesweiten allgemeinen Verhältniszahl der Bedarf an IVF-Zentren abgebildet wird. Auch bestünden gegen eine zukünftige Anwendung dieser allgemeinen bundesweiten Verhältniszahl dann keine rechtlichen Bedenken, wenn die Rahmenbedingungen zu dem späteren Zeitpunkt im Wesentlichen gleichgeblieben sind. Haben sich die Rahmenbedingungen aber erheblich verändert, besteht die Pflicht, die allgemeine bundesweite Verhältniszahl zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Denn die Planung ist ein kontinuierlicher Vorgang. Insbesondere auf dem Gebiet der Krankenversorgung, so auch auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung ist es wichtig, dem medizinischen Fortschritt Rechnung zu tragen (vgl. auch Krankenhausplan des Freistaates Bayern, Stand 01.01.2020 (45. Fortschreibung) Teil I Allgemeine Grundsätze, Ziff. 1). Die Absenkung der allgemeinen bundesweiten Verhältniszahl (15%-Abzug) stellt zwar einen „Puffer“ dar, sodass es bis zu einer gewissen Abweichung keiner Anpassung bedarf.
Nach den Zahlen des BRZ (D.I.R.-Jahrbücher) wurden im Jahr 2017 bundesweit insgesamt 109.779 Behandlungszyklen erfasst, während es im Jahr 1998, also zum Stichtag lediglich 46.730 Behandlungszyklen waren. Gleichzeitig hat sich in dem Zeitraum die Zahl der Zentren bundesweit von 91 auf 134 im Jahre 2017 (aktuell: 143) und den Bayern von 14 auf 20 erhöht. Der Zuwachs von Behandlungszyklen um mehr als das Doppelte legt den Schluss nahe, dass der Bedarf erheblich gestiegen ist. Im Vergleich dazu ist die Zahl der Zentren um nicht einmal 50% gestiegen, wobei unklar ist, wie sich die personelle Ausstattung dieser Zentren entwickelt hat. Würde man eine allgemeine Verhältniszahl bei einer geringfügig veränderten Einwohnerzahl (83 Millionen) aktuell festsetzen, so würde die Verhältniszahl auf 580.400 Einwohner pro Zentrum abgesenkt, unter Berücksichtigung des 15% Abzuges sogar auf 493.400 Einwohner pro Zentrum. Legt man die bundesweiten Zahlen zugrunde, so hat sich seit dem Stichtag im Jahr 1998 eine wesentliche Änderung ergeben, die eine Anpassung der allgemeinen Verhältniszahl nicht nur nahelegt, sondern auch erfordert. Der „Puffer“ von lediglich 15% auf die Zahlen zum Stichtag 31.12.1998 reicht deshalb nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um der seither eingetretenen Entwicklung angemessen Rechnung zu tragen. Zu demselben Ergebnis kommt auch das BRZ, wonach die Grundsätze für Genehmigungen nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtung dem aktuellen Stand nicht gerecht würden.
Was speziell die Entwicklung im Freistaat Bayern betrifft, wurde vorgetragen, dass ein Rückgang der Leistungen IVF und ICSI durch das GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 zu verzeichnen gewesen sei. So seien im Jahr 2003 noch 9.939 Leistungen erfolgt, im Jahr 2004 deutlich weniger und im Jahr 2019 nur 6.034. Dies bedeute, dass der Stand von 2003 noch nicht erreicht wurde, gleichzeitig aber den ansteigenden Behandlungszahlen durch ein Mehr an Zentren ohne Probleme Rechnung getragen werden konnte. Dieser Aspekt steht offensichtlich im Vordergrund, weshalb der Beklagte keinen Bedarf für ein zusätzliches Zentrum in G sieht. Werden aber die bundesweiten Zahlen zugrunde gelegt, ergibt sich bundesweit ein Wert von 1.322,63 Leistungen pro 1 Million Einwohner (109.779 : 83), was hochgerechnet auf Bayern mit 13.140.000 Einwohnern insgesamt 17.379 Leistungen bedeuten würde. Für das Gericht ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die tatsächlichen Leistungen im Jahr 2019 (6.034) so deutlich unter den für Bayern hochgerechneten bundesweiten Zahlen (17.379) liegen. Wenn schon für die Berechnung der allgemeinen Verhältniszahl bundesweite Zahlen zugrunde gelegt werden, so erscheint es folgerichtig, sich bei einer Anpassung auch an den bundesweiten Zahlen und deren Entwicklung zu orientieren.
