Europarecht

Umtausch einer ungarischen Fahrerlaubnis, die im Wege des Umtauschs einer weißrussischen Fahrerlaubnis erworben worden war

Aktenzeichen  11 ZB 20.2409

Datum:
22.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1660
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 7, 30 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, 11 Abs. 6, Anh. I Nr. 3

 

Leitsatz

1. Als „prüfungsfrei“ im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV ist jeder Umtausch anzusehen, dem keine den unionsrechtlichen Vorgaben genügende Eignungsprüfung des Bewerbers vorangegangen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 11 ZB 15.418, BeckRS 2015, 49715; U.v. 21.3.2017 – 11 B 16.2007, BeckRS 2017, 106197).(Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV bezieht sich nur auf EU- oder EWR-Fahrerlaubnisse, die aufgrund des Umtauschs eines Führerscheins aus einem der nicht in Anlage 11 zur FeV genannten Drittstaaten ausgestellt wurden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist in einem Führerschein ein Umtausch dokumentiert und wird gleichzeitig eine vorangegangene Prüfung im umtauschenden Mitgliedstaat geltend gemacht, stellt sich  je nach Umfang der vorgetragenen Prüfung die Frage, ob darin nicht in Wahrheit die Neuerteilung einer EU-Fahrerlaubnis im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der RL 2006/126/EG – unabhängig von der Drittstaatsfahrerlaubnis – zu sehen ist, die dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie unterliegt (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 11 ZB 15.418, BeckRS 2015, 49715). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Macht ein Kläger geltend, es handle sich in Wirklichkeit um eine Neuerteilung nach nationalen Vorschriften, obliegt ihm hierfür die Darlegungspflicht und geht ein fehlender Nachweis zu seinen Lasten (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 -11 ZB 15.418, BeckRS 2015, 49715). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 K 18.296 2020-08-31 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 31. August 2020 für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt den Umtausch seiner ungarischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis und wendet sich gegen die Feststellung der Inlandsungültigkeit seiner ungarischen Fahrerlaubnis.
Am 7. Juli 2009 stellte eine ungarische Behörde, die Nyilvántartó Hivatal (auf Englisch: Central Office for Administrative and Electronic Public Services, vgl. den englischsprachigen Beitrag „About us“ auf der offiziellen Webseite der Behörde, https://www…hu/archiv_honlap/kozos/index_en.php?k=road_traffic_en), dem Kläger einen bis zum 7. Juli 2019 befristeten ungarischen Führerschein für die Führerscheinklassen A1, B, T, M und K aus. In Spalte 10 ist für alle Klassen der 20. Mai 2009 eingetragen, unter der Nummer 12 der Code „70.KB021874.BLR“.
In den Jahren 2010 und 2013 stellte der Kläger zunächst beim Kreis H. sowie beim Landratsamt D. Anträge auf Umtausch seiner ungarischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis, die er jedoch nicht weiterverfolgte. In diesen Verfahren wurden über das Kraftfahrt-Bundesamt Auskunftsersuchen an die ungarischen Behörden gerichtet; die Frage, ob der Kläger in Ungarn eine Fahrerlaubnisprüfung abgelegt habe, blieb dabei unbeantwortet.
Nachdem er seinen Wohnsitz in den Landkreis Straubing-Bogen verlegt hatte, beantragte der Kläger am 21. August 2017 beim Landratsamt Straubing-Bogen erneut die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis aufgrund seiner ungarischen Fahrerlaubnis.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2018 lehnte das Landratsamt den Antrag nach Anhörung ab, stellte fest, dass der Kläger nicht berechtigt sei, von seiner ungarischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds und Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auf, den ungarischen Führerschein zum Zwecke der Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen. Der Ausstellung des Führerscheins in Ungarn liege der Umtausch eines Führerscheins aus dem Drittstaat Weißrussland zu Grunde, was aus der Eintragung unter Nr. 12 der Führerscheinkarte hervorgehe. Da der Kläger keinen Nachweis über Fahrprüfungen in Ungarn erbracht habe, sei von einem prüfungsfreien Umtausch auszugehen. Eine Umschreibung der ungarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis sei daher mit Blick auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV ausgeschlossen.
Am 27. Februar 2018 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben und beantragen, den Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die ungarische Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis umzuschreiben. Der Kläger habe als junger Mann eine Fahrerlaubnis in Weißrussland erworben. Sodann sei er nach Deutschland und später nach Ungarn gezogen, wo sein weißrussischer Führerschein nach einer Prüfung – der Kläger habe einen Bogen ausfüllen und auch fahren müssen – in einen ungarischen Führerschein umgetauscht worden sei. Der Beklagte habe keinen Nachweis dafür, dass der Kläger in Ungarn keine Prüfung absolviert habe, und verletze den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz.
Einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (RN 8 S 18.294) lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 13. April 2018 ab; die dagegen gerichtete Beschwerde (11 CS 18.1026) wurde zurückgenommen.
Mit Urteil vom 31. August 2020 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage ab. Die ungarische Fahrerlaubnis habe nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV nie zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt. Wie sich aus der unter Nr. 12 des ungarischen Führerscheins eingetragenen Schlüsselzahl 70 ergebe, sei dieser im Wege des Umtauschs erworben worden. Dass dem eine Prüfung in Ungarn vorangegangen sei, folge weder aus den eingeholten behördlichen Informationen aus Ungarn noch habe der Kläger dafür Nachweise vorlegen können, was nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu seinen Lasten gehe. Unionsrecht stehe dem nicht entgegen. Danach bestehe keine Pflicht zur Anerkennung von Führerscheinen, die im Wege des Umtauschs eines Führerscheins aus einem Drittland ausgestellt worden seien.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, für den Kläger streite der Beweis des ersten Anscheins. Die ungarische Führerscheinurkunde spreche dafür, dass er in Ungarn eine Prüfung absolviert habe, denn aus der RL 2006/126/EG folge auch im Fall des Umtauschs eines Führerscheins aus einem Drittland eine Prüfpflicht des umtauschenden Mitgliedstaats. Daher müsse davon ausgegangen werden, die ungarischen Behörden hätten die Fahreignung geprüft, deren Bejahung eine theoretische und praktische Prüfung voraussetze. Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers nicht widerlegt worden. Obgleich der Beklagte hier den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nicht per se anwenden müsse, könne daraus nicht automatisch im Umkehrschluss gefolgert werden, Ungarn habe die Voraussetzungen der Fahreignung vor dem Umtausch nicht geprüft. Aus der vom Verwaltungsgericht genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28. Februar 2019 – C-9/18, Meyn – folge nichts anderes; in dem dort inmitten stehenden Fall sei der Umtausch eines Führerscheins aus einem Drittland auf der Grundlage einer gefälschten Führerscheinurkunde erfolgt. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass Ungarn möglicherweise zu dem Ergebnis gekommen sei, der weißrussische Führerschein könne ohne theoretische und praktische Prüfung in einen EU-Führerschein umgetauscht werden, weil der Kläger in Weißrussland bereits die Voraussetzungen erfüllt habe, die der Erwerb eines EU-Führerscheins voraussetze. Dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweise, ergebe sich schon daraus, dass die Kammer den Rechtsstreit nicht auf den Einzelrichter übertragen habe. Zudem werfe die Verteilung der Beweislast und auch die Beweiswürdigung hier besondere Schwierigkeiten auf. Grundsätzliche Bedeutung habe die Rechtssache, weil sie eine Auseinandersetzung und Abgrenzung zu der Fallkonstellation erfordere, über die der Gerichtshof der Europäischen Union in dem genannten Urteil vom 28. Februar 2019 entschieden habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in dem gegenständlichen Verfahren und in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
a) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Januar 2021, wird dem Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, auf Antrag die Fahrerlaubnis für die entsprechende Klasse von Kraftfahrzeugen erteilt, ohne dass die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 FeV genannten Vorschriften anzuwenden sind. Diese Bestimmung ist nach § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV entsprechend anzuwenden, wenn die Geltungsdauer einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, BE oder B1, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt hat, nach Begründung des ordentlichen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland abläuft.
Unter welchen Voraussetzungen eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, ergibt sich aus § 28 FeV. Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV u.a. nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, deren Fahrerlaubnis aufgrund einer Fahrerlaubnis eines Drittstaates, der – wie Weißrussland – nicht in der Anlage 11 zur FeV aufgeführt ist, prüfungsfrei umgetauscht worden ist, oder deren Fahrerlaubnis aufgrund eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates erteilt wurde. Über die fehlende Berechtigung kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FeV).
