Familienrecht

Aufhebung einer Jugendhilfemaßnahme

Aktenzeichen  M 18 E 20.2436

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
SGB VIII § 27
SGB X § 48

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Mai 2020 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem die ihm gewährte Hilfe zur Erziehung eingestellt wurde.
Der Antragsteller ist Vater der am … … 2018 geborenen M., für die er gemeinsam mit der Kindsmutter sorgeberechtigt ist. Vor der Geburt des Kindes befanden sich der Antragsteller und die Kindsmutter aufgrund einer jeweiligen Suchterkrankung im Bezirksklinikum Regensburg, wo beide substituiert und therapeutisch behandelt wurden. Der Antragsteller steht seit … … 2015 unter Betreuung für die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten. Auch die Kindsmutter steht unter Betreuung.
Am … … 2018 beantragten der Antragsteller im Einverständnis mit seinem Betreuer und die zu diesem Zeitpunkt schwangere Kindsmutter beim Jugendamt der … … die gemeinsame Unterbringung in einer betreuten Eltern-Kind-Einrichtung. Die … … gewährte dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin sodann mit Bescheid vom 12. Februar 2019 (Blatt * der Behördenakte) ab dem … … 2019 Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 2 SGB VIII in Form der gemeinsamen Unterbringung mit ihrem Kind in der Mutter-Kind-Einrichtung „H. F.“ in B. A., wo die Familie seither wohnt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass von den behandelnden Therapeuten der Kindseltern ein engmaschiges Hilfenetzwerk im geschützten Rahmen nach der Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus empfohlen werde. Beide Eltern könnten sich gut auf therapeutische Unterstützung einlassen und seien motiviert, drogenfrei zu bleiben, sich gegenseitig zu unterstützen und eine gemeinsame Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Eltern-Kind-Maßnahme sei geeignet und notwendig, um den Bindungsaufbau anzuleiten, die Eltern zur angemessenen Versorgung ihres Kindes zu befähigen, einen geregelten Tagesablauf zu üben und dem Wunsch der Eltern nach der Entwicklung einer gemeinsamen Lebensperspektive mit ihrem Kind zu entsprechen. Bezüglich der Drogenvergangenheit der Eltern, der Weiterführung der Substitution und des diesbezüglich besonderen Blicks auf das Wohl des Kindes sei die Einrichtung „H. F.“ als suchtspezifische Einrichtung in besonderem Maße geeignet.
Mit Schreiben vom 28. März 2019 beantragte das Jugendamt der … … beim Antragsgegner die Übernahme des Hilfefalles, da dieser aufgrund der Aufenthaltsverhältnisse der Hilfeempfänger gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig sei. Es wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der gut mitarbeitenden Eltern eine Einrichtung notwendig und geeignet sei, in die beide Elternteile mit Kind aufgenommen werden könnten und die bezüglich Suchterkrankungen die notwendigen Rahmenbedingungen aufweise.
Nachdem der Antragsgegner Zweifel an der Zulässigkeit der gewährten Maßnahme äußerte, holte das Jugendamt der … … eine Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht ein, welches mit Schreiben vom 14. August 2019 (Bl. … *. der Behördenakte) ausführte, dass es sich im vorliegenden Fall auf Grund der Unterbringung beider Elternteile nicht um eine Maßnahme nach § 19 SGB VIII handeln könne. Die gemeinsame Unterbringung könne jedoch auf Grundlage von § 27 Abs. 2 SGB VIII gewährt werden, da der dortige Verweis auf die „klassischen Hilfen“ nicht abschließend sei. Die Entwicklung neuer, individueller Hilfen sei daher nicht nur möglich und wünschenswert, sondern für den Fall, dass mit dem Standardkatalog an Hilfen auf den Hilfebedarf nicht reagiert werden könne, auch gefordert.