Deshalb vermag sich das Gericht nicht der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/19) anzuschließen, „die vom BRZ erfolgte Schlussfolgerung, aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahl der Bundesrepublik und der gestiegenen Behandlungszyklen würden die Grundsätze dem aktuellen Stand nicht mehr gerecht werden, beruht danach auf allgemeinen Einschätzungen auf Bundesebene, wird aber der tatsächlichen Lage in Bayern nicht gerecht“. Zwar erging die Entscheidung ebenfalls zu einer Genehmigung nach § 121a SGB V in der Region M. Es mag sein, dass die tatsächliche Versorgungslage in Bayern von der in anderen Flächenländer abweicht, eine derart extreme Abweichung vom Bundesdurchschnitt (in Bayern lediglich ca. ein Drittel der Zahlen auf Bundesebene) lässt sich aber nicht erklären und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Entscheidungsgründen. Denn für eine moderate Abweichung ließen sich durchaus Gründe finden, nicht jedoch in diesem Umfang. Insofern ist die Aussage des BRZ nachvollziehbar und kann nicht nur bundesweit Bedeutung beanspruchen. Im Ergebnis ist daher eine Anpassung der allgemeinen Verhältniszahl nicht nur aufgrund des Zeitablaufs (20 Jahre), sondern aufgrund der Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung geboten. Wie eine solche Anpassung zu erfolgen hat, obliegt der zuständigen Behörde im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums. Zu berücksichtigen wird sein, die bundesweite Entwicklung, aber auch die aktuelle Bedarfslage im Freistaat Bayern und speziell im Umkreis eines Radius von 80 km um die Einrichtung der Kläger. Ohne Frage können Genehmigungsgrundsätze eine sach-und bedarfsgerechte Steuerung der Versorgung durch IVF-Zentren in Bayern generell und in der Region M im speziellen ermöglichen; dies aber nur dann, wenn diese hierzu geeignet sind, die aktuelle Bedarfsgerechtigkeit aufzuzeigen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nur teilweise der Fall.
Die Anzahl an Leistungen der künstlichen Befruchtung und der Bedarf hierfür wurden und werden auch bestimmt durch die Weiterentwicklung der Medizin auf diesem Gebiet, aber auch durch Vorgaben des Gesetzgebers.
Aus der Etablierung der ICSI, einer Methode der künstlichen Befruchtung, ist ein höherer Bedarf an Leistungen nicht abzuleiten. Denn diese Methoden stehen nebeneinander, deren Anwendung von der jeweiligen medizinischen Indikation abhängt.
Letztendlich wird die Erfolgsquote auch den Bedarf nicht unwesentlich bestimmen. Denn je höher die Erfolgsquote ist, was mit dem medizinischen Fortschritt zusammenhängt, umso mehr dürften Leistungen der künstlichen Befruchtung nachgefragt werden.
Dass die Einführung des Abs. 4 von § 27a SGB V (Kryokonservierung) zu einem höheren Bedarf an Leistungen der künstlichen Befruchtung führt, erscheint durchaus möglich. Auch wenn die Kryokonservierung nach § 27a Abs. 4 SGB V nicht unter den Genehmigungsvorbehalt fällt (BayLSG, Urteil vom 03.03.2021, Az L 12 KA 70/19), wird sich in den meisten Fällen eine IVF oder eine ICSI anschließen, was einen zusätzlichen Bedarf nach sich ziehen dürfte. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Kryokonservierungen angesichts der Anzahl (Anspruch nur bei einem eingeschränkten Personenkreis) nur marginal auf die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auswirken werden.