Als „prüfungsfrei“ im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV ist dabei jeder Umtausch anzusehen, dem keine den unionsrechtlichen Vorgaben genügende Eignungsprüfung des Bewerbers vorangegangen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 11 ZB 15.418 – juris Rn. 20 f.; s. auch U.v. 21.3.2017 – 11 B 16.2007 – VRS 131, 218 = juris Rn. 35). Denn mit der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV macht der Verordnungsgeber von der Befugnis des Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 der – hier zeitlich anwendbaren (vgl. deren Art. 18 Abs. 2 sowie BayVGH, U.v. 21.3.2017 a.a.O. Rn. 34) – RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl L 403 S.18 – RL 2006/126/EG) Gebrauch (vgl. BR-Drs. 245/12 S. 28).
Die RL 2006/126/EG unterscheidet die Ausstellung eines Führerscheins nach einer Eignungsprüfung (Art. 7 Abs. 1) u.a. von dem Umtausch eines Führerscheins, der von einem Mitgliedstaat (Art. 11 Abs. 1) oder einem Drittland (Art. 11 Abs. 6) ausgestellt sein kann. Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie lässt den Umtausch eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins gegen einen EG-Führerschein zu. Er legt aber nicht die Voraussetzungen fest, unter denen die Mitgliedstaaten einen solchen Umtausch vornehmen dürfen (vgl. EuGH, U.v. 28.2.2019 – C-9/18, Meyn – DAR 2019, 319 = juris Rn. 19), fordert mithin insbesondere keine Eignungsprüfung. Ein solcher Umtausch stellt demnach die Anerkennung der Fahrerlaubnis dar, die von einem anderen Staat nach dessen nationalen Vorschriften erteilt worden ist, aber keine Neuerteilung durch den umtauschenden Mitgliedstaat unter Anwendung der dafür geltenden, unionsrechtlich determinierten nationalen Vorschriften (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.7.2015 a.a.O. Rn. 17 ff.; mit Blick auf den Umtausch eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins vgl. auch BayVGH, U.v. 21.3.2017 a.a.O. Rn. 34 f.; BVerwG, U.v. 5.7.2018 – 3 C 9.17 – BVerwGE 162, 308 Rn. 39; EuGH, U.v. 28.2.2019 a.a.O. Rn. 28 f., 32). Im Gegenzug sieht die Richtlinie vor, dass der Umtausch eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins Folgen für die Anwendung des in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie verankerten Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung hat. Verlegt nämlich der Inhaber eines Führerscheins, der im Umtausch für einen von einem Drittstaat ausgegebenen Führerschein ausgestellt ist, seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, so braucht dieser Mitgliedstaat nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nicht anzuwenden (vgl. auch EuGH, U.v. 28.2.2019 a.a.O. Rn. 19 f.). Innerer Grund dafür ist, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine sich als Folge der Vorgabe von Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines EG-Führerscheins durch diese Richtlinie darstellt. Da die Richtlinie aber keine Anforderungen festlegt, die für den Umtausch von Führerscheinen erfüllt sein müssen, welche von Drittstaaten ausgegeben werden, und die entsprechende Befugnis allein den Mitgliedstaaten zusteht, kann ein Mitgliedstaat auch nicht an die Beurteilung gebunden sein, die andere Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht vorgenommen haben (vgl. EuGH, U.v. 28.2.2019 a.a.O. Rn. 28 ff.; VGH BW, B.v. 18.7.2017 – 10 S 1216/17 – DAR 2017, 602 = juris Rn. 9).
