Europarecht

Zollwertrechtliche Behandlung von Kosten für Schadstoff- und Qualitätsprüfungen

Aktenzeichen  VII R 24/19

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230321.VIIR24.19.0
Normen:
Art 29 ZK
Art 29 EWGV 2913/92
Art 31 ZK
Art 31 EWGV 2913/92
Art 70 EUV 952/2013
Art 74 Abs 3 EUV 952/2013
Art 267 AEUV
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

Zahlungen, die der Einführer von Waren an einen im Drittland ansässigen Dritten für Schadstoff- und Qualitätsprüfungen gezahlt hat, um eine Vertragskonformität der eingeführten Waren sicherzustellen, gehören zum Zollwert.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 5. November 2018, Az: 4 K 3225/17 Z, Urteil

Tenor

Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05.11.2018 – 4 K 3225/17 Z und der Einfuhrabgabenbescheid vom 22.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2017 werden aufgehoben, soweit für die Einfuhren vom 11.12.2013 bis zum 26.03.2014 wiederholt Zoll nacherhoben wurde.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen das Hauptzollamt zu 9 % und die Klägerin zu 91 %.

Tatbestand

I.
1
Im Zeitraum von Dezember 2013 bis zum 30.06.2016 führte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus der Volksrepublik China (China) für sie dort hergestellte Waren ein und meldete diese zum zollrechtlich freien Verkehr an. Die Hersteller hatten sich gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet, Waren zu liefern, die deren Qualitätsanforderungen entsprachen und chemische Inhaltsstoffe nur im Rahmen der nach dem Unionsrecht zulässigen Grenzen enthielten. Auf Anweisung der Klägerin sandten die Hersteller in China Muster der zu produzierenden Waren an die V, die aufgrund eines mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrags Schadstoff- und Qualitätsprüfungen durchführte. Die Klägerin wies die Hersteller der Waren außerdem an, mit deren Herstellung erst zu beginnen, nachdem die V die entsprechenden Muster untersucht und einer Produktion zugestimmt habe. Die V berechnete der Klägerin monatlich die Kosten für die von ihr durchgeführten Schadstoff- und Qualitätsprüfungen. Diese Kosten gab die Klägerin bei der Anmeldung der Waren zur Überführung in den freien Verkehr nicht an.
2
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) erhob aufgrund der Materialprüfungen mit zwei Bescheiden vom 07.12.2016 und vom 22.02.2017 Zoll in Höhe von X € und Y € nach, weil er der Auffassung war, dass diese Kosten zum Zollwert der Waren gehörten. Dabei legte das HZA einen Zuschlagsatz von 2,03 % zugrunde, weil die von der V berechneten Kosten nicht konkreten Einfuhren zugeordnet werden konnten. Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos.
3
Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe zu Recht Zoll nacherhoben. Die von der Klägerin an die V gezahlten Beträge für die Durchführung der Qualitäts- und Schadstoffuntersuchungen gehörten zum Zollwert der eingeführten Waren. Die Zahlung dieser Beträge durch die Klägerin sei eine Bedingung für die Kaufgeschäfte über die eingeführten Waren. Sie habe diese Zahlungen als Käuferin an einen Dritten zugunsten der Verkäufer für die eingeführten Waren geleistet. Es komme nicht darauf an, wie sich der vom Verkäufer kalkulierte Verkaufspreis zusammensetze. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin die Untersuchungen durch die V vor dem Beginn der Produktion der eingeführten Waren habe durchführen lassen, um die Übereinstimmung der später zu liefernden Waren mit den von ihr vorgegebenen Qualitätsanforderungen und den Vorschriften des Unionsrechts sicherzustellen. Eine Zollwertermittlung nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. a oder b des Zollkodex (ZK) bzw. nach Art. 74 Abs. 2 Buchst. a oder b des Zollkodex der Union (UZK) sei nicht möglich, weil Transaktionswerte gleicher oder gleichartiger Waren nicht hätten festgestellt werden können. Der Zollwert könne auch nicht nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. c ZK bzw. Art. 74 Abs. 2 Buchst. c UZK ermittelt werden, weil die Höhe der üblichen Zuschläge für Gewinn und Gemeinkosten nicht feststünde. Die von der Klägerin vorgelegten exemplarischen Kalkulationen könnten nicht überprüft und keinen konkreten Einfuhren zugeordnet werden. Das HZA habe daher den Zollwert zu Recht nach Art. 31 Abs. 1 ZK bzw. Art. 74 Abs. 3 UZK ermittelt.
4
