Europarecht

Sofortverfahren, Dublin-Verfahren, iranische Staatsangehörigkeit, Abschiebungsanordnung nach Dänemark, Bezugnahme auf Bundesamtsbescheid, keine systemischen Mängel im dänischen Asylsystem, Antragsablehnung in Dänemark unschädlich, keine Abschiebungshindernisse, mögliche Erkrankungen in Dänemark behandelbar, keine andere Beurteilung durch Covid-19-Pandemie

Aktenzeichen  W 8 S 21.50304

Datum:
17.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40168
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 34a
AsylG § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60a Abs. 2c
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 17 Abs. 1
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 Buchst. d

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, iranische Staatsangehörige, reiste nach eigenen Angaben nach einem ca. achtjährigen Aufenthalt in Dänemark am 31. Juli 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 10. August 2021 Kenntnis erlangte, und stellte am 27. September 2021 einen förmlichen Asylantrag.
Nach Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates (Dänemark) gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 28. September 2021 erklärten die dänischen Behörden mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Antragstellerin gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Dänemark an (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Am 12. November 2021 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 21. … Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren b e a n t r a g e n,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen die Abschiebungsanordnung des Bescheides vom 18. Oktober 2021 anzuordnen.
Zur Antragsbegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen ausführen: Sie sei in erheblichem Maße gesundheitlich beeinträchtigt, aber bisher nicht ordnungsgemäß medizinisch untersucht und versorgt worden. Eine Reisefähigkeit sei fraglich. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergebe sich nicht das Datum einer Anhörung. Es werde bestritten, dass eine ordnungsgemäße diesbezügliche Anhörung der Antragstellerin erfolgt sei. In Dublin-Verfahren sei das persönliche Gespräch zur Ermittlung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staates durchzuführen. Es diene dazu, die Ermittlung etwaiger systemischer Mängel, bereits erfolgter Menschenrechtsverletzungen oder sonstiger Gründe, die einen Selbsteintritt rechtfertigen würden, zu ermitteln. Dabei sei auch der Reiseweg zu erfragen. Werde dies nicht gemacht, sei der Überstellungsbescheid rechtswidrig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 21. …*) sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2021 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) in Nr. 3 rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet bleiben zu dürfen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Zur Begründung hat die Antragstellerin lediglich vorgebracht, ihr Asylantrag in Dänemark sei abgelehnt worden und sie solle in den Iran abgeschoben werden. In Deutschland habe keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden. Sie leide an gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Diese Gründe machen den streitgegenständlichen Bescheid indes nicht rechtswidrig und stehen auch einer Abschiebung nach Dänemark von Rechts wegen nicht entgegen.
Dänemark ist gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Verordnung Nr. 604/2013/EU – Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Dänemarks ergibt sich – infolge des dort abgelehnten Asylantrages der Antragstellering – vorliegend aus Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d) Dublin III-VO. Die dänischen Behörden haben ihre Zuständigkeit mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 ausdrücklich erklärt.
Des Weiteren ist noch anzumerken, dass sich aus der beigezogenen Behördenakte ergibt, dass die Antragstellerin am 27. September 2021 das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des Asylantrags gehabt hat. Eine weitere Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages hat am 18. Oktober 2021 stattgefunden. Dabei wurden unter anderem auch eventuelle Gründe, die einen Selbsteintritt rechtfertigen oder Abschiebungshindernisse begründen könnten, sowie der Reiseweg abgefragt. Die gegenteilige Behauptung des Bevollmächtigten der Antragstellerin in der Antragsbegründung trifft nicht zu.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand auch unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das dänische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtecharta (GRCh) ausgesetzt wären.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80). Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12. 2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – InfAuslR 2014, 293 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – Buchholz 402.251, § 29 AsylG Nr. 11 mit Anmerkung Berlit v. 9.11.2020 in jurisPR-BVerwG 23/2021 Anm. 1; jeweils m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens stehen deshalb nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind hoch. Konkretisierend hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 – ZAR 2019, 192 – juris Rn. 91) ausgeführt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu werten seien, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werde, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Diese Schwelle sei aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden seien, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats müsse zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinde, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden (kurz: „Bett, Brot, Seife“), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – ZAR 2019, 192 – juris Rn. 92 f.; vgl. weiter BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – Buchholz 402.251, § 29 AsylG Nr. 11 mit Anmerkung Berlit v. 9.11.2020 in jurisPR-BVerwG 23/2021 Anm. 1; jeweils m.w.N.).
Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen bestehen aufgrund der aktuellen Erkenntnislage des Gerichts keine Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger systemischer Mängel im dänischen Asylsystem (SaarlVG, U.v. 10.11.2020 – 5 K 901/20, 8185154 – juris; VG Magdeburg, B.v. 25.9.2020 – 8 B 158/20 – juris; jeweils m.w.N. auch zum Nachfolgenden).
