Europarecht

Zur Beihilfefähigkeit des Präparats Modulen IBD, Beihilfefähigkeit einer enteralen Ernährungstherapie mit Modulen IBD nach § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV nur bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit, sich auf natürliche Weise ausreichend zu ernähren (hier verneint), Mangels Arzneimitteleigenschaft i.S.d. § 2 AMG und Apothekenpflicht von Modulen IBD keine Beihilfefähigkeit nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F., Vereinbarkeit des Beihilfeausschlusses für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn

Aktenzeichen  AN 18 K 19.00794

Datum:
30.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31521
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 22 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
BBhV § 22 Abs. 5 Satz 1 a.F.
BBhV § 6 Abs. 6 a.F.

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte die Verwaltungsstreitsache gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten, die unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß und fristgerecht geladen worden war, verhandeln und entscheiden.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I. Die Klage ist unbegründet. Die Versagung der Beihilfegewährung für die Aufwendungen aus der Beschaffung des zur Behandlung der am Morbus Crohn erkrankten Tochter des Klägers ärztlich verordneten Präparats Modulen IBD durch Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 11. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2019 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht nach den insoweit maßgeblichen Bestimmungen des Beihilferechts des Bundes kein Anspruch auf eine Beihilfegewährung durch die Beklagte zu.
Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheitsfällen richtetet sich nach § 80 BBG i.V.m. den Bestimmungen der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV). Für die rechtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – NVwZ-RR 2013, 192 Rn. 12; U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BBhV gelten Aufwendungen als zu dem Zeitpunkt entstanden, zu dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Das streitgegenständliche Präparat Modulen IBD 12 × 400 g zu Kosten von 425,04 EUR wurde vorliegend am 25. Oktober 2018 durch den die Tochter behandelnden Arzt verordnet und durch den Kläger noch am selben Tag beschafft. Maßgeblich ist damit die Bundesbeihilfeverordnung in der Fassung der Achten Änderungsverordnung vom 24. Juli 2018 (BGBl. I 1232), welche am 31. Juli 2018 in Kraft getreten ist (im Folgenden: alte Fassung – a.F.). Keine Relevanz für die Frage der Beihilfefähigkeit besitzt demgegenüber die klägerseits angeführte – für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung einschlägige – Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie). Denn die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und ergänzender Privatversicherung unterscheidet sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung (BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 16).
In Anwendung dieser Bestimmungen sind die Aufwendungen des Klägers aus der Beschaffung des zur Behandlung seiner am Morbus Crohn erkrankten Tochter ärztlich verordneten Präparats Modulen IBD nicht beihilfefähig. Ein entsprechender Beihilfeanspruch folgt in der vorliegenden Fallkonstellation weder aus § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F. noch aus § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F., was für den Kläger auch keine besondere – mit der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der Beklagten unvereinbare – Härte begründet.
1. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beihilfeanspruchs aus § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F.
Gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F. sind Aufwendungen für ärztlich verordnete Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung zur enteralen Ernährung bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit, sich auf natürliche Weise ausreichend zu ernähren, beihilfefähig, wenn eine Modifizierung der natürlichen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. Elementardiäten im Sinne der Vorschrift stellen Gemische aus Proteinen, Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fetten, Mineralstoffen, Spurenelementen sowie Vitaminen dar, die als einzige Nahrungsquelle geeignet sind und als sogenannte Trinknahrung stets oral verabreicht werden (Mildenberger, Beihilferecht, 177. AL Januar 2019, § 22 BBhV Anm. 19 [3]).
Zwar dürfte das Präparat Modulen IBD, welches bei der Tochter des Klägers zur oralen Anwendung vorgesehen war, als Elementardiät im Sinne des § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F. anzusehen sein. Ausweislich des im Internet veröffentlichten Produktdatenblatts des Herstellers handelt es sich bei Modulen IBD um ein stoffwechselangepasstes Pulver zur Herstellung einer Trink- und Sondennahrung bei Morbus Crohn und damit um ein – als einzige Nahrungsquelle geeignetes – Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät), welches unter anderem Fette, Kohlenhydrate, Eiweiß, verschiedene Mineralstoffe und Vitamine sowie andere Nährstoffe enthält (vgl. https://www.nestlehealthscience.de/sites/default/files/2020-09/017_PDB%20Modulen_20.11.pdf, zuletzt abgerufen am 30.9.2021). Ferner wurde das Präparat durch Rezept des Zeugen … vom 25. Oktober 2018 ärztlich verordnet und ist – wie aus dessen Schreiben vom 4. April und vom 22. Juli 2019 hervorgeht – im Rahmen einer partiellen bzw. additiven enteralen Ernährungstherapie zum Einsatz gelangt.
