Europarecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte bei einem “Reichsbürger”

Aktenzeichen  M 7 K 17.6121

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2
SprengG § 34 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5
RuStAG § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Personen, die der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. (Rn. 20 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, wird auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Bayern“, zeigt eine Person die für die „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise, weil sie hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihr nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass sie die Staatsangehörigkeit – im konkreten Fall – Bayerns durch Abstammung erworben hat. (Rn. 32 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Bescheid vom 29. November 2017 in der Fassung der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf den Widerruf ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheidserlasses (vgl. zum Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35).
Der Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 WaffG (Nr. 1.1 des Bescheids) ist rechtmäßig.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG sowie die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
Der Kläger verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Der Kläger ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Denn Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staatsfeindlich einzustufen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 95). Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
So spricht im konkreten Fall insbesondere die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG von 1913 dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Denn Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese z.T. als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 179 ff.). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Der „gelbe Schein“ wird zudem als Nachweis der Rechtsstellung als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). In diesem Kontext ist auch die, in dem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, getätigte Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit des Klägers „in Bayern seit Geburt erworben durch Abstammung“ zu sehen. Dies legt ebenfalls grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Denn aus Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Bayern“, hat der Kläger somit nicht nur eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise gezeigt, sondern hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit Bayerns durch Abstammung erworben hat. Dies stellt grundsätzlich ebenfalls die Verfolgung eines ideologischen, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar. Der Kläger hat seine, in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende, innere Einstellung auch nach außen hin zu erkennen gegeben. Zudem hat der Kläger seinen noch gültigen Personalausweis bei der ausstellenden Behörde abgegeben und hierdurch ebenfalls eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltensweise gezeigt. Denn sog. „Reichsbürger“ lehnen vielfach Ausweisdokumente der Bundesrepublik Deutschland als unwirksam ab und bestreiten mit der Rückgabe zudem typischerweise die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 16). Die Rückgabe amtlicher Ausweisdokumente an die Behörde legt „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Betroffene nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht, sondern die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Regelungen des Waffengesetzes in Abrede stellt (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 16).
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Anhörungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vermögen demgegenüber – angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen – an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern. Soweit der Kläger geltend macht, ein rechtstreuer Staatsbürger zu sein und sich an geltende Gesetze zu halten, steht auch dies dieser Einschätzung nicht entgegen. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17).
Des Weiteren vermag auch die Einlassung des Klägers er habe den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt, da er seine Herkunft bzw. Abstammung manifestiert habe haben wollen, keine andere Einschätzung des Gerichts zu begründen. Insoweit mag durchaus zutreffend sein, dass der Kläger auf den Staatsangehörigkeitsausweis dadurch aufmerksam geworden ist, dass er bei der Durchsicht der Stammbücher seiner Schwiegereltern festgestellt hat, dass bei seiner Schwiegermutter ein solcher eingetragen war sowie, dass ihm ein Freund gesagt, habe, dass es damals Pflicht gewesen sei, einen Staatsangehörigkeitsausweis zu besitzen, um in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Allerdings vermochte der Kläger demgegenüber nicht nachvollziehbar darzulegen, wie es zu den – für die Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ kennzeichnenden – Eintragungen in den Nrn. 1.6, 1.11, 3.8, 4.2, 4.3 und 5.1 des Antragsformulars gekommen ist. Insbesondere vermag der pauschale Hinweis darauf, dass er diese einer Ausfüllhilfe aus dem Internet entnommen, unbesehen übernommen und sich nichts weiter dabei gedacht habe, nicht zu überzeugen. So erscheint es zum einen nicht nachvollziehbar, dass der 1969 geborene Kläger unter Nr. 1 des Antragsformulars (Angaben zu meiner Person) sämtliche Angaben konkret auf seine Person bezogen getätigt und demgegenüber die Angaben „Königreich Bayern (Deutschland) in Bezug auf seinen Geburts- und Wohnsitzstaat unreflektiert aus einer Ausfüllhilfe aus dem Internet übernommen haben will. Dies gilt umso mehr, als die Angaben zur Person des Antragstellers in keinem Zusammenhang mit den für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlichen Angaben und Nachweisen stehen, mithin in den