Europarecht

vorläufiger Rechtsschutz, Gewässerunterhaltung, Sonderunterhaltungslast des Anlagenunternehmers, Einleiten von Abwasser, adäquat-kausale Verknüpfung zwischen Anlage und Gewässerzustand, Beseitigung von Biberdämmen

Aktenzeichen  8 CS 21.2334

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41357
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146
WHG § 9 Abs. 1 Nr. 4
WHG § 39
WHG § 40
BayWG Art. 22 Abs. 3

 

Leitsatz

Voraussetzungen und Grenzen des adäquat-kausalen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Betrieb der Anlage und der Unterhaltung bei einer Sonderunterhaltungslast des Anlagenunternehmers nach Art. 22 Abs. 3 BayWG.

Verfahrensgang

Au 9 S 21.1391 2021-08-17 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. August 2021 (Az. Au 9 S 21.1391) wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (Az. 9 K 21.912) gegen den Bescheid des Landratsamts Augsburg vom 25. März 2021 wird mit Ausnahme der Nr. 1 des Bescheids wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. August 2021 für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über eine Sonderunterhaltungslast an einem Gewässer dritter Ordnung.
Die Antragstellerin betreibt einen Industriepark. Sie beseitigt für die dort ansässigen Unternehmen gesammeltes Kühl-, Niederschlags- und Abwasser, das nördlich des Industrieparks auf FlNr. … Gemarkung B … in den W …graben eingeleitet wird. Das Landratsamt Augsburg erteilte ihr u.a. für diese Gewässerbenutzung zuletzt mit Bescheid vom 29. Juni 2009 eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis.
Der W …graben verläuft nördlich des Industrieparks und verbindet die S … (Gewässer 2. Ordnung) mit der W … (Gewässer 1. Ordnung). Die Gewässerstrecke von der Einleitungsstelle bis zur Einmündung in die W … beträgt ca. 1,5 km. Etwa 700 m nach der Einleitungsstelle verläuft der W …graben durch die W …auen (Auwald). Östlich des Grabens liegen dort auf FlNr. … Teilflächen des kartierten Biotops Nr. 7730-1050 („Wechselfeuchte magere Streuwiese in der W …aue bei B …“); eine Teilfläche des Biotops verläuft entlang des W …grabens.
Seit September 2016 kommt es am W …graben im Bereich der W …auen zu Dammbauten von Bibern, die zu einem Aufstau und einer Ausuferung mit einer Vernässung von Biotopflächen führen. Gespräche der Beteiligten zu Inhalt und Grenzen der Gewässerunterhaltung führten zu keiner einvernehmlichen Lösung.
Mit Bescheid vom 25. März 2021 stellte das Landratsamt Augsburg fest, dass der Antragstellerin die Unterhaltungslast am W …graben (FlNr. … … und …) gemäß Art. 22 Abs. 3 BayWG von der Einleitungsstelle der mit Bescheid des Landratsamts Augsburg vom 29.6.2009 (Az. 52.12-6323/01) erlaubten Abwassereinleitung bis zur Mündung des W …grabens in die W … obliegt (Nr. 1). Der räumliche Umgriff der Unterhaltungspflicht wurde in einem beigefügten Lageplan dargestellt. Zudem wurde die Antragstellerin zur Durchführung näher beschriebener Gewässerunterhaltungsmaßnahmen zur Beseitigung von Abflusshindernissen ausgehend von Biberdämmen verpflichtet, um eine Vernässung von in einem weiteren Lageplan (Situation der Habitate des Wald-Wiesenvögelchens am 09.02.2021) dargestellten Flächen auf dem Grundstück FlNr. … zu vermeiden (Nr. 2). Zur Durchführung der Unterhaltungsmaßnahmen wurde der Antragstellerin aufgegeben, unverzüglich die erforderliche Ausnahmegenehmigung nach Art. 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG zu beantragen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 bis 3 wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Verpflichtungen aus Nr. 2.2 des Bescheids bis 10. Mai 2021 (Nr. 2) sowie aus Nr. 3 bis 12. April 2021 nicht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro (Nr. 5) bzw. 1.000 Euro (Nr. 6) angedroht.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 12. April 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg, über die noch nicht entschieden ist. Am 22. Juni 2021 beantragte sie zudem, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat den Antrag mit Beschluss vom 17. August 2021 abgelehnt. Die Antragstellerin sei verpflichtet, den ordnungsgemäßen Wasserabfluss im Rahmen ihrer Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG sicherzustellen. Zwischen ihrer Anlage zur Ableitung von Abwasser und dem Gewässerzustand bestehe ein adäquat-kausaler Verknüpfungszusammenhang; erst mit der Einleitung der Antragstellerin werde ein für den Biber attraktiver Lebensraum geschaffen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
