Europarecht

Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes

Aktenzeichen  VII R 43/19

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230321.VIIR43.19.0
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 BierStG 2009
§ 2 Abs 1 BierStG
§ 4 BierStG
§ 5 BierStG
§ 1 Nr 9 BierStV
§ 29 Abs 3 Nr 2 BierStG
§ 14 BierStG
EWGRL 12/92
EGRL 118/2008
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

Die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG setzt nicht den Betrieb eines Steuerlagers durch die Brauerei voraus.

Verfahrensgang

vorgehend FG Bremen, 30. Oktober 2019, Az: 1 K 148/17 (5), Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 30.10.2019 – 1 K 148/17 (5) aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Bremen zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt seit November 2015 Bier im Brauverfahren her. Ihre Gesamtjahreserzeugung beträgt weniger als 200 000 hl Bier. Sie ist rechtlich und wirtschaftlich von anderen Brauereien unabhängig und benutzt Betriebsräume, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind.
2
Im Oktober 2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers.
3
In ihren Steueranmeldungen berechnete die Klägerin die Steuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S. von § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes (BierStG) i.d.F. vom 15.07.2009 (BGBl I 1870). Davon abweichend setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) die Steuer mit 14 Steuerbescheiden, die im Zeitraum vom 23.11.2016 bis 06.06.2017 ergingen, unter Anwendung des Regelsteuersatzes nach § 2 Abs. 1 BierStG mit der Begründung fest, dass die Klägerin nicht Inhaberin einer Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers für Bier gemäß § 5 BierStG sei. Sie gelte daher nicht als Brauerei im Sinne des Biersteuergesetzes, da gemäß § 1 Nr. 9 der Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes (BierStV) i.d.F. vom 05.10.2009 (BGBl I 3262, 3319) eine Brauerei jedes Steuerlager sei, in dem Bier unter Steueraussetzung im Brauverfahren hergestellt und gelagert werden dürfe. Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos.
4
Mit Wirkung vom 01.09.2017 wurde der Klägerin die Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers für Bier erteilt.
5
Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe die Steuer zu Recht unter Anwendung des Regelsteuersatzes festgesetzt, weil der Klägerin erst am 01.09.2017 eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers erteilt worden sei. Die ermäßigten Steuersätze kämen nur dann zur Anwendung, wenn es sich bei der unabhängigen Brauerei um ein Steuerlager handele. Durch § 1 Nr. 9 BierStV habe zwar keine verbindliche Definition des in § 2 Abs. 2 BierStG verwendeten Begriffs der Brauerei erfolgen sollen und können. Eine einschränkende Definition des Begriffs der Brauerei wäre auch nicht von der Verordnungsermächtigung des § 29 Abs. 3 Nr. 2 BierStG gedeckt. Dass die ermäßigten Steuersätze nur dann zur Anwendung kämen, wenn es sich bei der Brauerei um ein Steuerlager handele, ergebe sich jedoch u.a. daraus, dass in § 2 Abs. 2 Satz 6 BierStG auch die Biermengen genannt würden, die aus der Brauerei unter Steueraussetzung entfernt würden, was ein Steuerlager voraussetze. Darüber hinaus ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Steuerermäßigung, dass diese nur für Steuerlager anzuwenden sei. Bei der Herstellung ohne Erlaubnis handele es sich um eine grundsätzlich nicht erwünschte Sachverhaltsgestaltung.
6
Die Klägerin begründet ihre Revision mit der Verletzung von § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG, weil die Tarifbegünstigung keine Erlaubnis als Steuerlagerinhaber voraussetze und sich aus dem Wortlaut der Vorschrift keine Beschränkung auf nur einen Teil der Brauereien ergebe. Daraus, dass zur Gesamtjahreserzeugung auch Biermengen gehörten, die bei Inhabern einer Biersteuerlagererlaubnis anfielen, lasse sich eine Einschränkung des Begriffs der Brauerei nicht begründen. Eine einschränkende Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 6 BierStG könne auch nicht durch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG –RL 2008/118– (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 9, 12) begründet werden, weil sich diese Regelung nur auf die Herstellung in einem Verfahren der Steueraussetzung beziehe. Auch der Entstehungsgeschichte lasse sich keine Bestätigung der vom FG vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 6 BierStG entnehmen. Die vom FG seiner teleologischen Auslegung zugrunde gelegte Auffassung, kleine Brauereien ohne Erlaubnis seien “unerwünscht”, finde im Gesetz, in der Historie und im Unionsrecht keine Grundlage.
7
§ 2 Abs. 2 BierStG verstieße in der Auslegung des FG gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und damit gegen den Parlamentsvorbehalt. Gleiches gelte im Falle einer Regelung des Brauereibegriffs durch § 1 Nr. 9 BierStV. Der Regelungsbereich dieser Norm sei ausdrücklich auf die Biersteuerverordnung begrenzt. Brauereien ohne Erlaubnis von der Steuervergünstigung auszuschließen, wäre darüber hinaus nicht mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar und widerspräche dem Förderziel der Europäischen Union sowie dem Ziel des deutschen Gesetzgebers. Der Begriff der Gesamtjahreserzeugung habe abgesehen davon nur den Sinn, für die Abgrenzung der zu begünstigenden kleinen Brauereien aus der Gesamtmenge aller Brauereien über die Jahreserzeugung hinaus die Biermengen einzubeziehen, die in Lizenz gebraut oder zur Herstellung von Bier i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG verwendet würden. Auch die Richtlinie (EWG) Nr. 92/83 des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke –RL 92/83– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 316, 21) unterscheide nicht danach, ob die Brauerei eine Biersteuerlagererlaubnis habe.
8
Die Klägerin beantragt sinngemäß,die Vorentscheidung aufzuheben und die streitgegenständlichen Biersteuerbescheide vom … in Gestalt der jeweils dazu ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Biersteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BierStG festgesetzt wird.
9
Das HZA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10
Eine Steuerermäßigung gemäß § 2 BierStG für Hersteller ohne Erlaubnis sei nicht vorgesehen. Infolgedessen seien Regelungen dazu im Biersteuerrecht nicht vorhanden. Der in § 1 Nr. 9 BierStV definierte Begriff der Brauerei könne sich nicht nur auf die Biersteuerverordnung beziehen, sondern sei ebenso für das Biersteuergesetz anzuwenden, weil unterschiedliche Auslegungen dieses Begriffs im Biersteuerrecht vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen seien. Eine eventuelle rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit oder ein Brauen unter Lizenz könne bei einem Hersteller ohne Erlaubnis nicht geprüft werden. Demgegenüber hätten Brauereien bei Stellung eines Erlaubnisantrags die rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten von anderen Brauereien offenzulegen und entsprechende Unterlagen vorzulegen. Auch die Ermittlung der für die Gewährung der Steuerermäßigung notwendigen Gesamtjahreserzeugung und der Jahreserzeugung sei beim Hersteller ohne Erlaubnis nicht vorgesehen, so dass die jeweiligen Biermengen für das jeweilige HZA nicht feststellbar seien.
11
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


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