Denn Dänemark verfügt über ein rechtstaatliches Asylsystem mit Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben in Dänemark Zugang zum Asylverfahren. Ihre Verfahren werden gegebenenfalls wiedereröffnet. Sie haben grundsätzlich Zugang zu Unterbringung und medizinischer Versorgung wie auch andere Asylbewerber. Dänemark gewährt temporäre Aufenthaltsgenehmigungen, wenn Personen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland mit Todesstrafe, Folter oder menschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung konfrontiert wären (Non-Refoulment). Die Grundversorgung ist gesichert. Die Lebenshaltungskosten der Asylbewerber werden bei Mittellosigkeit in der Regel vom Immigration Service gedeckt. Asylbewerber erhalten Unterbringung; je nach Bedarf notwendige medizinische und soziale Versorgungsleistungen; Bildung für Kinder, Erwachsenenbildung und andere Aktivitäten. Zusätzlich gibt es finanzielle Beihilfen für Kleidung, Hygieneartikel und Transport. Wenn im Unterbringungszentrum keine kostenlosen Mahlzeiten serviert werden, gibt es auch dafür eine Beihilfe. In diesem Fall erhalten alleinstehende Asylbewerber ein Tagegeld. Des Weiteren gibt es bestimmte Aktivitäten und die Möglichkeit einer Zusatzbeihilfe. Es gibt in Dänemark verschiedene Arten der Asylzentren. Asylbewerber werden in Unterbringungszentren beherbergt; Rückführungszentren sind für Personen ohne Aufenthaltsberechtigung in Dänemark vorgesehen, beispielsweise für Asylbewerber, deren Verfahren endgültig negativ entschieden wurden, sowie für Asylbewerber, welche gemäß der Dublin-Verordnung außer Landes gebracht werden sollen. Der Immigration Service ist für die Bereitstellung von Unterkünften verantwortlich. Ein Antragsteller, welcher aufgrund eines negativ entschiedenen Asylverfahrens verpflichtet ist, das Land zu verlassen und der die Ausreisefrist verstreichen lässt, gilt als illegal aufhältiger Fremder. Der Immigration Service ist für dessen Versorgung zuständig, bis er das Land verlassen hat. Auch wenn ein Fremder aus anderen Gründen illegal auffällig ist, kann er sich bezüglich Abdeckung der Lebenshaltungskosten, Unterbringung und medizinischer Versorgung bis zur tatsächlichen Außerlandesbringung an den Immigration Service wenden. Lediglich Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt usw. stehen der letztgenannten Gruppe nicht zur Verfügung. Die Kosten der medizinischen Versorgung werden vom Immigration Service getragen, wenn die Behandlung dringend und/oder schmerzlindernd ist (vgl. zum Ganzen BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark vom 29.6.2021, S. 7 ff. m.w.N.).
Im Falle einer eventuellen Anerkennung eines internationalen Schutzstatus in Dänemark wird befristet eine Aufenthaltsbewilligung vergeben. Das Aufenthaltsrecht endet, wenn keine Schutzgründe mehr vorliegen. Wenn Asyl gewährt wird, wird der Wohnort des Schutzberechtigten gemäß den Vorschriften des dänischen Integrationsgesetzes in Bezug auf die Unterbringung festgelegt. Demnach wird der Betroffene einer Gemeinde zugewiesen. Bei der Zuweisung werden beispielsweise Beschäftigungsmöglichkeiten, persönliche Umstände und der letzte Wohnsitz berücksichtigt. Bereits im inhaltlichen Verfahren muss ein Asylbewerber an sprach- und integrationsfördernden Kursen teilnehmen (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark vom 29.6.2021, S. 12 f. m.w.N.).
Auch die Ablehnung des Asylantrages der Antragstellerin in Dänemark, verbunden mit einer ihr möglicherweise drohenden Abschiebung in das Heimatland, führt nicht zu einer Zuständigkeit der Antragsgegnerin verbunden mit einer (nochmaligen) Prüfung des Schutzbegehrens in Deutschland. Der Antragstellerin steht es frei, in Dänemark gegebenenfalls um nochmaligen Rechtsschutz nachzusuchen und dort einen Folgeantrag zu stellen. Dass bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber mit ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu rechnen haben, ist hier kein relevanter Mangel des Asylverfahrens und auch im Übrigen nicht menschenrechtswidrig. Vielmehr ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass in Dänemark ein rechtstaatliches Erst- und gegebenenfalls auch Folgeverfahren durchgeführt wird. Ein Asylbewerber hat nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelung insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft, oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einem für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Eines der Hauptziele der Dublin III-Verordnung ist es zu verhindern, dass sich Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaat aussuchen – Verhinderung der Sekundärmigration (SaarlVG, U.v. 10.11.2020 – 5 K 901/20, 8185154 – juris mit Verweis auf BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16.18 – BVerwGE 164, 165 – juris Rn. 26 und U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – Buchholz 451.902, Europ Ausländeru Asylrecht Nr. 82). Relevant sind und bleiben allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Dublin III-Verordnung.
