Aktenzeichen 6 O 2665/18
StGB § 263
Leitsatz
Die Leasingnehmerin hat bei einem Leasingvertrag über ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung keinen Schaden, wenn sie das Fahrzeug über die gesamte vereinbarte Nutzungsdauer uneingeschränkt hat nutzen können. Sie hat auch nach der Verkehrsanschauung genau das erhalten, wofür sie Leasingzahlungen getätigt hat. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 51.302,94 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Traunstein sachlich (§§ 1, 3 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§ 32 ZPO) zuständig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 826, 31 BGB zu.
1. Zwar kann die gegenständliche Manipulation des Motors durch die Beklagte durchaus als vorsätzliche Täuschung und als zurechenbare vorsätzliche sittenwidrige Schädigung einzustufen sein und die Beklagte dem Grunde nach haften (hierzu OLG München, Verfügung vom 04.07.2019, Az.: 18 U 4761/18 für einen Audi mit eingebauten VW-Motor).
2. Allerdings war die durch die Beklagte begangene Täuschung über die Gesetzeskonformität des von ihr erworbenen Fahrzeugs bzw. des darin verbauten Motors, nicht kausal für einen Irrtum der Klägerin und einen dadurch begründeten Abschluss des Leasingvertrages.
a) Eine Kausalität zwischen Täuschung durch die Klägerin und einem Irrtum des Erwerbers bzw. eines Leasingnehmers eines Fahrzeugs liegt dann nicht vor, wenn der Erwerber bzw. Leasingnehmer nicht weiß, dass die Klägerin bzgl. des konkret erworbenen bzw. geleasten Fahrzeugs manipuliert hat. Erforderlich ist also, dass auch bei Offenbarung der Manipulation der 3,0 l Dieselmotoren durch die Beklagte, die Käufer bzw. Leasingnehmer gleichwohl keine über die Gesetzeskonformität des erworbenen bzw. geleasten Fahrzeugs bzw. Motors keine Kenntnis haben. Die Käufer bzw. Leasingnehmer müssen also wissen, dass es sich um ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug handelt oder dass zumindest der Motor von der Beklagten stammt. Bei juristischen Personen kommt es dabei auf die Kenntnis ihrer Organe an, § 166 BGB analog bzw. § 31 BGB analog.
b) Die Klägerin hat eine derartige Kenntnis ihres Geschäftsführers, des Herrn Wirth, nicht nachgewiesen. Die Beklagte hat bestritten, dass der Geschäftsführer wusste, dass bei dem geleasten Porsche ein Motor der Beklagten verbaut ist. Der Terminvertreter der Klägerin konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.07.2019 keine Ausführungen hierzu machen. Auch in der nachgelassenen Schriftsatzfrist hat die Klageseite nichts hierzu substantiiert vorgetragen.
3. Darüber hinaus fehlt es an einem ersatzfähigen Schaden der Klägerin.
a) Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der so genannten Differenzhypothese zunächst durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BGH, Urteil vom 18.01.2011, AZ.: VI ZR 325/09 mwN.). Andere Beurteilungsgrundlagen werden dadurch jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr muss die Differenzhypothese stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az.: VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275 mwN.). Daher kann schon eine ungewollte Verpflichtung einen nach Deliktsrecht zu ersetzenden Schaden darstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass die erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiver willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass der Vertragsschluss auch nach der Verkehrsanschauung sich als unangemessen und nachteilig erweist. Das Gericht schließt sich dabei den Ausführungen des BGH (Urteil vom 26.09.1997, Az.: V ZR 29/96, NJW 1998, 302) an: „Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht vol brauchbar ist (vgl. Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik, S. 165; Lange, § 1 III 2; Staudinger/Medicus, § 249 Rdnr. 9; in dieser Richtung z. B. BGH, NJW 1994, 663 [664]). Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit zur strafrechtlichen Bewertung solcher Konstelationen im Rahmen des Betrugstatbestandes (vgl. nur BGHSt 16, 321 [325ff.] = NJW 1962, 309 = LM § 263 StGB Nr. 56 L). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt alerdings voraus, daß die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiver wilkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern daß auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluß als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht.“
b) Hieran fehlt es bei der vorliegenden Leasingkonstellation. Die Klägerin hat das gegenständliche Fahrzeug unstreitig die gesamte vereinbarte Nutzungsdauer uneingeschränkt nutzen können und auch tatsächlich genutzt (sogar noch mehr 10.000 km über die vereinbarte Gesamtlaufleistung hinaus). Sie hat auch nach der Verkehrsanschauung genau das erhalten, wofür sie Leasingzahlungen getätigt hat. Hier liegt gerade der Unterschied zu einem Kauf eines von der Abgasmanipulation erfassten Fahrzeugs. Erwirbt jemand ein Fahrzeug, stellt der Kaufpreis die Gegenleistung für das Eigentum am Fahrzeug dar. Dieses Eigentumsrecht ist jedoch mehr als (lediglich) ein Recht zur – von vornherein begrenzten – Nutzung des Fahrzeugs im Rahmen eines Leasingvertrages. Eine Manipulation des Fahrzeugs hat hier gerade Auswirkungen, etwa der drohende Widerruf der Zulassung oder im Rahmen eines Weiterverkauft, einer Vermietung usw. Ein Kaufvertragsschluss ist nach der Verkehrsanschauung – selbst unterstellt ein Minderwert des Fahrzeugs läge nicht vor – nicht mehr als vernünftig und nicht nachteilig anzusehen.
III.
Nachdem in der Hauptsache schon kein Anspruch besteht, sind auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig: Nach der Rechtsprechung des BGH zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis adäquat kausal verursachten Rechtsverfolgungskosten. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat kausal verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGHZ 127, 348 [350] = NJW 1995, 446, juris-Rn. 7; NJW 2006, 1065 Rn. 5; NJW 2011, 1222 Rn. 23; NJW 2012, 919 Rn. 20; NJW 2015, 3447 Rn. 55; GRUR 2018, 914, jew. m. w. N.). Die Insanspruchnahme eines Anwalts zur Durchsetzung einer nicht bestehenden Forderung ist jedoch niemals erforderlich und zweckmäßig, sodass vorliegend keine Anwaltskosten zuzusprechen waren.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.