Mit Bescheid vom 27. September 2019 (Bl.162 der Behördenakte) gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller und der Kindsmutter ab dem 1. Oktober 2019 Hilfe zur Erziehung durch Übernahme der anfallenden Heimkosten in der Mutter-Kind-Einrichtung „H. F.“. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die örtliche Zuständigkeit von der … … zum Antragsgegner gewechselt sei, da sich die betreffende Einrichtung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners befinde.
In der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte befindet sich ein auf den 20. Februar 2020 datiertes Schreiben der Regierung von Oberbayern an den Träger der Einrichtung „H. F.“ (Bl. … … der Behördenakte). Darin wird ausgeführt, dass die Einrichtung nach § 45 SGB VIII betriebserlaubnispflichtig sei. In der Einrichtung würden Mütter/Väter mit ihren Kindern nach § 19 SGB VIII betreut. Aufgrund des laufenden Betriebserlaubnisverfahrens werde der Betrieb unter Befolgung verschiedener Auflagen vorerst geduldet.
Per E-Mail vom 25. März 2020 (Bl. … der Behördenakte) teilte die Regierung von Oberbayern – Abteilung: Schutz für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen – dem Antragsgegner mit, dass die Leitung der Einrichtung „H. F.“ mehrfach informiert worden sei, dass der Aufenthalt des Elternpaares E. (Anmerkung des Gerichts: gemeint wohl der Antragsteller und seine Lebensgefährtin) zwar von der Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde im offenen Betriebserlaubnisverfahren derzeit noch geduldet sei, jedoch ein Auszug des Kindsvaters vorangetrieben werden müsse. Die Regierung von Oberbayern befürworte ausdrücklich, dass der Kindsvater die Einrichtung verlasse; die Einrichtung „H. F.“ sei als Mutter-Kind-Wohnen nach § 19 SGB VIII beantragt. Nachdem die Leitung der Einrichtung „H. F.“ sowohl bei der ersten Besichtigung der Einrichtung im Oktober 2019 als auch in persönlichen Gesprächen mit der Aufsichtsbehörde berichtet habe, dass die Kindesmutter mit ihrer Substituierung immer wieder sehr labil sei und sich immer wieder „hängen ließe“, sei demnach vom Antragsgegner zu prüfen, ob die Kindsmutter alleine mit dem Kind in der Einrichtung „H. F.“ verbleiben könne, der Kinderschutz gewährleistet sei und die Mutter in der Lage sei, ohne ihren Partner das Kind zu versorgen.
Ausweislich eines Telefonvermerks (Bl. … der Behördenakte) fand ebenfalls am 25. März 2020 ein Telefonat mit dem Antragsteller statt, in welchem dem Antragsteller mitgeteilt wurde, dass die Maßnahme in eine Maßnahme nach § 19 SGB VIII geändert werde, so dass der Antragsteller ausziehen müsse. Die Frage nach seinen Möglichkeiten habe der Antragsteller nicht beantwortet, er wolle dort bleiben und Hilfe annehmen.
Der Betreuer des Antragstellers wandte sich mit Schreiben vom 20. Mai 2020 an den Antragsgegner (Bl. … der Behördenakte) und monierte unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Antragsgegners an den Träger der Einrichtung „H. F.“ vom 16. März 2020 (welches sich nicht in der Behördenakte befindet und offenbar eine zukünftige Zahlungsverweigerung bezüglich der dem Antragsteller gewährten Leistung enthält) das Vorgehen des Antragsgegners.