A. Die zulässige Beschwerde hat nur teilweise Erfolg.
Die in der Hauptsache erhobene Klage gegen Nr. 1 des angegriffenen Bescheids vom 25. März 2021 (Feststellung einer Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG) bleibt bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – NVwZ-RR 2015, 250 = juris Rn. 8) anhand der Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) voraussichtlich erfolglos (vgl. unten 1.). Demgegenüber halten die Verpflichtungen zur Ausführung konkreter Unterhaltungsmaßnahmen zur Beseitigung der von Bibern geschaffenen Abflusshindernisse an dem Gewässer (Nr. 2, 3 des Bescheids mit Zwangsmittel- und Nebenentscheidungen, Nr. 5 bis 8) einer summarischen Prüfung nicht stand. Dass sich die Sonderunterhaltungslast auf diese Biberbauten erstreckt, lässt sich anhand der vorliegenden fachbehördlichen bzw. gutachterlichen Stellungnahmen nicht abschließend beantworten, sondern bedarf einer Klärung im Hauptsacheverfahren (vgl. unten 2.).
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Antragstellerin eine Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG an der Gewässerstrecke des W …grabens von der Einleitungsstelle (A) bis zur Einmündung in die W … trifft.
Nach Art. 22 Abs. 3 BayWG obliegt den Unternehmern von Wasserbenutzungsanlagen oder sonstigen Anlagen in oder an Gewässern die Unterhaltung des Gewässers insoweit, als sie durch diese Anlagen bedingt ist. Die Vorschrift bewirkt den Übergang der Unterhaltungslast kraft Gesetzes; einer Übertragung bedarf es nicht. Gleichwohl sind Reichweite bzw. Grenzen der Sonderunterhaltungslast im Einzelfall nicht selten klarstellungsbedürftig, z.B. durch Konkretisierung des Gebiets, in dem die Sonderunterhaltungslast durch die Anlage bedingt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 8 ZB 12.326 – juris Rn. 13; U.v. 11.3.1991 – 22 B 88.3131 – BayVBl 1992, 242/243; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2021, Art. 22 BayWG Rn. 27).
a) Dass es sich bei dem Einleitungsbauwerk am W…graben um eine Anlage an einem Gewässer handelt und die Antragstellerin „Unternehmerin“ dieser Anlage im Sinne des Art. 22 Abs. 3 BayWG ist (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 7.7.1997 – 22 B 95.3493 – BayVBl 1998, 694 = juris Rn. 19), stellt die Beschwerde nicht infrage.
b) Zwischen dem Betrieb der Anlage der Antragstellerin und dem Gewässerzustand des W…grabens besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang.