Angaben zur Person des Antragstellers noch keine Bezugnahme auf die Vorfahren und die von diesen abgeleitete Abstammung („anzestrale“ Linie der Großmutter, die bis zu den heute lebenden Generationen erhalten geblieben ist) erforderlich ist (vgl. hierzu Nr. 3 des Antragsformulars). Zum anderen erscheint nicht überzeugend, dass der Kläger die Angaben unter Nrn. 4.2 und 4.3 (neben der deutschen Staatsangehörigkeit besitze er noch die „Staatsangehörigkeit im Königreich Bayern seit 08.12.1969 (Geburt) erworben durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG Stand 1913“) ebenfalls unreflektiert der Ausfüllhilfe aus dem Internet übernommen haben will. Vielmehr wäre gerade im Hinblick auf den Bildungsstand und berufliche Qualifikation des Klägers (Logistikleiter bei einem Naturarzneimittelhersteller) zu erwarten gewesen, dass dieser derartige Angaben kritisch hinterfragt und nicht unbesehen übernimmt. Des Weiteren vermochte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darzulegen, dass es ihm lediglich um den Erhalt eines Staatsangehörigkeitsausweises und den damit verbundenen amtlichen Nachweis seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegangen ist. Dies folgt aus dem Verhalten des Klägers im Hinblick auf die EStA-Einträge im Zusammenhang mit den Verfahren in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten betreffend seine Töchter. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich nicht schlüssig dargelegt, weshalb er mehrfach gegenüber dem Landratsamt (inklusive Dienstaufsichtsbeschwerde und Schreiben an dem Landrat) die Vornahme der Eintragungen „erworben durch Geburt (Abstammung), § 4 Abs. 1 (Ru) StAG“ in deren EStA-Registereinträgen gefordert hat. Der Verweis in der mündlichen Verhandlung darauf, dass dies für ihn wichtig gewesen sei, da es für ihn um ein amtliches Dokument in Bezug auf die Abstammung gewesen sei, vermag vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem EStA-Register um ein Online-Register handelt, auf das ausschließlich die nach dem Wohnsitzprinzip zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden Deutschlands und das Bundesverwaltungsamt zugreifen können, nicht zu überzeugen. Schließlich vermochte der Kläger auch nicht nachvollziehbar darzulegen, weshalb er nach Erhalt des Staatsangehörigkeitsausweises seinen Personalausweis abgegeben hat. Der Hinweis darauf, er habe probieren wollen, diesen als Ausweisdokument zu benutzen, da Reisepass und Personalausweis im Rechtssinne keinen Nachweis für die deutsche Staatsangehörigkeit darstellten, vermag nicht zu überzeugen. So erscheint bereits nicht plausibel, dass der Kläger davon ausgegangen sein will, diesen zu einem offiziellen Ausweisdokument machen zu können, indem er den Staatsangehörigkeitsausweis von einem Notar beglaubigen und mit einem Lichtbild versehen lässt. Dies gilt umso mehr, als der Staatsangehörigkeitsausweis nicht als Ausweisersatz verwendet werden kann und ausschließlich dem zweifelsfreien Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit dient (vgl. § 30 StAG).
Den Einlassungen des Klägers lässt sich auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53).
Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar. Der Kläger hat zudem ein Fehlverhalten nicht eingeräumt. Vielmehr hat der Kläger sein Verhalten relativiert und gerechtfertigt.
Der Widerruf der Erlaubnis nach § 27 SprengG (Nr. 1.2 des Bescheids) gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,§ 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG ist ebenfalls rechtmäßig.
Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG ist eine Erlaubnis, Zulassung und ein Befähigungsschein zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis nach § 27 SprengG zu versagen, wenn beim Antragsteller Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 SprengG vorliegen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Gemäß § 8a Abs. 1Nr. 2 SprengG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie explosionsgefährliche Stoffe im Sinn dieses Gesetzes missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a) oder mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden (Buchst. b) oder explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt sind.
Der Widerruf der Erlaubnis nach § 27 Abs. 1 SprengG ist dabei aus den im Hinblick auf die waffenrechtlichen Erlaubnis entsprechenden Gründen rechtmäßig, so dass hinsichtlich der Einzelheiten auf die obigen Ausführungen zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten Bezug genommen wird.
Die Verpflichtung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte bzw. der Erlaubnis nach § 27 SprengG (Nr. 1.3 des Bescheids) wurde rechtlich zutreffend auf§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG bzw. § 35 Abs. 2 SprengG, Art. 52 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. Nr. 35.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz – SprengVwV gestützt. Die Verpflichtung zur Überlassung bzw. dauerhaften Unbrauchbarmachung der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen und Munition sowie des noch vorhandenen Nitrocellulosepulvers (Nr. 1.4 des Bescheids) wurde zutreffend auf§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG bzw. § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG i.V.m. Nr. 34.3 SprengVwV gestützt. Die Anordnung der Sicherstellung (Nr. 1.5 des Bescheids) entspricht in der Fassung der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2019 den Voraussetzungen von § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG bzw. § 32 Abs. 5 Satz 2 SprengG i.V.m.Nr. 34.3 SprengVwV. Da entsprechend den obigen Ausführungen die Waffenbesitzkarte bzw. die Erlaubnis nach § 27 SprengG rechtmäßig widerrufen wurde, bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Folgemaßnahmen.
Schließlich sind gegen die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) und die Kostenentscheidung (Nr. 4 des Bescheids) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben