Europarecht

Zuwendungsrecht, Unternehmensfortführung (verneint)

Aktenzeichen  M 31 K 21.3379

Datum:
30.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13685
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe)

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Das Gericht kann aufgrund des Einverständnisses der Prozessparteien gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne weitere mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Gewährung und Auszahlung der Dezemberhilfe aufgrund ihres Zuwendungsantrags vom 27. April 2021, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 26. Mai 2021 als rechtmäßig.
1. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten (weiteren) Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 31.3.2022 – 6 ZB 21.2933 – juris Rn. 7; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe – BayMBl. 2020, Nr. 680 vom 21.12.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 27) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Dezemberhilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in Anwendung ihrer ständigen Vollzugspraxis zur Gewährung der Dezemberhilfe auch auf Grundlage der Zuwendungsrichtlinie in Nr. 2.1 Satz 1 im konkreten Fall davon ausgeht, dass die Klägerin wegen einer dauerhaften Einstellung ihres Geschäftsbetriebs im Zeitpunkt der Antragstellung nicht antragsberechtigt ist.
2.1 Ausgehend von Nr. 2.1 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie sind antragsberechtigt unabhängig von dem Wirtschaftsbereich, in dem sie tätig sind, Unternehmen einschließlich Sozialunternehmen (gemeinnützige Unternehmen), wenn sie ihre Tätigkeit von einer inländischen Betriebsstätte oder einem inländischen Sitz der Geschäftsführung aus ausführen und bei einem deutschen Finanzamt für steuerliche Zwecke erfasst sind, ihre wirtschaftliche Tätigkeit vom Lockdown betroffen ist, sie vor dem 1. November 2020 gegründet worden sind und sie die Geschäftstätigkeit vor dem 30. November 2020 nicht dauerhaft eingestellt haben. Gemeinnützige Unternehmen, die dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig sind, sind nach Nr. 2.3 der Zuwendungsrichtlinie unabhängig von ihrer Rechtsform ausdrücklich ebenso antragsberechtigt. Die Beklagte geht in ihrer Zuwendungspraxis ferner davon aus, dass eine Beantragung oder Auszahlung der Dezemberhilfe durch bzw. an Unternehmen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung den Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt haben, ausgeschlossen ist. Dies ist in Ziff. 5.1 der im Internet einsehbaren FAQ in dieser Weise niedergelegt. Die vorstehend dargelegte Zuwendungspraxis ist von Rechts wegen weder dem Grunde nach noch in ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall zu beanstanden.
2.2 Der Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit ihnen die mit der Funktion der Zuwendungsbehörde beliehene Beklagte (vgl. § 47b ZustV) sind nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger und Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden, sachgerechten Abgrenzung auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken (VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; U.v. 14.7.2021 – M 31 K 21.2307 – juris Rn. 23). Dies gilt gleichermaßen für die sachliche Eingrenzung einer Zuwendung und die Festlegung der relevanten Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe einer Zuwendung. Denn nur der Zuwendungsgeber bzw. die Zuwendungsbehörde bestimmen im Rahmen des ihnen eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret begünstigt werden soll. Insoweit besitzen Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit diesen die Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 19; VG München, U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 26; U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 23; U.v. 14.6.2021 – W 8 K 20.2138 – juris Rn. 30).
Diesen Maßstäben genügt die sowohl durch den Richtliniengeber vorgegebene als auch durch die Zuwendungsbehörde in ihrer ständigen Zuwendungspraxis umgesetzte Maßgabe, nach der eine Beantragung oder Auszahlung der Dezemberhilfe durch bzw. an Unternehmen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung den Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt haben, ausgeschlossen ist.
Ziel der Dezemberhilfe ist es ausweislich Nr. 1 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie, durch einen Beitrag zur Kompensation des Umsatzausfalls die wirtschaftliche Existenz u.a. von Unternehmen und Soloselbstständigen zu sichern, die in der Folge des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und den Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 von Coronabedingten Betriebsschließungen bzw. Betriebseinschränkungen im Dezember 2020 betroffen sind, und deshalb erhebliche Umsatzausfälle erleiden. Mit dieser Zielsetzung der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen steht es ohne weiteres im Einklang, nur solche Unternehmen zum Kreis der Fördererberechtigten zu zählen, die tatsächlich auch weiterhin wirtschaftlich am Markt tätig sind. Bereits der Wortlaut der Zuwendungsrichtlinie in Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. d nimmt dementsprechend Unternehmen von der Antragsberechtigung aus, die ihre Geschäftstätigkeit vor dem 30. November 2020 dauerhaft eingestellt haben. Dass die Zuwendungspraxis der Beklagten unabhängig davon auch eine Beantragung oder Auszahlung der Dezemberhilfe nur solchen Unternehmen zubilligt, die zum Zeitpunkt der Antragstellung den Geschäftsbetrieb nicht dauerhaft eingestellt haben, begegnet vor dem ausgeführten Hintergrund keinen Bedenken; sie erscheint vielmehr sachgerecht. Ansatzpunkt der Dezemberwie im Übrigen auch der Novemberhilfe ist wie ausgeführt die wirtschaftliche Existenzsicherung von Unternehmen. Insofern ist es nachvollziehbar und von sachlichen Gründen getragen, wenn der Zuwendungsgeber bzw. die Beklagte nur solche Unternehmen berücksichtigt, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin fortsetzen und nicht solche, die – wie durch die Beklagte vorgetragen – ohnehin ihren Geschäftsbetrieb dauerhaft einstellen.
Es verstößt daher weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Zweck der Zuwendungsrichtlinie noch gegen sonstiges einschlägiges materielles Recht, wenn die Vollzugspraxis der Beklagten zu Nr. 2.1 Satz 1 und Nr. 2.3 der Zuwendungsrichtlinien grundsätzlich eine Beantragung oder Auszahlung der Dezemberhilfe durch bzw. an Unternehmen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung den Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt haben, ausschließt.
2.3 Nicht zu beanstanden ist ferner die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall der angegriffenen Förderungsablehnung. Sowohl innerhalb des behördlichen Verfahrens als auch schriftsätzlich im gerichtlichen Verfahren geht die Beklagte davon aus, dass die Klägerin am Tag der Antragstellung im Zusammenhang der Dezemberhilfe (27.4.2021) ebenso die Auflösung der Gesellschaft mit Ablauf des April 2021 beschlossen hat, sodass die Klägerin wegen der Einstellung des Geschäftsbetriebs keine Fördermittel erhalten könne.
2.3.1 Ausgehend von den im Internet veröffentlichen FAQs zur Dezemberhilfe (Ziff. 5.5 und 5.7) grenzt die Beklagte eine Einstellung des Geschäftsbetriebs insbesondere zu einer Fortführung des Unternehmens ab. Eine solche liegt danach vor im Fall einer Fortführung eines Unternehmens durch einen Nachfolger oder an einem anderen Ort, eine Umfirmierung, Umwandlung sowie der Wechsel von nebenerwerblicher zu haupterwerblicher Tätigkeit. Unternehmen, die zwar vor dem 30. September 2020 gegründet, aber nach diesem Stichtag verkauft/umgewandelt/aufgespalten wurden, sind nach Ziff. 5.7 der FAQ antragsberechtigt, sofern das Unternehmen in vergleichbarer Art und vergleichbarem Umfang fortgeführt wird.
Mit der letztgenannten Anforderung einer Fortführung des Unternehmens in vergleichbarer Art und vergleichbarem Umfang stellt die Beklagte in ihrer Zuwendungspraxis mithin auf den konkreten Unternehmensgegenstand bzw. die konkrete wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens ab, für den der jeweilige Zuwendungsantrag gestellt wird, jedoch insbesondere nicht auf die Tätigkeit oder ggf. die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Betriebsinhaber (vgl. hierzu VG München, U.v. 26.4.2022 – M 31 K 21.1857 – juris Rn. 29). Auf dieser Grundlage kommt die Beklagte hier zu dem Ergebnis, dass mit der (Wieder-)Eingliederung der Klägerin in das Kulturamt der Stadt Ingolstadt der Unternehmensgegenstand jedenfalls im vorherigen Zuschnitt nicht weiterbesteht und damit im Sinne der Zuwendungsrichtlinie das Unternehmen nicht fortgeführt wird.
Diese Bewertung des Sachverhalts im Einzelfall begegnet keinen Bedenken. Nach eigenem schriftsätzlichem Vortrag durch die Klägerin bzw. den vorgelegten Unterlagen handelt es sich um eine „Rückgliederung“ der Klägerin in den Haushalt der Stadt Ingolstadt. Gebildet wurden vier sogenannte optimierte Regiebetriebe und ein Hoheitsbereich innerhalb des städtischen Haushalts (vgl. Beschlussvorlage für die städtischen Gremien, Vorbericht zu den Wirtschaftsplänen für das Haushaltsjahr 2021, jeweils vorgelegt als Anlage 7 zur Klagebegründung vom 27.10.2021). Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist somit innerhalb des Kulturamts der Stadt Ingolstadt in vier Bereiche, namentlich Urbankultur, Feste und Märkte, Volksfeste und kurzfristige Vermietung und Verpachtung sowie einen Hoheitsbereich aufgeteilt. Die offenbar mit der Behandlung der steuerlichen Aspekte der Rückgliederung befasste Steuerberatungsgesellschaft umschreibt den Vorgang dementsprechend als „Rückgliederung der bisherigen Tätigkeitsfelder der Gemeinnützige Ingolstädter V. GmbH (INVA gGmbH) in das Kulturamt der Stadt Ingolstadt“ (Anlage 2 zur Klagebegründung vom 27.10.2021).