aa) Mit der Einschränkung „insoweit, als sie durch diese Anlagen bedingt ist“, macht Art. 22 Abs. 3 BayWG den Übergang der Unterhaltungslast auf den Anlagenunternehmer davon abhängig, dass zwischen dem Betrieb der Anlage und dem Gewässerzustand ein adäquat-kausaler Wirkungszusammenhang besteht (vgl. BayVGH, U.v. 23.1.1990 – 8 B 86.362 – BayVBl 1990, 341). Tragender Grund für die Sonderunterhaltungslast ist die Einwirkung auf das Gewässer durch die Anlage (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.1977 – Nr. 143 VIII 74 – BayVBl 1978, 468/469 zu Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962). Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt demnach vor, wenn durch die Anlage Unterhaltungslasten am Gewässer erhöht oder überhaupt erst erforderlich werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.1.1990 – 8 B 86.362 – BayVBl 1990, 341 zu Art. 43 Abs. 3 BayWG 1981). Der Gesetzgeber hat dies bei der Konzeption des noch unter der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 GG a.F.) als Ausfüllungsvorschrift zu § 29 WHG 1957 erlassenen Art. 46 Abs. 2 BayWG1962 zum Ausdruck gebracht, der mit der geltenden Bestimmung des Art. 22 Abs. 3 BayWG im Wesentlichen wortgleich war. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung vom 6. Mai 1960 heißt es (vgl. Landtagsdrucksache, 4. Legislaturperiode, Beilage 1394 S. 66):
„Die Unterhaltung der Gewässer kann und wird in der Regel durch Anlagen in oder an Gewässern (Wasserbenutzungsanlagen und sonstige Anlagen im Sinne des Abs. 1) nachteilig beeinflusst werden. Soweit Unterhaltungsmaßnahmen durch derartige Anlagen verursacht werden, obliegt ihre Durchführung (Unterhaltungslast) den Anlagenunternehmern.“
Das Abstellen auf einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb der Anlage und der Unterhaltung war und ist auch im Wasserhaushaltsgesetz angelegt (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 WHG 1957 und § 40 Abs. 1 Satz 2 WHG: „die Unterhaltung erschweren“). Art. 22 Abs. 3 BayWG stellt aber – anders als die Bestimmungen zur Verteilung der Unterhaltungslast nach Art. 23 Abs. 3 und Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BayWG – nicht auf Kriterien wie die Interessenlage oder einen Vorteil ab (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.1977 – Nr. 143 VIII 74 – BayVBl 1978, 468/469 zu Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962). Die Kausalität ist auch dann gegeben, wenn die Anlage nicht die Ursache für bestimmte Gewässereigenschaften ist, sondern für dieses insgesamt (z.B. künstliches Gewässer vgl. BayVGH, U.v. 16.5.1978 – Nr. 22 VIII 75 – BayVBl 1979, 54/55 zu Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 22 BayWG Rn. 29a).
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Landratsamt in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 25. März 2021 rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Antragstellerin nach Art. 22 Abs. 3 BayWG eine Unterhaltungslast am W…graben von der Stelle der erlaubten Abwassereinleitung bis zur Mündung in die W… obliegt.
Bei der Prüfung, inwieweit die Gewässerunterhaltung durch die Einleitung bedingt ist, hat sich das Landratsamt der fachkundigen Beratung durch das Wasserwirtschaftsamt bedient (vgl. Art. 63 Abs. 3 BayWG). Dieses hat festgestellt, dass die Wasserführung im W…graben im Wesentlichen aus der Einleitung der Antragstellerin resultiere, ansonsten nur einen sehr geringen Wasserzulauf aus der Entwässerung der Anliegergrundstücke habe und in niederschlagsarmen Zeiten zumindest abschnittsweise trockenfallen könne (vgl. E-Mail vom 1.6.2021, Behördenakte Hauptgruppe 6 [BA I] Az. 6323/01 V 214 S. 348; Ergebnisprotokoll vom 14.7.2020, BA I S. 126).
Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die amtliche Auskunft des Wasserwirtschaftsamts, der für die Beurteilung des Senats großes Gewicht zukommt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 8 ZB 19.852 – juris Rn. 16 m.w.N.), zu erschüttern. Hierfür wäre ein qualifizierter Vortrag erforderlich, der sich mit der gutachterlichen Äußerung auseinandersetzt und schlüssig aufzeigt, warum das dort gefundene Ergebnis nicht als vertretbar angesehen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 8 ZB 12.326 – juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht. Dass zusätzlich 30 l/s Grundwasser in den W…graben eingeleitet werden dürfen (vgl. Bescheid des LRA vom 20.7.1987, Anlage AS 1, Gerichtsakte S. 32 ff.), kann den vom Wasserwirtschaftsamt festgestellten Kausalzusammenhang nicht infrage stellen; auch die hieraus resultierende Wasserführung des W…grabens ginge auf eine Einleitung der Antragstellerin als Anlagenunternehmerin zurück. Dasselbe gilt für die Einleitung von Regenwasser ausgehend von versiegelten Flächen des Industrieparks.
c) Dass die wasserrechtliche Erlaubnis vom 29. Juni 2009 – wie die Beschwerde zutreffend erkennt – insoweit rechtlichen Bedenken begegnet, als sie die Einleitung gesammelter Abwässer (auch) in die W… regelt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 9 Rn. 42), ist für die hier relevanten Fragen ohne Bedeutung.