Dagegen kann nicht außen vor bleiben, dass sowohl der Bund (Bundesrichtlinie über die Gewährung von Zuwendungen … seit 01.04.2012), als auch der Freistaat Bayern Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittlerweile fördern. Voraussetzung für eine Förderung durch den Bund ist, dass das jeweilige Bundesland ein eigenes Landesprogramm zur Förderung der Kinderwunschbehandlung in Kooperation mit den Bund eingeht. Dies ist in Bayern mit der Richtlinie zur Förderung von Kinderwunschbehandlung (Kinderwunsch-Richtlinie; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 08.10.2020, Az. IV1/6541.01-1/630) geschehen. Damit erfolgt eine Förderung von bis zu 50% durch den Bund und den Freistaat Bayern zusätzlich zu der Kostenübernahme durch die Krankenkasse in Höhe von 50% nach § 27a Abs. 3 SGB V. Vor diesem Hintergrund muss damit gerechnet werden, dass nicht nur die Anzahl an Behandlungszyklen vor dem Jahr 2004 in Kürze auch im Freistaat Bayern erreicht wird, sondern vor dem Hintergrund des medizinischen Fortschritts ein darüber hinausgehendes Wachstum mehr als wahrscheinlich erscheint.
Ob die Förderung nach der Bundesrichtlinie und der Landesrichtlinie rechtens ist, weil – wie die Prozessbevollmächtigte der Kläger darstellt, zum Beispiel nicht verheiratete gemischt-versicherte Paare in den Kreis der Fördererberechtigten aufgenommen worden sind und die Förderung nur erfolgt, wenn die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in einem nach § 121 a SGB V genehmigten Zentrum durchgeführt werden, ist nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens und kann daher dahinstehen.
Dass die Kinderwunsch-Richtlinie mit Ablauf des 31.12.2024 außer Kraft tritt (Ziff. 9 der Richtlinie) – die Förderrichtlinie des Bundes gibt es bereits seit dem 01.04.2012 – wird sich zumindest bis Ende 2024 nicht nachteilig auswirken. Die augenblickliche Befristung bedeutet auch nicht, dass die Förderung nicht über den 31.12.2024 weiter gewährt wird. Denn der Zweck der Befristung liegt oft darin, dass der Normgeber eine Erprobungsphase festlegt, um beurteilen zu können, ob sich die Regelungen – so wie sie getroffen wurden – bewähren. Den Fördermaßnahmen ist jedenfalls der politische Wille und der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eine andere Bedeutung beigemessen wird, als dies zum Zeitpunkt der Einführung des § 121a SGB V der Fall war.
Auch diese Gesichtspunkte sprechen jedenfalls zum Teil für einen Bedarf an Leistungen der künstlichen Befruchtung, die in den Bedarfszahlen aus dem Jahr 1998 noch nicht abgebildet werden konnten.
Soweit von der Prozessbevollmächtigten der Kläger beanstandet wird, bestehende Zentren könnten ungebremst unabhängig einer jeglichen Bedarfsprüfung wachsen (Anstellung weitere Ärzte bzw. Aufnahme weitere Vertragsärzte in ein MVZ) mag dies zutreffen. Sollte dies der Fall sein, würde damit die Bedarfsplanung konterkariert, da dann eine Bedarfsprüfung nur für Neuanträge nach § 121a SGB V stattfinden würde, während bereits genehmigte Zentren ohne jegliche Bedarfsprüfung eine Ausweitung ihrer Tätigkeit vornehmen könnten. Damit ließe sich der ursprüngliche Sinn und Zweck des Genehmigungsvorbehalts in § 121a SGB V nicht vereinbaren. Jedoch erwächst aus diesem Umstand kein Anspruch darauf, dass auch für Neuanträge keine Bedarfsprüfung stattfindet und eine Genehmigung nach § 121a SGB V ohne weiteres zu erteilen wäre (Art. 3 GG). Im Übrigen hat der Beklagte zumindest für die Zukunft durch die Neufassung der Grundsätze für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen zum 01.05.2020 eine personelle Begrenzung eingeführt, wonach neben dem Leiter maximal drei Ärzte beschäftigt werden dürfen.