Der Klägerin ist somit zwar zuzugeben, dass ihre (früheren) Aufgaben oder einzelnen Tätigkeitsfelder nunmehr durch die Stadt Ingolstadt wahrgenommen werden. Es ist jedoch ohne weiteres nachvollziehbar, wenn die Beklagte unter den dargestellten Umständen davon ausgeht, dass eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit der Klägerin in ihrem früheren Zuschnitt durch die Stadt Ingolstadt darin nicht zu erblicken ist. Vielmehr sind die einzelnen Tätigkeitsfelder in den bereits bestehenden (Verwaltungs-)Strukturen der Stadt Ingolstadt aufgegangen. Wie ausgeführt, ist Grundgedanke der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020, die Sicherung der Existenz von bestimmten Coronabetroffenen Unternehmen sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, für eine Fortführung von Unternehmen in diesem Zusammenhang zu fordern, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des jeweiligen Unternehmens in Zuschnitt und Umfang im Wesentlichen erhalten bleibt. Dies ist nicht gegeben, wenn – wie hier – einzelne Tätigkeitsfelder völlig in Strukturen eines anderen Rechtsträgers aufgehen. In dieser Konstellation existiert das – gegebenenfalls zu fördernde – Unternehmen in vergleichbarer Art und vergleichbarem Umfang in der Tat nicht mehr. Bereits aus diesen Gründen ist es vorliegend nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte hier von einer Einstellung des konkreten Geschäftsbetriebs der Klägerin ausgeht.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem zuletzt durch die Klägerin betonten Umstand, dass jedenfalls in arbeitsrechtlicher Hinsicht ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB vorliege (Schriftsatz vom 29.4.2022 mit Anlagen). Nach der durch die Beklagte vorgetragenen Zuwendungspraxis wird die Übernahme der Aufgaben und des Personals i.S.d. § 613a BGB nicht als Unternehmensfortführung gewertet. Da ein Betriebsübergang nach § 613a BGB eine Vielzahl von möglichen Gestaltungen erfasst (vgl. hierzu nur etwa Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, BGB § 613a Rn. 50 ff.; 58 ff.), ist es nicht zu beanstanden und steht es insbesondere zu dieser Regelung nicht in Widerspruch, wenn die Beklagte in ihrer Zuwendungspraxis nicht vom Vorliegen eines Betriebsübergangs auf die Fortführung des Unternehmens im Zusammenhang der Gewährung der Dezemberhilfe schließt.
2.3.2 Unabhängig davon liegt im konkreten Fall jedenfalls in technischem Sinne auch keine Umwandlung der Klägerin vor, die möglicherweise im Sinne der oben dargelegten Zuwendungspraxis zu einer Fortführung des Unternehmens führen könnte. Während die Beklagte zunächst davon ausging, dass – offenbar zumindest in einem untechnischen Sinne – eine Umwandlung der Klägerin in einen (oder mehrere) kommunale Regiebetriebe erfolgte (vgl. etwa Schriftsatz vom 8.11.2021), trägt sie zuletzt vor, dass der Begriff der Umwandlung in Ziff. 5.7 Abs. 2 der FAQ bzw. generell in der Zuwendungspraxis der Beklagten im Sinne des Umwandlungsgesetzes zu verstehen sei und dementsprechend eine solche hier nicht vorliege (Schriftsatz vom 17.2.2022). Ob sich diese Folgerung bereits abstrakt daraus ergibt, dass, wie die Beklagte vorträgt, nach § 1 Abs. 2 UmwG i.V.m. Art. 89 Abs. 2a Satz 1 BayGO eine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, an der ausschließlich die Gemeinde beteiligt ist, generell nur durch Formwechsel in ein Kommunalunternehmen möglich sei, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls begrifflich (vgl. § 1 Abs. 1 UmwG) ist eine Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes zum Zweck der Rekommunalisierung durch Übertragung von Vermögen von Kapitalgesellschaften auf die öffentliche Hand gemäß §§ 174 ff. UmwG möglich, in deren Folge ein Eigenbetrieb entsteht. Durch die Vornahme einer an die Entstehung des Eigenbetriebs anschließenden weiteren Umwandlung, etwa in eine Anstalt des öffentlichen Rechts, kann im Wege der Verkettung mehrerer Umwandlungsvorgänge auch die Umstrukturierung in ein selbständiges Kommunalunternehmen bewirkt werden (vgl. hierzu etwa Wolfers/Voland, in: MünchHdB GesR VIII, § 77 Rn. 14, 68). § 1 Abs. 2 UmwG i.V.m. Art. 89 Abs. 2a Satz 1 BayGO ermöglicht in diesem Zusammenhang eine unmittelbare Umwandlung staatlicher Eigengesellschaften in privatrechtlicher Rechtsform in eine öffentlich-rechtliche Organisationsform (vgl. Wolfers/Voland, aaO., Rn. 70 ff.). Vor dem Hintergrund der vorgenannten Gestaltungsmöglichkeiten wird man aus dieser Vorschrift zumindest nicht im Umkehrschluss folgern können, dass sie andere Möglichkeiten einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, an der ausschließlich die Gemeinde beteiligt ist, ausschließt.
