Europarecht

Rechtmäßige Abschiebungsandrohung nach Bulgarien im Rahmen der Dublin III-VO

Aktenzeichen  M 3 S 16.50586

Datum:
16.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 27a, § 34a
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 S. 2, Art. 17 Abs. 1 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 ist auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern davon auszugehen, dass in Bulgarien derzeit ein ausreichendes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens gegeben ist, sodass keine systemischen Mängel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO vorliegen (wie BayVGH BeckRS 2015, 43013 und VGH BW BeckRS 2014, 58821). (Rn. 22 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht. Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Unterkunft, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist nicht ersichtlich (wie VG Magdeburg, Urt. v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD). (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der nach seinen eigenen Angaben am …1996 in … geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger. Er stellte am 23. Februar 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner ersten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 15. März 2016 gab der Antragsteller an, dass er am 1. Oktober 2015 von Irak aus über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn, Österreich gereist sei und von dort aus auf dem Landweg am 16. November 2015 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die Reise habe ca. 1.5 Monate gedauert. Zuerst sei er am 10. November 2015 in den Mitgliedsstaat Bulgarien eingereist und habe sich dort 2 Tage aufgehalten.
Die eingeleitete Eurodac-Recherche des Bundesamts ergab am 24. Februar 2016 einen Treffer der Kategorie I (BG…) für Bulgarien.
Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie I richtete das Bundesamt am 15. März 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden, die mit Schreiben vom 22. März 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärten.
Mit Bescheid vom … Juli 2016, versandt mit Schreiben vom 26. Juli 2016 und zugestellt nach Angabe des Antragstellers am 27. Juli 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Weiter wurde eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgesprochen. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 3. August 2016, eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage (M 3 K 16.50585) und beantragte weiter,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsgegnerin habe von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO (konkludent) Gebrauch gemacht und dadurch ihre eigene Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers begründet (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO). Das Selbsteintrittsrecht müsse nicht zwingend explizit erklärt werden, sondern könne auch konkludent ausgeübt werden.
Vorliegend habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller zum einen explizit mitgeteilt, dass bei ihm ein beschleunigtes Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werde, und habe zum anderen durch die sich anschließende Vornahme der materiellen Prüfung des Asylantrages deutlich gemacht, das Asylverfahren in eigener Verantwortung im Rahmen des beschleunigten Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland durchführen zu wollen.
Fragen zum Reiseweg, Familienangehörigen und andere Fragen, wie sie zur Ermittlung der internationalen Zuständigkeit nach Dublin III-VO typisch seien, seien zunächst überhaupt nicht gestellt worden.
Das Bundesamt legte mit Schriftsatz vom 10. August 2016 die Behördenakten vor und äußerte sich im Übrigen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach dem zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgeblichen § 27a AsylG in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 11.3.2016 (BGBl I S. 394) (im Folgenden: AsylG a.F.) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG a.F. ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die gleiche Rechtsfolge würde sich im Übrigen auch nach der am 6. August in Kraft getretenen Fassung des AsylG gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) AsylG der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 31.7.2016 (BGBl I S. 1939) (im Folgenden: AsylG n.F.) ergeben. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG n.F. ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG n.F.) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Bulgarien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die bulgarischen Behörden haben auf das Wiederaufnahmegesuch vom 15.März 2016 am 22. März 2016 erklärt, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben werde. Da für den Antragsteller ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 ermittelt wurde, ist Bulgarien nach Art. 18 Abs. 1 lit.c Dublin-III-VO zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Bulgarien durchgeführt werden darf.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin (konkludent) von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO Gebrauch gemacht hat. Zwar ist grundsätzlich auch eine konkludente Ausübung dieses Selbsteintrittsrechts denkbar, eine bloß routinemäßige, an die Befragung zu Herkunft und Modalitäten der Einreise sowie die Erforschung des Reisewegs sich nahtlos unmittelbar anschließende Anhörung des Asylbewerbers zu den Gründen der Verfolgungsfurcht wird für sich genommen regelmäßig nicht hinreichend zum Ausdruck bringen, die Bundesrepublik Deutschland habe bereits den Entschluss gefasst, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in seiner „Gesamtheit“ in eigener Verantwortung durchzuführen (vgl. BayVGH, B.v.3.3.2010 – 15 ZB 10.30005). Darüber hinaus gehende Anhaltspunkte für einen Selbsteintritt der Antragsgegnerin sind auch vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr hat der Antragsteller neben dem Fragebogen für das beschleunigte schriftliche Verfahren ausweislich der Akte am 23. Februar 2016 auch die Merkblätter über das Dublin-Verfahren erhalten, aus denen sich eindeutig ergibt, dass das Verfahren nicht zwingend in Deutschland durchgeführt wird. Darüber hinaus wurden in der Anhörung am 23. Februar 2016 durchaus Fragen zum Reiseweg und Familienangehörigen, die zur Ermittlung der internationalen Zuständigkeit nach Dublin-III-VO typisch sind, gestellt. Schließlich fand im engen zeitlichen Zusammenhang dazu bereits am 15. März 2016 die Anhörung des Antragstellers zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. In diesem Gesamtzusammenhang kommt der Anhörung zu den Verfolgungsgründen nicht mehr als ein informatorischer Charakter zu.
Die Überstellung an Bulgarien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – finden (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris). Daraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., juris Rn. 80).
