Europarecht

Steuerbarkeit der Umsätze aus Weideüberlassung

Aktenzeichen  2 K 1009/15

Datum:
28.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2018, 591
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 3 Abs. 1b, § 24

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist abzuweisen, da die in ihrer Höhe unstreitigen Umsätze aus dem Bereich Pferde dem Regelsteuersatz unterliegen.
1. Der Kläger hat die Umsatzermittlung des Finanzamts im Bericht der Steuerfahndung vom 04.01.2010 nicht mehr angegriffen und sogar bei der Antragstellung zugrunde gelegt (vgl. 1. Hilfsantrag). Zweifel an der Höhe der angesetzten Umsätze ergeben sich aus den Akten nicht.
2. Die streitigen Umsätze sind steuerbar gemäß § 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Sie sind auch in voller Höhe steuerpflichtig, da für sie keine Steuerbefreiung greift.
a. Leistungen im Zusammenhang mit der Haltung von Pferden ohne konkreten Bezug zur Landwirtschaft unterfallen weder § 24 UStG noch dem ermäßigten Steuersatz (vgl. BFH-Urteil vom 10.09.2014 XI R 33/13, BFHE 247, 360, BStBl II 2015); der Kläger hat den diesbezüglichen Vortrag auch ausdrücklich fallen gelassen.
b. Die Leistungen des Klägers sind auch nicht gemäß § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG von der Mehrwertsteuer befreit.
aa. Der Kläger vermietet keine Grundstücksfläche im Sinne von § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG an die Pferdehalter, da er den Mietern keine abgrenzbaren Flächen überlässt, die diese unter Ausschluss anderer nach ihrem Gutdünken nutzen könnten.
§ 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG setzt die gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehene Befreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken um. Entsprechend der danach gebotenen richtlinienkonformen Auslegung gilt als wesentliches Merkmal des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs der „Vermietung“, dass dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, einen Gegenstand so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 12.06.2003 Rs. C-275/01, Sinclair Collis Ltd., Slg. 2003, I-5965, BFH/NV Beilage 2003, 216 Rz 22, 25; vom 03.03.2005 Rs. C-428/02, Fonden Marselisborg Lystbadehavn, Slg. 2005, I-1527, BFH/NV Beilage 2005, 175 Rz 27, 30; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24.01.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, Rn. 20).
Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Vorgangs sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diese erfolgt. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben (EuGH-Urteile MacDonalds Ressort vom 16.12.2010 C-270/09, ECLI:EU:C:2010:780; Varenne, ECLI:EU:C:2015:29; BFH-Urteil vom 21.02.2013 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635). Entscheidend ist, ob eine Leistung vorliegt, bei der das Vermietungselement prägend ist (z.B. BFH-Urteil vom 13.02.2014 V R 5/13, BFHE 245, 92, BStBl II 2017, 846). Nicht als Vermietung angesehen werden kann eine Überlassung, bei der nicht räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzellen zur Nutzung unter Ausschluss Dritter überlassen werden (BFH, Urteil vom 21.06.2017 V R 4/17, BFH/NV 2018, 156, Rn. 19).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es bei der von ihm angebotenen „Robusthaltung“ gerade keine separaten Boxen oder Bereiche für einzelne Pferde gäbe. Vielmehr stelle er die Pferde zusammen mit anderen auf große, weitgehend naturbelassene Weiden, auf denen sich die Pferde selbst Schlaf Platz, Futter und Trinken suchten. Den Pferdehaltern gesteht er aber nicht das Recht zu, mit den „angemieteten“ Flächen wie ein Eigentümer zu verfahren; so dürften diese beispielsweise weder Bäume dort pflanzen, noch einen Kindergeburtstag auf (Teilen) der Weide feiern. Die grundstücksbezogene Leistung des Klägers entspricht damit eher einer Eintrittsberechtigung auf das Gelände des Klägers (vergleichbar: Abenteuerspiel Platz, Kletterpark, Freizeitpark), als einer Vermietung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts.
bb. Die Leistung des Klägers beschränkt sich auch nicht auf das bloße Überlassen einer Grundstücksfläche, vielmehr geben die Pferdehalter beim Kläger Pferde in Obhut. Die korrelierenden Obhutspflichten bilden das prägende Element der einheitlichen Leistung (naturnahe Inobhutnahme von Pferden) durch den Kläger.