Vorliegend fehlt es aber an den weiteren Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F., wonach bei dem betreffenden Patienten, die Fähigkeit, sich auf natürliche Weise ausreichend zu ernähren, fehlen oder eingeschränkt sein muss und eine Modifizierung der natürlichen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder näherungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen dürfen. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aus der Einlassung des hierzu im schriftlichen Verfahren nach § 98 VwGO i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO vernommenen sachverständigen Zeugen … Dieser führt in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 13. September 2021 aus, das Ziel einer enteralen Ernährungstherapie bestehe insbesondere im Kindes- und Jugendalter in der Herbeiführung einer vollständigen Remission (mukosalen Heilung), um eine normale körperliche und geistige Entwicklung zu ermöglichen. Mit der bis zum Zeitpunkt der Verordnung von Modulen IBD erfolgten antinflammatorischen Therapie mit Mesalazin und Budesnoid sowie der damals erst kürzlich begonnenen immunsuppresiven Therapie mit Azathioprin sei dieses Ziel nicht zu erreichen gewesen, weil die volle Wirkung des letzteren erst nach sechs bis zwölf Wochen unter voller Dosierung zu erwarten gewesen sei. Zur Überbrückung bei deutlichen abdominellen Beschwerden und zur zusätzlichen antiinflammatorischen Therapie sei daher eine partielle enterale Ernährungstherapie mit Modulen IBD durchgeführt worden. Primärer Grund für die Verordnung von Modulen IBD an die Tochter des Klägers sei daher nicht die fehlende Möglichkeit, sich oral zu ernähren, sondern die Nutzung der antiinflammatorischen Eigenschaften gewesen, um möglichst rasch eine klinische und mukosale Verbesserung zu erreichen. Diese Ausführungen des sachverständigen Zeugen … verdeutlichen, dass im konkreten Fall der Tochter des Klägers die partielle enterale Ernährungstherapie mit Modulen IBD – anders als durch § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F. vorausgesetzt – gerade nicht zur Kompensation einer fehlenden oder eingeschränkten Fähigkeit, sich auf natürliche Weise ausreichend zu ernähren, erfolgt ist. Die durch den Zeugen … initiierte partielle enterale Ernährungstherapie hat vielmehr darauf abgezielt, sich für die Übergangszeit bis zu einem Anschlagen des Medikaments Azathioprin die antiinflammatorischen, d.h. entzündungshemmenden, Eigenschaften des Präparats Modulen IBD zu Nutze zu machen. Ein derartiges Therapieziel einer enteralen Ernährungstherapie begründet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 5 Satz 1 BBhV a.F. indes keinen Beihilfeanspruch.
2. Auch nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F. ist zu den Aufwendungen des Klägers für das Präparat Modulen IBD zur Behandlung seiner am Morbus Crohn erkrankten Tochter keine Beihilfe zu gewähren.
Beihilfefähig nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F. sind Aufwendungen für ärztlich oder zahnärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordnete oder während einer Behandlung verbrauchte Arzneimittel nach § 2 AMG, die apothekenpflichtig sind.
Nach diesen rechtlichen Vorgaben kommt ein Beihilfeanspruch des Klägers für die Aufwendungen aus der Beschaffung des Präparats Modulen IBD nicht in Betracht. Abgesehen von durchschlagenden Zweifeln des Gerichts, ob das betreffende Produkt überhaupt ein Arzneimittel im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F. i.V.m. § 2 AMG darstellt (dazu unter a), scheitert eine Beihilfefähigkeit jedenfalls daran, dass dieses nicht der Apothekenpflicht unterliegt (dazu unter b). Dieses Ergebnis ist auch vor dem Hintergrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht zu beanstanden, zumal der Beihilfeausschluss in der konkreten Situation des Klägers keine besondere Härte darstellt, zu deren Milderung ausnahmsweise eine Beihilfegewährung nach § 6 Abs. 6 BBhV a.F. erforderlich wäre (dazu unter c).
a) Überwiegendes spricht dafür, dass es sich bei dem Präparat Modulen IBD bereits nicht um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG, sondern vielmehr um ein (diätetisches) Lebensmittel handelt.
Die Arzneimitteldefinition des § 2 Abs. 1 AMG unterscheidet – in Anlehnung an Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG – zwei Arten von Arzneimitteln. Sogenannte Präsentationsarzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Den Begriff des sogenannten Funktionsarzneimittels definiert § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG als Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet werden und einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder (a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder (b) eine medizinische Diagnose zu erstellen.
Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG insbesondere Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB, der wiederum auf die Lebensmitteldefinition des Art. 2 VO (EG) 178/2002 verweist. Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Dem Lebensmittelbegriff unterfallen auch diätetische Lebensmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 DiätV, also solche, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Einen Unterfall hiervon bilden wiederum die diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) im Sinne des § 1 Abs. 4a Satz 1 DiätV. Diese dienen gemäß § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV der ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe und ihrer Metaboliten oder der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch notwendigen Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beidem nicht ausreichen.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich damit Folgendes:
In der Gesamtschau ist zunächst davon auszugehen, dass das Präparat Modulen IBD kein Präsentationsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG darstellt. Zwar ist dieses unzweifelhaft zur Anwendung im menschlichen Körper bestimmt. Es fehlt aber an der daneben erforderlichen Bestimmung als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden. Eine solche ist zunächst dann gegeben, wenn ein Erzeugnis – gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich – ausdrücklich als solches Mittel bezeichnet oder empfohlen wird, sowie ferner dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (EuGH, U.v. 21.3.1991 – C-60/89 – juris Rn. 23; U.v. 15.11.2007 – C-319/05 – EuZW 2008, 56 Rn. 44 u. 46). Davon kann in Bezug auf das hier relevante Präparat Modulen IBD nicht ausgegangen werden. Dieses wird auf der Verpackung als „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)“ bezeichnet; des Weiteren finden sich dort die Angaben „zum Diätmanagement bei Morbus Crohn – diätetisch vollständig“ sowie „neutraler Geschmack“. Das vom Hersteller im Internet bereitgestellte Produktdatenblatt enthält zusätzlich die Beschreibung „stoffwechselangepasstes Pulver zur Herstellung einer Trink- und Sondennahrung bei Morbus Crohn“. Es werden darin ferner sogenannte Nährwertinformationen angegeben, wie diese vor allem bei Lebensmitteln bekannt sind; diese enthalten unter anderem Angaben zum Brennwert (in den Einheiten kJ und kcal), zu Fetten, Kohlenhydraten und Eiweißen sowie zu Mineralstoffen, Vitaminen und Nährstoffen (jeweils in den Einheiten g, mg bzw. µg). Die durch den Hersteller gewählte Aufmachung des Produkts stellt damit dessen Beschaffenheit als Lebensmittel bzw. Nahrung in den Vordergrund. Auch bei einem durchschnittlichen Verbraucher wird daher – ungeachtet des vorgesehenen Anwendungsbereichs „für besondere medizinische Zwecke“ – regelmäßig nicht der Eindruck erzeugt werden, es könne sich bei Modulen IBD um ein Mittel zur Beseitigung oder Linderung der mit dem Morbus Crohn einhergehenden Darmbeschwerden handeln. Vielmehr ist für den Durchschnittsverbraucher durchaus zu erkennen, dass dieses Präparat zur Ernährung von Morbus-Crohn-Patienten gerade bei (fort-)bestehenden krankheitsbedingten Beeinträchtigungen bestimmt ist.
Daneben kann das Präparat Modulen IBD auch nicht als Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG eingestuft werden. Da das Mittel nicht der Erstellung einer medizinischen Diagnose dient (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AMG), kommt es für die Funktionsarzneimitteleigenschaft maßgeblich darauf an, inwieweit es zur Herstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung geeignet ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG). Die Entscheidung hierüber ist von Fall zu Fall zu treffen und hat alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (EuGH, U.v. 15.1.2009 – C-140/07 – NVwZ 2009, 439 Rn. 39; U.v. 30.4.2009 – C-27/08 – NVwZ 2009, 967 Rn. 18). In Abgrenzung zum Präsentationsarzneimittel soll der Begriff des Funktionsarzneimittels damit diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (EuGH, U.v. 15.11.2007 – C-319/05 – EuZW 2008, 56 Rn. 61; U.v. 15.1.2009 – C-140/07 – NVwZ 2009, 439 Rn. 25). Bei dieser Beurteilung ist auf den normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses abzustellen (EuGH, U.v. 30.4.2009 – C-27/08 – NVwZ 2009, 967 Rn. 22). Ausgehend von diesem Begriffsverständnis kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Präparat Modulen IBD um eine Funktionsarzneimittel handelt. Der schriftlichen Aussage des Zeugen … vom 13. September 2021 kann zwar entnommen werden, dass die speziell bei der Tochter des Klägers durchgeführte partielle enterale Ernährungstherapie auf die Nutzung der antiinflammatorischen Eigenschaften dieses Präparats abgezielt hat, um auf diese Weise den etwa sechs- bis