Nach Auffassung der Klägerin verletzt die Vorentscheidung Bundesrecht, weil Analysekosten, die vom Einführer der Ware außerhalb der vertraglichen Verpflichtungen gezahlt worden seien, dem einfuhrabgabenrechtlichen Transaktionswert hinzugerechnet würden. Das FG stütze seine Entscheidung auf den Rechtssatz, dass der gemäß Art. 29 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 ZK zu ermittelnde Transaktionswert als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren auch Kosten von Warenanalysen umfasse, die von dem Abnehmer selbst in Auftrag gegeben und selbst bezahlt worden seien, unabhängig von einer vertraglichen Gebotenheit, sofern nur die Untersuchungen vor Beginn der Produktion durchgeführt worden seien. Aus dem Urteil Sommer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 19.10.2000 – C-15/99 (EU:C:2000:574, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2001, 13) gehe hervor, dass Analysekosten dem Transaktionswert nur dann hinzugerechnet werden könnten, wenn Analysewerte als Bedingung für die Durchführung des Kaufgeschäfts einzustufen seien und die Analysedurchführung in den vertraglich geschuldeten Leistungsumfang des Verkäufers fiele. Sie (die Klägerin) habe jedoch selbst aufgrund einer eigenen kaufmännischen Entscheidung die Warenanalysen durch V in Auftrag gegeben und bezahlt. Das Gesetz sehe nicht vor, dass der Zollwert als Transaktionswert alle Zahlungen umfassen solle, die der Käufer –gleichgültig an wen– leiste, um die eingeführten Waren zu erhalten. Der tatsächlich gezahlte Verkaufspreis umfasse nur Zahlungen, die der Käufer an den Verkäufer leiste oder die vom Käufer an einen Dritten zur Erfüllung einer Verpflichtung des Verkäufers tatsächlich geleistet würden. Dem Verkaufspreis dürften nur dann weitere Beträge hinzugerechnet werden, wenn dies in Art. 32 ZK vorgesehen sei. Die Festsetzung von Einfuhrabgaben auf bestimmte Zahlungen erfordere eine eindeutige Rechtsgrundlage. Die Bedingung i.S. des Art. 29 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 ZK setze einen zwingenden rechtlichen Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Kaufgeschäft voraus, der im Streitfall nicht gegeben sei, weil der Vertrag bereits mit der Ordererteilung zustande gekommen sei und die Beprobung nur der Einhaltung interner Qualitätsanforderungen und gesetzlich gebotener Obliegenheiten diene.
5
Die Vorentscheidung beruht nach Auffassung der Revision außerdem auf einem Verfahrensmangel, weil das FG der Klägerin Gelegenheit hätte geben müssen, weitere Angaben zu machen und weitere Unterlagen vorzulegen. Dass die Zollwertfeststellung auf Art. 33 ZK gestützt worden sei, habe sich erst im Laufe des Rechtsmittelverfahrens ergeben. Es liege daher eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor.
6
Die Klägerin beantragt,die Vorentscheidung und die Einfuhrabgabenbescheide vom 07.12.2016 und vom 22.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2017 aufzuheben.
7
Sie regt ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH an.
8
Das HZA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9
Das HZA erwidert, die Qualitätsvorgaben und die Einhaltung der Grenzwerte für chemische Inhaltsstoffe seien zweifelsfrei Bestandteile der Kaufverträge zwischen der Klägerin und den Herstellern der Waren gewesen. Es sei unerheblich, dass die Kosten für die Analysen nicht von den Herstellern, sondern von der V berechnet worden seien. Die Zahlung der Analysekosten an einen Dritten sei zugunsten des Verkäufers erfolgt, weil das frühzeitige Erkennen eines Mangels ausschließlich im Interesse des Verkäufers liege. Dass mit den Analysen durch die V unnötige Kosten der Warenrücksendung bei Nichtbestehen der Tests bzw. der Analysen nach der Einfuhr vermieden würden, sei unerheblich, da solche Kosten vom Hersteller der Waren zu tragen wären. Der Zollwert solle den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert hätten, berücksichtigen. Eine bereits auf Schadstofffreiheit und Einhaltung der Qualitätsvorgaben untersuchte bzw. analysierte Ware habe definitiv einen höheren wirtschaftlichen Wert als eine Ware von unbestimmter Qualität. Die Einschränkung in Art. 29 Abs. 3 Buchst. b ZK bzw. Art. 129 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24.11.2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union –UZK-IA– (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– Nr. L 343, 558) könne sich folglich nur auf Leistungen beziehen, die der Käufer auf eigene Rechnung durchführe bzw. durchführen lasse und die keinen Bezug zu den Einfuhrwaren hätten.
10
Soweit die Klägerin der Auffassung sei, es liege ein Verfahrensfehler vor, weil die angefochtenen Bescheide sowie der Prüfungsbericht keinen Hinweis auf die Zollwertfeststellung nach Art. 33 ZK enthielten, könne dem nicht gefolgt werden, da es eine Zollwertfeststellung nach dieser Norm überhaupt nicht gebe. Dass das FG die von der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und gemachten Angaben als nicht ausreichend betrachtet habe, sei eine Tatsachenentscheidung des Gerichts. Zudem hätten weitere Angaben und die Vorlage weiterer Unterlagen nicht zu einem anderen Zollwert geführt.
11
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


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