Europarecht

Umschreibung einer tschechischen Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  M 26 K 19.4513

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32838
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 lit. e, Art. 12
FeV § 7 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Prüfung, ob Informationen über den Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers zum Zeitpunkt der Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats. Wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“ (stRspr, vgl. EuGH BeckRS 2012, 80440 Rn. 73-75, BayVGH BeckRS 2018, 498 Rn. 10 mwN). (Rn. 19 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. In den Fällen, in denen in einem Ausstellermitgliedstaat eine Meldepflicht besteht, darf vermutet werden, dass die in dessen Auskunft wiedergegebene melderechtliche Situation der tatsächlichen Situation entspricht. Der Umstand, dass sich der Betreffende zum Zwecke eines vorübergehenden Aufenthalts bzw. eines Aufenthalts aus sonstigen Gründen ((Tourist, Transit, geschäftlich, Kongress o.ä.) dort angemeldet hat, deutet darauf hin, dass er von vornherein nicht vorhatte, in dem Ausstellermitgliedstaat persönliche oder berufliche Bindungen zu begründen (vgl. auch BayVGH BeckRS 2018, 14493 Rn. 28). Auch die Umstände, dass der Betreffende erst kurz vor der Ausstellung des Führerscheins unter der angegebenen Adresse Wohnung im Ausstellungsmitgliedstaat genommen und seinen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland beibehalten hat, bilden sehr gewichtige Indizen dafür, dass er dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zum Zweck des Erwerbs einer Fahrerlaubnis angemeldet hat (vgl. ua BayVGH BeckRS 2017, 111563  Rn. 17; BeckRS 2017, 102279 Rn. 15). (Rn. 21 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn sich aus vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen gravierende Zweifel an der Erfüllung der Wohnsitzvoraussetzung ergeben, obliegt es dem Fahrerlaubnisinhaber, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellungsmitgliedstaat im Zusammenhang mit der Fahrerlaubniserteilung sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden, zu machen, wenn er trotz der das Gegenteil ausweisenden Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat und der inländischen Umstände darauf beharrt, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 41971 Rn. 6; BayVGH BeckRS 2016, 50735 Rn. 20 mwN). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Umschreibung ihrer im Jahr 2008 erworbenen tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis, da die tschechische Fahrerlaubnis sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt bzw. berechtigt hat. Die tschechische Fahrerlaubnis wurde unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellt.
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Umschreibung ist § 30 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Voraussetzung ist, dass die umzuschreibende Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat. Dies richtet sich wiederum im vorliegenden Fall nach der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV. Hiernach dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach Absatz 4 Nr. 2 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 allerdings nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland, hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben.
Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Diese Bestimmung steht mit Art. 2 Abs. 1, Art. 7 und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl. EG Nr. L 403 S.18) in Einklang. Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Allerdings darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie). Als ordentlicher Wohnsitz gilt gemäß Art. 12 der Richtlinie der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Fall eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr wohnt. Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Diese Voraussetzung muss nicht erfüllt sein, wenn sich der Führerscheininhaber in einem Mitgliedstaat zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält. Nach Art. 7 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie achten die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Absatzes 1 – und somit auch die Wohnsitzvoraussetzung – erfüllt.
Die Prüfung, ob Informationen über den Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers zum Zeitpunkt der Erteilung als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341 Rn. 73 und 74). Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 a.a.O. Rn. 75; BayVGH, B.v. 12.1.2018 – 11 CS 17.1257 -, juris Rn. 10; B. v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2458 -, juris Rn. 12).
