Europarecht

Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger“ wegen Fälschung von Sprachzertifikaten

Aktenzeichen  M 16 S 19.179

Datum:
4.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5173
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
KrPflG § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
BayVwVfG Art. 52 S. 1
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Unzuverlässig iSd § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG ist ein den Pflegeberuf Ausübender, wenn Tatsachen vorliegen, die für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bieten. Auch ein einmaliges Fehlverhalten, das mit einer Bewährungsstrafe geahndet wurde, kann diese Prognose rechtfertigen (ebenso BVerwG BeckRS 1993, 31226391). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Bewahrung des Vertrauens der Allgemeinheit im Interesse des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Bevölkerung muss von einem Gesundheits- und Krankenpffleger erwartet werden, dass er die Gesundheit kranker und pflegebedürftiger Menschen nicht zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil riskiert. Dies gilt auch dann, wenn ihm selbst die gefährdeten Patienten und Pflegebefürftigen nicht anvertraut sind. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für den auf Art. 52 S. 1 BayVwVfG gestützten Anspruch auf Rückgabe einer Erlaubnisurkunde genügt es, wenn den gegenüber dem Widerruf der Erlaubnis möglichen Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zukommt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihr erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens über die Anerkennung einer ausländischen Krankenpflegeausbildung wurde der Antragstellerin mit Urkunde vom 18. Februar 2016 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin erteilt.
Im April 2017 wurde die Regierung von Oberbayern darüber in Kenntnis gesetzt, dass gegen die Antragstellerin Ermittlungen wegen des Verdachts der Fälschung von Sprachzertifikaten eingeleitet wurden.
Mit Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – München aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. November 2018 wurde die Antragstellerin der Urkundenfälschung in 20 Fällen für schuldig befunden und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass die Antragstellerin Sprachzertifikate eines Sprachinstituts gefälscht und an Käufer veräußert hatte, die die erworbenen Zertifikate im Rahmen ihres Anerkennungsverfahrens von ausländischen Ausbildungen in Pflegeberufen vorgelegt haben, um über das Vorhandensein der für eine Anerkennung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu täuschen. Das Strafurteil ist seit dem 24. November 2018 rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 widerrief die Regierung von Oberbayern die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ (Nr. 1 des Bescheidstenors) und forderte diese auf, das Original der Erlaubnisurkunde und alle in deren Besitz befindlichen amtlich beglaubigten Kopien innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe an die Regierung von Oberbayern zurückzusenden (Nr. 2 des Bescheidstenors). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheidstenors wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheidstenors). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheidstenors wurde der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 200 Euro angedroht (Nr. 4 des Bescheidstenors).
Gegen diesen der Antragstellerin am 22. Dezember 2018 zugestellten Bescheid ließ die Antragstellerin am 11. Januar 2019 Anfechtungsklage erheben, über die noch nicht entschieden wurde (Az. M 16 K 19.178). Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffern 3 und 4 des angegriffenen Bescheids) bis zur Hauptsacheentscheidung anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Antrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, sie sei – anders als in der Bescheidsbegründung ausgeführt – nicht wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sondern wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Eine Anhörung der Antragstellerin sei nicht erfolgt und die Regierung von Oberbayern habe es versäumt, die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin festzustellen, sondern eine solche lediglich behauptet. Die Annahme, dass allein aus der Strafhöhe die Unzuverlässigkeit folge, sei rechtswidrig. Außerdem stünden die Urkundenfälschungen nicht in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin. Sie habe diese Taten nicht gegen Kranke und Patienten verübt, sondern habe lediglich anderen Kollegen helfen wollen. Frei erfunden sei die Behauptung, die Antragstellerin verfüge nicht über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache und das vorgelegte Sprachzertifikat sei gefälscht; eine Überprüfung dieses Sprachzertifikats habe nicht stattgefunden. Die Antragstellerin habe ihre Prüfung bei der Berufsschule in deutscher Sprache abgelegt, was ihre Deutschkenntnisse belege. Die Antragstellerin sei seit mehr als acht Jahren bei demselben Arbeitgeber als Krankenschwester angestellt und es habe niemals Beschwerden über die Qualität ihrer Arbeit gegeben. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die sofortige Vollziehung gerechtfertigt sein solle. Der für sofort vollziehbar erklärte Widerruf stelle nicht nur einen schweren Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG dar, ohne Beschäftigung könne die Antragstellerin auch den vom Amtsgericht angeordneten Wertersatz nicht leisten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin sei zu Recht entzogen worden, weil die Antragstellerin unzuverlässig i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG sei. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtmäßig.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch im Klageverfahren) sowie der beigezogenen Behördenakten der Regierung von Oberbayern verwiesen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Vollziehbarkeitsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genügt den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Regierung von Oberbayern begründet das besondere Interesse der Vollziehbarkeitsanordnung mit dem Schutz der ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung des berechtigten Vertrauens der Öffentlichkeit in die Integrität von nach deutschem Recht anerkanntem Pflegepersonal. Aus dieser Bescheidsbegründung ergibt sich hinreichend, weshalb der Antragsgegner dem Vollzugsinteresse hier den Vorrang eingeräumt hat.
2. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung ist zunächst die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bzw. die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs zu prüfen. Offensichtlich sind die Erfolgsaussichten, wenn das beschließende Gericht im Eilverfahren meint, bereits mit hinreichender Sicherheit den Ausgang in der Hauptsache, also vorrangig seine eigene Entscheidung, prognostizieren zu können (vgl. Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 968 m.w.N). Bei offener Erfolgsprognose ist eine (reine) Interessenabwägung durchzuführen, bei der aber die überschaubaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache gleichwohl mit einbezogen werden können (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 80 Rn. 369 ff. m.w.N.).
Daran gemessen sind der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie die Anordnung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde offensichtlich rechtmäßig.
a) Die angefochtenen Verfügungen sind nicht deshalb rechtswidrig, weil die Antragstellerin vor deren Erlass nicht abgehört wurde.
Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG kann von der nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. So liegt es hier. Die Regierung von Oberbayern durfte aufgrund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug für notwendig halten. Aufgrund des strafgerichtlichen Urteils und des im Anerkennungsverfahren von der Antragstellerin vorgelegten, offenkundig ebenfalls gefälschten Sprachzertifikats durfte die Regierung von Oberbayern davon ausgehen, dass die Antragstellerin nicht über die gebotene Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs als Gesundheits- und Krankenpflegerin verfügt. Da die Antragstellerin nach eigenem Vorbringen als „Krankenschwester“ bzw. als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ im Bereich der außerklinischen, also häuslichen Intensivpflege – u.a. zur Versorgung von invasiv und nichtinvasiv beatmeten Kindern und Erwachsenen – beschäftigt und tätig ist, war ein sofortiges Handeln auch im Interesse der von der Antragstellerin betreuten Personen angezeigt.
Davon abgesehen war der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG geboten („ist zu widerrufen“). Eine andere Entscheidung als der Widerruf war deshalb in der Sache nicht möglich. Es ist daher offensichtlich, dass das Unterlassen der Anhörung der Antragstellerin die in der Sache zu treffende Entscheidung der Regierung von Oberbayern nicht beeinflusst hat (Art. 46 BayVwVfG).
b) Die Voraussetzung zum Widerruf der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung offensichtlich erfüllt.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG ist die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflG u.a. (nur) zu erteilen, wenn die Antragstellerin sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Ist diese Voraussetzung nachträglich entfallen, so ist die Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG zu widerrufen.
aa) Die Antragstellerin hat sich der gewerbsmäßigen Urkundenfälschung (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) von 20 Sprachzertifikaten schuldig gemacht; diese gefälschten Sprachzertifikate wurden im Rahmen von Anerkennungsverfahren ausländischer Ausbildungen in Pflegeverfahren bei der Regierung von Oberbayern vorgelegt, um über das Vorhandensein der für eine Anerkennung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu täuschen. Hiervon ist das Gericht aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts München überzeugt (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris Rn. 36 ff. m.w.N.).
bb) Aus diesem Verhalten, dessen sich die Antragstellerin schuldig gemacht hat, ergibt sich die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zur Ausübung des Berufs als Gesundheits- und Krankenpflegerin, weil sie die Grundpflichten ihres Berufs in erheblichem Maß vernachlässigt hat und keine Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Antragstellerin werde ihren beruflichen Verpflichtungen in Zukunft verlässlich nachkommen.
Unzuverlässigkeit in diesem Sinn liegt vor, wenn der Berufsausübende aufgrund bestimmter Tatsachen für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bietet. Auch ein einmaliges Fehlverhalten, das mit einer Bewährungsstrafe geahndet wurde, kann die Prognose rechtfertigen, der Betroffene werde seine beruflichen Pflichten in Zukunft nicht zuverlässig erfüllen (vgl. BVerwG, B.v.10.12.1993 – 3 B 38.93 – juris Rn. 3 m.w.N.). So liegt es hier.
