Europarecht

Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung bei Fehlen einer Obergrenze

Aktenzeichen  28 U 429/18 Bau

Datum:
13.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53591
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 138, § 339

 

Leitsatz

1. Eine individualvertragliche Vertragsstrafenregelung in einem Bauvertrag ist bereits dann sittenwidrig, wenn nur eine der beiden Zielrichtungen einer Vertragsstrafe, nämlich Druckausübung oder erleichterte Schadloshaltung, mit ihr nicht erreicht werden kann.  (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist für eine individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe keine absolute Obergrenze festgelegt, ist die Vertragsstrafenregelung in der Regel sittenwidrig und damit unwirksam. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 15433/11 2018-01-23 TeU LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 23.01.2018, Aktenzeichen 5 O 15433/11, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 131.600,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Werkvertrag.
Der Kläger macht u.a. Ansprüche auf Vertragsstrafe aus dem ursprünglichen Bauvertrag vom 17.08.2009 (16.000,- EUR) und aus einer späteren gesonderten Vereinbarung vom 16.10.2010 (131.600,- EUR) geltend.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der Antragstellung in erster Instanz wird zunächst auf den Tatbestand im angefochtenen Teilurteil des Landgerichts München I vom 23.01.2018 Bezug genommen.
Das Landgericht hat diese Ansprüche auf Vertragsstrafe durch Teilurteil insgesamt abgewiesen. Die Entscheidung durch Teilurteil sei zulässig, weil es um einen selbständigen, abgrenzbaren Teil des Streitstoffs gehe, der vom übrigen Streitstoff der Klage und Widerklage unabhängig sei.
Ein Anspruch auf Vertragsstrafe aus dem ursprünglichen Vertrag bestehe nicht, weil die entsprechende Regelung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Es handele sich um AGB. Eine unangemessene Benachteiligung liege vor, weil die Regelungen den Empfänger wegen einer Kumulierung von Einzelstrafen bei Überschreitung von Zwischenfristen unangemessen benachteiligten.
Auch aus der Vereinbarung vom 16.10.2010 habe der Kläger keinen Anspruch, weil ein Verstoß gegen § 138 BGB vorliege. Auf die Frage nach der wirksamen Vertretung der Beklagten durch die handelnden Personen komme es daher nicht an. AGB lägen hier nicht vor. Es liege aber ein Verstoß gegen die guten Sitten vor, weil ab dem 15.11.2010 jeder noch so kleine Mangel und jede kleinste noch auszuführende Restarbeit zu einer Verwirkung der Strafe von 1.000,- EUR pro Tag führe. Dieser Betrag sei deutlich überhöht. Es könne eine Situation eintreten, dass wegen nur geringfügiger Mängel Abnahmereife eintrete, gleichwohl aber die Vertragsstrafe von 1.000,- EUR pro Tag verwirkt sei. Hinzu komme, dass sich Ansprüche aus anderen Vereinbarungen kumulieren könnten. Die Regelungen zielten also darauf ab, den Werklohn unangemessen zu reduzieren und nicht darauf, den Auftragnehmer zu einer zügigen Erfüllung anzuhalten.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag in Höhe von 131.600,00 EUR (Vertragsstrafe aufgrund der Vereinbarung vom 16.10.2010) weiter. Wegen der Berufungsrügen im Einzelnen wird auf Ziff. II. des Senatshinweises vom 18.05.2018 (Bl. 853/861 d.A.) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
1. Das Teilurteil des Landgerichts München I vom 23.01.2018, Az. 5 O 15433/11, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 131.600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 19.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat mit Verfügung vom 18.05.2018 (Bl. 853/861 d.A.) darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zu dem Hinweis ging eine inhaltliche Stellungnahme des Klägers vom 04.07.2018 ein (Bl. 866/872 d.A.). In dieser tritt er der Auffassung des Senats aus dem Hinweis vom 18.05.2018 entgegen und trägt ergänzend vor, dass der geltend gemachte Anspruch sich alternativ auf Verzug bzw. Vertragspflichtverletzung stützen lasse. Dies sei vom Landgericht aber nicht geprüft worden.
