Europarecht

Rückwirkende Erteilung einer Bewilligung

Aktenzeichen  14 K 1797/19

Datum:
27.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8137
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
Das HZA hat es in seinem Ablehnungsbescheid vom 26. Oktober 2018 zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin beantragte Erweiterung der Bewilligung auf Fälle des Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 zu erstrecken. Dabei ist auch die von der Klägerin begehrte Erweiterung der Bewilligung, monatlich 299 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils pro Kunde zollfrei einführen zu können, vom HZA zu Recht abgelehnt worden.
1. Durch die Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 des Rates (ABl. Nr. L 228 vom 9. September 1993, S. 1) ist auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der VR China ein Antidumpingzoll eingeführt worden (GrundVO). Mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 vom 10. Januar 1997 (ABl. Nr. L 16 vom 18. Januar 1997, S. 55) hat der Rat den Antidumpingzoll auf die Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus diesem Land ausgeweitet (AusweitungsVO). Entsprechend der in Art. 3 der AusweitungsVO enthaltenen Ermächtigung, hat die Kommission hierzu die VO Nr. 88/97 erlassen, die Regelungen enthält, unter welchen Umständen bestimmte Einfuhren wesentlicher Fahrradteile durch Zwischenhändler vom ausgeweiteten Antidumpingzoll befreit werden können.
Danach werden die direkten Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom Antidumpingzoll befreit, sofern sie von einem Montagebetrieb, den die Kommission vom Zoll befreit bzw. bei ihm eine Untersuchung durchgeführt hat, zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden. Außerdem wurden die Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom Antidumpingzoll befreit, sofern sie im Rahmen der Kontrolle der besonderen Verwendung zur Zollbefreiung zugelassen wurden und die Fahrradteile letztendlich an einen vom Zoll befreiten Montagebetrieb geliefert werden oder sofern nur geringfügige Mengen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet beziehungsweise an eine Partei geliefert werden.
Art. 2 der VO Nr. 88/97 bestimmt daher, dass die Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom ausgeweiteten Zoll befreit werden, sofern sie von einer befreiten bzw. untersuchten Partei oder in deren Namen oder gem. Art. 14 dieser VO zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden.
Nach Art. 14 der VO Nr. 88/97 werden Einfuhren wesentlicher Fahrradteile, die von einer anderen Person als einer befreiten Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden, vom ausgeweiteten Zoll befreit, sofern sie im Einklang mit der Taric-Struktur in Anhang III und vorbehaltlich der sinngemäß geltenden Bedingungen gem. Art. 82 ZK und den Art. 291 bis 304 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) angemeldet werden und sofern (Buchstabe a) die wesentlichen Fahrradteile an eine gem. Art. 7 oder 12 befreite Partei geliefert werden oder (Buchstabe b) die wesentlichen Fahrradteile an einen anderen Inhaber einer Bewilligung im Sinne des Art. 291 ZKDVO geliefert werden oder (Buchstabe c) monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert werden.
Hauptgrund für die Befreiung in Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 war der Umstand, dass die bewilligungsfähige Anzahl von 300 Stück pro Monat eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils wirtschaftlich kaum von Bedeutung sei und die Auswirkungen des mit der GrundVO eingeführten Zolls nicht untergraben werde (vgl. Erwägungsgrund 4 der VO Nr. 88/97).
Grundsätzlich kann bei Einfuhren wesentlicher Fahrradteile eine Zollbefreiung und damit auch die Gewährung einer Bewilligung auf jede der drei in Art. 14 Buchst. a) bis c) der VO Nr. 88/97 genannten Tatbestände gestützt werden, ohne dass sich die Befreiungen gegenseitig ausschließen würden. Insbesondere ist weder aus der GrundVO noch aus anderen Erwägungen ersichtlich, worauf sich die Meinung des HZA im Ablehnungsbescheid gestützt hat, dass die nach Art. 14 Abs. 1 VO Nr. 88/97 notwendige Bewilligung zur besonderen Verwendung nach Art. 82 ZK in Verbindung mit den Art. 291 bis 304 ZKDVO, wenn sie bereits die nach Art. 14 Buchst. a) und b) erfolgt ist, eine Befreiung nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ausschließen soll.