Die Leistungen des Klägers gehen eindeutig über das bloße Zurverfügungstellen eines Stücks Land hinaus, da er auch für die Weidehygiene, die Kontrolle des Weidezaunes und zumindest teilweise das Futter zuständig ist. Inwieweit er auch den Zustand der Pferde kontrolliert, blieb im Einzelnen unklar. Allerdings führte er aus, dass er bei sichtbaren Problemen die Halter informieren würde. In seiner in der mündlichen Verhandlung übergebenen Aufstellung führt er eine tägliche Inaugenscheinnahme im Rahmen der regelmäßigen Zaunkontrolle auf und betont, dass keine „Einzeltieruntersuchung“ stattfände. Das Angebot des Klägers kann damit als eine weitgehend naturnahe und in den Augen des Klägers besonders gesunde Unterbringung von Pferden beschrieben werden.
Hierzu gehört aber auch ein nicht unerheblicher Teil der Sorge. Dem durchschnittlichen Halter ist es nicht egal, ob Erkrankungsgefahren auf der Weide bestehen (Weidehygiene), ob sein Tier entlaufen könnte (Zaunkontrolle), oder es gar Hunger leiden könnte (Futtermittelzugabe im Winter).
Die Leistungen des Klägers unterscheiden sich hierin maßgeblich von denen eines Vermieters, der – über die Gewährung der Sicherheit des Gebäudes hinaus – keinerlei Obhutspflichten für seine Mieter übernimmt. Der Kläger hingegen kann aus Sicht eines Durchschnittskunden nur als für das Wohl der bei ihm eingestellten Tiere (mit-)verantwortlich gesehen werden. Auch wenn das Angebot des Klägers gegenüber einer „gewöhnlichen“ Pferdehaltung aufgrund der Größe der Weiden und des natürlichen Wasser- und teilweise auch Futterangebots einen deutlich reduzierten Arbeitsaufwand des Klägers bedeutet, folgt daraus nicht, dass die Obhut für ein eingestelltes Pferd bei Halter verbliebe. Beinahe alle von der Steuerfahndung Befragten haben das Angebot des Klägers als „Pferdepension“ beschrieben. Es ist aus Sicht des Senats auch durch die mündliche Verhandlung bestätigt worden, dass der Kläger die bei ihm eingestellten Tiere in Obhut nimmt. Auch wenn nach Meinung des Klägers Pferde am besten weitgehend auf sich selbst gestellt gehalten werden, so ist es doch gerade der Kläger der den Ort dafür nicht nur bereitstellt, sondern auch „artgerecht“ erhält durch seine täglichen Kontrollen hinsichtlich der Bereiche, in denen den eingestellten Tieren Gefahren drohen.
cc. Die Obhutspflichten des Klägers bilden auch keine unselbständige Nebenleistung gegenüber der „Weideüberlassung“ (eigentlich: Einstellberechtigung) dar.
Grundsätzlich ist jede Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile die Nebenleistung sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH-Urteil vom 17.01.2013, BGZ Leasing, C-224/11, MwStR 2013, 81; BFH-Urteil vom 31.05.2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658).
Die Obhutspflichten des Klägers stellen für die Pferdehalter nicht nur ein Mittel zur optimalen Nutzung der Einstellmöglichkeit dar, vielmehr stellen sie neben den örtlichen Gegebenheiten der Unterbringung den maßgeblichen Teil der vom Kläger angebotenen Leistung dar. Pferdehalter bezwecken mit der Unterbringung ihrer Pferde beim Kläger nicht, über ein Stück Weide ähnlich einem Eigentümer zu verfügen, sondern ihre Pferden in eine sichere und naturnahe Obhut zu geben.
dd. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch das Urteil des EuGH in der Rechtssache Stockholm Lindöpark AB (Urteil vom 18.01.2001 Rs. C-150/99, Slg. 2001, I-0493, UR 2001, 153), nach der sogar die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Golfspielplatzes (Aufsicht, Verwaltung, ständige Unterhaltung) nicht als umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung angesehen werden können. Die von Senat vertretene Auffassung deckt sich auch mit der vom BFH im Urteil vom 08.10.1991 (V R 46/88, BStBl II 1992, 368, Rdnr. 20) vertretenen Ansicht zur sachgerechten Unterscheidung zwischen Miete und Verwahrung.
3. Aus den unter 2. b. cc. genannten Gründen scheidet die hilfsweise beantragte Aufteilung der Umsätze aus.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da sich die Frage, ob eine „reine Weideüberlassung“ eine steuerfreie Grundstücksüberlassung darstelle, im Verfahren angesichts der unstreitigen weiteren Leistungselemente nicht stellt. Die Besteuerung der klägerischen Umsätze wirft keine Rechtsfragen auf, die nicht bereits höchstrichterlich geklärt wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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