Die Erfüllung der Aufgaben einer Gesundheits- und Krankenpflegerin setzt nicht nur Fachkunde, sondern auch ein Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Krankenpflegekräfte haben mit den engsten Kontakt zum Patienten; diese Beziehung bestimmt maßgeblich das Pflegeergebnis mit. Die Berufe in der Krankenpflege genießen daher sowohl bei den zu pflegenden Menschen als auch in der Bevölkerung allgemein ein sehr großes Vertrauen (vgl. NdsOVG, B.v. 17.6.2013 – 8 LA 155/12 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.). Zur Bewahrung des Vertrauens im Interesse des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Bevölkerung muss von einer Gesundheits- und Krankenpflegerin erwartet werden, dass sie die Gesundheit kranker und pflegebedürftiger Menschen nicht zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil aufs Spiel setzt. Dies gilt auch dann, wenn ihr die gefährdeten Patienten und Pflegebedürftigen nicht anvertraut sind. Schon deshalb greift der Einwand der Antragstellerin, seitens ihrer Patienten habe es niemals Beschwerden gegeben ebenso wenig wie das unzutreffende Vorbringen, die Urkundenfälschungen stünden in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin als Gesundheits- und Krankenpflegerin. Die Antragstellerin hat in 20 Fällen gefälschte Sprachzertifikate veräußert und damit zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Erwerber der Zertifikate diese zur Erlangung der Erlaubnis zur Anerkennung von ausländischen Pflegeberufen nutzen werden. Dabei war der Antragstellerin aufgrund ihres eigenen Anerkennungsverfahrens bewusst und sie musste sich als einen Gesundheitsberuf Ausübende auch darüber im Klaren sein, dass zur Ausübung des Pflegeberufs in Deutschland die hierfür erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache – in Wort und Schrift – erforderlich und im Interesse der ordnungsgemäßen Versorgung der Patienten auch unverzichtbar sind (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KrPflG; vgl. auch OVG NW, B.v. 26.6.2008 – 13 A 2132/03 – juris Rn. 36).
Die Gleichgültigkeit gegenüber den Gefahren, denen Patienten und Pflegebedürftige deshalb ausgesetzt werden, weil die Antragstellerin angehende Gesundheits- und Krankenpfleger mit gefälschten Sprachzertifikaten versorgte sowie das Hintanstellen dieser Gefahren zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen lassen erkennen, dass die Antragstellerin aufgrund der in ihrem Verhalten zum Ausdruck kommenden charakterlichen Mängel nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihre beruflichen Pflichten als Gesundheits- und Krankenpflegerin in Zukunft erfüllen wird.
Dass die Antragstellerin „nur“ wegen Urkundenfälschung verurteilt worden sei, trifft nicht zu (vgl. Strafurteil, „Die Angeklagte hat sich daher der Urkundenfälschung in 20 Fällen gemäß §§ 267 Abs. 1, 3 Nr. 1, 53 StGB schuldig gemacht)“, ist nach Vorstehendem aber auch nicht von Belang.
cc) Von Vorstehendem abgesehen lässt auch das von der Antragstellerin im Rahmen des eigenen Anerkennungsverfahrens vorgelegte und offenkundig ebenfalls gefälschte Sprachzertifikat erkennen, dass sie sich nicht an die die Berufsausübung regelnde Rechtsordnung gebunden fühlt. Das Vorbringen, die Regierung von Oberbayern habe frei erfunden behauptet, dass das vorgelegte Sprachzertifikat gefälscht sei und es erscheine völlig rätselhaft, wie die Regierung von Oberbayern zu dieser Annahme überhaupt gelange, ist angesichts des Inhalts dieses Zertifikats zur Überzeugung des Gerichts unwahr. Denn die Antragstellerin muss sehr wohl wissen, wie die Regierung von Oberbayern zu dieser Annahme gelangte. Insoweit verlangt das Gericht der Antragstellerin nicht ab, dass sie sich zu weiteren Straftaten bekennt. Im aktiven und nachgerade entrüsteten Bestreiten, selbst ein gefälschtes Zertifikat vorgelegt zu haben, zeigt sich aber die Uneinsichtigkeit hinsichtlich des schuldhaften Fehlverhaltens der Antragstellerin.
Das auf den ersten Blick einen seriösen Eindruck hinterlassende Diplom mit „Datum: 18. March 2014“, das die Sprachstufe B2 in Deutsch bestätigen soll, ist bei näherem Hinsehen unschwer als Fälschung zu durchschauen. Als Prüfungsvorsitzende/r hat das Diplom eine „Dr. Maria Musterfrau“ unterzeichnet. Dieser sog Platzhaltername ist die österreichische Entsprechung des deutschen „Erika Mustermann“.
dd) Ob die Deutschkenntnisse der Antragstellerin für die Berufsausübung ausreichend sind, bedarf keiner Klärung, weil die Widerrufsentscheidung der Regierung von Oberbayern bereits aufgrund der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin gerechtfertigt ist.
ee) Der beanstandete Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ist angesichts der tatsächlichen Umstände gerechtfertigt und auch verhältnismäßig. Die Verpflichtung zum Widerruf der Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin zu führen, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 1 Abs. 1 KrPflG und ist zum Schutz des überragend wichtigen Gemeinschaftsgut der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG).
c) Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den Widerruf der Erlaubnis vor seiner Bestandskraft zu vollstrecken.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich einerseits daraus, dass der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin offensichtlich rechtmäßig ist und Umstände im Einzelfall, die ein öffentliches Vollzugsinteresse ausschließen könnten, nicht vorliegen.
