Europarecht

Ordnungsgeldvollstreckung in einem anderen Mitgliedsstaat: Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel; Heilung von Belehrungsmängeln

Aktenzeichen  I ZB 116/08

Datum:
25.3.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 890 ZPO
§ 1 Abs 1 Nr 3 JBeitrO
Art 2 Abs 1 S 1 EGV 805/2004
Art 4 Nr 2 EGV 805/2004
Art 6 Abs 1 Buchst c EGV 805/2004
Art 13 EGV 805/2004
Art 14 EGV 805/2004
Art 15 EGV 805/2004
Art 16 EGV 805/2004
Art 17 EGV 805/2004
Art 18 Abs 1 Buchst b EGV 805/2004
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

1. Die Justizbeitreibungsordnung steht der Vollstreckung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO im Ausland nicht entgegen.
2. Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i.S. des Art. 2 Abs. 1 S. 1 EuVTVO dar.
3. Der Antrag auf Bestätigung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel kann auch vom Gläubiger gestellt werden, der den Beschluss erwirkt hat.
4. Das für die Heilung von Belehrungsmängeln gemäß Art. 16 und 17 EuVTVO nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestehende Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung gilt auch für in Beschlussform ergangene Entscheidungen.
5. Die Möglichkeiten einer Heilung der Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernisse sind in Art. 18 EuVTVO abschließend geregelt.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 3. Dezember 2008, Az: 6 W 1956/08, Beschlussvorgehend LG Landshut, 23. Mai 2008, Az: 2 HKO 1672/06

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Dezember 2008 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

1
I. Die Gläubigerin produziert und vertreibt Pflanzenschutzmittel. Sie steht insoweit in Wettbewerb mit der in den Niederlanden ansässigen Schuldnerin, die Pflanzenschutzmittel nach Deutschland einführt und hier an Händler und Landwirte veräußert.
2
Die Gläubigerin hat wegen verschiedener von ihr geltend gemachter Wettbewerbsverstöße gegen die Schuldnerin eine ohne deren vorherige Anhörung ergangene einstweilige Verfügung erwirkt. Die Schuldnerin hat ihr beanstandetes Verhalten auch nach Zustellung der Unterlassungsverfügung fortgesetzt. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht deswegen gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 € und für den Fall seiner Nichtbeitreibbarkeit je 1.000 € einen Tag Ordnungshaft verhängt.
3
Die Gläubigerin hat im Weiteren beantragt, den Ordnungsmittelbeschluss gemäß der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Verordnung – EuVTVO) als Europäischen Vollstreckungstitel zu bestätigen und ihr eine entsprechende Bestätigung gemäß Formblatt nach Anhang I der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung auszustellen. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin, mit der diese zuletzt allein noch die Bestätigung des Ordnungsgeldanspruchs begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben (OLG München IPRax 2009, 342 = OLG-Rep 2009, 152).
4
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt, verfolgt die Gläubigerin ihren im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Antrag weiter.
5
II. Die Rechtsbeschwerde ist, da sie vom Beschwerdegericht zugelassen worden ist, statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
6
1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der von der Gläubigerin gestellte Antrag schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die für die von Amts wegen erfolgende Vollstreckung von Ordnungsmittelbeschlüssen maßgebliche Justizbeitreibungsordnung wirke nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und regele nicht, was gelte, wenn sich der Schuldner im Ausland aufhalte und auf inländisches Vermögen nicht zugegriffen werden könne. Es gebe soweit ersichtlich keine zwischenstaatliche Vereinbarung über die Beitreibung von Ordnungsgeldern im Rahmen eines Zivilprozesses und auch keine gesetzliche Befugnis des Antragstellers, anstelle der Vollstreckungsbehörde über die Eintreibung eines Ordnungsgeldes im Ausland zu entscheiden. Soweit nicht nur ein Ordnungsgeld ausgesprochen, sondern für den Fall seiner Nichtbeitreibbarkeit auch Ordnungshaft angeordnet worden sei, dürfe die Vollstreckung schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in die Hände einer Partei gelegt werden können. Das Ordnungsgeld sei auch keine Forderung i.S. des Art. 4 Nr. 2 EuVTVO, jedenfalls aber keine Forderung, die der Gläubigerin zustehe.