a) Vorliegend weisen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat stammende Informationen auf die Nichterfüllung der Wohnsitzvoraussetzung bei der Erteilung der Fahrerlaubnis hin. Die Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom … August 2019 erfüllt das Kriterium einer aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden Information, da aus dem Schreiben klar hervor geht, dass die dort enthaltenen Angaben aufgrund von Ermittlungen gewonnen wurden, die von tschechischen Polizeibeamten durchgeführt wurden. Weiter geht aus dem Schreiben hervor, dass die tschechischen Polizeibeamten die referierten Daten dem tschechischen Führerscheinregister und dem tschechischen Ausländerregister entnommen haben. Wenn – wie vorliegend – die vom Gemeinsamen Zentrum an deutsche Stellen weitergegebenen Erkenntnisse ihrerseits auf Informationen beruhen, die von Behörden des Ausstellermitgliedstaates stammen, bestehen keine Zweifel an deren Verwertbarkeit (BVerwG vom 25.8.2011, Az. 3 C 9/11, Juris; VGH Baden-Württemberg vom 27.10.2009, Az. 10 S 2024/09, Juris). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 1. März 2012 (Az. C 467/10, Rechtssache Akyüz) klargestellt, dass der Umstand, dass Informationen den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats vom Ausstellermitgliedstaat nicht direkt, sondern nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritter übermittelt werden, als solcher nicht geeignet ist, die Einstufung dieser Informationen als vom Ausstellermitgliedstaat herrührend auszuschließen, sofern sie von einer Behörde dieses Mitgliedstaats stammen (Rn. 71). Die über das Kraftfahrt-Bundesamt eingeholte Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums sowie die von der Klägerin eingeholte Bestätigung des tschechischen Innenministeriums stellen demnach ebenfalls unzweifelhaft Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats dar.
Aus der Auskunft des Gemeinsamen Zentrums ergibt sich, dass für die Klägerin im zentralen Ausländerregister der Tschechischen Republik ein melderechtlicher Wohnsitz lediglich für den Zeitraum von … August bis … November 2008 registriert wurde. Dies stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass die Klägerin die zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes erforderliche Zeitdauer von mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr nicht erreicht hat. Denn in den Fällen, in denen in einem Mitgliedstaat eine Meldepflicht besteht – und hierzu gehört die Tschechische Republik – darf ungeachtet dessen, dass es nach der Legaldefinition des ordentlichen Wohnsitzes in Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG auf die in dieser Bestimmung genannten tatsächlichen Bedingungen ankommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz vom 14.9.2009, Az. 10 B 10819/09.OVG), in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vermutet werden, dass die in einer Auskunft des Ausstellermitgliedstaates wiedergegebene melderechtliche Situation der tatsächlichen Situation entspricht (vgl. VG Mainz vom 10.2.2010, Az. 3 K 1216/09.MZ, Juris; VG Saarland vom 9.2.2011, Az. 10 L 16/11). Auch der Europäische Gerichtshof schließt es in seinem Beschluss vom 9. Juli 2009 (Az. C-445/08, Rn. 61) und im Urteil vom 1. März 2012 (a.a.O., Rn. 69) ausdrücklich nicht aus, dass die von den Einwohnermeldebehörden des Ausstellermitgliedstaats erlangten Informationen als unbestreitbare Informationen angesehen werden können. Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunftslage bestehen für das Gericht nicht, zumal die Daten ausweislich der Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums im tschechischen Ausländerregister recherchiert wurden.
Die über das Kraftfahrt-Bundesamt eingeholte Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom … Juli 2019 steht dem nicht entgegen. Zwar wird darin die Frage nach dem Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes (mindestens 185 Tage im Kalenderjahr) bejaht. Sämtliche Fragen nach dem Bestehen persönlicher oder beruflicher Bindungen zum Mitgliedstaat Tschechische Republik, die für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes entscheidend sind, werden allerdings mit Nein bzw. mit unbekannt beantwortet. Da das Bestehen einer Unterkunft für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes aber gerade nicht ausreicht, deutet auch diese Auskunft letztlich darauf hin, dass die Klägerin sich lediglich zu dem Ziel in der Tschechischen Republik angemeldet hat, dort eine Fahrerlaubnis zu erwerben. Ein weiterer Hinweis hierauf ergibt sich aus der Bestätigung des tschechischen Innenministeriums vom … September 2019 und der Auskunft des gemeinsamen Zentrums, in denen ausgeführt wird, dass sich die Klägerin ausweislich des tschechischen Ausländerregisters zum Zwecke eines vorübergehenden Aufenthalts bzw. eines Aufenthalts aus sonstigen Gründen ((Tourist, Transit, geschäftlich, Kongress o.ä.) in der Tschechischen Republik angemeldet hat. Denn dies deutet darauf hin, dass die Klägerin von vornherein nicht vorhatte, persönliche oder berufliche Bindungen in der Tschechischen Republik zu begründen (vgl. auch BayVGH, U.v. 18.6.2018 – 11 ZB 17.1696 – juris Rn. 28).
