Europarecht

Zu den Anforderungen an die Darlegung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Entsorgung gesammelter Altkleider und –schuhe

Aktenzeichen  20 B 16.2223

Datum:
25.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18503
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 18 Abs. 5 S. 2, Abs. 2 Nr. 4, Nr. 5
AEUV Art. 193
VO (EG) Nr. 1013/2006 Art. 18

 

Leitsatz

1 Der Umfang der Darlegungspflicht der Verwertungswege bei gewerblichen Sammlungen ist im Hinblick auf die konkreten Entsorgungsstrukturen differenzierend zu bestimmen. Von Bedeutung ist insoweit, ob für eine Abfallfraktion etablierte Verwertungswege bestehen, ob ein durch den aktuellen Marktpreis indiziertes bestehendes ökonomisches Interesse an der Verwertung besteht, ob der gewerbliche Sammler die Verwertung selbst durchführt oder die gesammelten Abfälle – im Rahmen einer langjährigen (funktionierenden) Geschäftsbeziehung – an ein oder mehrere (bekannte und bewährte) Entsorgungsunternehmen weiterveräußert werden und ob diese Unternehmen ihren Sitz im In- oder Ausland haben (Anschluss an BVerwG BeckRS 2016, 52477). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Mindestanforderungen an die Darlegung sind erfüllt, wenn aufgezeigt wird, dass der gesamte gesammelte Abfall hinsichtlich Sammelmenge und –zeitraum von einem oder mehreren Entsorgungsunternehmen abgenommen wird. Durchläuft die Verwertung mehrere Stufen, genügt die nachvollziehbare Schilderung eines pauschalen Verwertungsweges durch die namentliche Benennung des oder der Unternehmen, an die der Sammler die Abfälle zu liefern beabsichtigt, und durch geeignete Belege, dass diese Willens und in der Lage sind, sie anzunehmen, wobei eine schriftliche Erklärung der Annahmebereitschaft im Umfang und im Zeitraum der Sammlung ausreicht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Diese Grundsätze gelten für Altkleidersammlungen unabhängig davon, ob es sich um Kleinsammler im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei den Darlegungsanforderungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG handelt es sich nicht um mitgliedstaatliche Schutzverstärkungen im Sinne des Art. 193 AEUV.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5 Bei der Verbringung von Altkleidern und –schuhen in andere EU-Mitgliedstaaten muss der zuständigen Behörde des Versandstaates das von dem Versender der Abfälle ausgefüllte und unterzeichnete Formblatt gemäß Anhang VII der Abfallverbringungsverordnung vorgelegt werden, der schriftliche Vertrag ist vorzulegen und dieser muss den in Art. 18 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 geforderten Inhalt aufweisen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 15.311 2015-11-10 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. November 2015 wird geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 5. März 2015 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihre Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen, denn die Untersagung der klägerischen Sammlung und die weiteren Entscheidungen im Bescheid des Beklagten vom 5. März 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung führt daher zur Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
1. Maßgeblich für die Beurteilung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung, die einen Dauerverwaltungsakt darstellt, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht, mithin in der Berufungsinstanz (BVerwG, Urteil v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 57).
2. Die streitgegenständliche Untersagung ist materiell rechtswidrig. Sie findet keine Rechtsgrundlage in der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG hat die zuständige Behörde die Durchführung einer gemäß § 18 Abs. 1 KrWG angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn (Alt. 1) Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben, oder (Alt. 2) die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Der Beklagte stützt die streitgegenständliche Untersagung alleine auf die seiner Auffassung nach nicht ordnungsgemäße Darlegung des Verwertungsweges im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG sowie der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG, weshalb die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG für eine Ausnahme von der Überlassungspflicht zugunsten gewerblicher Sammlungen geforderte ordnungsgemäße und schadlose Verwertung die Untersagung erforderlich mache. Die dahingehenden Bedenken des Beklagten treffen jedoch nicht zu.