Am 27. Mai 2020 fand ein Hilfeplangespräch statt (Bl. … … der Behördenakte), an dem auch die Bevollmächtigte des Antragstellers teilnahm. Im vom Antragsgegner erstellten Protokoll wird die gute Entwicklung des Kindes M., die enge Bindung zu den Eltern und die liebevolle Betreuung durch diese beschrieben. Über die Kindsmutter wird berichtet, dass sie sich in der Einrichtung „H. F.“ wohl fühle; ihr sei jedoch bewusst, dass sie weitere Hilfe durch professionelle Fachkräfte benötige, um die erreichte Abstinenz sowie die Fähigkeiten im Umgang mit M. weiterhin zu festigen. Den Schutz und die Sicherheit durch die Betreuung in der Einrichtung möge sie noch nicht aufgeben. Über den Antragsteller heißt es, dass er es sehr schätze, in der Einrichtung Ansprechpartner in Bezug auf den kindgerechten Umgang mit seiner Tochter zu haben. Er verbringe viel Zeit mit M. Des Weiteren habe er Wege gefunden, mit seinem Suchtdruck umzugehen; auch die eigene Tochter sei eine Art Methode für die Abstinenz.
Zur familiären Situation wird im Protokoll ausgeführt, dass der Antragsteller und die Kindsmutter auf eigenen Wunsch derzeit vorübergehend in getrennten Apartments in der Einrichtung lebten, da es zu Spannungen und Unklarheiten in der Beziehung gekommen sei und daher jeder auch einen „eigenen“ Raum benötige. Die Familie unternehme dennoch viel zusammen, die Eltern wollten an der Beziehung festhalten und sich in der Betreuung des Kindes gegenseitig unterstützen. Mit der Betreuung von M. wechselten sie sich derzeit tageweise ab. Das Paar suche nach Wegen für eine gemeinsame Zukunft. Bei Unstimmigkeiten bemühten sich die Eltern um Lösungen und suchten sich aktiv die Hilfe und den Rat der Mitarbeitenden der Einrichtung „H. F.“.
Hinsichtlich des erzieherischen Bedarfs wird ausgeführt, dass die Familie im Berichtszeitraum gute Fortschritte erzielt habe. Es sei eine vertrauensvolle Beziehung zu den Betreuern in der Einrichtung „H. F.“ aufgebaut sowie die Bindung zwischen dem Kind und seinen Eltern gestärkt worden.
Im Anschluss an das Hilfeplangespräch fand laut Protokoll ein Gespräch über den weiteren Aufenthalt des Antragstellers in der Einrichtung „H. F.“ statt. Der Antragsgegner verwies darauf, dass die Einrichtung ausschließlich eine Betriebserlaubnis nach § 19 SGB VIII beantragt habe, sodass der Antragsteller dort nicht weiter verbleiben könne.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Mai 2020 (Bl. … der Behördenakte) hob der Antragsgegner die dem Antragsteller und der Kindsmutter mit Bescheid vom 27. September 2019 gewährte Hilfe in Form von Übernahme der anfallenden Heimkosten in der Einrichtung „H. F.“ mit Wirkung ab 4. Juni 2020 auf (Ziffer 1 des Bescheides). Unter Ziffer 2 des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung angeordnet.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Träger der Einrichtung am 24. Oktober 2019 einen Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis für die Betreuung von Müttern/Vätern mit Kind nach § 19 SGB VIII beantragt habe. Die gemeinsame Unterbringung von Vater, Mutter und Kind sei bei dieser Hilfeform nicht vorgesehen. Die Regierung von Oberbayern – Heimaufsicht – werde auch nur eine Genehmigung nach § 19 SGB VIII für die gemeinsame Unterbringung von Müttern mit Kindern erteilen, eine Unterbringung von Mutter und Vater mit Kind sei daher ausgeschlossen und werde von der Heimaufsicht auch nicht geduldet. Die Gewährung der Hilfe zur Erziehung werde daher mit Wirkung an 4. Juni 2020 aufgehoben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Antragsteller habe die Einrichtung spätestens am 4. Juni 2020 zu verlassen. Die Hilfe für die Kindsmutter und M. werde entsprechend der Hilfeplanung als Mutter-Kind-Maßnahme fortgesetzt.
