Europarecht

Medizinprodukt – Rückrufanordnung

Aktenzeichen  M 18 K 17.2194

Datum:
20.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7042
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MPG § 3 Nr. 11, § 5 S. 1, § 25, § 28, § 42 Abs. 2 Nr. 11
MPSV § 15 S. 1

 

Leitsatz

1 Zur Bestimmung des Herstellers ist jeweils auf das konkrete Medizinprodukt abzustellen und nicht auf das Inverkehrbringen einer Serie von Medizinprodukten. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für das Inverkehrbringen gemäß § 3 Nr. 11 S. 1 MPG ist nicht abstrakt auf eine Produktserie abzustellen, sondern das jeweilige konkrete Warenstück zu betrachten. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wer als Hersteller verantwortlich ist, richtet sich nach dem tatsächlichen Auftreten am Markt aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit Bezug auf die konkreten Warenstücke. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4 Entscheidend für die Herstellerdefinition ist die Kennzeichnung mit dem Unternehmensnamen und der willentlichen Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5 Wird ein Produkt in so veränderter Beschaffenheit in den Verkehr gebracht, dass es von der ursprünglichen CE-Kennzeichnung nicht mehr erfasst wird, handelt es sich um eine wesentliche Veränderung, so dass entsprechend dem Rechtsgedanken in § 3 Nr. 11 S. 1 lit. c) MPG zumindest ab dieser Veränderung von einem erneuten erstmaligen Inverkehrbringen auszugehen ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom *. Mai 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom … Mai 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn bei der Beurteilung der Begründetheit einer Klage ist auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, auf die es nach dem Streitgegenstand und dem darauf anwendbaren materiellen Recht für die Entscheidung ankommt. Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 6 C 15/04 – juris m.w.N.). Eine abweichende Regelung ist vorliegend nicht gegeben, insbesondere handelt es sich bei der Verpflichtung zum Rückruf nicht um einen Dauerverwaltungsakt, bei dem regelmäßig auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist. Inwieweit vorliegend aufgrund des noch nicht vollzogenen Verwaltungsaktes eine andere Beurteilung insbesondere aus Verhältnismäßigkeitserwägungen erforderlich sein könnte (vgl. BayVGH, U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2509 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 6.12.1985 – 4 C 23/83- jeweils juris), bedarf keiner abschließenden Klärung, da sich die Sach- und Rechtslage nicht wesentlich geändert hat. Zwar mag es sein, dass im Zeitpunkt des Erlass des Bescheids nicht alle Fakten hinsichtlich des Agierens der Lizenznehmerin sowie der Klägerin bekannt waren. Auf diese Umstände kommt es aber – ungeachtet der Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts – schon deshalb nicht an, weil sie für den Begriff des Verantwortlichen im Sinne des § 5 MPG nicht entscheidungserheblich sind (vgl. dazu unten).
Die Rechtsgrundlage für die Anordnung des Rückrufs der Medizinprodukte im Bescheid vom *. Mai 2017 ist § 28 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 MPG. Danach kann die zuständige Behörde u.a. den Rückruf des Medizinprodukts anordnen, soweit dies zum Schutze der Gesundheit und Sicherheit der Patienten, Anwender und Dritten erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist zwischen den Beteiligten unstrittig und wird auch vom Gericht nicht in Zweifel gezogen.
Nach § 15 der Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (MPSV) ist der Rückruf als Maßnahme gegen den Verantwortlichen nach § 5 MPG zu richten, soweit dieser die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst trifft oder die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen.
Die Klägerin ist für die vom Rückruf betroffenen Produkte nicht Verantwortliche im Sinne des § 5 MPG, so dass der Bescheid ihr gegenüber rechtswidrig ist.
Verantwortlicher für das erstmalige Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist nach § 5 Satz 1 MPG der Hersteller oder sein Bevollmächtigter. Hersteller ist nach § 3 Nr. 15 MPG die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden. Der Begriff des erstmaligen Inverkehrbringens ist legaldefiniert in § 3 Nr. 11 Satz 2 MPG als erste Abgabe von neuen oder als neu aufbereiteten Medizinprodukten an andere im Europäischen Wirtschaftsraum. Inverkehrbringen ist gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 MPG jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von Medizinprodukten an andere. Eine negative Definition enthält § 3 Nr. 11 Satz 3 Buchst. c) MPG, wonach u.a. die erneute Abgabe eines Medizinproduktes nach seiner Inbetriebnahme an andere nicht als Inverkehrbringen gilt, es sei denn, dass das Medizinprodukt als neu aufbereitet oder wesentlich verändert worden ist.
