Europarecht

Rechtmäßige Ausweisung wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung

Aktenzeichen  M 12 K 16.5397

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 2, § 56 Abs. 1 S. 1
EMRK EMRK Art. 8
StGB StGB § 129a

 

Leitsatz

1 Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. (redaktioneller Leitsatz)
2 § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG BeckRS 2012, 45868), dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Bestimmung der Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und ggf. zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 51945). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage der Ausweisung in Nr. 1 des Bescheids ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) schwer bzw. besonders schwer zu gewichten ist. Abweichend von diesen Grundsätzen bestehen für bestimmte Personengruppen wie Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber ein besonderer Ausweisungsschutz, vgl. § 53 Abs. 3 und 4 AufenthG.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
Dem Kläger kommt ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu (a). Es besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (b) und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nach § 53 Abs. 1 AufenthG (c), dem kein besonderes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenübersteht (d). Bei der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG sowie den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überwiegt das Ausweisungsinteresse (e).
a) Der Kläger gehört keiner der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten Personengruppen an, deren Ausweisung nur unter einem modifizierten Ausweisungsmaßstab zulässig ist. Der Kläger hat weder einen Asylantrag gestellt noch ist er als Asylberechtigter anerkannt oder genießt die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings. Ihm steht auch nicht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zu und er ist im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung auch nicht im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU.
b) Es besteht im Fall des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
Voraussetzung ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13/10 – juris). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, U.v. 25.10.2011 – a.a.O.). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26/03 – juris).
Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2170 (2014) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. August 2014, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen der ISIL verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden. Es besteht keinerlei Anlass dazu, an dieser allgemeingültigen Beurteilung der Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ zu zweifeln.
Es liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, U.v. 25.10.2011 – a.a.O.). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG, U.v. 25.10.2011, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Auslegung des Begriffs der Unterstützungshandlung sind in hinreichendem Maße Tatsachen vorhanden, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt.
Die Posts, in denen Kritik am Westen und dessen Geschichte zum Ausdruck kommt, bzw. (vermeintlich) religiöse Ansichten über das Hören von Musik oder die Verschleierung der Frau, stellen – entgegen der Auffassung der Beklagten – zwar keine derartigen Tatsachen dar, da diese von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG gedeckt sind. Die in den Akten befindlichen, für jedermann zugänglichen Auszüge aus dem Facebook-Account des Klägers weisen jedoch eine Vielzahl gewaltverherrlichender Einträge auf, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Dschihad, Selbstmordanschläge und den „Märtyrertod“ verteidigen bzw. glorifizieren und damit eine Identifizierung des Klägers mit den Zielen des IS und deren Durchsetzung mit terroristischen Mitteln belegen. Zudem hat der Kläger entsprechende Einträge anderer Nutzer geliked und geteilt und damit die extremistische Einstellung anderer bestätigt und zu deren Verbreitung beigetragen. Neben diesen Aktivitäten im Internet betätigte sich der Kläger innerhalb einer Gruppe junger Salafisten in … und nahm im Rahmen des …-Projektes von Anfang 2014 bis Ende Mai 2015 regelmäßig an Verteilungsaktionen in … in Form der Betreuung der Infostände und des Street-Dawa teil. Von Ende März bis Ende Mai 2015 war der Kläger für die Infostände sogar als einer der verantwortlichen Leiter gemeldet gewesen. Seine Stellung innerhalb der Gruppe belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass er im November 2014 im Anschluss an eine …-Veranstaltung mit den Verantwortlichen des Projekts aus Nordrhein-Westfalen, S. B. A. und I. A. N., Essen gegangen ist. Daneben pflegt der Kläger enge Kontakte zu Personen, die in Krisen- oder Kriegsgebiete ausgereist sind, wie dem Syrien-Rückkehrer S. A., sowie zur salafistischen Szene in … Es muss davon ausgegangen werden, dass innerhalb dieser Gruppen auch intensiv um die Legitimität des bewaffneten Dschihads des IS und dessen Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung geworben wurde und der Kläger vor dem Hintergrund seiner Bildung hierzu maßgeblich beigetragen hat. In der Gesamtschau teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger nicht nur dem politischen Salafismus zuzurechnen ist, sondern eine salafistisch-dschihadistische Einstellung verinnerlicht hat und über die ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel und persönlichen Kontakte zumindest Sympathiewerbung in erheblichem Umfang für den IS betrieben hat.
