Familienrecht

Änderung des Familiennamens

Aktenzeichen  M 30 K 17.1306

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27218
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3 Abs. 1
NamÄndVwV Nr. 28. 30, 40
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124, § 124a Abs. 4
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1 Das öffentlich-rechtliche Namensänderungsrecht (vgl. § 3 Abs. 1 NamÄndG) soll nur dazu dienen, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen und hat Ausnahmecharakter. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Namensänderung kommt bei Vorliegen einer erheblichen seelischen Belastung durch den vorhandenen Familiennamen in Betracht. Dazu muss die seelische Belastung zwar nicht bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Sinne von ICD-10 erreicht haben. Es bedarf jedoch einer solchen Art und eines solchen Ausmaßes der seelischen Belastung, die vom Namen herrührt, dass sich daraus konkrete negative Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Person und die Erforderlichkeit der Namensänderung ergeben, um der Belastungslage zu entgehen. (Rn. 17, 21 und 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Diese Voraussetzung ist bei Kindern von getrennt lebenden Eltern nicht ohne Weiteres der Fall. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage auf Änderung des klägerischen Familiennamens in den Nachnahmen der Mutter ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Änderung ihres Namens in der gewünschten Weise. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 22. Februar 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die zivilrechtlich mögliche Namensbestimmung der Klägerin ist durch die Eltern als gesetzliche Vertreter im Zusammenhang mit der Vaterschaftsanerkennung bereits erfolgt. Somit bleibt der Klägerin nur die Möglichkeit einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung.
Das öffentlich-rechtliche Namensänderungsrecht soll jedoch nur dazu dienen, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen und hat Ausnahmecharakter (vgl. Nr. 27 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV)). Es soll nicht dazu dienen, die bestehenden zivilrechtlichen Regelungen und Wertungen in Bezug auf die Namensführung zu revidieren oder diese zu umgehen, wie das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid zurecht ausführt. Eine Namensänderung kommt nach § 3 Abs. 1 NamÄndG i.V.m. Nr. 28 NamÄndVwV daher nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Dabei ist angesichts des öffentlichen Interesses an der Beibehaltung des bisherigen Namens grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen und ein wichtiger Grund nur dann zu bejahen, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers in der Ablegung seines bisherigen Namens und der Führung eines neuen Namens dieses öffentliche Interesse überwiegt. Bei Kindern und Heranwachsenden wiegt gemäß Nr. 30 Abs. 4 Satz 4 NamÄndVwV der Gesichtspunkt der Beibehaltung des Namens jedoch weniger schwer als bei Erwachsenen, die im Berufsleben, im Rechtsverkehr und Behörden gegenüber schon häufiger unter ihrem Familiennamen in Erscheinung getreten sind.
Trotz dieses gemäß Nr. 30 Abs. 4 Satz 4 NamÄndVwV vorliegend greifenden herabgesetzten öffentlichen Interesses an der Beibehaltung des bisherigen Namens der Klägerin überwiegt dieses dennoch noch das private Interesse der Klägerin an der Namensänderung. Es besteht nach rechtlichen Maßstäben kein wichtiger Grund für eine Namensänderung. Dabei ist zu trennen zwischen dem nachvollziehbaren persönlichen Bedürfnis und Wunsch der Klägerin einerseits und den rechtlichen Anforderungen an das gesetzlich geforderte Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Wünsche der Klägerin und ihrer gesetzlichen Vertreterin sind hierfür gerade nicht ausreichend.
Der grundsätzliche Ansatz in den ablehnenden Ausführungen des Landratsamts im streitgegenständlichen Bescheid und in der Klageerwiderung, dass Kinder von getrenntlebenden Eltern mit entstehender Namensverschiedenheit zu leben lernen müssen und durch die Namensverschiedenheit allgemein auftretende Unannehmlichkeiten und Probleme für eine Namensänderung nicht ausreichen, ist nicht zu beanstanden. Dies kann auch dem Rechtsgedanken der – nicht einschlägigen – Nr. 40 Abs. 2 Satz 2 NamÄndVwV entnommen werden. Danach kommt bei Scheidungskindern bei einer Wiederverheiratung des sorgeberechtigten Elternteils etc. eine Namensänderung nicht schon dann in Betracht, wenn die Namensänderung verdecken soll, dass das Kind aus einer geschiedenen Ehe stammt, oder die Namensänderung dem Kind lediglich vorübergehende, altersbedingte Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten ersparen soll, welche sich aus der Namensverschiedenheit in der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils ergeben.