Das Gericht geht davon aus, dass bezüglich der Bestimmung des Herstellers jeweils auf das konkrete Medizinprodukt abzustellen ist und nicht auf das Inverkehrbringen einer Serie von Medizinprodukten (Oeben, Anmerkung zu BayVGH B.v. 12.12.2017 – 20 CS 17.2000, MPR 2018, 179f.). Denn gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 MPG ist das Inverkehrbringen im Medizinprodukterecht ausschließlich als Abgabe von Medizinprodukten definiert, anders als z. B. in § 4 Nr. 17 AMG, wonach Inverkehrbringen dort als das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere definiert wird (vgl. LG Hamburg, U.v. 22.2.2013 – 315 O 543/12 – juris Rn. 36). Entscheidend für die Abgabe eines Produkts an andere ist, dass der Andere tatsächliche Verfügungsgewalt über das Produkt durch Überlassung der Medizinprodukts erhält (vgl. Lücker in Spickhoff, Medizinrecht, MPG 2018, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 15; Rehmann in Rehmann/Wagner, Medizinproduktegesetz, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 17). Dementsprechend kann für das Inverkehrbringen gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 MPG nicht abstrakt auf eine Produktserie abgestellt werden, sondern ist das jeweilige konkrete Warenstück zu betrachten.
Auch der Begriff des „erstmaligen Inverkehrbringens“ in § 3 Nr. 11 Satz 2 MPG führt nicht dazu, dass für die Bestimmung des Herstellers auf eine Serie von Medizinprodukten abzustellen ist. Denn der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Begriff „erstmalig“ lediglich versucht, eine eindeutige Zuordnung des Verantwortlichen für das jeweilige Produkt zu regeln. „Erstmalig“ i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 2 MPG soll zum Ausdruck bringen, dass Weiterveräußerungen (der Medizinprodukte als konkrete Warenstücke) in der Vertriebsstruktur kein erstmaliges Inverkehrbringen darstellen sollen, sodass der Zwischenhändler nicht für die Erfüllung des Konformitätsbewertungsverfahrens und die CE-Kennzeichnung des Produktes in Anspruch genommen werden kann. Die Medizinprodukte-Richtlinien kennen diese spezifische Form des „Inverkehrbringens“ nicht. Vielmehr differenzieren sie zwischen dem „Inverkehrbringen“, was dem deutschen erstmaligen Inverkehrbringen gleichsteht, und dem „Bereitstellen auf dem Markt“, was nach deutscher Terminologie dem (weiteren) Inverkehrbringen entspricht. Mit Geltung der VO (EU) 2017/745 ab dem 26. Mai 2020 und VO (EU) 2017/746 ab dem 26. Mai 2022 wird diese Terminologie auch in Deutschland gelten (Lücker in Spickhoff, Medizinrecht, MPG, 2018, § 3 Rn. 15).
Hinsichtlich der Beurteilung, wer als Hersteller verantwortlich ist, ist auf das tatsächliche Auftreten am Markt aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit Bezug auf die konkreten Warenstücke abzustellen. Denn die Definition des Herstellers in § 3 Nr. 15 MPG ist wörtlich den Richtlinien entnommen und entspricht dem europäischen Rechtsgedanken, dass für den Verbraucher stets derjenige in die Verantwortung genommen werden soll, der das Produkt als sein Produkt gegenüber dem Anwender darstellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er tatsächlich das Produkt selbst produziert oder irgendwelche Produktionsschritte hierzu beigetragen hat. Entscheidend ist allein die Kennzeichnung mit seinem Namen und der willentlichen Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten (Lücker in Spickhoff, Medizinrecht, MPG, 2018, § 3 Rn. 20).