zwölfwöchigen Übergangszeitraum bis zur vollen Wirksamkeit des zum damaligen Zeitpunkt neu angewandten Medikaments Azathioprin zu überbrücken. Mit der Anwendung von Modulen IBD sollte damit auf den krankheitsbedingt hervorgerufenen Entzündungszustand der Magenschleimhaut eingewirkt, also deren physiologische Funktion durch pharmakologische Wirkung wiederhergestellt oder jedenfalls positiv beeinflusst werden. Eine Einstufung von Modulen IBD als Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG muss aber gleichwohl ausscheiden. Denn es handelt sich bei der Verwendung als Mittel zur Entzündungshemmung nicht um den normalen Gebrauch dieses Präparats, welches ausweislich der Angaben im Produktdatenblatt des Herstellers als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke konzipiert ist und damit der Ernährung und nicht etwa der Behandlung von mukosalen Entzündungen dient. Dass sich auch die – vorliegend erfolgte – Nutzung der antiinflammatorischen Eigenschaften von Modulen IBD (noch) als normaler Gebrauch dieses Produkts darstellen würde, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Stattdessen handelt es sich bei Modulen IBD um ein Lebensmittel im Sinne der Definition des § 2 Abs. 2 LFGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002, was gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG wiederum die Arzneimitteleigenschaft ausschließt. Das Präparat, das nach Herstellerangaben ein stoffwechselangepasstes Pulver zur Herstellung einer Trink- und Sondennahrung bei Morbus Crohn darstellt, ist dazu bestimmt, im verarbeiteten Zustand durch Menschen aufgenommen zu werden. Es erfüllt des Weiteren die Begriffsmerkmale eines diätetischen Lebensmittels in Form der bilanzierten Diät (§ 1 Abs. 4a DiätV). So dient Modulen IBD der alleinigen oder ergänzenden Ernährung von Morbus-Crohn-Patienten, deren Stoffwechsel krankheitsbedingt behindert bzw. gestört ist. Der Lebensmitteleigenschaft von Modulen IBD steht auch das Ausschlusskriterium des Art. 2 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) 178/2002 nicht entgegen, wonach insbesondere Arzneimittel nicht zu den Lebensmitteln zählen. Wie bereits dargelegt, stellt das betreffende Präparat gerade kein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG dar.
b) Die Beihilfefähigkeit von Modulen IBD scheitert aber jedenfalls daran, dass dieses entgegen der Vorgabe des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F. nicht apothekenpflichtig ist.
Regelungen zur Apothekenpflicht enthalten die §§ 43 ff. AMG. Von den dort geregelten Ausnahmen abgesehen, dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG berufsoder gewerbsmäßig für den Endverbrauch grundsätzlich nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG). Von dieser grundsätzlichen Apothekenpflicht nimmt § 44 Abs. 1 AMG unter anderem solche Arzneimittel aus, die von dem pharmazeutischen Unternehmen ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Bestimmungen handelt es sich bei Modulen IBD nicht um ein apothekenpflichtiges Produkt. Soweit das betreffende Präparat im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen bereits kein Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG darstellt, unterfällt es von vorneherein nicht der Apothekenpflicht des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG. Doch selbst wenn Modulen IBD – entgegen der hier vertretenen Ansicht – der Arzneimitteldefinition des § 2 Abs. 1 AMG unterfallen sollte, wäre es jedenfalls durch § 44 Abs. 1 AMG von der grundsätzlichen Apothekenpflicht ausgenommen. So bezweckt Modulen IBD ausweislich der Angaben in dem vom Hersteller veröffentlichten Produktdatenblatt nicht etwa die Beseitigung oder Linderung der durch den Morbus Crohn hervorgerufenen Leiden bzw. krankhaften Beschwerden; vielmehr dient es – bei Fortbestehen der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen in der Nahrungsaufnahme – der Ernährung entsprechend erkrankter Patienten. Letztlich kann aber dahinstehen, aus welchen Rechtsgründen im Einzelnen Modulen IBD kein apothekenpflichtiges Produkt darstellt. Denn es handelt sich um eine allgemeinkundige Tatsache, dass der Vertrieb von Modulen IBD nicht etwa auf Apotheken beschränkt ist, sondern dieses vielmehr frei im (Versand-)Handel – unter anderem auf den Internetplattformen „Amazon“ und „Ebay“ – erhältlich ist.
c) Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist schließlich mit höherrangigem Recht – insbesondere der verfassungsmäßig in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten und einfachgesetzlich durch § 78 BBG ausgestalteten Fürsorgepflicht – vereinbar, wobei vorliegend insbesondere kein Härtefall vorliegt, in dem die Beklagte nach § 6 Abs. 6 BBhV a.F. losgelöst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F. zu einer Beihilfegewährung an den Kläger verpflichtet wäre.