Nachvollziehbar ist, dass der Beklagte als zuständige oberste Landesbehörde Wert darauf legt, dass die Versorgung in ganz Bayern sichergestellt ist. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern (BV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (GVBl. 991, 992) fördert und sichert der Staat gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land. Dies schließt es mit ein, dass auch die Gesundheitsversorgung ausgewogen und flächendeckend zu planen und zu gestalten ist, so auch die Angebote der künstlichen Befruchtung. Dem Rechnung tragend hat der Beklagte in seinen Grundsätzen für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtung Planungsräume mit einem Radius von jeweils 80 km festgelegt. Ergibt sich aber in einem Planungsraum ein Bedarf, in dem bereits eine gute Versorgung besteht, das Gericht räumt ein, dass die Versorgungssituation im Großraum M vergleichsweise gut ist, kann eine Genehmigung nach § 121a SGB V nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Versorgung in anderen Regionen deutlich schlechter ist und an sich in erster Linie dort zusätzliche Versorgungsangebote zu schaffen wären. Ansonsten wäre die Festlegung von Planungsräumen mit einem Radius von 80 km obsolet. Jeder Planungsraum ist für sich zu betrachten. In Ausnahmefällen sind auch benachbarte Planungsräume mit einzubeziehen. Es trifft zwar zu, dass der Abstand gut versorgter Regionen mit Versorgungsangeboten auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung zu weniger gut versorgten Regionen dann noch weiter zunimmt, insofern Verzerrungen nicht ausgeschlossen sind. Die Versorgungslage in weniger gut versorgten Gebieten verbessert sich aber nicht dadurch, dass eine begehrte Genehmigung andernorts abgelehnt wird. Jedenfalls verbessert sich die Versorgungslage bei Erteilung einer Genehmigung insgesamt. Es kann auch kein Leistungserbringer gezwungen werden, sich dort um eine Genehmigung nach § 121a SGB V zu bemühen, wo der größte Bedarf an Leistungen im Bereich der künstlichen Befruchtungen besteht. Das Gericht räumt ein, dass M – hier geht es aber wegen des Standortes nicht ausschließlich darum, einen urbanen Bedarf sicherzustellen – eine gute Versorgungssituation aufweist. Andererseits wäre es Rahmen des Beurteilungsspielraums nicht als fehlerhaft anzusehen, in Ballungszentren wie M und N einen höheren Bedarf anzunehmen, als in ländlichen Gebieten. Denn aufgrund der unterschiedlichen Schichtung der Bevölkerung dürfte in Ballungszentren die Nachfrage nach Maßnahmen der künstlichen Befruchtung deutlich höher sein.
Nach Auffassung des Gerichts wurde in den angefochtenen Entscheidungen des Beklagten auch gegen § 35 SGB X (Begründungspflicht) verstoßen. Denn es wurden die notwendigen Tatsachenfeststellungen nur ungenügend getroffen. Diese werden weder in den angefochtenen Bescheiden, noch in den im Rahmen des Klageverfahrens eingereichten Schriftsätzen aufgezeigt, obwohl die Klägerseite wiederholt auf die ihrer Auffassung nach ungenügende Datenlage hingewiesen hat. So hat der Beklagte auf Umfrageergebnisse im Jahr 2016 bei den bestehenden Zentren Bezug genommen, ohne aber diese näher zu konkretisieren. Folglich wurde nicht transparent gemacht, welche Wartezeiten dort bestehen und über welche zusätzlichen Kapazitäten die bereits vorhandenen Zentren verfügen. So war es weder der Klägerseite, noch dem Gericht wegen der pauschalen Angaben des Beklagten möglich, zu beurteilen, ob die reproduktionsmedizinischen Leistungen von anderen Leistungserbringern bereits in ausreichendem Maße erbracht werden. Denn nur wenn dies nicht der Fall ist, besteht ein Bedarf für ein weiteres Zentrum (BSG, Urteil vom 5. Juni 2013, Az B 6 KA 628/12 R).
Der Beklagte wird veranlasst sein, über den Antrag erneut zu entscheiden und dabei beachten müssen, dass ein Abweichen von den Grundsätzen, was die allgemeine Verhältniszahl betrifft, im Hinblick auf die Entwicklung auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung geboten erscheint, dass nicht 6 Zentren, sondern 5 Zentren zu berücksichtigen sind, was sich auf die örtliche Verhältniszahl auswirkt, die Wartezeiten in den bereits bestehenden Einrichtungen und die freien Kapazitäten, gestützt auf die Umfrageergebnisse konkret benannt werden und auch objektiviert werden.
Aus den genannten Gründen war dem Hilfsantrag stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. Nachdem der Klage nur zum Teil (Hilfsantrag) stattzugeben war, erscheint es angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.


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