Europarecht

Verlust der Freizügigkeit einer Rumänin

Aktenzeichen  B 6 K 17.875

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Freizüg/EU §§ 2, 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO), ist nicht begründet.
1.1 Der Umzug der Klägerin hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf der Beklagtenseite zur Folge.
Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Wird für einen Verwaltungsakt, der Gegenstand einer Anfechtungsklage ist, ein neuer Hoheitsträger örtlich zuständig, tritt an die Stelle des bisher zuständig gewesenen Hoheitsträgers durch Parteiwechsel kraft Gesetzes als beklagte Partei der nunmehr zuständige Hoheitsträger (BayVGH, Beschluss vom 24.07.1978 – 60 VIII 77, juris).
Die örtliche Zuständigkeit für den Vollzug des Freizügigkeitsgesetzes richtet sich nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) BayVwVfG. Danach ist in anderen Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Demgemäß ist mit dem Umzug der Klägerin aus der kreisfreien Stadt H. in den Landkreis H. die Ausländerbehörde des Landratsamtes H. für den Vollzug des Freizügigkeitsgesetzes gegenüber der Klägerin örtlich zuständig geworden. Diese örtliche Zuständigkeit erstreckt sich aber nicht auf die von der Stadt H. erlassene Verlustfeststellung, weil die beiden Ausländerbehörden sich nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG darauf verständigt haben, dass die Ausländerbehörde der Stadt H. als bisher zuständige Behörde das Verfahren fortführt. Ist folglich der Freistaat Bayern als Rechtsträger der Ausländerbehörde des Landratsamtes H. für die streitgegenständliche Verlustfeststellung nicht zuständig geworden, tritt auch kein gesetzlicher Parteiwechsel ein.
1.2 Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid der Beklagten vom 24.03.2016 nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
1.2.1 Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde er von der Stadt H. als der gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) BayVwVfG örtlich zuständigen Ausländerbehörde erlassen. An dieser Zuständigkeit hat sich, wie dargelegt, durch den Umzug der Klägerin in den Landkreis H. nichts geändert.
1.2.2 Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 – 1 C 22/14, Rn. 11, juris) die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU füllt sind, wonach der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden kann, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder nicht vorliegen.
Das Gericht verweist zunächst auf die Gründe des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 21.06.2016. Eine zwischenzeitliche Änderung der Sach- und/oder Rechtslage ist nicht eingetreten.
Ferner schließt sich das Gericht der rechtlichen Würdigung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an, der die im ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 21.06.2016 getroffene Feststellung, dass die Klägerin weder in eigener Person noch als Familienangehörige freizügigkeitsberechtigt gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 bzw. Abs. 3 FreizügG/EU ist, mit Beschluss vom 16.10.2017 (Az.: 19 C 16.1361) bestätigt hat. Die Klägerin habe weder eine selbständige Erwerbstätigkeit als Schrotthändler im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU nachgewiesen, noch Gründe für die Einstellung der behaupteten selbständigen Erwerbstätigkeit benannt und auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie auf die Umstände der Einstellung der angeblichen selbständigen Tätigkeit keinen Einfluss hatte (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU). Eine Freizügigkeitsberechtigung der Klägerin als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin scheitere am Vorliegen ausreichender Existenzmittel (§ 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU). In diesem Zusammenhang hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt, wonach die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen vermag, sondern vielmehr eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erforderlich ist. Letzteres hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der langjährigen, vollumfänglichen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen seitens der Klägerin bejaht. Schließlich hat er auch die Ermessensausübung der Beklagten nicht beanstandet. Die Klägerin ist der rechtlichen Würdigung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegengetreten.
2. Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgewiesen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.


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