Schließlich weist auch der Umstand, dass die Klägerin die Fahrerlaubnis bereits kurze Zeit nach Anmeldung eines Wohnsitzes in der Tschechischen Republik erworben hat (vgl. hierzu auch EuGH, U.v. 1.3.2012, a.a.O., Rn. 75), darauf hin, dass die Klägerin tatsächlich nicht in der Tschechischen Republik gewohnt hat, sondern dort lediglich einen fiktiven Wohnsitz zum Erwerb der Fahrerlaubnis begründet hat. Zwar setzt die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht zwangsläufig voraus, dass die 185-Tage-Frist bereits verstrichen ist (BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 11 CS 13.407 – juris Rn. 41; B.v. 22.2.2010 – 11 CS 09.1934 – juris Rn. 29-36; offen gelassen von BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 3 C 18.12 – BVerwGE 146, 377 Rn. 23). Lässt sich eine Person an einem Ort, an dem sie über persönliche (sowie ggf. zusätzlich über berufliche) Bindungen verfügt, in einer Weise nieder, die es als gesichert erscheinen lässt, dass sie dort während des Kalenderjahres an 185 Tagen wohnen wird, spricht viel für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes ab dem Beginn des Aufenthalts. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Betreffende über keine weitere Wohnung verfügt oder wenn die Art und die Einrichtung dieser Wohnung bzw. die Art und Intensität der bestehenden persönlichen oder beruflichen Bindung eine Beendigung des Aufenthalts bereits vor dem Ablauf eines halben Jahres als praktisch ausgeschlossen erscheinen lassen. Ansonsten bildet jedoch der Umstand, dass der Betreffende erst kurz vor der Ausstellung des Führerscheins unter der angegebenen Adresse Wohnung im Ausstellungsmitgliedstaat genommen hat, ein sehr gewichtiges Indiz dafür, dass er sich nur zum Zweck des Erwerbs einer Fahrerlaubnis dort angemeldet hat, ohne einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen (BayVGH, B.v. 22.5.2017 – 11 CE 17.718 – juris Rn. 17; B.v. 22.2.2010 a.a.O. Rn. 29).
Die Zusammenschau aller vorliegenden Informationen der tschechischen Behörden ergibt nach alldem, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, ob der Wohnsitz der Klägerin im Ausstellungsmitgliedstaat die Voraussetzungen des Art. 9 RL 91/439/EWG erfüllt hat.
b) Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“ (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – juris Rn. 16 m.w.N.). Die Klägerin war unstreitig durchgehend, also auch während der Zeit ihrer Anmeldung in der Tschechischen Republik, im Inland gemeldet. Die alleinige melderechtliche Information ohne Kenntnis der tatsächlichen Umstände des tschechischen Wohnsitzes ist bei gleichzeitig beibehaltenem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ein ausreichender Hinweis darauf, dass die Klägerin sich nur vorübergehend in der Tschechischen Republik aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, die Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins in Deutschland zu umgehen (so ausdrücklich NdsOVG, B.v. 29.3.2016 – 12 ME 32/16 – NJW 2016, 2132; B.v. 10.3.2016 – 12 ME 22/16 – ZfSch 2016, 356; OVG Rh-Pf, B.v. 15.1.2016 – 10 B 11099/15 – NJW 2016, 2052; vgl. auch BayVGH, B. v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – juris; B.v. 15.9.2015 – 11 ZB 15.1077 – KommunalPraxis BY 2015, 418; BayVGH, B.v. 20.2.2014 – 11 BV 13.1189 – juris).