Die Klägerin ist für die vorliegend betroffenen Medizinprodukte nicht als Herstellerin verantwortlich. Sie hat die Produkte im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen weder hergestellt, verpackt noch gekennzeichnet, vgl. § 3 Nr. 15 MPG.
Irrelevant ist, dass die Klägerin vor dem streitgegenständlichen Zeitraum andere Warenstücke von Medizinprodukten dieser Marke hergestellt und erstmalig in den Verkehr gebracht hat.
Die vorliegend betroffenen Produkte wurden – auch zwischen den Parteien unstreitig – ausschließlich von der Lizenznehmerin gefertigt und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertrieben. Die Lizenznehmerin bezeichnete die Produkte in Werbemittel als „ihre“ Produkte; zum Teil mit zusätzlicher Nennung des Markennamens (insbesondere die entsprechende Bewerbung der Produkte im Internet – vgl. Anlage K4). Auf der (von der Klägerin beispielhaft als Anlage K6 vorgelegten) Rechnung der Lizenznehmerin wird die Klägerin nicht genannt, vielmehr wird lediglich in der Fußzeile der Markenname aufgeführt.
Auch die Kennzeichnung der Produkte mit dem Markennamen des Produkts – der vorliegend mit dem Firmennamen der Klägerin identisch ist – führt nicht zu einer Verantwortlichkeit der Klägerin. Zwar führt § 3 Nr. 15 MPG im Rahmen der Herstellerdefinition auch das Tatbestandsmerkmal der „Kennzeichnung“ eines Produkts auf. Kennzeichnung meint insoweit jedoch die Unternehmenskennzeichnung (vgl. § 5 Abs. 2 MarkenG: dient der Unterscheidung von Unternehmen) und nicht die Anbringung eines Markennamens (vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG: dient der Unterscheidung von Waren bzw. Dienstleistungen). Entscheidend für die Herstellerdefinition ist die Kennzeichnung mit dem Unternehmensnamen und der willentlichen Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten. Alleine durch die Kennzeichnung der Produkte mit der Marke der Klägerin wurde diese aus Sicht des Verbrauchers nicht zur Herstellerin im Sinne des MPG. Insoweit ist nach dem europäischen Verbraucherleitbild auf den angemessen informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (vgl. EuGH Slg. 1998, I-4657 = GRUR-Int. 1998, 795 – Gut Springenheide zum Lauterkeitsrecht). Einem solchen Verbraucher ist durchaus bekannt, dass in einer komplexen Marktwirtschaft der Schöpfer eines Produkts nicht mehr alle Schritte der Wertschöpfungskette selbst vornimmt und sich eines oder mehrerer Verwerter bedient. Es ist nicht ungewöhnlich und als bekannt vorauszusetzen, dass Medizinprodukte unter Lizenzen vertrieben und dafür auch Marken benutzt werden, ohne dass mit diesen Marken auch zugleich unmittelbar ein Unternehmensträger identifiziert wird.
Dementsprechend agierte die Lizenznehmerin für den Verbraucher als Herstellerin und damit Verantwortliche der Produkte. Dies war auch für den Beklagten – auch bereits im Zeitpunkt des Bescheidserlasses – hinreichend deutlich erkennbar. Darüber hinaus lagen dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt ergänzende Informationen durch die Klägerin vor, insbesondere der Lizenzvertrag, aus dem sich die Herstellereigenschaft der Lizenznehmerin ebenfalls eindeutig ergab. Dementsprechend kann auch die Argumentation des Beklagten, dass es ihm im Sinne der Effektivität der Gefahrenabwehr nicht zuzumuten sei, zivilrechtliche Verträge für die Bestimmung der Verantwortlichkeit i.S. des § 5 Satz 1 MPG auszuwerten, nicht überzeugen. Denn vorliegend war gerade keine intensive juristische Abklärung verlangt, sondern konnte die Behörde ebenso wie der Verbraucher den Hersteller auf Grund des tatsächlichen Auftretens nach außen ermitteln.