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, die Aufwendungen für eine Gruppe von Arzneimitteln generell von der Beihilfefähigkeit auszuschließen. Sie verlangt weder, dass die aus Anlass von Krankheitsfällen entstandenen Aufwendungen der Beamten durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und einer ergänzenden Beihilfe vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Der Dienstherr muss aber, wenn er sich – wie nach dem gegenwärtig praktizierten System – entscheidet, seiner Fürsorgepflicht im Krankheitsfall durch die Zahlung einer Beihilfe nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreiten den Eigenvorsorge ergänzend hinzutritt, bei einem solchen Leistungsausschluss normative Vorkehrungen treffen, damit den Beamten infolgedessen im Einzelfall, z.B. bei einer chronischen Erkrankung, keine erheblichen Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (BVerwG, U.v. 23.11.2017 – 5 C 6.16 – NVwZ-RR 2018, 392 Rn. 12 m.w.N.).
Entsprechende normative Vorkehrungen, die verhindern, dass die mit dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel einhergehende Belastung im Einzelfall – insbesondere bei chronischen Erkrankungen – die finanziellen Mittel des Beamten erheblich übersteigt und sich damit im Hinblick auf seine amtsangemessene Alimentation als unzumutbar erweist, hat der Verordnungsgeber in § 6 Abs. 6 BBhV a.F. getroffen. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV a.F. kann die oberste Dienstbehörde mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, sofern im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde, eine Beihilfe zur Milderung dieser Härte gewähren. Der verfassungsmäßigen Fürsorgepflicht der Beklagten ist damit Genüge getan (ebenso, jeweils zur Parallelvorschrift des § 49 Abs. 2 BayBhV: VG Bayreuth, U.v. 10.11.2015 – B 5 K 15.96 – juris Rn. 26; VG München, U.v. 12.7.2016 – M 17 K 16.2357 – juris Rn. 39; VG Ansbach, U.v. 26.7.2016 – AN 1 K 14.01929 – juris Rn. 74; vgl. ferner BVerwG, U.v. 26.3.2015 – 5 C 9.14 – BVerwGE 151, 386 Rn. 35 ff. zur Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten; U.v. 23.11.2017 – 5 C 16.16 – NVwZ-RR 2018, 347 Rn. 13 ff. zum Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel).
Dass der Ausschluss der Beihilfegewährung für das Präparat Modulen IBD vorliegend mit einer in diesem Sinne besonderen Härte für den Kläger einherginge, ist indes nicht zu erkennen. Eine solche liegt vor, wenn die Nichterstattung der Aufwendungen zu Belastungen für den Beamten führt, die sich im Hinblick auf die Höhe seiner Alimentation für ihn als unzumutbar darstellen und insbesondere geeignet sind, den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie zu gefährden (BVerwG, U.v. 26.3.2015 – 5 C 9.14 – BVerwGE 151, 386 Rn. 39). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, handelt es sich bei der am 25. Oktober 2018 erfolgten Verschreibung von 12 × 400 g Modulen IBD um eine einmalige Verordnung. Dies deckt sich mit der schriftlichen Aussage des Zeugen … vom 13. September 2021, wonach die partielle enterale Ernährungstherapie mit Modulen IBD der Überbrückung des etwa sechs- bis zwölfwöchigen Zeitraums bis zur vollen Wirkung des ebenfalls an die Tochter des Klägers verabreichten Medikaments Azathioprin gedient habe. Ein Grund zur Annahme, dass der Tochter das Präparat Modulen IBD in absehbarer Zeit erneut verordnet werden könnte, besteht damit nicht; dies entspricht auch der seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einschätzung. Aus der Behandlung seiner Tochter mit Modulen IBD sind dem Kläger somit einmalige Aufwendungen in Höhe von 425,04 EUR entstanden, die er mangels Beihilfefähigkeit aus seinen allgemeinen Dienstbezügen der Besoldungsgruppe A14 zu bestreiten hatte. Anhaltspunkte, dass infolge dieser singulären Belastung in überschaubarer Höhe der amtsangemessene Lebensunterhalt des Klägers und seiner Familie gefährdet worden wäre, hat dieser weder geltend gemacht, noch sind solche Umstände anderweitig zu ersehen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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