Aktenzeichen 21 U 2850/19
Leitsatz
Ein Anspruch des Käufers nach § 826 BGB scheitert bereits daran, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten des beklagten Kfz-Herstellers und dem Eintritt eines etwaigen Schadens beim Käufer fehlt und zudem auch zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs, hier im November 2016 und damit lange nach Bekanntwerden des sog. “Abgassandals”, ein entsprechender Schädigungsvorsatz bei dem Hersteller nicht (mehr) angenommen werden kann.(Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
52 O 1447/18 2019-05-23 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 23.05.2019, Az. 52 O 1447/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist zutreffend und hält den Berufungsangriffen des Klägers stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte bei der vorliegenden Fallkonstellation kein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Die vom Kläger begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages kommt hier nicht in Betracht.
Der Senat schließt sich bei den sog. Fällen „Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals“ einer Vielzahl anderer obergerichtlicher Entscheidungen an, denen ähnliche Fallgestaltungen zugrundelagen, so u.a. OLG Frankfurt, Urteil vom 06.11.2019, Az. 13 U 156/19; OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.08.2019, Az. 2 U 94/18; OLG Stuttgart, Urteil vom 07.08.2019, 9 U 9/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2019, Az. 10 U 199/19; OLG Köln, Urteil vom 06.06.2019, Az. 24 U 5/19; OLG Dresden, Urteil vom 24.07.2019, Az. 9 U 2067/18; OLG Celle, Urteil vom 29.04.2019, Az. 7 U 159/19; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.11.2017, Az. 7 U 69/17; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.11.2019, Az. 1 U 32/19 und OLG Koblenz, Urteil vom 25.10.2019, Az. 3 U 948/19.
1. Ein Anspruch des Klägers nach § 826 BGB scheitert bereits daran, dass der Senat keinen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Eintritt eines etwaigen Schadens beim Kläger sieht und zudem auch zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Erwerbs des Fahrzeugs, hier im November 2016, ein entsprechender Schädigungsvorsatz bei der Beklagten nicht (mehr) angenommen werden kann. Auf eine konkrete Kenntnis des Klägers, dass gerade der von ihm erworbene Wagen vom Abgasskandal betroffen war, kommt es damit nicht an.
Es kann dahinstehen, ob der Beklagten ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen ist oder nicht, denn die Beklagte hatte jedenfalls im Zeitpunkt als der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat, ausreichende Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Schadenseintritts getroffen. Die Beklagte hat nicht nur am 22.09.2015 eine an den Kapitalmarkt gerichtete ad hoc Mitteilung herausgegeben, sie hat vielmehr auch in einer Mitteilung vom gleichen Tag die Presse über die Dieselproblematik informiert und eine in zahlreichen Medien erwähnte Internetwebseite geschaltet, über die sich die Fahrzeughalter informieren konnten, ob ihr konkretes Fahrzeug mit der fraglichen Software-Konfiguration ausgestattet ist. Unmittelbar darauf war die Thematik Gegenstand einer sehr intensiven Berichterstattung in nahezu allen Zeitungen sowie Fernsehsendern und Onlinemedien in Deutschland. Schließlich gab auch das Kraftfahrtbundesamt am 15.10.2015 in einer Pressemitteilung bekannt, dass gegenüber der Beklagten der Rückruf von 2,4 Millionen … Fahrzeugen angeordnet worden ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte ihren Sachvortrag darüber hinaus dahingehend ergänzt, dass sie flächendeckend im Februar 2016 unter Nutzung der Datei des Kraftfahrtbundesamts alle betroffenen Halter angeschrieben und informiert hat, soweit diese in Deutschland ansässig sind. Da der Kläger diesen Vortrag nicht bestritten hat, gilt er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, so dass sich der klägerische Vorwurf auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 29.07.2019, Bl. 272 d.A., an die Beklagte, sie hätte die seinerzeit aktuellen Autobesitzer über eine Adressermittlung durch das Kraftfahrtbundesamt ausfindig machen und vollständig und umfassend über die Dieselgate Problematik informieren müssen, als unbegründet herausstellt.
Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertrages sieht der Senat auch keinen Schädigungsvorsatz der Beklagten, weil im Hinblick auf die Offenlegung der maßgeblichen Aspekte der Manipulation durch die Pressemitteilungen und die Informationen an die Halter von betroffenen Fahrzeugen nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte die Schädigung des Klägers in ihren Willen aufgenommen, für möglich und billigend in Kauf genommen hat. Die Beklagte hat vielmehr ausreichende Maßnahmen getroffen, um die weiteren Auswirkungen ihres – unterstellt – sittenwidrigen Verhaltens einzudämmen, so dass der Zurechnungszusammenhang in Bezug auf Schäden wegen nach Bekanntwerden der Diesel-Thematik verkaufter Fahrzeuge auf diese Weise unterbrochen worden ist, vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.08.2019, Az. 9 U 9/19.
2. Im Übrigen fehlt es hier auch an einem Nachweis, dass eine etwaige Täuschungshandlung der Beklagten konkret kausal für die Willensentschließung des Klägers geworden ist. Die entsprechende Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Kläger, vgl. Palandt, 79. Auflage Rn. 18 zu § 826 BGB. Da der Kläger eingeräumt hat zum Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs allgemein von dem sog. Abgasskandal gehört zu haben, vgl. Bl. 243 d.A., hätte er nachvollziehbar darlegen müssen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass einer Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss im Regelfall bereits entgegensteht, dass ein objektiver Verdacht bestand, dass der Pkw betroffen sein könnte, der Kläger aber keine Veranlassung gesehen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Der Kläger erklärte hier lediglich pauschal, er sei davon ausgegangen, dass bei dem zu erwerbenden Fahrzeug keinerlei Manipulationen vorlägen. Ferner war er der Meinung, dass die Verkäuferin ihm etwas hätte sagen müssen, selbst nachgefragt habe er nicht. Von einer Relevanz der potentiellen Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal beim Vertragsschluss kann sich der Senat bei dieser Sachlage ebenso wenig überzeugen wie das Landgericht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Senat hat hier einen Einzelfall entschieden und folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Deliktsrecht. Eine Grundsatzbedeutung lässt sich auch nicht darauf stützen, dass derzeit zahlreiche „Diesel-Klagen“ bundesweit bei Gerichten anhängig sind. Grundsatzbedeutung hat eine Sache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist, vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.2002, VII ZR 101/02. Daran fehlt es hier, weil der Rechtsstreit lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall betrifft. Auch die Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, Az. 13 U 149/18, führt nicht zu einer Zulassung der Revision, da dort die konkreten Angaben der Käuferin streitentscheidend waren. Hinsichtlich der Frage des Vorsatzes der Beklagten hat das OLG Hamm, anders als der Senat hier, allein auf die ad-hoc Mitteilung der Beklagten sowie die Informationsmöglichkeit im Internet abgestellt, so dass auch insoweit der Entscheidung aufgrund des Sachvortrags der Parteien eine andere Fallgestaltung zugrunde lag.