7
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht aus den im angefochtenen Beschluss angeführten Gründen, aber im Ergebnis stand.
8
a) Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass es der Gläubigerin für ihren Antrag auf Anerkennung des Ordnungsmittelbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Vom Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die Gläubigerin das mit ihrem Antrag verfolgte Ziel auf einfacherem Weg erreichen könnte. Dies ist hier nicht der Fall.
9
b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Justizbeitreibungsordnung, nach deren § 1 Abs. 1 Nr. 3 Ordnungsmittelbeschlüsse von Amts wegen vom Staat vollstreckt werden, diese Vollstreckung – nach dem Territorialitätsprinzip – auf Vollstreckungsmaßnahmen im Inland beschränkt. Die Justizbeitreibungsordnung beantwortet damit aber nicht die Frage, ob solche Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland auf anderer Grundlage vorgenommen werden können. Die Zulässigkeit der Vollstreckung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO im Ausland auf Betreiben des Unterlassungsgläubigers lässt sich insbesondere auch nicht mit der Begründung verneinen, es fehle in dieser Hinsicht an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung des Unterlassungsgläubigers. Eine solche Betrachtungsweise, von der das Beschwerdegericht ausgegangen ist, vernachlässigt zum einen, dass eine Vollstreckung von Ordnungsmittelbeschlüssen außerhalb des durch die Justizbeitreibungsordnung für Inlandssachverhalte eröffneten Rahmens keiner besonderen Rechtfertigung bedarf, weil solche Beschlüsse in § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO allgemein und ohne Einschränkungen für vollstreckbar erklärt werden (vgl. Giebel, IPRax 2009, 324, 325; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, S. 323). Zum Anderen ließe eine nach dem nationalen Recht bestehende Beschränkung einer solchen Vollstreckung eine nach dem vorrangig anzuwendenden Gemeinschaftsrecht gegebene Vollstreckungsmöglichkeit unberührt.
10
c) Das Beschwerdegericht hat ferner zu Unrecht angenommen, dass der Ordnungsgeldanspruch keine von der Gläubigerin geltend zu machende Forderung i.S. der Art. 4 Nr. 2, Art. 6 Abs. 1 EuVTVO darstellt.
11
aa) Die EG-Vollstreckungstitel-Verordnung ist im Streitfall anwendbar, weil die Vollstreckung eines Ordnungsmittelbeschlusses eine Zivil- und Handelssache i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO darstellt. Der Umstand, dass bei der Ordnungsmittelvollstreckung nach deutschem Recht eine öffentliche Stelle zum Zwecke der Durchsetzung einer eigenen Forderung mittels Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig wird, legt zwar an sich die Annahme nahe, dass es sich um eine vom sachlichen Anwendungsbereich der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung ausgeschlossene öffentlich-rechtliche Angelegenheit handelt (so – zum Klauselerteilungsverfahren – Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, 1983, Bd. I/1, S. 1169 Fn. 3; zu Art. 49 EuGVVO anders aber nunmehr ders. in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rdn. 2 sowie Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Art. 49 Brüssel-I-VO Rdn. 4, jeweils m.w.N.). Um aber sicherzustellen, dass sich nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben, ist der Begriff “Zivil- und Handelssachen” nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ autonom auszulegen; dabei müssen die Zielsetzungen und die Systematik der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze berücksichtigt werden, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben (grundlegend EuGH, Urt. v. 14.10.1976 – 29/76, Slg. 1976, 1541 = NJW 1977, 490 Tz. 3 und 5 – LTU/Eurocontrol; zuletzt EuGH, Urt. v. 15.2.2007 – C-292/05, Slg. 2007, I-1519 = IPRax 2008, 250 Tz. 29 – Lechouritou u.a./Bundesrepublik Deutschland, m.w.N.). Dementsprechend können auch Verfahren, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, im Hinblick auf die Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder wegen des Gegenstandes des Rechtsstreits als Zivil- und Handelssachen im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen anzusehen sein (vgl. EuGH NJW 1977, 490 Tz. 4 – LTU/Eurocontrol; EuGH IPRax 2008, 250 Tz. 30 f. – Lechouritou u.a./Bundesrepublik Deutschland). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Auslegung des Begriffs der “Zivil- und Handelssachen” i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO (Rauscher/Pabst, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Art. 1 EG-VollstrTitelVO Rdn. 4; Hüßtege, Festschrift für Jayme, 2004, Bd. I, S. 371, 372).