Die darauf gestützte Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV bezieht sich nur auf EU- oder EWR-Fahrerlaubnisse, die aufgrund des Umtauschs eines Führerscheins aus einem der nicht in Anlage 11 zur FeV genannten Drittstaaten ausgestellt wurden (vgl. BR-Drs. 245/12 S. 28, BR-Drs. 683/12 S. 53). Grund dafür ist ersichtlich, dass nur eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die aus einer in einem in Anlage 11 aufgeführten Drittstaat erworbenen Fahrerlaubnis abgeleitet wird, grundsätzlich auch nach § 31 Abs. 1 FeV ohne Befähigungsprüfung in eine deutsche Fahrerlaubnis umgeschrieben werden könnte, weil davon auszugehen ist, dass sie der inländischen Fahrerlaubnis gleichwertig ist und zuverlässige Dokumente vorgelegt wurden (vgl. dazu Vkbl. 1993, 396 f.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 31 FeV Rn. 10). Die Regelung lehnt sich also an § 31 FeV an (vgl. Züll in Doetsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, Stand 1.10.2020, § 28 FeV Rn. 71). Fahrerlaubnisse aus sonstigen Drittstaaten hingegen können nach der Einschätzung des Verordnungsgebers nicht als deutschen Fahrerlaubnissen gleichwertig und durch zuverlässige Dokumente belegbar angesehen werden (vgl. Vkbl. 1993, 396 f.; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 31 FeV Rn. 12; s. auch VGH BW, B.v. 18.7.2017 – 10 S 1216/17 – DAR 2017, 602 = juris Rn. 7); insoweit will die Verordnung die Befugnis des Art. 11 Abs. 6 Unterabsatz 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG voll ausschöpfen (vgl. BR-Drs. 245/12 S. 28; BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 11 B 17.2007 – juris Rn. 26; U.v. 13.2.2013 – 11 B 11.2798 – juris Rn. 51). Somit kann nicht davon ausgegangen werden, Deutschland wolle sich an eine nicht den materiellen Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 der RL 2006/126/EG genügende Beurteilung binden, die andere Mitgliedstaaten beim Umtausch von aus nicht in Anlage 11 zur FeV genannten Drittstaaten stammenden Führerscheinen vorgenommen haben.
b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, der ungarische Führerschein des Klägers sei prüfungsfrei durch Umtausch eines Führerscheins aus dem nicht in der Anlage 11 zur FeV aufgeführten Drittstaat Weißrussland erworben worden und habe daher nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV nie zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, keinen ernstlichen Zweifeln.
aa) Aus dem ungarischen Führerschein des Klägers selbst ergibt sich, dass er im Wege des Umtauschs gegen einen weißrussischen Führerschein erworben wurde. Dies wird durch die Eintragung des harmonisierten Codes „70“, die Angabe der weißrussischen Führerscheinnummer sowie des weißrussischen Nationalitätenkennzeichens „BLR“ unter Nummer 12 eindeutig dokumentiert, wie es Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 der RL 2006/126/EG und die Regelung zum Inhalt von S. 2 Nr. 12 des Führerscheins in Anhang I Nr. 3 der RL 2006/126/EG im Fall des Umtauschs vorgeben. Dass der Kläger in Ungarn eine Eignungsprüfung absolviert hat, kann daraus, anders als der Kläger meint, nach dem Vorstehenden und dem Wesen des Umtauschs nicht hergeleitet werden. Zu einer Eignungsprüfung war Ungarn nach Unionsrecht gerade nicht verpflichtet. Mit dem Eintrag des 20. Mai 2009 unter der Nummer 10 des Führerscheins wird eine Prüfung in Ungarn gleichfalls nicht belegt, denn dort ist im Falle des Umtauschs erneut das Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung für jede Klasse einzutragen (vgl. Anhang I Nr. 3 der RL 2006/126/EG zum Inhalt von S. 2 Nr. 10 des Führerscheins). Das ist hier das Datum der Fahrerlaubniserteilung in Weißrussland.
bb) Ist in einem Führerschein ein Umtausch dokumentiert und wird gleichzeitig eine vorangegangene Prüfung im umtauschenden Mitgliedstaat geltend gemacht, stellt sich nach der Rechtsprechung des Senats je nach Umfang der vorgetragenen Prüfung die Frage, ob darin nicht in Wahrheit die Neuerteilung einer EU-Fahrerlaubnis im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der RL 2006/126/EG – unabhängig von der Drittstaatsfahrerlaubnis – zu sehen ist, die dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie unterliegt (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 11 ZB 15.418 – juris Rn. 21). Maßgeblich ist dabei nach dem Vorstehenden, ob die Eignungsprüfung im Mitgliedstaat den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 der RL 2006/126/EG genügt, also auf der Grundlage dieser Bestimmung eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung durchgeführt und die Einhaltung der gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III der Richtlinie geprüft wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 11 ZB 15.418 – juris Rn. 21; U.v. 21.3.2017 – 11 B 16.2007 -VRS 131, 218 = juris Rn. 35).
Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht dem Vortrag des Klägers, er habe in Ungarn eine Prüfung absolviert, nachgegangen. Es ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser den Nachweis für die vorgetragene Prüfung nicht erbracht hat und dies nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu seinen Lasten geht. Denn in dem von Ungarn ausgestellten Führerschein ist, wie dargelegt, ein Umtausch dokumentiert. Macht der Kläger geltend, es handle sich in Wirklichkeit um eine Neuerteilung nach nationalen Vorschriften, obliegt ihm hierfür die Darlegungspflicht und geht ein fehlender Nachweis zu seinen Lasten (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 a.a.O.; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 52). Wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, lässt sich der Antwort der ungarischen Behörden auf die über das Kraftfahrt-Bundesamt gestellten Auskunftsersuchen nicht entnehmen, dass dem Umtausch in Ungarn eine Fahreignungsprüfung vorangegangen ist, und konnte der Kläger selbst keine Nachweise für eine – wie auch immer geartete – Prüfung vorlegen. Daraus folgt zugleich, dass nicht von einer den unionsrechtlichen Anforderungen genügenden Eignungsprüfung in Ungarn ausgegangen werden kann. Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen des Klägers, das der Sache nach auf eine Beweislast des Beklagten zielt, vermag die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nach den vorgenannten rechtlichen Maßstäben nicht in Frage zu stellen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Ungarn nach den englischsprachigen Informationen auf der Webseite der Nyilvántartó Hivatal Führerscheine von Drittstaaten, die wie Weißrussland Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr sind (vgl. https://unece.org/fileadmin/DAM/trans/conventn/CP_Vienna_convention.pdf), ohne Prüfung umtauscht (vgl. den Beitrag „Road Traffic Register“ auf der offiziellen Webseite der Behörde, https://www…hu/archiv_honlap/kozos/index_en.php?k=road_traffic_en).
cc) Soweit der Kläger meint, die ungarischen Behörden hätten möglicherweise eine theoretische und praktische Prüfung für entbehrlich gehalten, weil der Kläger in Weißrussland bereits die Voraussetzungen für den Erwerb eines EU-Führerscheins erfüllt habe, kann dahinstehen, ob dies die Perspektive Ungarns zutreffend wiedergibt. Denn an eine solche Beurteilung durch einen anderen Mitgliedstaat wäre der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht gebunden.
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nach dem Vortrag in der Zulassungsbegründung nicht vor. Der Sachverhalt ist übersichtlich und die entscheidungserheblichen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres auf der Grundlage des Gesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung lösen (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 32). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden. Zum einen liegt die Übertragung auf den Einzelrichter im – wenn auch eingeschränkten – gerichtlichen Ermessen und ist sie einer Entscheidung der Kammer vorbehalten (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 6 Rn. 15, 18). Zum anderen hat die erstinstanzliche Beurteilung des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten im Sinn von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine bindende Wirkung für die Beurteilung der Berufungszulassungsvoraussetzungen durch das höhere Gericht (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – juris Rn. 21; OVG NW, B.v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – NVwZ-RR 1999, 969 = juris Rn. 8 ff.).
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 124a Rn. 102 ff.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2016 – 20 ZB 16.30003 – NVwZ 2017, 335 = juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 20.3.2018 – 1 B 5.18 – juris Rn. 2; B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – NVwZ 2017, 1204 = juris Rn. 3).
Daran gemessen fehlt es hier bereits an einer eindeutigen Fragestellung. Soweit das Vorbringen auf die Frage der Beweislast abzielen sollte, kann sie, wie dargelegt, auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts sowie der einschlägigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantwortet werden.
4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und den Empfehlungen in Nr. 46.2, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für die begehrte Fahrerlaubnis der Klasse B der Auffangstreitwert von 5.000,- EUR anzusetzen (Nr. 46.3) und für die begehrten Fahrerlaubnisse der Klassen A1 und T jeweils der halbe Auffangstreitwert (Nr. 46.2, 46.9). Die Befugnis zur Änderung des Streitwertbeschlusses in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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