Vielmehr kann sich eine Bewilligung grundsätzlich auf alle drei Buchstaben des Art. 14 VO Nr. 88/97 erstrecken, weil sich die Tatbestände nicht ausschließen, sondern ergänzen. Jeder Partei, die die Voraussetzungen des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 erfüllt, kann somit eine Bewilligung nach Art. 14 Buchst. a) oder b) VO Nr. 88/97 erteilt werden. Davon unabhängig und für die Frage, ob eine Bewilligung überhaupt zu erteilen ist, bleibt der Umstand, wie die Berechnung der erlaubten Bezugsmenge bei der Bewilligung von unterschiedlichen Tatbeständen des Art. 14 VO Nr. 88/97 erfolgt.
Die Bewilligung nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ist allerdings nur für solche Kleinunternehmer vorgesehen, die unter der Bezugsmenge von 300 Stück je wesentlichem Fahrradteil pro Monat bleiben und damit gerade nicht für größere Unternehmen – wie die Klägerin – gedacht, die diese Grenze in jedem Monat erwartungsgemäß deutlich überschreiten. Wie das HZA in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, sieht auch die Verwaltung die „de-minimis“ Regelung nicht als Freibetrag an, der jedem Unternehmen, unabhängig von seiner Größe zusteht. Der Senat teilt die Auffassung des HZA, dass diese Regelung ausschließlich den Sinn hatte, kleinere Unternehmen mit geringen Bezugsgrößen von der Erhebung des Antidumpingzolls zu verschonen.
2. Darüber hinaus hat es das HZA auch zu Recht abgelehnt, die bewilligungsfähige Menge der Klägerin auf 299 Stück pro Kunde entsprechend Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 zu gewähren.
Die sog. „de minimis“-Menge stellt jeweils eine Begrenzung für eine Partei auf weniger als 300 Stück pro Monat dar, und zwar unabhängig davon, ob die Partei sie selbst einführt oder sie geliefert bekommt. Nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 können im Rahmen der besonderen Verwendung monatlich höchstens 299 Stück je wesentlichem Fahrradteil ohne Erhebung des Antidumpingzolls eingeführt werden. Die Begrenzung stellt dabei auf die gesamte Menge des Bewilligungsinhabers ab, wie sich aus der Wortwahl in Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ergibt, da hier formuliert ist „von einer Partei angemeldet oder an sie geliefert worden ist“. Das macht deutlich, dass auf den Bezug durch den Bewilligungsinhaber selbst abgestellt wird und nicht auf die Weiterlieferung an seine Kunden.
Eine Bewilligung, die monatlich 299 Stück eines wesentlichen Fahrradteils zollfreie Einfuhr an jeden Kunden der Klägerin erlauben würde, stünde damit nicht nur gegen die Absicht der AusweitungsVO, die Verwendung wesentlicher Fahrradteile in geringen Mengen durch Kleinunternehmen durch eine Befreiung zu ermöglichen (38. Erwägungsgrund der AusweitungsVO), sondern ist auch mit dem Wortlaut des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 nicht vereinbar.
Diese Überlegungen zur Auslegung des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 kommen auch in der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 29. Juli 2010 C-371/09, Slg. 2010, I-7772) zum Ausdruck. Hier führt er aus (Rn. 36), dass in der genannten Bestimmung eine mengenmäßige monatliche Grenze vorgesehen sei und klargestellt werde, dass die Stückzahl unter Berücksichtigung sämtlicher Parteien berechnet werde, die mit dem Einführer oder dem Anmelder geschäftlich verbunden sind oder Ausgleichsvereinbarungen getroffen haben. So müsse die Kontrolle der besonderen Verwendung gemäß Art. 82 Abs. 1 ZK während des gesamten Bezugszeitraums, d. h. während eines Monats, fortdauern, um zu überprüfen, ob die mengenmäßige Grenze von monatlich 300 Stück eingehalten werde. Auch diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die „de minimis“-Regelung auf den Bewilligungsinhaber und nicht nur (wie die Klägerin meint) die einzelnen Lieferungen zu den Kunden mengenmäßig begrenzen soll.
Dass dieses Ergebnis dem Ziel der Begrenzung von zollfreien Einfuhren von Fahrradteilen entspricht, ist offensichtlich, denn ansonsten wären die Lieferbeziehungen des Zwischenhändlers und die Anzahl seiner Kunden für die zollfreie Bezugsmenge maßgebend, was zu unübersehbaren Mengen von zollfrei eingeführten Fahrradteilen führen würde und eine monatlich zahlenmäßige Begrenzung, wie sie die Antidumpingregelungen für Fahrradteile vorsehen wollten, wäre damit praktisch ausgeschlossen.
3. Der erkennende Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil CILFIT vom 06.10.1982 – C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415).


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