2. Dass sich die Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG in ihrer Reichweite auch auf die angeordnete Beseitigung von Biberbauten erstreckt, ist auf Grundlage der dem Senat vorliegenden gutachterlichen Aussagen jedoch nicht feststellbar.
a) Ob die Sonderunterhaltungslast aus Art. 22 Abs. 3 BayWG nur räumlich auf bestimmte Gewässerstrecken oder -teile begrenzt ist oder auch partiell für bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen bestehen kann, wird nicht einheitlich beurteilt.
Der Wortlaut „insoweit, als“ spricht dafür, dass eine partielle Unterhaltungslast für ein und denselben Gewässerabschnitt möglich sein soll (so BayVGH, U.v. 16.5.1978 – Nr. 22 VIII 75 – BayVBl 1979, 54/55 zu Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962; vgl. auch U.v. 2.2.2004 – 22 B 02.3084 – BayVBl 2005, 411 = juris Rn. 23 zu Art. 43 Abs. 3 BayWG 1981, wonach die allgemeine Unterhaltungslast nach Art. 43 Abs. 1 BayWG 1981 nicht völlig hinter die Sonderunterhaltungslast nach Art. 43 Abs. 3 BayWG 1981 zurücktritt, sondern daneben fortbestehen und in eine Aufteilungsverfügung nach Art. 44 Abs. 4 BayWG 1970 einbezogen werden kann; vgl. auch Schwendner in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 22 Rn. 53). Auch die Gesetzesbegründung stützt diese Auslegung anhand des Wortlauts; sie setzt die Reichweite der Sonderunterhaltungslast mit der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen in Bezug (vgl. oben Rn. 16; Landtagsdrucksache, 4. Legislaturperiode, Beilage 1394 S. 66; vgl. auch Zimniok, Bayerisches Wasserrecht, 2. Aufl. 1971, Art. 46 BayWG Anm. 7b).
Die Gegenauffassung will die gesetzliche Einschränkung („soweit“) nur räumlich verstehen mit der Folge, dass dem Unternehmer eine Gewässerstrecke zur alleinigen bzw. umfassenden Unterhaltung zugewiesen wird. Diese Auffassung stützt sich auf die systematische Erwägung, die Unterhaltungspflicht nach Art. 22 Abs. 3 BayWG beziehe sich inhaltlich auf § 39 WHG und damit auf das Gewässer insgesamt; d.h. sie sei umfassend (vgl. BayVGH, U.v. 23.1.1990 – Nr. 8 B 86.362 – BayVBl 1990, 341/342; U.v. 19.8.1985 – 8 B 83.A.2360 u.a. – BayVBl 1986, 47/48, zu Art. 43 Abs. 3 BayWG 1981; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 22 BayWG Rn. 27, 29).
Der Senat kann dem Gesetz nicht entnehmen, dass partielle Unterhaltungslasten für ein und denselben Gewässerabschnitt ausgeschlossen wären. Auch Belange der wasserwirtschaftlichen Praxis erfordern dies nicht. Zwar mag die räumliche Übertragung einer Gewässerstrecke auf den Anlagenunternehmer zur alleinigen Unterhaltung oft praxisgerecht sein, weil sie eine klare Aufgabenverteilung trifft. Gleichwohl gibt es ebenso Fälle, bei denen sich die anlagenbedingte Verursachung nur auf einzelne Unterhaltungsmaßnahmen (z.B. Entschlammung, Uferbefestigung, Geschiebeentnahme) bezieht oder sich für die Verursachung keine klare Grenze im Gewässer finden lässt. In solchen Fällen kann eine Aufteilung der Unterhaltungslast nach Art. 23 Abs. 4 BayWG sachgerechte Regelungen ermöglichen (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2004 – 22 B 02.3084 – BayVBl 2005, 411 = juris Rn. 23 zu Art. 44 Abs. 3, 4 BayWG a.F.; Schwendner in Sieder/Zeitler, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 22 BayWG Rn. 53).
b) Dass ein adäquat-kausaler Verknüpfungszusammenhang zwischen der Einleitung der Antragstellerin und den streitbefangenen Biberbauten vorliegt, steht bei summarischer Prüfung auf Grundlage der dem Senat vorgelegten Unterlagen nicht fest.
