Europarecht

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Aktenzeichen  5 O 3359/19

Datum:
6.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51748
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 21.200,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angegangene Gericht örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
Wird ein Anspruch aus § 826 BGB geltend gemacht, gehört zum Tatbestand der unerlaubten Handlung der Eintritt eines Vermögensschadens. Das nach § 32 ZPO zuständige Gericht ist daher in diesen Fällen nicht nur anhand des Ortes zu bestimmen, in dem der Täter gehandelt hat, sondern auch dort begründet, wo der Rechtsgutseingriff erfolgt und der Schaden entstanden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 26.10.2018 – 32 SA 32/18, NJW-RR 2019, 186, 187). Bei Vermögensschäden aus unerlaubter Handlung liegt dabei der Ort des Schadenseintritts dort, wo in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238).
Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung der Vermögensschädigung ist deshalb am Wohnsitz der Geschädigten begründet, weil sich dort sein Vermögen befindet.
II.
Der Anspruch des Klägers ist jedenfalls verjährt.
Die Verjährung des Anspruchs aus § 826 ZPO richtet sich ebenso wie die eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährungseinrede ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf Verjährung beruft, hier also die Beklagte.
Der Schadensersatzanspruch ist wohl bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs im Jahr 2015 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber noch keine Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs und der Person des Schuldners.
Die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Es ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06). Die Erhebung einer Klage muss bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht haben, dass sie zumutbar ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 17/14). Nicht ausreichend ist die Kenntnis von Anknüpfungstatsachen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016 – V ZR 134/15).
Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172). Der Gläubiger muss zumindest aufgrund der Tatsachenlage beurteilen können, ob eine rechtserhebliche Handlung von dem üblichen Vorgehen abweicht (Spindler in BeckOK BGB, § 199 Rn. 26). Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172).
Ausgehend von diesen Grundsätzen wären die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen.
Insbesondere wäre dem Verjährungsbeginn nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015 entgegengestanden. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich wohl weder aus der „schleppenden Aufarbeitung des Abgas-Skandals und seiner Ausmaße durch die Beklagte“ noch aus der sich „anfangs sehr zögerlich entwickelnden Instanzenrechtsprechung“. Die Beklagte hat die breite Öffentlichkeit und damit nicht nur die potentiellen Erwerber von Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, sondern auch die Besitzer solcher Fahrzeuge, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom KBA als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist (OLG München Beschluss vom 10.3.2020 – 3 U 7392/19, BeckRS 2020, 3135, beck-online; OLG München, Beschluss vom 3.12.2019 – 20 U 5741/19, ZVertriebsR 2020, 51). Zeitgleich war der sog. Diesel- oder Abgasskandal Gegenstand einer sehr umfassenden Presseberichterstattung. Die Öffentlichkeit wurde ferner durch das KBA über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 informiert. Die Beklagte schaltete Anfang Oktober 2015 eine Website frei, auf der durch Eingabe der FIN überprüft werden kann, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung versehen ist, also von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Dies wurde ebenfalls in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und war, wie allgemein bekannt ist, Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung.
Damit ist jedenfalls für das Jahresende 2015 von einem Verjährungsbeginn bezüglich des klägerischen Anspruchs auszugehen; die Verjährung endete mit dem Schluss des Jahres 2018, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.
Die Verjährung war nicht durch zwischenzeitliche Anmeldung des Klägers zum Klageregister des Musterfeststellungsverfahrens vor dem OLG Braunschweig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB gehemmt.
Die Klagepartei hat vorgetragen, dass sie am 13.02.2019 den hier streitgegenständlichen Anspruch zum Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig angemeldet und die Anmeldung noch vor der hier erfolgten Klageerhebung wieder zurückgenommen hat.
Diese Anmeldung erfolgte jedoch rechtsmissbräuchlich und entfaltet daher keine Wirkung. Nach derzeit herrschendem Verständnis ermöglicht § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB zwar dem Verbraucher, durch eine fristgerechte Anmeldung rückwirkend eine Verjährungshemmung für verjährte Ansprüche herbeizuführen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Musterfeststellungsklage in unverjährter Zeit erhoben wurde.
Die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage zu einem Zeitpunkt, zu dem der geltendgemachte Anspruch, wie hier, bereits verjährt ist, und die zurückgenommen wird, um anschließend Individualklage zu erheben, ist jedoch rechtsmissbräuchlich, wenn der Verbraucher nicht ein nachvollziehbares Interesse an der Teilnahme am Musterfeststellungsprozess hat (OLG München, Beschl. v. 09.06.2020 – – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 13124). Denn eine Anmeldung eines schon verjährten Anspruchs zum Register zum alleinigen Zweck der Verjährungshemmung mit alsbaldiger Abmeldung und Durchführung eines Individualverfahrens ist als Zweckentfremdung der Hemmungsvorschriften und mithin als Rechtsmissbrauch auszulegen (vgl. OLG München, Beschl. v. 09.06.2020 – – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 13124).
Die Konstellation eines Rechtsmissbrauchs liegt hier vor. Einerseits wäre, nachdem der Kläger die Auffassung vertritt, dass mangels Information durch die Beklagte in 2015 eine Verjährung mit Ablauf des Jahres 2018 nicht eintreten würde, die Anmeldung schlicht unnötig gewesen. Andererseits sollte der Weg über die Musterfeststellungsklage, wie sich aus dem Verhalten des Klägers ergibt, gar nicht weiter verfolgt werden.
Die erst im Dezember 2019 erhobene Klage konnte die bereits abgelaufene Verjährung nicht mehr unterbrechen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert ergibt sich aus dem geltend gemachten Klagebetrag.


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