c) Es oblag daher vorliegend der Klägerin, die Angaben zu ihrem behaupteten ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik weiter zu substantiieren und zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die beiden Fallgestaltungen, in denen eine ausländische EU-Fahrerlaubnis im Inland nicht anerkannt werden muss, nämlich diejenige, dass sich ein Verstoß gegen das sog. Wohnsitzerfordernis aus dem Führerschein selbst, oder diejenige, dass sich der Verstoß aus anderen, vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, gleichberechtigt nebeneinander. Aufgrund der gravierenden Zweifel an der Erfüllung der Wohnsitzvoraussetzung bei Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, die sich aus vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen ergeben, hätte es der Klägerin oblegen, die Angaben zu ihrem Aufenthalt in der Tschechischen Republik weiter zu substantiieren; weitere Ermittlungen seitens der Fahrerlaubnisbehörde oder des Gerichts waren hingegen bei dieser Sachlage zunächst nicht veranlasst. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Fahrerlaubnisinhaber substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellungsmitgliedstaat im Zusammenhang mit der Fahrerlaubniserteilung sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden, machen muss, wenn er trotz der das Gegenteil ausweisenden Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat und der inländischen Umstände darauf beharrt, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2015 – 3 B 48.14 – juris Rn. 6; B.v. 22.10.2014 – 3 B 21.14 – DAR 2015, 30 Rn. 3; U.v. 30.5.2013 – 3 C 18.12 – BVerwGE 146, 377 Rn. 30; BayVGH, B.v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230 – juris Rn. 20; B.v. 20.5.2015 – 11 CS 15.685 – juris Rn. 15). Insoweit besteht eine Mitwirkungspflicht des Führerscheininhabers bei der Aufklärung des Sachverhalts zum berechtigten Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat (BayVGH, B.v. 20.12.2012 – 11 ZB 12.2366 – juris Rn. 7).
Solche Angaben hat die Klägerin jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren trotz eines entsprechenden Aufforderungs- bzw. Hinweisschreibens des Gerichts gemacht. Weitere Aufklärungsmaßnahmen seitens des Gerichts waren vor diesem Hintergrund weder veranlasst noch möglich. Bis zur Entscheidung des Gerichts wurden keinerlei Unterlagen vorgelegt, die einen Aufenthalt in der Tschechischen Republikvor oder nach dem in der Auskunft des Gemeinsamen Zentrums angeführten Zeitraum belegen könnten. In Betracht gekommen wären beispielsweise der Mietvertrag, Nachweise über die Mietzahlungen oder sonstige Unterlagen wie Steuererklärungen, Steuerbescheid, Arbeitsvertrag, Lohnzahlungen und Ähnliches. Dass die Klägerin, die zumindest im Jahr 2008 ihren Lebensmittelpunkt in der Tschechischen Republik gehabt haben will, hierzu über keinerlei Nachweise oder Referenzen mehr verfügt und solche auch nicht mehr verfügbar machen kann, erscheint dem Gericht nicht plausibel und legt umso mehr die Vermutung nahe, dass ein ordentlicher Wohnsitz in der Tschechischen Republik nicht bestand.
2. Für einen mit dem Hilfsantrag begehrten Bescheidungsausspruch dahingehend, die Behörde zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Umschreibung ihrer tschechischen Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ist bei dieser Sachlage ebenfalls kein Raum. Der Fahrerlaubnisbehörde steht bei der Beurteilung, ob ein Anspruch auf Umschreibung nach § 30 FeV besteht, weder ein Ermessens- noch Beurteilungsspielraum zu.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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