Bei der vom Kläger betriebenen Sympathiewerbung ist davon auszugehen, dass sich diese positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirkt, indem der Kläger der allgemeinen Verurteilung von dessen Gräueltaten das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzte und sich damit als Teil von dessen Propagandamaschinerie betätigte. Dies genügt für das Vorliegen einer Unterstützungshandlung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Maßgeblich ist allein, dass die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es – entgegen der Auffassung der Klagepartei – dabei nicht an (BVerwG, U.v. 15.3.2005, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.). Es ist daher nicht entscheidend, wie oft ein Beitrag des Klägers geliked oder geteilt wurde, zumal die tatsächliche Außenwirkung, etwa durch bloßes Betrachten der für jedermann einsehbaren Einträge auf dem Facebook-Account, nicht abschätzbar ist und daher in keinem Fall als völlig untergeordnet bezeichnet werden kann.
Auf die subjektive Vorwerfbarkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Allerdings müssen die Unterstützungshandlungen dem Kläger auch zurechenbar sein, d.h. es muss für ihn erkennbar sein, dass er durch seine Handlungen eine terroristische Vereinigung unterstützt (BVerwG, U.v. 25.10.2011, a.a.O., Rn. 23). Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Kläger kannte die Aktivitäten, Ziele und Methoden des IS, die letztlich zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung und zum Vereinsverbot geführt haben.
Ein durchgreifender Gesinnungswandel oder eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat ist nicht ersichtlich. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen, liegen nicht vor. In seinem Schreiben vom … September 2016 hat der Kläger zwar erklärt, er bereue es, im Internet so viel geschrieben zu haben. Darin ist jedoch keine Abkehr von den getroffenen Aussagen zu erkennen, sondern lediglich ein Relativierungsversuch angesichts der drohenden ausländerrechtlichen Maßnahmen. Dass sich seine Aussagen nur auf die Misratah-Milizen in Libyen bezogen hätten und er Gewalt im Übrigen ablehne, wird durch die Auszüge aus seinem Facebook-Account eindeutig widerlegt. Die genannten Milizen werden jedenfalls in den übersetzten Auszügen nicht erwähnt, wohingegen etwa der Anschlag in Paris befürwortet und verteidigt wird und Gewalt gegen „Ungläubige“ als vom Propheten gewollt und selbst praktiziert dargestellt wird. Auch der Verweis auf seine anscheinend weltoffene Familie ist nicht zielführend, da ihn diese Herkunft nicht von seiner Radikalisierung seit 2012 abgehalten hat und ihn offenbar sogar Familienmitglieder angesichts seiner Entwicklung nicht mehr wiedererkennen (vgl. Kommentare von R. K. und N. vom 2.6.2015; Bl. 272 der Behördenakte). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Unterstützungshandlungen und eine glaubhafte Abkehr hiervon sind dem Schreiben vom … September 2016 jedenfalls nicht zu entnehmen. Eine solche ist auch den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht zu entnehmen. Dass sich die Aktivitäten des Klägers im Internet im Jahr 2016 abgeschwächt hätten, ist entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nicht ersichtlich. Allein die im Tatbestand genannten zahlreichen Posts aus dem Jahr 2016 belegen, dass der Kläger auch 2016 unvermindert seine Unterstützungshandlungen im Internet fortgesetzt hat. Hinzu kommen die persönlichen Kontakte zu IS-Sympathisanten, wie sie in der mündlichen Verhandlung nochmals dargestellt wurden. Im Übrigen würde aber selbst eine geringere Zahl unterstützender Posts nicht dazu führen, dass eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat vorläge, nachdem auch in diesem Fall weiterhin Unterstützungshandlungen vorliegen. Auch den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Unterstützungshandlungen und eine glaubhafte Abkehr nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Kläger zugegeben, Gruppierungen, die den IS bekämpfen, als Ungläubige dargestellt zu haben, um in der Gruppe der IS-Sympathisanten bleiben zu können. Eine Nennung der Namen dieser IS-Sympathisanten hat der Kläger allerdings verweigert. Dass der Kläger nach Einleitung des ausländerrechtlichen Verfahrens und damit in Ansehung möglicher ausländerrechtlicher Konsequenzen keine weiteren erkennbaren Unterstützungshandlungen unternommen hat, kann allein nicht als erkennbare und glaubhafte Distanzierung gewertet werden. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse ist daher zu bejahen.
