Europarecht

Werbeaussagen mit Gewichtsreduzierung als unzulässige gesundheitsbezogene Angaben

Aktenzeichen  3 U 118/17

Datum:
7.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 127
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 1924/2006 Art. 10, Art. 12 lit. b

 

Leitsatz

Werbeaussagen zur Gewichtsreduzierung sind gesundheitsbezogene Angaben, wenn sie sowohl die Dauer als auch das Ausmaß der Gewichtsabnahme konkretisieren. Solche Aussagen sind gemäß Art. 12 lit. b VO (EG) 1924/2006 per se unzulässig.  (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

3 U 118/17 2017-11-03 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG LG Aschaffenburg

Tenor

I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 04.07.2017, Az. 1 HK O 54/17, wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die dem Hinweisbeschluss vom 03.11.2017 beigefügte Anlage K1 [richtig: A 1 ] Bestandteil des vorgenannten Ersturteils wird.
II. Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist durch einstimmigen Beschluss des erkennenden Senats ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, weil sie ohne jedwede Aussicht auf Erfolg und somit offensichtlich unbegründet ist.
Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 03.11.2017, in welchem auf die beabsichtigte Verfahrensweise hingewiesen worden ist, Bezug genommen. Die dagegen vorgebrachten Einwände im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.11.2017 geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Hierzu ist lediglich noch auszuführen:
1. Die beanstandeten Werbeaussagen zum Produkt „C.“ sind allein schon deshalb gesundheitsbezogene Angaben, weil sie sowohl die Dauer (bspw. Ziffer 5. und 10. des Klageantrags) als auch das Ausmaß der Gewichtsabnahme (bspw. Ziffer 2., 3. 11. bis 13. des Klageantrags) konkretisieren. Gemäß Art. 12 lit. b HCVO sind Angaben zu Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme per se unzulässig. Aus dieser Regelung folgt, dass der Gesetzgeber diese Angaben als gesundheitsbezogen gewertet hat (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Art. 10 Verordnung (EG) 1924, C 111 Rn. 5), so dass sich alle weiteren Erwägungen der Verfügungsbeklagten erübrigen.
2. Die Beklagte vermochte auch die Bedenken des Senats gegen die zum Nachweis der Wirkung vorgelegten Studien nicht zu entkräften.
Soweit sich die Beklagte auf die in einer Schutzschrift vom 03.05.2017, S. 18 ff erfolgte Darstellung der wesentlichen Ergebnisse aus der Publikation von Cardile et.alt. (vorgelegt als Anlage AG 6) in deutscher Sprache bezieht, ist zunächst festzuhalten, dass sich in diesem einstweiligen Verfügungsverfahren keine solche Schutzschrift befindet. Eine ausdrückliche Nachfrage beim Landgericht Aschaffenburg hat ergeben, dass im fraglichen Zeitraum unter dem Rubrum der Parteien keine Schutzschrift eingegangen ist. Auch dem Klägervertreter ist eine Schutzschrift – entgegen dem Vermerk der Terminsverfügung vom 16.05.2017 (Bl. 61/62 d. A.) nicht übermittelt worden. Vorgelegt wurde allerdings von der Verfügungsklägerin mit der Antragsschrift eine Stellungnahme des Beklagtenvertreters vom 03.05.2017, mit der er auf das Abmahnungsschreiben der Verfügungsklägerin geantwortet hatte. Diese Stellungnahme vom 03.05.2017 (Anlage A 3) umfasst allerdings nur 15 Seiten.
In diesem Schreiben vom 03.05.2017 wird auf Seite 4 ff die gegenständliche Studie in 3 u 118/17 – Seite 3 englischer und sodann in deutscher Sprache dargestellt. Abgesehen davon, dass es sich entgegen der dortigen Bezeichnung nunmehr unstreitig nicht um eine randomisierte, doppelblinde Placebo-Studie handelt, fehlen auch – wie der Verfügungskläger zutreffend beanstandet hat – jegliche Erläuterungen der Untersuchungsmethodik sowie der weiteren Bedingungen, unter denen die Studie durchgeführt worden ist. Es fehlen außerdem die Angaben zur Nahrungsaufnahme und der körperlichen Aktivität der Probandinnen während der Einnahmephase. Denn nur dann, wenn insoweit auf die Einhaltung gleichbleibender Bedingungen geachtet worden ist, kann eine Wirkung des fraglichen Mittels von anderen möglichen Ursachen einer Gewichtsverringerung abgegrenzt werden.
Die Berufung der Beklagten ist daher mit der angegebenen urteilsergänzenden Maßgabe zurückzuweisen.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zur Entscheidung anderer Oberlandesgerichte oder Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Rechtsstreit ist geprägt durch die Besonderheiten des Einzelfalls, die ihre Grundlagen im tatsächlichen Geschehen haben. Eine über den Einzelfall hinausgehende Wirkung kommt ihm nicht zu.
Eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache ebenfalls nicht geboten. Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen. Die vorliegende Entscheidung enthält auch keine Gesichtspunkte, die nicht bereits Gegenstand einer mündlichen Verhandlung waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.


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