Auf die Schriftsätze im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 23.01.2018, Aktenzeichen 5 O 15433/11, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 18.05.2018 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass. Hierzu ist ergänzend auszuführen:
1. Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB)
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die hier streitgegenständliche Vertragsstrafenvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.
a) Der Senat hat seine Auffassung im Hinweis vom 18.05.2018 maßgeblich darauf gestützt, dass der Regelung die Festlegung einer Obergrenze für die Gesamthöhe der Vertragsstrafe völlig fehle. Hieran wird festgehalten.
aa) Nach Auffassung des Senats lässt sich der Entscheidung des BGH vom 08.10.1992 (Az. IX ZR 98/91) entnehmen, dass der BGH dem Gesichtspunkt einer Obergrenze auch im Rahmen der Kontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zumisst. In Tz. 71 der Entscheidung (zitiert nach juris) führt der BGH die fehlende Begrenzung nach oben hin ausdrücklich als Argument an und folgert aus ihr – zusammen mit dem Gesichtspunkt des Anwachsens je nach Höhe der geleisteten Zahlungen – eine Nichterreichung des Zwecks „Druckfunktion“.
Hieraus mag kein Automatismus herzuleiten sein, dass bei Fehlen einer Obergrenze stets und in jedem Fall die Sittenwidrigkeit folgt. Der Senat zieht aber aus dem Urteil des BGH die eindeutige Erkenntnis, dass das Fehlen einer Obergrenze im Einzelfall ein maßgebliches Kriterium ist, das Zweifel an der zulässigen Funktion der Vertragsstrafe aufwirft und insbesondere Anlass zu einer eingehenden Prüfung dieser Frage geben muss.
bb) Auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung lässt sich ablesen, dass dem Gesichtspunkt einer Vertragsstrafen-Obergrenze im Hinblick auf eine Vereinbarkeit mit § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. So hat das OLG Nürnberg in einem Urteil vom 25.11.2009 (Az. 12 U 681/09, Tz. 65 nach juris) entschieden, dass dem Fehlen einer Begrenzung nach oben bei der Kontrolle einer individualvertraglich vereinbarten Vertragsstrafenregelung anhand § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. Das Urteil ist zwar nicht im Bereich Baurecht ergangen, für den Senat erschließt sich aber nicht, warum die an den allgemeinen Zwecken einer Vertragsstrafe orientierte Argumentation nicht auf den Bereich des Baurechts übertragen werden könnte.
cc) Auch in der Literatur werden individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafen ohne Regelung einer Obergrenze vor dem Hintergrund des § 138 Abs. 1 BGB kritisch gesehen, so z.B. von Rieble in Staudinger (2015), § 339 BGB, Rz. 79. Die in der Kommentarstelle zitierte und als sittenwidrig befundene Beispielsregelung weist große Ähnlichkeiten mit der hier streitgegenständlichen Formulierung auf. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
dd) Insgesamt ist somit in diesem Punkt bereits von einer ausreichenden Klärung der Rechtsfrage auszugehen, so dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.
b) Der Senat hält auch daran fest, dass die hier konkret zu analysierende Vertragsstrafenregelung wegen Fehlens einer Obergrenze dem Grundzweck „Druckausübung“ nicht mehr gerecht werden kann.
aa) Der Senat hat in diesem Zusammenhang im Hinweis vom 18.05.2018 u.a. als maßgebliche Argumente angeführt, dass das Verhältnis Vertragsstrafe – Restwerklohn mit dem Anwachsen der Vertragsstrafe immer schlechter wird und es zudem auch allein in der Hand des Auftraggebers liegt, das Ende des Vertragsstrafenzeitraums und damit die Vertragsstrafenhöhe (z.B. durch Kündigung) zu beenden. Hieraus hat der Senat abgeleitet, dass aus der Struktur der Vertragsstrafenregelung letztlich sachfremde Zwecke resultieren, die mit einer Druckausübung nichts mehr zu tun haben. Mit diesen ganz entscheidenden Argumenten setzt sich die Gegenerklärung gar nicht auseinander.
bb) Das weitere Argument des Senats, nämlich die ansteigende Wahrscheinlichkeit einer Leistungsunfähigkeit bei fortschreitendem Verzug, mit dem sich die Gegenerklärung auf S. 3 und 4 beschäftigt, ist lediglich ein zusätzliches Argument, das neben die in aa) genannten und unangegriffen gebliebenen Argumente tritt. Aus Sicht des Senates sind bereits die unter aa) genannten Argumente allein ausreichend, um eine Nichterreichung des Zwecks „Druckausübung“ zu begründen.