c) § 53 Abs. 1 AufenthG setzt weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dies ist vorliegend der Fall. Angesichts der mangelnden Distanzierung und Abkehr von seinem bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln einerseits und seiner tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Grundeinstellung, wie sie in seinen Internet-Aktivitäten wie auch durch seinen Bekanntenkreis zum Ausdruck kommt, ist bei einem weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet auch künftig mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen ähnlicher Ausprägung zu rechnen und damit mit einer vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Bei Würdigung des Verhaltens des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur (Sympathie-)Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu Aktivitäten, die auf eine Unterstützung des IS hindeuten, ausnutzen wird. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt umso mehr, als die Radikalisierung potentieller Täter, zu der der Kläger durch seine Sympathiewerbung beiträgt, oftmals über das Internet verläuft und von den Sicherheitsbehörden nicht oder nur unzureichend überwacht werden kann. Es besteht daher eine erhebliche Wiederholungsgefahr.
Darüber hinaus ist vorliegend die Gefahr auch generalpräventiv durch die Gefahr von weiteren sicherheitsgefährdenden Aktivitäten ähnlichen Gewichts durch andere Ausländer begründet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Ausweisung auch generalpräventiv begründet werden. Voraussetzung ist, dass die Ausweisung insoweit ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Von ihr muss eine angemessene Wirkung der generalpräventiven Absicht zu erwarten sein. Das ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten (BVerwG, U.v. 13.11.1979 – 1 C 100.76 – juris). Der Gesetzgeber wollte diese Möglichkeit der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen auch für das reformierte Ausweisungsrecht mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) beibehalten (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 34; BayVGH, B.v. 19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, zu § 53 AufenthG, Rz. 53). Vor diesem Hintergrund begegnet auch die aus generalpräventiven Gründen verfügte Ausweisung des Klägers der Gefahr von Unterstützungshandlungen für terroristische Organisationen durch andere Ausländer. Sie ist Teil der von der Beklagten verfolgten konsequenten Ausweisungspraxis. Vor diesem Hintergrund steht die Geeignetheit und Erforderlichkeit dieser Maßnahmen nicht im Zweifel. Angesichts der Bekanntheit des Klägers in der salafistischen Szene in … und seine Internetpräsenz ist die Ausweisung des Klägers geeignet, andere Ausländer von der Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS abzuschrecken.
d) Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht entgegen der Auffassung der Beteiligten kein besonderes Bleibeinteresse gem. § 55 AufenthG gegenüber, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht gegeben. Danach wiegt das Bleibeinteresse schwer, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Zwar hält sich der Kläger mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Jedoch war er zum Zeitpunkt der Ausweisung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die ihm am 5. Januar 2015 gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis 30. Juli 2016 befristet. Zwar ist durch die Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2016 die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG eingetreten, doch ersetzt dies den tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht. Dagegen sprechen der Sinn und Zweck der Regelung sowie die Gesamtsystematik des Aufenthaltsgesetzes. Sinn und Zweck der neugestalteten Fiktionswirkung in § 81 Abs. 4 AufenthG war es, der Neuordnung des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das Zuwanderungsgesetz gerecht zu werden. Da nunmehr nach § 4 Abs. 3 S. 1 AufenthG Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben dürfen, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt, war es zwingend erforderlich, die bisher über das gesonderte Arbeitsgenehmigungsrecht mögliche Fortsetzung der Erwerbstätigkeit während eines noch ungeklärten Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch eine fiktive Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels sicherzustellen. Dass darüber hinaus durch § 81 Abs. 4 AufenthG auch die aufenthaltsrechtlichen Verfestigungsmöglichkeiten im Vergleich zum bisher geltenden Recht – unabhängig von der materiellen Rechtslage – grundlegend umgestaltet und verbessert werden sollten, ist dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Fortbestandsfiktion nur vorläufigen Charakter bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde hat und sich auf die Beurteilung des materiellen Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht auswirken sollte. Denn ein Antragsteller soll durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte. Daher hat auch die Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG besitzstandswahrende, nicht aber rechtsbegründende Wirkung. Die Neuregelung der Fiktionswirkung vermittelt nur eine verfahrensrechtliche, nicht aber eine materiell-rechtliche Position (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2011 – 19 B 10.1631 – juris; BVerwG, U.v. 30.3.2010 – 1 C 6/09 – juris).
Für das Bestehen eines besonderen Bleibeinteresses nach § 55 AufenthG kommt es demnach allein auf den tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis an. Dem steht die Fiktionswirkung des Verlängerungsantrages nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht gleich (vgl. zur Vorgängerregelung des § 56 AufenthG: BayVGH, U.v. 4.7.2011 – 19 B 10.1631 – juris; Bauer in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 56 AufenthG Rn. 15).
e) Das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet.
§ 53 Abs. 1 AufenthG verlangt ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Dies sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner. Dabei sind die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen, noch müssen sie nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere ist an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe – etwa auch solche rechtlicher Art – ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (VGH B-W, U.v. 13.1.2016, – 11 S 889/15 – juris; OVG NRW, U.v. 10.5.2016 – 18 A 610/14 – juris).
Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebezielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebezielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U.v. 12.1.2010 – 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U.v. 22.3.2012, – 18 A 951/09 – juris).
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da das Ausweisungsinteresse sein Bleibeinteresse unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
Zunächst ist festzustellen, dass ausgehend von den im Fall des Klägers festgestellten und in den §§ 54, 55 AufenthG vom Gesetzgeber vertypten Bleibe- und Ausweisungsinteressen ein erhebliches Überwiegen des Ausweisungsinteresses anzunehmen ist, da zwar ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht, aber kein vertyptes Bleibeinteresse gem. § 55 AufenthG. Gründe, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles von der vertypten gesetzlichen Wertung des Ausweisungsinteresses abzuweichen, bestehen nicht. Insbesondere handelt es sich bei den Unterstützungshandlungen des Klägers nicht um Verfehlungen eines Jugendlichen, wie es der Bevollmächtigte des Klägers darzustellen versucht. Der Kläger ist mittlerweile 24 Jahre alt und damit erwachsen.
Bei der alle Umstände des Einzelfalles in eine Gesamtabwägung einstellende Betrachtung überwiegt ebenfalls das Ausweisungsinteresse. Zwar hält sich der Kläger seit gut fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war jedoch von vornherein auf einen vorübergehenden Aufenthalt zum Zweck des Studiums angelegt. Er hat bis zur Einreise nach Deutschland im Jahr 2011 sein gesamtes bisheriges Leben in Libyen verbracht, wo auch seine nächsten Verwandten, insbesondere seine Eltern, leben. Die Kultur und Sprache seines Heimatlandes Libyen sind dem Kläger daher bekannt. Zwar hat der Kläger eine Partnerin im Bundesgebiet, mit der er zusammenlebt. Er ist jedoch nicht verheiratet und hat keine eigene Kernfamilie begründet. Angesichts der erheblichen Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter wie der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und mittelbar von Leib und Leben Dritter ist es dem Kläger und seiner Partnerin, die … Staatsangehörige ist, zuzumuten, ihre Beziehung in einem anderen Land fortzuführen oder über Fernkommunikationsmittel und Besuche aufrechtzuerhalten. Auch das Interesse des Klägers an der Fortführung und Beendigung seines Studiums in Deutschland muss vor diesem Hintergrund zurücktreten. Eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet ist bislang nicht erfolgt, da der Kläger von den Zuwendungen seiner Eltern lebt.