a) Die gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG in der Anzeige geforderten Darlegungen sollen der zuständigen Behörde die Prüfung ermöglichen, ob eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG der gesammelten Abfälle erfolgt. Maßgeblich ist daher – als Frage des materiellen Rechts –, ob die Anforderungen des § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG voraussichtlich erfüllt werden. Hierzu ist eine Prognose anzustellen, deren Tatsachengrundlage in der Regel die Angaben des gewerblichen Sammlers in der Anzeige bilden (BVerwG, Urteil v. 30.6.2016 – 7 C 5.15 – juris Rn. 20). Hingegen muss die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Verwertung nicht mit der für ein behördliches Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren erforderlichen Sicherheit feststehen, weil ein solches Verfahren für die nach § 18 Abs. 1 KrWG anzeigepflichtigen Sammlungen gesetzlich nicht vorgesehen ist (BVerwG a.a.O. Rn. 26). In der Anzeige sind die innerhalb des angezeigten Zeitraums vorgesehenen Verwertungswege einschließlich der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Kapazitäten (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) sowie die Gewährleistung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der gesammelten Abfälle im Rahmen der vorgesehenen Verwertungswege (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG) darzulegen, um die Klärung der Frage zu ermöglichen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG vorliegen. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG besteht die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in allgemeiner Weise ausgeführt, dass zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung den Besonderheiten verschiedener Abfallmärkte und insbesondere den spezifischen Möglichkeiten typischer Sammlergruppen Rechnung zu tragen haben (BVerwG a.a.O. Rn. 26). Der Umfang der Darlegungspflicht ist daher im Hinblick auf die konkreten Entsorgungsstrukturen differenzierend zu bestimmen. Von Bedeutung ist insoweit, ob für eine Abfallfraktion etablierte Verwertungswege bestehen und ob ein durch den aktuellen Marktpreis indiziertes bestehendes ökonomisches Interesse an der Verwertung besteht. Zu berücksichtigen ist ferner auch, ob der gewerbliche Sammler die Verwertung selbst durchführt oder die gesammelten Abfälle – im Rahmen einer langjährigen (funktionierenden) Geschäftsbeziehung – an ein oder mehrere (bekannte und bewährte) Entsorgungsunternehmen weiterveräußert und ob diese Unternehmen ihren Sitz im In- oder Ausland haben (BVerwG a.a.O. Rn. 27).
Demnach sind die Mindestanforderungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG dann erfüllt, wenn aufgezeigt wird, dass der gesamte gesammelte Abfall hinsichtlich Sammelmenge und –zeitraum von einem oder mehreren Entsorgungsunternehmen abgenommen wird (BVerwG, Urteil v. 30.6.2016 – 7 C 5.15 – juris Rn. 28; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.2.2018 – 20 A 818/15 – juris Rn. 41). Durchläuft die Verwertung mehrere Stufen, muss bei der Festlegung weiterer Darlegungsanforderungen insbesondere die Situation der sogenannten Kleinsammler Berücksichtigung finden. Im Falle eines Kleinsammlers von Altmetallen hat das Bundesverwaltungsgericht darauf abgestellt, ob in einer Abfallfraktion eine hohe Recyclingquote zu verzeichnen ist, so dass alles dafür spricht, dass in diesem Marktsegment eine effektive Ressourcennutzung verwirklicht wird und die Verwertungswege funktionieren (BVerwG a.a.O.). In einem solchen Bereich erfüllt der Sammler seine Anzeigepflicht regelmäßig durch eine nachvollziehbare Schilderung eines pauschalen Verwertungsweges, durch die namentliche Benennung des oder der Unternehmen, an die er die gesammelten Abfälle zu liefern beabsichtigt, und durch geeignete Belege, dass diese Willens und in der Lage sind, die Abfälle der Sammlung anzunehmen, wobei eine schriftliche Erklärung der Annahmebereitschaft im Umfang und im Zeitraum der Sammlung ausreicht (BVerwG a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 26.9.2013 – 10 S 1345/13 – juris Rn. 37, BayVGH, Beschluss v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 42). Hingegen ist keine Bezeichnung einer lückenlosen Kette des Verwertungswegs bis zum Abschluss der Verwertung einschließlich der Verwertungsverfahren und der genutzten Anlagen verlangt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.2.2018 – 20 A 818/15 – juris Rn. 41); die gegenteilige Rechtsprechung des Senats wird insoweit ausdrücklich aufgegeben (vgl. BayVGH, Urteil v. 29.1.2015 – 20 B 14.666 – juris Rn. 33). Die genannten Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht für Kleinsammler im Altmetallsektor aufgestellt hat, lassen sich auf Altkleidersammlungen übertragen, ungeachtet der Frage, ob es sich um Kleinsammler im Sinne der genannten Rechtsprechung handelt. Denn zum einen kommt derartigen Abfällen, worauf das Bundesverwaltungsgericht bei den Altmetallen abgestellt hat, ein geringes Gefährdungspotential zu. Zum anderen handelt es sich (auch) bei Altkleidern und –schuhen um „klassische“ Verwertungsabfälle, die werthaltig sind und für die etablierte Verwertungswege bestehen. Dies spricht für eine effektive Ressourcennutzung und damit für funktionierende Verwertungswege in diesem Marktsegment (BayVGH, Beschluss v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 42).