Eine andere Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Nr. 1 ist insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklung im Zuge der COVID 19-Pandemie (Corona-Krise) gerechtfertigt. Dänemark ist regional unterschiedlich von COVID-19 betroffen. Die dänischen Behörden haben verschiedene Maßnahmen getroffen. Mittlerweile wurden jedoch pandemiebedingte Einschränkungen weitgehend aufgehoben. Teilweise ist auch für den Zugang ein Corona-Pass, also ein Nachweis über ein negativ COVID-19-Testergebnis oder eine erfolgte vollständige Impfung oder Genesung erforderlich (vgl. Auswärtiges Amt, Dänemark: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 17.11.2021 sowie BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark vom 29.6.2021, S. 5 f. m.w.N.).
Nach alledem ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin rechtsfehlerhaft nicht von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch gemacht hat.
Des Weiteren hat die Antragstellerin weder einen Anspruch auf die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG – bezogen auf Dänemark – noch liegen inlandsbezogene Vollzugshindernisse vor.
Soweit die Antragstellerin vorbringt, sie leide an verschiedenen Erkrankungen, ist davon auszugehen, dass eine Behandlung bzw. Weiterbehandlung auch in Dänemark – wie schon auch in der Vergangenheit während ihres ca. achtjährigen Aufenthalts dort – möglich ist. Asylbewerber haben in Dänemark Zugang zu medizinischer Versorgung. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen sowie die Darlegungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden, wonach erforderlichenfalls auch eine Kontaktaufnahme der deutschen Behörden mit den dänischen Behörden im Vorfeld einer Überstellung erfolgt, um diese über die individuellen Bedürfnisse der Antragstellerin zu informieren. Die Antragstellerin ist von Rechts wegen gehalten, alsbald mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des zur Verfügung stehenden dänischen Gesundheitssystems zu begegnen und die dortigen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren und ihnen die Spitze zu nehmen.
Zudem wird nach § 60a Abs. 2c AufenthG vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese gesetzliche Vermutung hat die Antragstellerin mangels Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung nicht widerlegt (§ 60a Abs. 2c AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Auch sonst hat die Antragstellerin zu ihrer Krankheit nichts konkret vorgebracht, geschweige denn überhaupt aktuelle ärztliche Atteste vorgelegt, erst recht keine qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen. Aus der in den Behördenakten befindlichen medizinischen Dokumentation vom 17. August 2021 bis 14. Oktober 2021 sind keine gravierenden, im vorliegenden Zusammenhang erheblichen Erkrankungen ersichtlich.
Erkrankungen rechtfertigen zudem grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60a Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wie der Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich klargestellt hat. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich auf die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Sätze 3 und 4 AufenthG).
Des Weiteren ist anzumerken, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Dänemark – wie generell in der EU – in ausreichendem Maße verfügbar sind.
Nach allem ist weiter weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus den vorliegenden Akten auch nur ansatzweise erkennbar, dass die Antragstellerin nicht reisefähig sein könnte.
Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie („Corona-Krise“). Diese führt mit Bezug auf Dänemark nach dem für das Gericht maßgeblichen gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht zur Feststellung eines solchen zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots. Nach der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Mangels einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 2 AufenthG käme ein Abschiebungsschutz ausnahmsweise bei verfassungskonformer Auslegung nur dann in Betracht, wenn die Antragstellerin bei Überstellung aufgrund der herrschenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre (vgl. BVerwGE, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – BVerwGE 147, 8). Denn nur, wenn im Einzelfall die drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sind, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden, etwa wenn das Fehlen eines Abschiebungsstopps dazu führen würde, dass ein Ausländer im Zielstaat der Abschiebung sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen überantwortet würde, wird die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG durchbrochen und es ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (vgl. Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 30. Edition Stand: 1.7.2020, § 60 AufenthG Rn. 45 m.w.N.).
Für das Vorliegen einer derartigen Gefahrenlage bestehen für das Gericht auch aufgrund der in Dänemark getroffenen Maßnahmen keine greifbaren Anhaltspunkte.
Die Antragstellerin gehört nicht zwingend zu einer Personengruppe für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung; zumindest hat er dies nicht glaubhaft gemacht.
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die COVID-19-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen, um zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende in seinem Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, rechnen muss. Zu berücksichtigen sind unter anderem die örtlichen Gegebenheiten im Zielland und auch die Frage, welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (vgl. nur OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20 A – juris). Dahingehend hat die Antragstellerin nichts vorgebracht.
Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuelle persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske, die Einhaltung der Hygieneregeln (z.B. Hände waschen) oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Das Gericht geht weiter nicht davon aus, dass eine Dublin-Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat sonst aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre.
Nach alledem ist die Abschiebung der Antragstellerin nach Dänemark weiterhin rechtlich zulässig und möglich.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung war daher nach alledem abzulehnen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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