2. Die in der Klage gegen die Ausweisungsverfügung regelmäßig als „Minus“ enthal-tene Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 AufenthG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf neun Jahre ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine kürzere Befristung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Ausweisung hat nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Die Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13.12- juris Rn. 32; U.v. 13.12.2012 – 1 C 14/12 – InfAuslR 2013, 141 Rn. 13 ff.; U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – NVwZ-RR 2013, 778 Rn. 32 f.) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 10 ZB 15.492 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – Rn. 50).
Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Frist von neun Jahren nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Rahmen. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil vom Kläger, der ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat, eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (s.o). Die Beklagte hat zutreffend das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigt. Angesichts des immens hohen Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter einerseits und der beim Kläger tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Ideologie, wie sie in den zahlreichen Posts und sonstigen Unterstützungshandlungen für den IS zum Ausdruck kommt, ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte prognostisch einen Zeitraum von neun Jahren für erforderlich hält, bis das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr nicht mehr zu tragen vermag. Ebenfalls ist es angesichts der geringen persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet nicht zu beanstanden, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben des Art. 8 EMRK keine Verkürzung der Frist vorgenommen hat. Die festgesetzte Frist von neun Jahren ist daher rechtmäßig.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Nr. 2 des Bescheids vom 15. November 2016 ist daher rechtmäßig.
Dies ergibt sich bereits aus § 11 Abs. 1 AufenthG. Danach darf einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Der Kläger ist vorliegend rechtmäßig ausgewiesen worden (s.o. Nr. 1). Darüber hinaus ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu versagen, da ein Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht (s.o. Nr. 1).
4. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zweieinhalb Wochen nach Zustellung des Bescheids angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr angemessen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
5. Auch die in Nr. 5 des Bescheids angeordnete Meldeverpflichtung ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Meldeverpflichtung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Gründe für ein Absehen von der Meldepflicht sind nicht ersichtlich. Eine erheblich geringere Gefahr als bei anderen Ausländern, die aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen wurden, ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Vorliegend hat die Beklagte eine tägliche Meldepflicht angeordnet. Die Anordnung ist rechtmäßig. Grundlage ist das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet, um dem Kläger weitere Unterstützungsaktivitäten zumindest zu erschweren, indem ihm durch eine engmaschige Überwachung keine Möglichkeit zu einem längeren unbemerkten Aufenthalt außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs und damit insbesondere zu einer Kontaktaufnahme mit der salafistischen Szene in … gegeben wird. Die Maßnahme ist erforderlich, da ein milderes Mittel, mit dem das verfolgte legitime Ziel in gleicher Weise zu erreichen wäre, nicht ersichtlich ist. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Handlungsfreiheit wird durch die Verpflichtung, sich in …, auf dessen Gemeindegebiet der Aufenthalt des Klägers ohnehin beschränkt ist, bei der dortigen Polizeiinspektion einmal täglich zu melden nur unwesentlich eingeschränkt. Auf der anderen Seite wird die – angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik notwendige – Überwachung dadurch deutlich verbessert.
6. Die Aufenthaltsbeschränkung in Nr. 6 sowie die Wohnsitznahmeverpflichtung in Nr. 7 des Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Aufenthaltsbeschränkung ist § 56 Abs. 2 AufenthG. Danach ist der Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichende Festlegung trifft. Gründe für ein Absehen von der Aufenthaltsbeschränkung sind nicht ersichtlich. Vorliegend hat die Beklagte eine anderweitige Festlegung getroffen und eine Aufenthaltsbeschränkung auf das Gemeindegebiet von … … … angeordnet. Gleichzeitig hat sie in Nr. 7 des Bescheids eine Wohnsitznahmeverpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft in … … … ausgesprochen. Gem. § 56 Abs. 3 AufenthG kann ein Ausländer verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können.