Darüber hinaus ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung hier in besonderem Maße gerechtfertigt, weil die Antragstellerin durch die Verbreitung gefälschter Sprachzertifikate, die zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache im höchst verantwortlichen Bereich der Pflegeberufe verwendet wurden, beachtliche Gefahren für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Kauf nahm. Die aus ihrem Verhalten folgenden Gefahren für das Wohl von Patienten und zu Betreuenden hat die Antragstellerin bedenkenlos hintangestellt, auch weil ihr Verhalten angesichts der erzielten Kaufpreise von zwischen 400 Euro und 700 Euro pro gefälschtem Sprachzertifikat zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil war. Aus dem Verhalten der Antragstellerin wird danach ein charakterlicher Mangel offenbar, aus dem hier zu Recht die begründete Befürchtung abgeleitet wird, dass auch künftig schwerwiegende Verstöße gegen die Berufspflichten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin ernsthaft zu besorgen sind (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2001 – 3 C 37.01 – juris Rn. 22). Ob es jemals Beschwerden über die Qualität der Arbeit der Antragstellerin gab oder nicht, ist vor diesem Hintergrund ohne Relevanz. Fest steht, dass die Antragstellerin durch ihr Verhalten erheblich gegen die Grundpflichten ihres Berufs verstoßen hat, Kranke jedenfalls nicht durch vorsätzliches eigenes Handeln einer Gefahr im pflegerischen Bereich auszusetzen. Dadurch hat sie zugleich auch das Vertrauen in ihren Berufsstand gefährdet. Eine Trennung zwischen den der Antragstellerin und den anderen Pflegern zur Versorgung anvertrauten Kranken kann bei der anzustellenden Bewertung nicht erfolgen, weil Gesundheits- und Krankenpfleger ihre Tätigkeit nicht nur zum Wohl des ihnen zur Pflege anvertrauten Einzelnen, sondern gleichermaßen zum Wohl der Allgemeinheit ausüben. Zur „Aufrechterhaltung des Vertrauens in die Integrität von nach deutschem Recht anerkanntem Pflegepersonal“ sowie zum „Schutz der ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung“ (vgl. Bescheidsbegründung Nr. IV) war die Anordnung der sofortigen Vollziehung deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt.
d) Die Anordnung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde sowie der beglaubigten Kopien davon beruht auf Art. 52 Satz 1 BayVwVfG.
Danach kann die Behörde die aufgrund eines Verwaltungsakts erteilten Urkunden, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern, wenn dieser Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen wurde. Für die Rückforderung genügt es, wenn den gegenüber dem Widerruf des Verwaltungsaktes noch möglichen Rechtsbehelfen – wie hier – keine aufschiebende Wirkung zukommt, weil die sofortige Vollziehung angeordnet wurde (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 52 Rn. 15 m.w.N.).
Angesichts des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses der Antragstellerin als Gesundheits- und Krankenpflegerin, aber auch um eine Täuschung anderer über das legale Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin zu verhindern, ist die sofortige Herausgabe der Erlaubnisurkunde angesichts der vorgenannten Umstände ausnahmsweise geboten. Ein berechtigtes oder begründetes Interesse am Behalt der Erlaubnisurkunde durch die Antragstellerin besteht nicht, solange die aufschiebende Wirkung ihrer Klage nicht wiederhergestellt ist oder der Widerrufsbescheid aufgehoben wird.
3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des angedrohten Zwangsgelds in Nr. 4 des Bescheidstenors hat keinen Erfolg (vgl. Art. 21a Satz 1 VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO)
Die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 200 Euro für den Fall, dass die Antragstellerin ihrer Verpflichtung, das Original der Erlaubnisurkunde und alle in ihrem Besitz befindlichen, amtlich beglaubigten Kopien an die Regierung von Oberbayern zu übersenden, nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung nachkommt, beruht auf Art. 29, Art. 31 und Art. 36 VwZVG und begegnet keinen Bedenken.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 14.1 entsprechend und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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