aa) Zwar ist ein adäquater Kausalzusammenhang nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Bauaktivitäten der Biber auf einem „zufälligen Naturereignis“ beruhten. Die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen von Zivilgerichten zu § 1004 BGB (vgl. OLG Nürnberg, B.v. 14.1.2014 – 4 U 2123/13 – NJW-RR 2014, 792; LG Weiden, U.v. 30.9.2013 – 12 O 607/10 – BeckRS 2014, 8524) sind auf die Bestimmung der Reichweite einer öffentlich-rechtlichen Unterhaltungslast nicht übertragbar. Letztere orientiert sich an den einschlägigen wasserrechtlichen Bestimmungen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. hierzu oben Rn. 15 ff.); eine wertende Differenzierung nach unmittelbaren und mittelbaren Ursachen ist dafür nicht ausschlaggebend.
bb) Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, erst die kontinuierliche Wasserführung, verursacht durch die Antragstellerin, habe einen für den Biber attraktiven Lebensraum geschaffen (vgl. BA Rn. 66), ist aber nicht ausreichend belegt. Im Gegenteil hat der Biberbeauftragte des Landratsamts erläutert, die Biberpopulation fände wohl auch ohne die Einleitungen der Antragstellerin eine Lebensgrundlage; aber erst durch sie führe der W…graben so viel Wasser, dass es durch Biberaktivitäten zu einer Vernässung betroffener Biotope käme (vgl. Ergebnisprotokoll vom 14.7.2020 S. 2 = BA I S. 126). Mit dieser Aussage lässt sich allenfalls ein Kausalzusammenhang zwischen der Einleitung und der Vernässung der Biotope, nicht aber ein solcher zwischen der Einleitung und den gewässerstauenden Biberbauten herstellen. Zu der – für die Bestimmung der Reichweite der Sonderunterhaltungspflicht – zentralen Frage, ob die Biberaktivitäten erst durch die Einleitung ermöglicht werden (so die E-Mail des LRA an die Antragstellerin vom 9.12.2020, BA I S. 171), hat auch das Wasserwirtschaftsamt keine eindeutige Aussage getroffen. Die Feststellung, die Wasserführung resultiere im Wesentlichen aus der Einleitung der Antragstellerin, genügt dafür nicht. Das vom Wasserwirtschaftsamt ergänzend angeführte „Hauptinteresse“ der Antragstellerin für einen guten Unterhaltungszustand (vgl. E-Mail vom 1.6.2021, BA I S. 348; Aktenvermerk des LRA vom 1.7.2020, BA I S. 121), hat für die Frage, ob die Anlage für die geforderten Unterhaltungsmaßnahmen kausal ist, keine Bedeutung (vgl. oben Rn. 17).
c) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob es der Antragstellerin als Trägerin der Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG zuzumuten wäre, sämtliche durch Biberaktivitäten bedingte Unterhaltungsmaßnahmen zu übernehmen.
Dem Träger der Sonderunterhaltungslast kann es im Einzelfall unzumutbar sein, mit hohem Kostenaufwand laufend im Ergebnis untaugliche Maßnahmen durchzuführen (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 22 BayWG Rn. 27). Die von der Antragstellerin geforderten Unterhaltungsmaßnahmen sind nach der eigenen Einschätzung des Landratsamts (Fachbereich Naturschutz) aufwendig und kostenintensiv, ohne dass ein langfristiger Erfolg gesichert wäre. Die Biber finden über den gesamten Verlauf des W…grabens im Auwald genügend Material, um kurzfristig neue Dämme zu bauen (vgl. Aktenvermerk über den Ortstermin am 19.3.2019, BA [II] Hauptgruppe 1 Az. 1734/05-4.1 S. 144 Rückseite oben). Das Landratsamt sieht es als unwahrscheinlich an, dass die Biber durch Dammentfernungen vergrämt oder durch Abschuss entfernt werden können. Die Nähe zur W… und die Tatsache, dass es sich um ein „Bilderbuchrevier“ handle, führe zum Nachzug weiterer Biber, sobald das Revier unbesetzt ist (vgl. Aktenvermerk vom 30.7.2018, BA II S. 137 Rückseite).
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert von 5.000 Euro war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist entsprechend abzuändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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