Die Befürchtung, der Kläger werde die Bestrebungen, die zu seiner Ausweisung geführt haben, fortführen, ist nicht zu beanstanden, nachdem keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen (s.o.). Die Maßnahme ist geeignet, um eine Kontaktaufnahme des Klägers zu seinen Freunden und Bekannten aus der salafistisch-dschihadistischen Szene, insbesondere in …, weitestgehend zu unterbinden. Dies trifft sowohl auf die Aufenthaltsbeschränkung auf eine Gemeinde außerhalb und in einiger Entfernung von München zu als auch auf die Wohnsitznahmeverpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Gerade letztere lässt die Überwachungsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden deutlich effektiver werden als vergleichsweise in einer Privatwohnung, insbesondere auch unter Gesichtspunkten des Hausrechts und des Zugangs für die Sicherheitsbehörden. Die Maßnahme ist auch erforderlich, da andere, gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen. Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Das öffentliche Interesse an einer Unterbindung sicherheitsrelevanter Unterstützungshandlungen überwiegt das persönliche Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib in München. Die Beziehung des Klägers kann auch durch Nutzung des erlaubten nicht internetfähigen Telefons sowie durch Besuche seiner Partnerin aufrechterhalten werden. Das Interesse an der (vorübergehenden) Fortführung des Studiums in München ist angesichts der nach summarischer Prüfung rechtmäßigen Ausweisung und der Tatsache, dass der Kläger über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt, als gering zu bewerten.
7. Die Anordnung in Nr. 8 des Bescheids, bestimmte Kommunikationsmittel nicht zu nutzen, ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 56 Abs. 4 AufenthG. Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann danach ein Ausländer u.a. auch verpflichtet werden, bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Die Maßnahme dient dem Zweck, dem Kläger die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, also die Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS, zu erschweren bzw. zu unterbinden. Der Kläger hat insbesondere über das Internet Sympathiewerbung für den IS betrieben. Diese Möglichkeit wird durch die Anordnung unterbunden. Das Verbot sämtlicher weiterer elektronischer Fernkommunikationsmittel erschwert zudem die Kontaktaufnahme zu Freunden und Bekannten aus der salafistisch-dschihadistischen Szene, insbesondere in …, und damit die Einflussnahme des Klägers auf weitere Personen zum Zwecke der Radikalisierung. Die Maßnahme ist auch notwendig, um die von Unterstützungshandlungen für den IS ausgehenden erheblichen Gefahren für die innere Sicherheit und für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Andere, gleich wirksame Mittel stehen nicht zur Verfügung, insbesondere genügt die bloße Untersagung der Internetnutzung nicht, da der Kläger – wie sich in der mündlichen Verhandlung nochmals erwiesen hat – darüber hinaus intensive persönliche Kontakte zu IS-Sympathisanten pflegt. Auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid wird verwiesen. Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Das öffentliche Interesse an einer Unterbindung sicherheitsrelevanter Unterstützungshandlungen überwiegt das persönliche Interesse des Klägers an der Nutzung der untersagten Kommunikationsmittel. Der Anforderung, dass dem Kläger Kommunikationsmittel verbleiben müssen, wurde dadurch Rechnung getragen, dass er ein nicht internetfähiges Mobiltelefon benutzen darf, dessen Registrierungsnummer er der Beklagten vorab bekannt zu geben hat. Die Beziehung des Klägers kann daher auch durch Nutzung des erlaubten, nicht internetfähigen Telefons sowie durch Besuche seiner Partnerin aufrechterhalten werden.
8. Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 10, 11 und 13 des Bescheids, die auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG beruhen, sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 12 des Bescheids, die auf Art. 29, 34 und 36 VwZVG beruht, sind rechtmäßig. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass insbesondere die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes von 250,- Euro angemessen und die Annahme der Beklagten, dass andere Zwangsmittel als der unmittelbare Zwang keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lassen, angesichts des Zwecks der sofort vollziehbaren Wohnsitzverpflichtung, den Kläger möglichst schnell aus dem salafistisch-dschihadistischen Umfeld in … zu entfernen, nicht zu beanstanden ist.
9. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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