Der Senat wollte im Übrigen mit diesem weiteren Argument nicht zum Ausdruck bringen, dass durch die immer weitere Erhöhung der Vertragsstrafe die Leistungsfähigkeit des Schuldners immer weiter abnehme. Gemeint war, dass hinter jedem Verzug ein Grund liegen muss, der von bloßer Leistungsunwilligkeit bis hin zu Leistungsunfähigkeit reichen kann. Mit zunehmendem Verzug steigt die Wahrscheinlichkeit, dass hinter der Nichtleistung die Unfähigkeit des Schuldners zur Leistung steht. In einer solchen Situation kann auch durch eine ansteigende Vertragsstrafe kein Erfolg versprechender Druck mehr ausgeübt werden und die Vertragsstrafe reduziert sich auf eine unzulässige bloße Generierung weiterer Ansprüche. Diesem Effekt hätte durch die Festlegung einer Obergrenze entgegen gewirkt werden können.
cc) Die in der Gegenerklärung anklingende Argumentation, die Vertragsstrafe sei am drohenden Verzugsschaden orientiert und dieser könne ja auch ohne Obergrenze anwachsen, ist nicht tragfähig. Der Senat schließt sich insofern der Argumentation des OLG Nürnberg im oben zitierten Urteil (Tz. 68 nach juris) an, wo Folgendes ausgeführt wird:
„Entgegen der Sichtweise der Klägerin kann aus der Möglichkeit einer der Höhe nach unbegrenzten Schadensersatzhaftung des Beklagten nicht gefolgert werden, dass deshalb auch eine unlimitierte Vertragsstrafe zulässig wäre. Eine Schadensersatzhaftung setzt nämlich auch den Nachweis eines kausalen Schadens in entsprechender Höhe voraus, während eine Vertragsstrafe unabhängig von einem solchen Schaden (und neben diesem) zu zahlen wäre, und rechtfertigt schon deshalb eine andere Beurteilung. Andernfalls würde § 138 BGB zudem bei Vertragsstrafenversprechen wegen (zugleich eine Schadensersatzpflicht begründenden) Vertragsverletzungen leerlaufen.“
c) Aus Sicht des Senats folgt aus dem Gesichtspunkt, dass es der Kläger nach der Struktur der Vertragsstrafenregelung ohne obere Begrenzung selbst in der Hand hat, den Kündigungszeitpunktes, dass auch der Zweck der erleichterten Schadloshaltung nicht erfüllt ist. Denn der Kläger hätte es selbst dann in der Hand, den Endzeitpunkt der Vertragsstrafe nach hinten zu schieben mit der Folge eines weiteren Anwachsens der Höhe, wenn er positiv davon Kenntnis hätte, dass die Beklagte zur Leistung in angemessener Zeit nicht mehr willens oder fähig wäre. In einem solchen Fall würde die Vertragsstrafe aber nicht mehr einer angemessenen Schadloshaltung des Klägers dienen, sondern allein zusätzliche Ansprüche generieren, was einen sachfremden Zweck darstellen würde. Mit einer Obergrenzenregelung wäre einem solchen Vorgehen der Boden entzogen.