12
Im vorliegend zu beurteilenden Fall spricht danach insbesondere der Umstand für die Einordnung als Zivil- und Handelssache, dass die Streitsache ihren Ursprung nicht in einer hoheitlichen Tätigkeit, sondern in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin um die Ahndung eines von der Gläubigerin geltend gemachten Verstoßes der Schuldnerin gegen einen Unterlassungstitel hat, den die Gläubigerin auf zivilrechtlicher Grundlage gegen diese erwirkt hat (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1980 – 814/79, Slg. 1980, 3807 = IPRax 1981, 169 Tz. 15 – Rüffer; Giebel, IPRax 2009, 324, 325 f.; Remien aaO S. 318 ff.). Es kommt hinzu, dass das Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ein Parteiverfahren ist, das nur auf Antrag des Unterlassungsgläubigers eingeleitet und durchgeführt wird, und dass auch die Vollziehung des Ordnungsmittelbeschlusses den rechtlichen Bestand des zugrunde liegenden Unterlassungstitels voraussetzt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 890 Rdn. 9a und 25; Giebel, IPRax 2009, 324, 326). In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO maßgeblich von anderen Ordnungsmittelverfahren wie etwa dem gemäß § 141 Abs. 3 ZPO, in dem ein Ordnungsgeld gegen eine im EU-Ausland ansässige Partei nicht durchgesetzt werden kann (vgl. OLG Hamm NJW 2009, 1090; Giebel, IPRax 2009, 324, 326).
13
Für die Einordnung des Ordnungsmittelverfahrens gemäß § 890 ZPO als Zivil- und Handelssache i.S. von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO spricht weiterhin die in Art. 49 Brüssel-I-VO enthaltene Regelung. Diese geht von der Vollstreckbarkeit von Zwangsgeld- und Ordnungsgeldentscheidungen durch private Gläubiger aus und setzt damit deren Charakter als Zivil- und Handelssache voraus. Eine Anwendung des Art. 49 Brüssel-I-VO allein auf Zwangsgelder im Sinne des in Frankreich und den Benelux-Staaten geltenden Systems der “astreinte”, bei der Urteile, die zur Vornahme von Handlungen oder zu Unterlassungen anhalten, einen Zusatz enthalten, der für den Fall der Zuwiderhandlung eine bestimmte Geldsumme androht bzw. festsetzt, die an den Gläubiger zu zahlen ist (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rdn.1 und 2), liefe demgegenüber dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH NJW 1977, 490 Tz. 4 – LTU/Eurocontrol; EuGH IPRax 1991, 169 Tz. 14 – Rüffer) anerkannten Auslegungsgrundsatz zuwider, dass die Bestimmungen des EU-Zivilprozessrechts den Rechtsschutzsuchenden in allen Mitgliedstaaten möglichst gleiche und einheitliche Rechte gewährleisten sollen (vgl. Schlosser aaO Art. 49 EuGVVO Rdn. 8 f.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 49 EuGVO Rdn. 1; MünchKomm.ZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 49 EuGVO Rdn. 4; Giebel, IPRax 2009, 324, 326, jeweils m.w.N.; a.A. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2009, § 6 IV Rdn. 219).
14
bb) Der Begründetheit des streitgegenständlichen Bestätigungsantrags steht auch nicht entgegen, dass der Gläubigerin hinsichtlich des Zwangsgeldanspruchs die Sachbefugnis fehlt.
15
(1) Die Gläubigerin weist hierzu mit Recht darauf hin, dass die Bestimmung des Art. 4 Nr. 2 EuVTVO zum einen autonom auszulegen ist und zum anderen auch schon nach ihrem Wortlaut nicht voraussetzt, dass der Anspruch, der in der als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigenden Entscheidung tituliert ist, notwendig der Person zusteht, die die Bestätigung beantragt.