Soweit sich der Beklagte darüber hinaus auf das Agieren der Klägerin beruft, erscheint auch dies nicht geeignet, die Herstellereigenschaft der Klägerin zu begründen. Denn es war der Klägerin vielmehr ein zum Schutz ihrer Marke gerechtfertigtes Anliegen, dass die Stellung der Lizenznehmerin auch im Verkehr bekannt wird, weshalb sie klarstellende Maßnahmen veranlasste, wie etwa die Gestaltung der Homepage oder die Klarstellung in der Sonderveröffentlichung der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin. Hiermit hat die Klägerin jedoch nicht die Herstellereigenschaft übernommen.
Unabhängig von der vom Gericht vorgenommen Definition des Verantwortlichen in Bezug auf die jeweiligen konkreten Warenstücke, ist vorliegend zumindest durch die wesentlich veränderte Beschaffenheit der Produkte zu den von der Klägerin ursprünglich in Verkehr gebrachten Produkten keine Verantwortlichkeit der Klägerin mehr gegeben. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2017 (20 CS 17.2000 – juris Rn. 4) ausführt, hat die Lizenznehmerin die Produkte in so veränderter Beschaffenheit in den Verkehr gebracht, dass sie von der ursprünglichen CE-Kennzeichnung nicht mehr erfasst wurden. Damit handelt es sich um eine wesentliche Veränderung, so dass entsprechend dem Rechtsgedanken in § 3 Nr. 11 Satz 1 Buchst. c) MPG zumindest ab dieser Veränderung von einem erneuten erstmaligen Inverkehrbringen auszugehen ist. Zwar ist die Vorschrift nicht direkt anwendbar, da sie eine erneute Abgabe eines Medizinproduktes nach seiner Inbetriebnahme voraussetzt, wobei gemäß § 13 Nr. 12 MPG Inbetriebnahme der Zeitpunkt ist, zu dem das Medizinprodukt dem Endanwender als ein Erzeugnis zur Verfügung gestellt worden ist. Die Interessenlage einer wesentlichen Veränderung nach Inbetriebnahme und einer wesentlichen Veränderung dadurch, dass ein Lizenznehmer (sofern man ihn nicht schon originär als Hersteller ansieht, siehe oben) ein bereits auf dem Markt befindliches Medizinprodukt so verändert, dass es nicht mehr der Spezifikation entspricht, ist vergleichbar.
Schließlich kann sich eine Verantwortlichkeit der Klägerin als Herstellerin auch nicht alleine aus einem möglichen Verstoß gegen die Anzeigepflicht bezüglich Änderungen nach § 25 Abs. 4 MPG ergeben. Aus dem Gesetz sind Anhaltspunkte dafür, dass die Verletzung der Anzeigepflicht andere Konsequenzen als die Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit gem. § 42 Abs. 2 Nr. 11 MPG haben könnte, nicht ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 20 CS 17.2000 – juris Rn. 5). Die Anzeigepflichten nach § 25 MPG – also auch die Änderungsanzeigepflicht nach § 25 Abs. 4 MPG – sind notwendig, damit die zuständigen deutschen Behörden ihren Verpflichtungen aus Art. 2 der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG nachkommen können (vgl. BT-Drs. 12/6991, S. 35). Diese Regelung verfolgt also den Zweck, die effektive Aufgabenerfüllung durch die Behörde zu ermöglichen. Sie hat jedoch nicht den Sinn, konstitutiv die Verantwortlichkeit nach § 5 Satz 1 MPG festzulegen. Eine solche Registerpublizität müsste speziell angeordnet sein. Das ist indes nicht der Fall. Aus der fehlenden Anzeige kann schon nicht eine Rechtswidrigkeit des Inverkehrbringens von Produkten gefolgert werden, da die Anzeigepflicht keine Voraussetzung des § 6 MPG darstellt (so Lücker in Spickhoff, Medizinrecht, MPG, 2018, § 25 Rn. 8). Dementsprechend kann aus dem Verstoß gegen die (Änderungs-)Anzeigepflicht auch nicht auf die Verantwortlichkeit für einen Rückruf geschlossen werden.
Da die Klägerin somit nicht Herstellerin der betroffenen Produkte ist, kann sie nach § 15 MPSV auch nicht von dem Beklagten als Verantwortliche in Anspruch genommen werden. Die Frage der ermessensgerechten Störerauswahl stellt sich vorliegend daher nicht.
Der Bescheid vom … Mai 2017 war folglich aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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