Jedenfalls ist hier aber konkret nichts für einen möglichen Umwandlungsvorgang im Sinne des Umwandlungsgesetzes vorgetragen. Auch auf den entsprechenden Vortrag der Beklagten hin und ausdrückliche Nachfrage des Gerichts (vgl. gerichtliches Schreiben vom 15.3.2022), hat die Klägerin keine näheren Umstände – etwa in Gestalt eines Übertragungsvertrags oder dergleichen – dargelegt, die einen solchen Umwandlungsvorgang im technischen Sinne belegen würden (vgl. etwa Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 2019, UmwG § 176 Rn. 5). Soweit die Beteiligten anfangs schriftsätzlich von einer Umwandlung ausgehen (vgl. etwa Klagebegründung vom 27.10.2021, Schriftsatz der Beklagten vom 8.11.2021), ist dies zumindest nicht als Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes zu verstehen, was nach der vorgetragenen Zuwendungspraxis Voraussetzung für eine (mögliche) Fortführung eines Unternehmens wäre.
2.3.3 Es ist insgesamt allein Sache der Beklagten und des Freistaates Bayern als Zuwendungsbehörde und Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber, für die Zwecke der Gewährung der Dezemberhilfe das Verständnis einer dauerhaften Einstellung des Geschäftsbetriebs bzw. deren Abgrenzung zu einer Fortführung eines Unternehmens zu definieren und zu vollziehen. Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben bzw. hier durch die beliehene Beklagte handhaben zu lassen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 28).
Im Lichte des vorstehend Ausgeführten ist dies vorliegend nicht der Fall. Eine Berücksichtigung der vorgetragenen Übernahme der einzelnen Tätigkeitsbereiche der Klägerin durch das Kulturamt der Stadt Ingolstadt im Zusammenhang der Frage einer dauerhaften Einstellung des Geschäftsbetriebs mag aus Sicht der Klägerin – auch mit nachvollziehbaren Argumenten – sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um die konkrete Situation zu berücksichtigen; indes leitet sich daraus kein Anspruch auf einen entsprechenden Vollzug der Zuwendungsrichtlinie ab. Mit Blick auf den Zweck und die Voraussetzungen der Zuwendungsgewährung nach der Dezemberhilfe und insbesondere dem Ziel der Gewährleistung eines möglichst einfachen und effektiven Verwaltungsvollzugs – wie normativ ausdrücklich von Art. 10 Satz 2 BayVwVfG vorgesehen – ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber nicht verwehrt, die hier streitbefangene Vollzugspraxis zu einer dauerhaften Einstellung des Geschäftsbetriebs zu praktizieren und bei der Klägerin vorliegend von einer solchen auszugehen (vgl. VG München, U.v. 26.4.2022 – M 31 K 21.1857 – juris Rn. 32; U.v. 16.12.2021 – M 31 K 21.3624 – juris Rn. 36).
2.4 Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch schließlich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass ihr eine Novemberhilfe unter gleichen Bedingungen gewährt wurde. Insoweit hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es werde geprüft, inwieweit die gewährte Novemberhilfe zu Unrecht gewährt worden und ggf. aufzuheben und zurückzufordern sei. Mit einer in Einzelfällen unrichtigen Sachbehandlung hat die Beklagte keine abweichende Verwaltungspraxis konstituiert. Eine solche Praxis setzt bewusst und gewollt dauerhaft geänderten Vollzug voraus, der sich aus einer im Nachhinein als fehlerhaft erkannten Rechtsanwendung des Beklagten gerade nicht ergibt. Die Beklagte hat die Möglichkeit, in solchen Fällen von den Aufhebungsvorschriften der Art. 48 ff. BayVwVfG, namentlich der Rücknahmebefugnis des Art. 48 BayVwVfG, Gebrauch zu machen, damit rechtswidrige Bewilligungen außerordentlicher Wirtschaftshilfen rückgängig zu machen und entsprechende Auszahlungen zurückzufordern (Art. 49a BayVwVfG, vgl. auch VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587 – juris Rn. 38).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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