Vertragsstrafenzeitraum zu bestimmen,
insbesondere durch eigene Wahl des d) Ohnehin bleibt der Senat auch bei seiner Meinung, dass Sittenwidrigkeit bereits dann zu bejahen ist, wenn einer der beiden Zielrichtungen einer Vertragsstrafe (Druckausübung oder erleichterte Schadloshaltung) widerlegt ist. Der Auffassung der Gegenerklärung, anders als bei einer AGB-Kontrolle sei bei einer Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB erforderlich, dass beide Zwecke einer Vertragsstrafe kumulativ nicht erfüllt werden, folgt der Senat nicht.
aa) Die Gegenerklärung stützt ihre Argumentation vor allem auf den Wortlaut der BGH-Entscheidung vom 08.10.1992 (Az. IX ZR 98/91, dort Tz. 72) „Vermag die Klausel aber weder die Druckfunktion noch den Zweck der erleichterten Schadloshaltung zu erfüllen …“.
Diese Formulierung erklärt sich aus Sicht des Senats daraus, dass im konkreten Fall beide Zwecke ausdrücklich verneint wurden, was semantisch eine Verwendung von „weder … noch“ nahelegt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der BGH bei einer individualvertraglichen Kontrolle in Abweichung zur AGB-Rechtsprechung nur eine kumulative Nichterfüllung beider Zwecke ausreichen lassen wollte. Entscheidend ist aus Sicht des Senats, dass der BGH bereits in Tz 70 (als weiter vorne) der Entscheidung die doppelte bzw. zweifache Zielrichtung betont und sich dabei u.a. auch auf die zur AGB-Kontrolle ergangene Rechtsprechung bezieht. Damit hat der BGH hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die beiden Zwecke gleichberechtigt nebeneinander stehen. Hieraus ist zu folgern, dass – ebenso wie im Rahmen der AGB-Rechtsprechung – bereits die Verneinung des einen Zwecks ausreicht, um zu einer Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu gelangen.
bb) Dass zwischen AGB-Rechtsprechung und Beurteilung nach § 138 Abs. 1 BGB insofern kein Unterschied bestehen kann, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der BGH sich auch im Urteil zu § 138 Abs. 1 BGB auf die AGB-Rechtsprechung ausdrücklich bezieht.
Zudem ist auch sachlich kein Grund für eine Differenzierung ersichtlich. Bei der AGB-Kontrolle ist die Zweckerreichung der Vertragsstrafe maßgebliches Abwägungskriterium im Rahmen der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei der Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB ist sie Abwägungskriterium im Rahmen der Wertungen der Rechts- und Sittenordnung. Strukturell vermag der Senat zwischen diesen Abwägungen keinen derart großen Unterschied erkennen, der die von Klägerseite vertretene Differenzierung rechtfertigen könnte.
cc) Ergänzend ist anzumerken, dass auch die Entscheidung des OLG Celle vom 22.03.2001 (Az. 13 U 213/00, Tz. 26 nach juris) im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB auf die Erreichung der doppelten Zielrichtung der Vertragsstrafe abstellt. Zwar verneint das OLG Celle im Folgenden ebenfalls das Vorliegen beider Zwecke, aus der klaren Definition des Ausgangspunkts kann allerdings auch dieser Entscheidung entnommen werden, dass beide Zwecke gleichberechtigt nebeneinander stehen und es somit ausreicht, den einen Zweck zu widerlegen, um zu einer Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu gelangen.
dd) Auch in diesem Punkt ist also bereits von einer ausreichenden Klärung der Rechtsfrage auszugehen, so dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.
2. Alternative Begründetheit des Anspruchs aus Verzug oder Vertragspflichtverletzung Auch mit diesem erstmals in der Gegenerklärung vorgebrachten Argument kann die Klägerseite nicht durchdringen.
a) Ansprüche aus Verzug und aus der Vereinbarung über die Vertragsstrafe unterscheiden sich kaum auf der Tatbestandsseite, weil beide insbesondere die schuldhafte Nichtleistung innerhalb der konkret vereinbarten Leistungsfrist voraussetzen. Unterschiede bestehen aber auf der Rechtsfolgenseite. Während die Vertragsstrafe (bei wirksamer Vereinbarung) unmittelbar in der festgelegten Höhe verwirkt ist, braucht es beim Verzug einen vom Gläubiger darzulegenden und ggf. nachzuweisenden kausalen Schaden.
