Europarecht

Widerruf der Stundung eines Herstellungsbeitrages

Aktenzeichen  B 4 K 15.73

Datum:
20.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit b, Nr. 5 lit. a
AO AO § 120 Abs. 2 Nr. 2, § 131 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 228, § 229

 

Leitsatz

Tritt bei einem Stundungsbescheid, der mit einer aufschiebenden Bedingung erlassen wurde, diese in der Folgezeit nicht ein, bedarf es keines Widerrufs, weil die Stundung nicht wirksam geworden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes B. vom 07.01.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet.
a. Die Klage gegen die Stadt … als die richtige Beklagte ist zulässig, insbesondere ist sie nicht verfristet. Dabei kann offen bleiben, ob sich durch Auslegung des Klageschriftsatzes vom 05.02.2015 bereits ergeben konnte, dass sie gegen die Stadt … gerichtet war oder ob die „Klarstellung“ vom 12.03.2015 als jedenfalls sachdienliche Klageänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO) erst zur richtigen Bezeichnung der Beklagten geführt hat. Aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid betrug die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr ab Zustellung des Bescheids.
b. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes B. vom 07.01.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(1) Der Widerruf der Stundung vom 27.09.2001 (Ziff. 1 des Bescheides vom 10.04.2014) ist rechtswidrig, weil die Bedingung der Bestellung einer grundbuchmäßigen Sicherheitsleistung nicht erfüllt wurde mit der Folge, dass die Stundung von vornherein nicht wirksam geworden ist.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG i. V. m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Einer Korrektur im Wege des Widerrufs bedarf eine Stundung jedoch nur dann, wenn sie neben der äußeren Wirksamkeit durch ihre Bekanntgabe auch innere Wirksamkeit erlangt hat. Wird eine Stundung zulässigerweise gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b, § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO mit einer aufschiebenden Bedingung erlassen, d. h. hängt ihre Rechtswirkung von einem ungewissen zukünftigen Ereignis ab, wird sie, auch wenn sie bereits bekanntgegeben wurde, erst wirksam, wenn die Bedingung eingetreten ist (Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014 § 222 Rn. 71, § 120 Rn. 22 – 24).
Die Beklagte hat den Stundungsbescheid vom 27.09.2001 mit der aufschiebenden Bedingung erlassen, dass an dem Grundstück eine Sicherungshypothek als Sicherheitsleistung im Grundbuch eingetragen werde (Ziff. 2). Zusammen mit dem Bescheid erhielt die Klägerin zwar auch ein Formblatt über die Bestellung einer Sicherungshypothek. In der Behördenakte findet sich jedoch kein Hinweis, dass die Beklagte in der Folgezeit auf der Bestellung und Eintragung des Grundpfandrechtes bestanden hätte. Vielmehr ist einem vom Gericht am 19.07.2016 eingeholten Grundbuchauszug zu entnehmen, dass keine Sicherungshypothek bestellt und eingetragen wurde. Somit ist die dem Bescheid vom 27.09.2001 beigefügte aufschiebende Bedingung nicht eingetreten, weshalb die Stundung nicht wirksam wurde und es folglich ihres Widerrufs nicht bedurfte.
Die Ziffer 1 des Bescheides vom 10.04.2014 ist deshalb aufzuheben.
(2) Der Bescheid vom 10.04.2014 ist auch rechtswidrig, soweit in Ziffer 2 festgestellt wird, dass der wegen der Stundung noch offene Herstellungsbeitrag in Höhe von 5.650,09 € zur Zahlung fällig sei.
Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung, die fünf Jahre beträgt (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 228 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist(Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies war hier mit Ablauf des Jahres 2001 der Fall, nachdem der Herstellungsbeitragsbescheid am 30.09.2001 in voller Höhe zur Zahlung fällig geworden war. Da der Stundungsbescheid vom 27.09.2001 nicht wirksam geworden ist, wurde die Zahlungsverjährung nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen. Deshalb endete die Frist für die Zahlungsverjährung nach fünf Jahren mit Ablauf des Jahres 2006.
Mit Eintritt der Zahlungsverjährung ist die Beitragsforderung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 232 AO) erloschen. Ziffer 2 des Bescheides vom 10.04.2014 war deshalb ebenfalls aufzuheben.
2. Als unterliegender Teil trägt die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäߧ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt. Denn der Klägerin war es nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache auf dem Gebiet des Kommunalabgabenrechts nicht zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BayVGH, B. v. 29.04.2016 – 5 C 16.574 – juris Rn. 7). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.650,09 EUR festgesetzt
(§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG).


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