Für die gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG erforderliche Darlegung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der gesammelten Abfälle hat das Bundesverwaltungsgericht bei sogenannten Kleinsammlern bereits einen pauschalen Hinweis auf die allgemeinen Verhältnisse im betreffenden Marktsegment ausreichen lassen (BVerwG, Urteil v. 30.6.2016 – 7 C 5.15 – juris Rn. 28). Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass dem am Anfang der Entsorgungskette stehenden (Klein-) Sammler Ausführungen zu den konkreten Umständen der endgültigen Verwertung nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich seien. Dieser sei vielmehr auf die Angaben der Unternehmen in der Verwertungskette angewiesen, deren Zusammensetzung sich marktbedingt ändern könne. Des Weiteren lasse sich der Weg der Abfälle jedenfalls nach der Vermischung mit den Abfällen anderer Sammler auf den weiteren Verwertungsstufen nicht mehr nachvollziehen. Die gegebenenfalls gebotenen Überwachungsmaßnahmen seien insoweit auf den verschiedenen Stufen der Entsorgungskette vorzunehmen (BVerwG a.a.O.). Die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung sind daher im Hinblick auf die konkreten Entsorgungsstrukturen differenzierend zu bestimmen (BVerwG a.a.O. Rn. 26). Hierbei kann zum einen darauf abgestellt werden, dass für die Abfallfraktion der Alttextilien etablierte Verwertungswege bestehen. Der Marktpreis indiziert ein hohes ökonomisches Interesse an der Verwertung. Zu berücksichtigen ist ferner auch, ob das konkret mit der Verwertung beauftragte Unternehmen sich vertraglich verpflichtet hat, die gesetzlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung einzuhalten und den Sammler von eventueller darauf bezogener Inanspruchnahme freizustellen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 45).
b) Bei der Verbringung von Altkleidern und –schuhen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt Folgendes: Die Verbringung und unter Umständen auch die Verwertung von Abfällen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind in der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl L 190, S. 1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl L 140, S. 114) abschließend und mit Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht geregelt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 27.3.2017 – 20 CS 16.2404 – juris Rn. 44 ff. m.V.a. Art. 1 Abs. 1, 2, Art. 2 Nr. 34 VO (EG) Nr. 1013/2006; Petersen, Abfallrecht 2015, 202/212 f; Epiney in Oexle/Epiney/ Breuer, EG-Abfallverbringungsverordnung, Einführung Rn. 51, 64). Der unionsrechtliche Anwendungsvorrang und eine damit verbundene Sperrwirkung gelten zwar bei auf Art. 192 AEUV gestützten Rechtsakten – wie der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 – nur unter dem Vorbehalt einer mitgliedstaatlichen Schutzverstärkung nach Art. 193 AEUV (vgl. Callies/Ruffert, AEUV, Art. 193 Rn. 1 m.w.N.). Eine derartige mitgliedstaatliche Abweichungsgesetzgebung erfordert jedoch die – zumindest deklaratorische – Notifizierung der schutzverstärkenden Regelungen bei der Europäischen Kommission (Callies/Ruffert a.a.O. Rn. 15). Dies impliziert, dass andere (auch versehentliche) Abweichungen von vorneherein nicht unter Art. 193 AEUV fallen (Epiney a.a.O. Rn. 52 f). Gemessen daran handelt es sich bei den Darlegungsanforderungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG nicht um mitgliedstaatliche Schutzverstärkungen im Sinne des Art. 193 AEUV. In den Gesetzesmaterialien zum Kreislaufwirtschaftsgesetz (BT-Drs. 17/6052, S. 106) finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den Regelungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4, 5 KrWG über den Schutzstandard der Abfallverbringungsverordnung hinausgehen wollte (vgl. grundsätzlich dazu Epiney in Oexle/Epiney/Breuer, EG-Abfallverbringungsverordnung, Einführung Rn. 37 ff.).