Schadensberechnungen haben grundsätzlich konkret zu erfolgen (Grüneberg in Palandt, 77. Auflage, BGB, Kommentar, vor § 249 Rz. 21). Für entgangenen Gewinn ist im Wege der Beweiserleichterung nach § 252 Satz 2 BGB allerdings auch eine abstrakte Berechnung möglich, wobei auf den Gewinn abzustellen ist, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
b) Nach Auffassung des Senats kann zwar eine Verzugshaftung dem Grunde nach unterstellt werden, der für den Zeitraum Juli 2010 bis Mitte März 2011 geltend gemachte abstrakte Schaden wegen entgangener Miete von 8,5 Monaten x 30.000,- EUR steht dem Kläger aber gleichwohl nicht zu.
aa) In Bezug auf die vom Kläger selbst bezogene Hälfte des streitgegenständlichen Hauses scheidet der geltend gemachte abstrakte Schaden von vornherein aus. Insofern fehlt es bereits an einem entgangenen Gewinn i.S.v. § 252 BGB. Nicht möglich ist es auch, den für eine Vermietung skizzierten gewöhnlichen Lauf der Dinge i.S.v. § 252 Satz 2 BGB einfach auf die (teilweise) Eigennutzung des Gebäudes zu übertragen.
Selbst wenn man sich das schädigende Ereignis – den Verzug – hinwegdenkt und einen Einzug des Klägers in die eine Haushälfte im Juli 2010 unterstellt, würde eine Vermietung dieser Hälfte nicht dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge“ entsprechen, sondern diesem sogar widersprechen. Es ist daher auch nicht möglich, im Hinblick auf die vom Kläger selbst zu nutzende Haushälfte eine abstrakte Schadensberechnung auf der Basis des (theoretisch) erzielbaren Mietwertes vorzunehmen.
bb) Die vorgenommene – abstrakte – Schadensberechnung scheitert aber auch daran, dass eine tatsächliche Vermietung weder für die eine noch die andere Haushälfte im geltend gemachten Schadenszeitraum Juli 2010 bis März 2011 nach dem Vortrag der Klägerseite dem erwartbaren gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen entsprach. Damit scheitert die Schadensberechnung des Klägers insgesamt und insbesondere auch für diejenige Haushälfte, für die von Anfang an Vermietung vorgesehen war.
Die vorgebrachte abstrakte Schadensberechnung setzt voraus, dass eine Vermietung zum Juli 2010 oder jedenfalls irgendwann später im geltend gemachten Schadenszeitraum bis März 2011 bei rechtzeitiger Leistung bis Ende Juni 2010 überhaupt möglich gewesen wäre, denn nur so kann sie auch dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen. Dies ergibt sich aber aus dem Vortrag der Klägerseite gerade nicht. Irgendwelche Vorkehrungen des Klägers, um im Juli 2010 einen Mieter an die Hand zu bekommen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die in Bezug genommenen Anlagen K 14 (Makleranzeige im Internet vom 02.05.2011) und K 165 (Mietverträge vom 19.04.2012) sprechen gegen die Argumentation des Klägers. Diese Anlagen belegen nämlich, dass zwischen Ausschreibung des Hauses zur Vermietung und tatsächlicher Vermietung fast ein Jahr lag. Damit kann nicht von der Prämisse eines „gewöhnlichen Laufs der Dinge“ ausgegangen werden, dass bei Leistungserbringung durch die Beklagte bis Ende Juni 2010 noch innerhalb des geltend gemachten Schadenszeitraums bis Mitte März 2011 eine Vermietung zustande gekommen wäre, auch wenn sofort nach Erbringung der Leistung durch die Beklagte klägerseits eine Makleranzeige im Internet geschaltet worden wäre.
c) Da die Geltendmachung des abstrakten Schadens auf Verzugsbasis bzw. Basis einer Vertragspflichtverletzung bereits an diesen grundlegenden Voraussetzungen scheitert, bedurfte es auch keiner weiteren Beweisaufnahme zur Klärung der Frage, ob die klägerseits in den Raum gestellten 30.000,- EUR Mietwert zutreffend sind oder nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47 GKG bestimmt.
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richterin Richter am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht München, 13.07.2018 zustellen zustellen zustellen zustellen Oberlandesgericht München


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