Europarecht

VI ZR 63/19

Aktenzeichen  VI ZR 63/19

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:200721UVIZR63.19.0
Normen:
Art 7 Nr 2 EUV 1215/2012
§ 823 Abs 2 BGB
§ 263 Abs 1 StGB
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

Macht ein in Deutschland ansässiger Kläger geltend, er habe aufgrund vorsätzlich falscher Angaben des in Bulgarien ansässigen Beklagten über den Zustand einer Sache in einer auf einer Internetplattform eingestellten Verkaufsanzeige einen Kaufvertrag abgeschlossen und den vereinbarten Kaufpreis an den Beklagten überwiesen und stützt der Kläger den Schadensersatzanspruch ausschließlich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, ist für diese Klage der unionsrechtliche Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eröffnet.

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 16. Februar 2021, Az: VI ZR 63/19, Beschlussvorgehend BGH, 13. Oktober 2020, Az: VI ZR 63/19, EuGH-Vorlagevorgehend OLG Celle, 6. Februar 2019, Az: 7 U 102/18, Urteilvorgehend LG Hannover, 13. Februar 2018, Az: 20 O 143/16

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 6. Februar 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach bulgarischem Recht mit Sitz in Sofia, Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines Kraftfahrzeugs geltend. Sie stützt diese allein auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
2
Der Geschäftsführer der in Deutschland ansässigen Klägerin war am 15. Februar 2016 auf eine in einer Internetplattform eingestellte Verkaufsanzeige (“Inserat”) aufmerksam geworden, in welcher das Fahrzeug wie folgt angeboten wurde:
“Keine Kratzer, keine Beulen, reines Schönwetterfahrzeug in makellosem Bestzustand” (…) “Technisch und optisch sehr guter Zustand, ohne Mängel (…)”.
3
Verkäuferin des Fahrzeugs war die Beklagte. Die Klägerin nahm zunächst Kontakt mit dem Vertreter der Beklagten in Deutschland (im Folgenden: “P.”) auf. Aufgrund eines Gesprächs mit P. überwies die Klägerin am 18. Februar 2016 den gemäß einer Rechnung vom 18. Februar 2016 ausgewiesenen Verkaufspreis von knapp 60.000 € brutto an die Beklagte. In der in englischer Sprache abgefassten Rechnung werden die Beklagte als “seller” und die Klägerin als “buyer” bezeichnet.
4
Sodann begab sich der der bulgarischen Sprache nicht mächtige Geschäftsführer der Klägerin vereinbarungsgemäß nach Sofia, um das Fahrzeug abzuholen. Dort fanden Gespräche statt, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist. Unstreitig erfuhr der Geschäftsführer dort, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einmal gestohlen worden war. Außerdem wurde ein in bulgarischer Sprache abgefasster Kaufvertrag unterschrieben. In dem Kaufvertrag heißt es unter anderem, das Fahrzeug habe einen schweren Unfall erlitten und sei später in einer freien, der Verkäuferin nicht bekannten Werkstatt repariert worden. Die Reparatur entspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften und es gebe dafür keine Dokumentation. Das Fahrzeug sei fahrbereit, habe aber viele technische Defekte, die der Käuferin bekannt seien.
5
Die Klägerin behauptet, ihr sei der Inhalt des in Bulgarien unterzeichneten Kaufvertrags nicht mitgeteilt worden. Insbesondere sei ihr nicht gesagt worden, dass es sich um einen mit technischen Mängeln behafteten Unfallwagen handele. Erst bei der Nachuntersuchung in Deutschland habe sich herausgestellt, dass unter anderem die Airbags gefehlt hätten. Die Klägerin hat das Fahrzeug für 20.000 € weiterveräußert und nimmt die Beklagte mit ihrer Klage unter Anrechnung des Verkaufserlöses zuletzt noch auf Schadensersatz in Höhe von 38.443,31 € in Anspruch.
6
Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht und unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 36.620,02 € nebst Verzugszinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert, die Klage als unzulässig abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung weiterer 2.956,54 € zu verurteilen, zurückgewiesen.
7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 13. Oktober 2020 ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. November 2020 in der Rechtssache C-59/19 (NJW 2021, 144 – Wikingerhof) hat der Senat durch Beschluss vom 16. Februar 2021 sein Vorabentscheidungsersuchen zurückgenommen.


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