c) Der Träger einer gewerblichen Abfallsammlung muss daher, soweit die gesammelten Abfälle in andere EU-Mitgliedstaaten verbracht werden sollen, lediglich nachweisen, dass sämtliche Bestimmungen der grenzüberschreitenden Abfallverbringung eingehalten werden (OVG Lüneburg, Beschluss v. 15.8.2013 – 7 ME 62/13 – juris Rn. 10; Gruneberg in Jahn/Deifuß-Kruse/Brandt, Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2014, § 18 Rn. 36; Petersen, Abfallrecht, 2015, 202/212 f; Wagner/Friege/Séché, Evaluierung der Praxis gewerblicher Sammlungen, Text des Umweltbundesamtes Nr. 31/2016, S. 118, 119; ebenso auch die Auffassung des Bayer. Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit im Rundschreiben v. 28.1.2013 Az. 82a-U 8705.2-2011/10-1067, S. 6). Hinsichtlich der konkreten Anforderungen an die Abfallverbringung unterscheidet die Abfallverbringungsverordnung Nr. 1013/2006 zwischen Abfallverbringungen, die einer behördlichen Genehmigung bedürfen, über die wiederum im sogenannten Notifizierungsverfahren entschieden wird (Art. 3 Abs. 1 bis 14 VO (EG) 1013/2006), und Abfällen der sogenannten „Grünen Liste“ nach Anhang III VO (EG) 1013/2006, für die lediglich die Vorgaben des Art. 18 VO (EG) 1013/2006 einzuhalten sind und damit kein Notifizierungsverfahren durchzuführen ist (vgl. zur Systematik Epiney in Oexle/Epiney/Breuer, EG-Abfallverbringungsverordnung, Einführung Rn. 18). Bei Altkleidern und –schuhen handelt es sich gemäß der „Grünen Abfallliste“ in Anhang III der VO (EG) Nr. 1013/2006, Teil I i.V.m. Anl. IX des Basler Übereinkommens (in Anhang V Teil I Liste B der VO (EG) Nr. 1013/2006 enthalten), Nr. B 3030 um sogenannte „Grüne Abfälle“. Die Verbringung ist somit weder notifikations- noch zustimmungsbedürftig, sondern hat lediglich die Anforderungen des Art. 18 VO (EG) Nr. 1013/2006 einzuhalten. Diese Vorschrift enthält die Anforderungen an die Verbringung nicht notifizierungspflichtiger Abfälle, die den allgemeinen Informationspflichten unterliegen (Oexle in Oexle/Epiney/Breuer, EG-Abfallverbringungsverordnung, Art. 18 Rn. 1). Danach ist zum einen gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1013/2006 das in Anhang VII enthaltene Dokument mitzuführen, welches von der Person, die die Verbringung veranlasst, vor Durchführung derselben und von der Verwertungsanlage bzw. dem Labor und dem Empfänger bei der Übergabe der betreffenden Abfälle zu unterzeichnen ist (vgl. näher Oexle a.a.O., Rn. 19, 20). Zum anderen haben Verbringer und Empfänger gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1013/2006 einen Vertrag abzuschließen und diesen gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 der zuständigen Behörde auf Ersuchen in Kopie vorzulegen (vgl. näher Oexle a.a.O., Rn. 38, 39). Ergänzt werden diese Pflichten durch eine Aufbewahrungspflicht für die Dauer von drei Jahren gemäß Art. 20 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 (Oexle a.a.O., Rn. 2).