So können die klägerseits genannten Unannehmlichkeiten und Probleme aufgrund der Namensverschiedenheit z.B. bei Urlaubsreisen, Postzustellungen etc. und die sich grundsätzlich beim Zusammenleben mit Namenverschiedenheit entstehenden Probleme und Konflikte für sich genommen mangels Erheblichkeit noch keinen wichtigen Grund im Sinne von Nr. 28 NamÄndVwV begründen. Bei Urlaubsreisen würden die Probleme durch eine Namensänderung schließlich schon nicht beseitigt, falls der – ebenfalls sorgeberechtigte – Vater mit seiner Tochter verreist. Postzustellungsschwierigkeiten könnte mit einem Namensschild am Briefkasten begegnet werden.
Zwar kommt eine Namensänderung bei Vorliegen einer erheblichen seelischen Belastung durch den vorhandenen Familiennamen in Betracht. Dies hat auch der Beklagte erkannt und ausgeführt. Dieses Erfordernis seelischer Belastung an der Namensverschiedenheit liegt letztlich auch dem Ansatz in Nr. 40 Abs. 2 NamÄndVwV zugrunde, wonach eine Namensänderung bei Scheidungskindern und Wiederverheiratung des sorgeberechtigten Elternteils in Betracht kommt, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Kind dadurch Schaden nimmt, dass es sich wegen der Namensverschiedenheit von dem neuen Familienverband ausgeschlossen fühlt.
Die Einvernahme der sachverständigen Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, dass entgegen der im Verfahren vorgelegten Stellungnahmen bei der Beurteilung durch das Gericht keine reaktive Bindungsstörung im Sinne von ICD-10 F 94.1 bei der Klägerin zugrunde zu legen ist. Die Hausärztin der Klägerin distanzierte sich vielmehr von ihrer ursprünglichen Diagnose und bescheinigte der Klägerin eine stabile Persönlichkeit, sie sei immer kooperativ und es handele sich um eine intakte Familie. Nach ihrem Eindruck sei die Klägerin seit ihrer Einschulung stabiler und auch ruhiger geworden. Die sachverständige Zeugin W. erklärte ihre Diagnose anhand der aufgetretenen Symptome. Die Klägerin sei ihr zu dem Zeitpunkt, als sie bei ihr vorstellig geworden sei, für ihr Alter sehr verschlossen, in sich gekehrt, traurig, durcheinander und nicht fröhlich vorgekommen. Wie die sachverständige Zeugin aus diesen Symptomen auf die doch erhebliche ICD-10-Diagnose schloss, vermag das Gericht nach den Ausführungen der sachverständigen Zeugin nicht nachzuvollziehen.
Die seelische Belastung muss jedoch auch nicht bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Sinne von ICD-10 erreicht haben. Vielmehr kann gerade die Änderung des Namens geboten sein, um den Namensträger vor einer solchen behandlungsbedürftigen Erkrankung oder Krise zu bewahren. Die – vorliegend nicht einschlägige – Nr. 40 Abs. 2 Satz 5 NamÄndVwV erwähnt z.B. den Fall, wenn in der neuen Ehe des sorgeberechtigten Elternteils Kinder sind (Halb- oder Stiefgeschwister), die bereits den angestrebten Familiennamen führen.
Es bedarf jedoch einer solchen Art und eines solchen Ausmaß der seelischen Belastung, die vom Namen herrührt, dass sich daraus konkrete negative Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Person und die Erforderlichkeit der Namensänderung ergeben, um der Belastungslage zu entgehen. Die Erheblichkeit einer solchen seelischen Belastung durch den bisherigen Namen der Klägerin ist für das Gericht vorliegend aber nicht erkennbar.
Die beschriebenen Symptome alleine reichen zur Überzeugung des Gerichts für eine eine Namensänderung begründende derart erhebliche seelische Belastung nicht aus, zumal diese ihre Ursache nicht ohne weiteres im Namen der Klägerin findet. Das Gericht hat nach den vorgelegten Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vielmehr den Eindruck gewonnen, dass diese Symptome auch mit den Spannungen innerhalb der Familie, insbesondere zwischen den Eltern der Klägerin und dem insbesondere von der Hausärztin beschriebenen Zusammenleben mit der Cousine zusammenhängen könnten.
Die Klägerin befindet sich weder in ärztlicher noch therapeutischer Behandlung, auch anderweitige Unterstützung haben sich die gesetzlichen Vertreter bislang anscheinend nicht gesucht, sondern den Fokus alleine auf die Namensänderung gelegt.
Das Gericht vermag daher – auch nach der eigenen Befragung der Klägerin – nicht anzunehmen, dass die Klägerin an derart erheblichen Symptomen seelischer Belastung leidet. Dies vermochten auch weder die Mutter der Klägerin noch die einvernommenen sachverständigen Zeuginnen näher und konkret darzulegen. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen nach der Befragung der Klägerin, der Mutter und der Einvernahme der sachverständigen Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die Klägerin insoweit nicht mehr an einer seelischen Belastung der Namensverschiedenheit leidet, als dies im üblichen Rahmen bei Kindern getrenntlebender Eltern mit Namensverschiedenheit auftritt.
Vielmehr würde die Änderung des Familiennamens alleine zur Überzeugung des Gerichts der Klägerin nicht ermöglichen, die von der Hausärztin geforderte eigenständige Persönlichkeitsentwicklung im Vergleich zu ihrer im gleichen Haushalt lebenden Cousine auszubilden. Wie die sachverständige Zeugin ausführte, sind eigenständige Hobbys und ein von ihrer Cousine differenzierter Klassenbesuch in der Schule erfolgversprechende Mittel und hat die Klägerin seit Schulbeginn nach Aussagen ihrer Hausärztin bereits eine stabile Persönlichkeitsstruktur entwickelt.
Die Namensänderung wird die bestehende Belastung bei der Klägerin, getrenntlebende Elternteile zu haben, im Alltag nicht beseitigen. Vielmehr bedarf es der Befähigung der Klägerin, sich mit ihrem Namen zu identifizieren und mit der Namensverschiedenheit umzugehen. Spannungen zwischen den sorgeberechtigten Eltern über die Namensgebung und -führung der Tochter etc. tragen hierzu nicht bei. Die von der Mutter beschriebene Unsicherheit bei der Klägerin, bei einer Frage nach ihrem Nachnamen die Bestätigung ihrer Eltern zu suchen, deutet hingegen gerade darauf hin, dass bei der Klägerin durch die Eltern eine Unsicherheit über die Namensführung gesetzt wurde. Insofern stellt sich die Frage, ob die Namensverschiedenheit oder die Unsicherheit in der Namensführung und die Spannungen der Eltern die Klägerin mehr belasten. Insoweit hat auch der Beklagte in seiner Klageerwiderung zurecht auf die Ausführungen der sachverständigen Zeugin W. hingewiesen, wonach der lange andauernde Streit der Eltern um den Namen der Klägerin dieser zugesetzt hätten und es unerlässlich sei, dass die Eltern gemeinsam eine konfliktfreie Gesprächsbasis entwickeln würden. Diese müsse das Wohl des Kindes im Fokus haben, damit die Klägerin eine eigene, sichere Bindung und Identität entwickeln könne. Zwar wird ein gemeinsamer Name von Mutter und Kind, den Großeltern, der Tante und Cousine als von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit in der Identitätsfindung in der Stellungnahme der sachverständigen Zeugin W. vom 17. März 2017 angeführt, jedoch auch herausgestellt, dass die Spannungen zwischen den Erziehungsberechtigten der vergangenen Jahre bei der Klägerin die diagnostizierte reaktive Bindungsstörung zur Folge gehabt hätten.
Mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 3 NamÄndG besteht daher kein Anspruch auf die begehrte Namensänderung. Die Klage ist daher unbegründet und mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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