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 – juris) zugrundeliegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVwerG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m. w.N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 bestehen in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 29.1.2015 – 13a B 14.50039 – juris) und dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris) geht das erkennende Gericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern davon aus, dass in Bulgarien derzeit ein ausreichendes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens gegeben ist.
Zwar war die Situation Asylsuchender in Bulgarien nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. “Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue” vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. “ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation” vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: “Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien”) an. In seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland – Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17) hält UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien jedoch nicht länger für gerechtfertigt, sondern empfiehlt nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit von einer Überstellung abzusehen. Dem Bericht vom April 2014 zufolge haben sich die Aufnahmebedingungen im Vergleich zur Situation im Dezember 2013, die der Stellungnahme vom 2. Januar 2014 zugrunde lag, erheblich verbessert (vgl. auch VGH BW, U.v. 10.11. 2014 – A 11 S 1778/14 – Rn. 49). Auch amnesty international sieht im Jahresbericht 2015 („Amnesty report 2015, Bulgarien“) trotz weiterhin erhobener Kritik insbesondere an der mangelhaften Integration anerkannten Asylbewerber davon ab, ein Rücküberstellungsverbot zu fordern.
Nach aktueller Erkenntnislage sind die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes zwar nicht gänzlich ausgeräumt; allerdings sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. So sind die Kapazitäten aufgrund einer technischen und personellen Aufrüstung als auch einer gezielten Ausbildung neuer Kräfte signifikant gestiegen. Damit ist mittlerweile sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwendigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern. Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Bereits im Februar 2014 hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) die Aufnahmezentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert. Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren, stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden. Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt. Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Die Verbesserung der Aufnahmebedingungen wird auch in aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 und an das VG Aachen vom 27. Januar 2016 bestätigt (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg und das VG Aachen vom 30.11.2015 und 27.1.2016 – abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes). Aus den beiden Stellungnahmen geht hervor, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmezentren trotz eines Wiederanstiegs der Asylbewerberzahlen gegenwärtig ausreichend sind, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden unterzubringen. Mit Stand 23. September 2015 befanden sich laut UNHCR 2.581 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren. Die Belegungsrate lag bei 50% (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. November 2015). Mit Stand 24. Dezember 2015 befanden sich nach Angaben von UNHCR 612 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren, die insgesamt eine Kapazität von 5.130 Plätzen aufweisen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016). Nach dem Eindruck des Auswärtigen Amtes hat sich die Situation in den Aufnahmezentren immer weiter verbessert und ist als insgesamt akzeptabel zu bewerten. Die EU habe beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen, auch die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren sei geplant. Die Verpflegung der Flüchtlinge ist nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes derzeit gesichert. Die medizinische Grundversorgung Asylsuchender ist in allen Aufnahmezentren ebenfalls gewährleistet. Jedoch könnten Personen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen nicht immer angemessen versorgt werden. Dies betreffe in Bulgarien jedoch nicht nur Schutzsuchende, sondern auch einen Großteil der Allgemeinbevölkerung. Eine ausreichende Zahl von Dolmetschern sei vorhanden. Fehlendes Personal, auch in der Verwaltung, werde derzeit eingestellt.
Hinsichtlich der Situation von Dublin-Rückkehrer lässt sich dem aktuellen aida-Länderbericht zu Bulgarien (Stand: 30.9.2015, S. 27 ff.) entnehmen, dass derzeit keine prinzipiellen Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer anzunehmen sind. Ihnen wird grundsätzlich ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren gewährt. Dublin-Rückkehrer erhalten die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27. Januar 2016). Die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen ebenfalls noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. Denn mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 7.5.2015 – 13 L 1607/15.A – juris Rn. 32- 49; VG Minden, U.v. 10.2.2015 – 10 K 1660/14.A – juris Rn. 61 – 70).
Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U.v. 21. 1.2011 – 30969/09 – juris Rn. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B.v. 2. 4.2013 – 27725/10 – juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.7.2015 – AN 14 K 15.50050 – juris Rn. 31; VG Düsseldorf, B.v. 15. 4.2013 – 17 L 660/13.A – juris Rn. 43 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 29.1.2015 – 14 A 134/15.A). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (vgl. VG Magdeburg, U.v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD). Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Unterkunft, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist nicht ersichtlich (vgl. VG Magdeburg, U.v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD).
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Bericht von Pro Asyl „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015. Soweit darin ein Überstellungsstopp gefordert wird, beruht dies auf Berichten von Einzelschicksalen aus den Jahren 2012 bis Anfang 2014. Die dort geschilderten Zustände sind jedoch aufgrund der neueren Entwicklungen überholt. Zudem lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarisch-türkischen Grenze (vgl. Seite 27 f. des Berichts) betreffen den Antragsteller nicht, weil dieser sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, lassen sich dem Bericht von Pro Asyl nicht entnehmen. Soweit sich der Bericht des Weiteren mit den Problemen befasst, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen, handelt es sich hierbei aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern – da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht – um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.
Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis daher davon aus, dass die noch bestehenden Defizite jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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