Gemessen daran muss bei der Verbringung von Altkleidern und –schuhen in andere EU-Mitgliedstaaten somit der zuständigen Behörde des Versandstaates das von dem Versender der Abfälle ausgefüllte und von dem Versender unterzeichnete Formblatt gemäß Anhang VII der Abfallverbringungsverordnung vorgelegt werden. Des Weiteren ist im Rahmen der Darlegungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG auch der schriftliche Vertrag nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der Abfallverbringungsverordnung vorzulegen. Der Vertrag hat den in Art. 18 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 geforderten Inhalt aufzuweisen (Oexle in Oexle/Epiney/Breuer, EG-Abfallverbringungsverordnung, Art. 18 Rn. 39). Das bedeutet, dass für den Fall, dass die Verbringung oder Verwertung der Abfälle nicht in der vorgesehenen Weise abgeschlossen werden kann oder dass sie als illegale Verbringung durchgeführt wurde, für die Person, die die Verbringung veranlasst, die Verpflichtung enthalten sein muss, (a) die Abfälle zurückzunehmen oder deren Verwertung auf andere Weise sicherzustellen und (b) erforderlichenfalls in der Zwischenzeit für deren Lagerung zu sorgen. Dieselben Verpflichtungen sind vertraglich für den Empfänger zu regeln, falls die Person, welche die Verbringung veranlasst, zur Durchführung der Verbringung oder Verwertung der Abfälle nicht in der Lage ist (z.B. im Falle der Insolvenz). Des Weiteren muss der Vertrag bei Beginn der Verbringung wirksam sein (Oexle a.a.O., Rn. 42). Dieses Mindestmaß an Kontrolle ist auch bei der Verbringung sogenannter Grüner Abfälle sicherzustellen (Erwägungsgrund 15 zur VO (EG) Nr. 1013/2006, vgl. Oexle a.a.O. Rn. 3). Weitere präventive Kontrollmöglichkeiten stehen der Abfallbehörde in diesem Falle jedoch nicht zu (vgl. Petersen, Abfallrecht 2015, 202/212 f.). Insbesondere kann, soweit ein den Anforderungen des Art. 18 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 entsprechender Vertrag vorliegt, eine Abnahmebestätigung des abnehmenden Unternehmens im oben (a)) genannten Sinne nicht gefordert werden, weil die Abnahmepflicht in diesem Falle bereits aus dem Vertrag folgt. Insoweit besteht kein über den Anwendungsvorrang aufzulösender Widerspruch zu den Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht allgemein an die Darlegung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 4, 5 KrWG stellt (vgl. oben (a)). Denn auch die nach den obigen Grundsätzen (a)) geforderte Abnahmeerklärung stellt keine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Empfängers gegenüber der Behörde dar, die eine selbständige und selbständig durchsetzbare öffentlich-rechtliche Pflicht begründen würde, sondern ist rein privatrechtlicher Natur. Sie geht somit über den nach Art. 18 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 geforderten Vertragsinhalt nicht hinaus. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung des Senats die nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 erforderlichen Nachweise nicht als ausreichend erachtet wurden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 11.3.2014 – 20 ZB 13.2510 – juris Rn. 11, 12; Beschluss v. 18.11.2013 – 20 CS 13.1847 – juris Rn. 17) bzw. die Darlegung zu § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG als nicht ausreichend erachtet wurde, weil der Sammler nicht darlegt hatte, ob eine weitere Sortierung im In- oder Ausland erfolge und die Art der Verwertung und die Frage des Umgangs mit nicht verwertbaren Kleidungsstücken im Ausland unklar blieb (vgl. BayVGH, Beschluss v. 2.2.2017 – 20 ZB 16.2267 – juris Rn. 12; Beschluss v. 23.5.2017 – 20 ZB 15.1850 – juris Rn. 28 ff.) wird daran für den Geltungsbereich der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 1013/2006 nicht festgehalten.
d) Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich im vorliegenden Falle, dass die Klägerin ihren Darlegungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist und auf dieser Grundlage die Prognose möglich ist, dass die Anforderungen an die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG erfüllt werden. Die Klägerin hat dargelegt, dass die von ihr im Landkreis H. gesammelten Textilien und Schuhe im vorsortierten Zustand ins Lager in 6… H… gebracht und dort von der Firma H. aus Polen erworben würden, die eigenständig die Ware durch ein von ihr organisiertes Transportunternehmen nach Polen, 2… K… verbringe. Von der Firma K. werde die Ware in drei Gruppen sortiert: gut bis sehr gut erhaltene Ware (ca. 50%) werde in die Ukraine, Ware ausreichender bis befriedigender Qualität (ca. 40%) nach Pakistan oder Afrika verkauft und die Ware schlechter Qualität (ca. 10%) werde thermischer Verwertung unterzogen. Die an den Containern aussortierten Fehlwürfe würden von der B. A. GmbH abgeholt, in eigener Recyclinganlage in B. sortiert, die wiederverwendbaren Abfälle dem Kreislauf erneut zugeführt, sonstige Abfälle entweder in D… oder in H… thermisch verwertet. Die Verbringung der Altkleider und –schuhe nach Polen unterliegt gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 der Nachweisverordnung (VO v. 20.10.2006 über die Nachweisführung bei der Entsorgung von Abfällen – NachWV, BGBl I S. 2298; zuletzt geändert durch Art. 11 Abs. 1 d. Gesetzes v. 18.7.2017, BGBl I S. 2745) den Vorschriften der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 1013/2006. Die Klägerin hat den mit der Abnehmerin in Polen gemäß Art. 18 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1013/2006 abgeschlossenen Vertrag vorgelegt (S. 181 d.A). Der Vertrag enthält auch die in Art. 18 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 12013/2006 geforderten Bestimmungen. Insbesondere ist in § 1 die Rücknahme- und Lagerungspflicht der Klägerin als Versender bzw. der Vertragspartnerin als Empfängerunternehmen geregelt für den Fall, dass die Verbringung oder Verwertung der Abfälle nicht in der vorgesehenen Weise abgeschlossen werden kann oder dass sie als illegale Verbringung einzustufen ist. Des Weiteren wurde auch das Formblatt nach Anhang VII VO (EG) Nr. 1013/2006 vorgelegt. Weitere Nachweise sind von der Klägerin wegen des Anwendungsvorrangs der EG-Abfallverbringungsverordnung gegenüber § 18 Abs. 2 Nr. 4, 5 KrWG bei der Verbringung der gesammelten Altkleider und –schuhe in das EU-Ausland nicht zu fordern. Das Verwaltungsgericht hat deshalb die Anforderungen an die Darlegung überspannt. Die Klägerin hat ihre Darlegungsanforderungen ordnungsgemäß erfüllt, weshalb die allein auf § 18 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG gestützte Untersagung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
3. Das Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig anzusehen (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn die angefochtene Untersagungsverfügung kann nicht auf § 18 Abs. 5 Satz 2 1. Alt. KrWG gestützt werden, weil die Klägerin entgegen dem Vortrag des Beklagten nicht als unzuverlässig anzusehen ist. Konkrete Zuverlässigkeitsbedenken gegenüber der Klägerin bestehen nicht. Wie das Bundesverwaltungsgericht betont hat, dient das Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG einem primär Sammlungs- und nicht personenbezogenen Normzweck, weshalb sich die dort vorgesehene Prüfung in erster Linie an Art und Umfang der Sammlung orientiert und nicht an persönliche Eigenschaften anknüpft (BVerwG, Urteil v. 1.10.2015 – 7 C 8.14 – juris Rn. 31). Das Anzeigeverfahren ermöglicht lediglich, vorhandene Erkenntnisse über eine mögliche Unzuverlässigkeit aus der Vergangenheit im Rahmen des Untersagungsverfahrens nach § 18 Abs. 5 KrWG nutzbar zu machen (BVerwG a.a.O. Rn. 32). Soweit ersichtlich, liegen jedoch entsprechende Erkenntnisse aus der Vergangenheit nicht vor. Offen bleiben kann daher auch, ob im Hinblick auf das Vorliegen derartiger Bedenken der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sein kann mit der Folge, dass noch während des gerichtlichen Verfahrens der Tatsachenvortrag der Beteiligten beliebig erweitert werden könnte (vgl. dazu BayVGH, Beschluss v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 47).
4. Die weiteren im Bescheid des Landratsamtes vom 5. März 2015 getroffenen Anordnungen sind wegen Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes, auf den sie sich beziehen, ebenfalls rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie sind daher ebenfalls aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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