16
(2) Nicht unberücksichtigt bleiben darf des Weiteren, dass auch im deutschen Recht die Durchsetzung von Ordnungsmittelansprüchen i.S. des § 890 ZPO nicht allein dem Staat obliegt. Vielmehr ist es Sache des Unterlassungsgläubigers, die dem Staat insoweit zustehenden Ansprüche für diesen geltend zu machen und eine Titulierung herbeizuführen. Erst die Vollstreckung der Ansprüche obliegt dann dem Staat. Dieser Ausgangssachverhalt legt es nahe, den Unterlassungsgläubiger auch als berechtigt anzusehen, dem von ihm erwirkten Titel durch die Beantragung seiner Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel eine größere Effizienz zu verschaffen.
17
(3) Das Beschwerdegericht hat schließlich nicht berücksichtigt, dass der Antrag auf Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Art. 6 Abs. 1 EuVTVO jederzeit und damit auch schon im verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellt werden kann (Kropholler aaO Art. 6 EuVTVO Rdn. 2; Rauscher/Pabst aaO Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rdn. 2; Schlosser aaO Art. 6 VTVO Rdn. 1; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S. 186 m.w.N.). Die Gläubigerin hätte den Bestätigungsantrag daher auch schon zusammen mit ihrem Ordnungsmittelantrag stellen können und konnte ihn auch noch später – jederzeit – nachholen.
18
d) Das Beschwerdegericht hat ferner zu Unrecht angenommen, dass es dem Staat im Hinblick auf seine Stellung als Vollstreckungsorgan nach der Justizbeitreibungsordnung überlassen bleiben müsse zu entscheiden, ob der Ordnungsmittelbeschluss als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden solle. Es hat in diesem Zusammenhang unberücksichtigt gelassen, dass eine bereits vom Unterlassungsgläubiger erwirkte Bestätigung des Beschlusses es dem Staat lediglich erspart, eine solche Bestätigung gegebenenfalls selbst zu beantragen. Dagegen ist die Beantragung einer solchen Bestätigung durch den Unterlassungsgläubiger nicht geeignet, die Interessen des Staates als Vollstreckungsbehörde in irgendeiner Hinsicht zu beeinträchtigen.
19
e) Der von der Gläubigerin gestellte Bestätigungsantrag betraf, soweit er sich zunächst auch auf den Ordnungshaftausspruch bezogen hat, keine auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtete Forderung i.S. des Art. 4 Nr. 2 EuVTVO. Er wäre aus diesem Grund aber nicht, wie das Beschwerdegericht gemeint hat, im vollen Umfang, sondern, wie sich aus Art. 8 EuVTVO ergibt, nur in diesem von einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgeschlossenen Umfang abzulehnen gewesen. Nachdem die Gläubigerin ihren Bestätigungsantrag im Beschwerdeverfahren zudem auf den Ordnungsgeldausspruch beschränkt hat, verbleibt nunmehr aber auch für eine nur teilweise Ablehnung des Bestätigungsantrags kein Raum.
20
f) Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl zurückzuweisen, weil das Verfahren, in dem der hier zu beurteilende Ordnungsmittelbeschluss ergangen ist, den im Kapitel III der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung (Art. 12 bis 19) geregelten besonderen Vorgaben nicht entspricht, eine Bestätigung des Beschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel daher gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c EuVTVO ausscheidet und sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts deshalb aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 577 Abs. 3 ZPO).
21
aa) Nicht zu entscheiden ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Forderung immer schon dann als unbestritten i.S. des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO anzusehen ist, wenn sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne vorangegangenes kontradiktorisch angelegtes Verfahren tituliert worden ist (so – zu Art. 32, 34 Nr. 2 Brüssel-I-VO – BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 150/05, NJW-RR 2007, 1573 Tz. 15 ff. = GRUR 2007, 813 = WRP 2007, 330; kritisch dazu etwa Mankowski, EWiR 2007, 329, 330; a.A. OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 1583, 1584 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 14.10.2004 – C-39/02, Slg. 2004, I-9657 = IPRax 2006, 262 Tz. 44, 46 und 50 – Maersk Olie & Gas A/S/M. de Haan in W. de Boer). Denn die im Streitfall in Rede stehende Geldforderung ist nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung der Schuldnerin tituliert worden. Ihr liegt vielmehr ein eigenständiges Ordnungsmittelverfahren zugrunde, in dem der Schuldnerin von Anfang an rechtliches Gehör gewährt worden ist (vgl. Hess aaO § 10 I Rdn. 13 zum Verhältnis zwischen Kostenfestsetzungsbeschluss und der ihm zugrunde liegenden Entscheidung).
