Europarecht

Schadensersatz wegen behaupteter unzutreffender Testate

Aktenzeichen  63 O 483/20

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56885
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3, § 12, § 13, § 32 b, § 91, § 708 Nr. 11, § 709
HGB § 267 Abs. 3, § 316 Abs. 1 S. 1, § 332
InsO § 134
BGB § 311 Abs. 3, § 823 Abs. 2
KapMuG § 2

 

Leitsatz

Mit der Neufassung des § 32 b I ZPO, d.h. der Einfügung von § 32 b I Nr. 2 ZPO sollte der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert werden, weil bislang die Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen durch einen Anlageberater oder – vermittler nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss v. 03.05.2011, X ARZ 101/11) nicht von § 32 b I Nr. 1 ZPO erfasst wurde. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 39.165,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist abzuweisen, da das Landgericht Regensburg nicht zuständig ist.
1. Es ist die ausschließliche Zuständigkeit des LG Nürnberg – Fürth gemäß §§ 32 b I Nr. 1 ZPO, 37 GZVJu (v. 11.6.2012, GVBl 295) gegeben.
Im vorliegenden Fall wird ein Schadensersatzanspruch wegen behaupteter falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation gegen den Beklagten als Wirtschaftsprüfer der … geltend gemacht, so dass sich die Zuständigkeit nach § 32 b I Nr. 1 ZPO richtet. Der Gerichtsstand besteht unabhängig davon, ob tatsächlich ein Antrag nach § 2 KapMuG gestellt wird (Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, Rz. 1).
a) Über den Wortlaut des § 32 b ZPO hinaus können auch weitere verantwortliche Personen in Betracht kommen. Es darf hierzu auf die Kommentierung zu § 32 b ZPO in Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, Rz. 4 a verwiesen werden, wonach ausdrücklich auch Wirtschaftsprüfer in Betracht kommen.
Es geht vorliegend nicht um die klassische Prospekthaftung, sondern um eine sonstige Kapitalmarktinformation durch das angegriffene Testat und den angegriffenen Bericht.
b) Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift des § 32 b I Halbs. 2 ZPO, wonach sich die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richten muss, ist diese Voraussetzung jedoch für § 32 b I Nr. 1 ZPO nicht erforderlich.
Der BGH (Beschluss v. 30.07.2013 – X ARZ 320/13, juris) hat hierzu festgestellt, dass dem Wortlaut keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden kann (Rz. 28). Aus dem Sinn und Zweck der seit 1.12.2012 geltenden Fassung dieser Vorschrift ergibt sich, dass diese neu in den Gesetzestext eingefügte Voraussetzung eines weiteren Beklagten enger zu interpretieren ist als ihr Wortlaut vorzugeben scheint. Die Vorschrift des § 32 b I ZPO soll eine einheitliche Beurteilung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen sichern (BGH, a.a.O., Rz. 15). Mit der Neufassung des § 32 b I ZPO, d.h. der Einfügung von § 32 b I Nr. 2 ZPO sollte der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert werden, weil bislang die Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen durch einen Anlageberater oder – vermittler nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 03.05.2011, X ARZ 101/11, Rz. 15, juris) nicht von § 32 b I Nr. 1 ZPO erfasst wurde. Nachdem sich oftmals der Sitz des Beklagten, z.B. eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in örtlicher Nähe zum Kläger befindet, wollte der Gesetzgeber jedoch keinen ausschließlichen Gerichtsstand an einem möglicherweise weit entfernten Ort begründen (BT-Dr 17/8799, S. 27) und hat deshalb für diesen Fall das Erfordernis eines weiteren Beklagten in der Vorschrift des § 32 b I 2. Halbs. ZPO mit aufgenommen. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich jedoch nicht, dass dadurch der Anwendungsbereich des § 32 b I Nr. 1 ZPO eingeschränkt werden sollte. Dies erscheint im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift vielmehr ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rz. 25).
Dies ist auch bei den im Schriftsatz vom 30.05.2020 zitierten Entscheidungen mitzuberücksichtigen.
Soweit auf Tz. 24 der BGH-Entscheidung abgestellt wird, ist festzuhalten dass sich die Aussagen des BGH nur auf Anlageberater und vergleichbare Berufsgruppen bezieht. Der Wirtschaftsprüfer, der eigenverantwortliche Testate erstellt kann jedoch mit Berufsgruppen aus dem Vertrieb der Kapitalanlagen nicht gleichgesetzt werden.
Auch die Entscheidung des OLG Hamburg betrifft die Haftung eines Anlageberaters und einer Person, die unberechtigt Zahlungen freigegeben haben soll. Sie kann daher ebenfalls für die Beurteilung der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers nicht herangezogen werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO und für die Streitwertfestsetzung waren § 3 ZPO, 48 GKG maßgeblich.


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