22
bb) Das deutsche Zivilprozessrecht sieht jedoch bei Antragsgegnern – anders als gemäß den durch Art. 1 des EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetzes (BGBl. 2005 I, S. 2477) den Erfordernissen der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung angepassten § 215 Abs. 1, § 276 Abs. 2, § 338 ZPO bei Beklagten (vgl. MünchKomm.ZPO/Adolphsen aaO § 1080 Rdn. 38) – keine den Mindestvoraussetzungen der Art. 12 ff. EuVTVO entsprechende Belehrung vor (vgl. Hess aaO § 10 I Rdn. 13). Dementsprechend fehlte es auch im Streitfall bei der Zustellung des Ordnungsmittelantrags an der gemäß Art. 17 EuVTVO erforderlichen Unterrichtung der Schuldnerin über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung und insbesondere an der nach Art. 17 lit. b EuVTVO gebotenen Belehrung über die Folgen des Nichtbestreitens sowie die Möglichkeit einer Entscheidung und ihrer Vollstreckung gegen die Schuldnerin und deren Verpflichtung zum Kostenersatz. Dieser Verfahrensmangel konnte weder gemäß Art. 18 Abs. 2 EuVTVO, der allein für Zustellungsmängel gemäß Art. 13 und 14 EuVTVO, nicht dagegen für Belehrungsmängel gemäß Art. 16 und 17 EuVTVO gilt, noch gemäß Art. 18 Abs. 1 EuVTVO geheilt werden; denn dafür hätte nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO eine – im Streitfall ebenfalls fehlende – Rechtsmittelbelehrung erteilt sein müssen (OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 934, 935 m.w.N.). Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, diese Bestimmung setze ersichtlich eine Säumnissituation voraus, die bei Entscheidungen in Beschlussform nicht in Betracht komme (Roth, IPRax 2008, 235, 237). Diese Ansicht widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO. Außerdem vernachlässigt sie, dass die Anwendbarkeit der einzelnen Bestimmungen der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung nicht davon abhängen kann, wie die – sich im einzelnen stark unterscheidenden – nationalen Säumnisverfahren ausgestaltet sind; denn das führte letztlich dazu, dass diese Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vom jeweiligen nationalen Recht her und nicht – wie zutreffend – autonom ausgelegt würden (Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 372; Hess aaO § 10 I Rdn. 21).
23
cc) Die Schuldnerin muss sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht so behandeln lassen, als seien die Mindestanforderungen der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung gewahrt.
24
(1) Die Rechtsbeschwerde trägt hierzu vor, die Schuldnerin habe sich absichtsvoll in neun weiteren Verfahren der einstweiligen Verfügung und drei weiteren Ordnungsmittelverfahren je nach Bedarf anwaltlich vertreten oder nicht vertreten lassen. Vor diesem Hintergrund sei es rechtsmissbräuchlich, wenn die Schuldnerin sich im vorliegenden Verfahren auf eine Nichtbeachtung der Art. 17, 18 EuVTVO berufen würde.
25
(2) Die Rechtsbeschwerde vernachlässigt bei diesen Ausführungen, dass die Regelungen in Art. 17 und 18 EuVTVO nicht zur Disposition der Parteien eines Vollstreckungsverfahrens stehen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Frage, inwieweit die Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Mindesterfordernisse geheilt werden kann, in Art. 18 EuVTVO einer als abschließend anzusehenden speziellen Regelung zugeführt. Dieser würde es widersprechen, wenn die Nichteinhaltung dieser Mindestvorschriften auch nach Treu und Glauben als unbeachtlich angesehen werden könnte.
26
III. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm                               Pokrant                          Büscher
                         Schaffert                              Koch


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