Die sofortige Vollziehung der Entscheidung werde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Mit dem Vollzug könne nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit gewartet werden, da die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII und die damit eng zusammenhängende Zweckbestimmung und konzeptionelle Ausrichtung der Einrichtung auf die Sicherung des Wohls aller in der Einrichtung lebenden Kinder ausgerichtet sei. Das Wohl der Kinder sei ein hoch zu schützendes Gut und können nicht hinter die Interessen einzelner Personen, hier des Antragstellers, zurücktreten.
Der Kindsmutter wurde im Folgenden mit Bescheid vom 29. Mai 2020 ab dem 4. Juni 2020 „Jugendhilfe“ gem. § 19 SGB VIII durch Übernahme der anfallenden Heimkosten in der Einrichtung „H. F.“ gewährt. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die Kindsmutter aufgrund ihrer Suchtproblematik und um eine Überforderung zu vermeiden weiterhin Unterstützung bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes M. benötige.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 (Bl. … der Behördenakte), eingegangen beim Antragsgegner per Fax am selben Tage, zeigte die Bevollmächtigte des Antragstellers nochmals ihre Bestellung an und beantragte, die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 28. Mai 2020 auszusetzen. Sie führte aus, dass die Zeit bis zur Beendigung der Maßnahme unangemessen kurz sei und daher die Aussetzung der Vollziehung sofort anzuordnen sei. Es sei unzutreffend, dass mit der Vollziehung nicht bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides abgewartet werden könne. Die Betriebserlaubnis betreffe das Rechtsverhältnis zwischen Einrichtung und Genehmigungsbehörde und nicht den Bewohner der Einrichtung persönlich. Ein Auszug aus der Einrichtung innerhalb von zwei Tagen sei eine schwere unbillige Härte für die gesamte Familie. Ein überwiegendes öffentliches Interesse sei nicht vorhanden. Im Gegenteil sei der Abbruch einer erfolgreichen Unterstützung der Eltern mit einer großen Gefährdung verbunden, weshalb die Maßnahme fortgesetzt werden solle. Durch die sofortige Beendigung der Maßnahme wäre der Antragsteller an der Betreuung und Versorgung des eigenen Kindes gehindert. Bei der derzeitigen Lage auf dem Wohnungsmarkt könne angemessener Wohnraum in der Nähe der voraussichtlich in der Einrichtung verbleibenden Mutter und des Kindes nicht beschafft werden. Eine weitere Hilfe stehe nicht zur Verfügung; es werde damit die unter besonderem Schutz stehende Familie insgesamt bedroht. Der Antragsteller sei von Obdachlosigkeit bedroht, was gerade angesichts seiner Suchterkrankung eine besondere Gefahr für ihn selbst und sein Kind bedeute.
Mit demselben Schreiben wurde zudem Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Die Eltern hätten sich sehr gut in der Einrichtung eingelebt und eingebracht und alle formulierten Ziele verfolgt. Die Einrichtung sei sowohl dem Jugendamt Regensburg, welches die Hilfe zunächst bewilligt habe, als auch dem Antragsgegner bekannt und es sei ausdrücklich die Maßnahme in dieser Einrichtung bewilligt worden. Die Beendigung der Maßnahme könne nun nicht im Nachhinein mit der zu erteilenden Betriebserlaubnis der Einrichtung begründet werden. Eine Beendigung komme nur aus Gründen, die in der Person des Leistungsempfängers lägen, nach Erreichen des Hilfezweckes oder als notwendige Änderung der Hilfemaßnahme in Betracht, was hier nicht vorliege. Der Leistungsempfänger könne und müsse darauf vertrauen, dass eine Hilfegewährung in einer ordnungsgemäßen Einrichtung erfolge, auf Vorgänge eines Genehmigungsverfahrens zur Betriebserlaubnis habe er weder Einblick noch Einfluss.
Mit E-Mail vom 4. Juni 2020 (Bl. … der Behördenakte) teilte eine Mitarbeiterin des Antragsgegners der Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass die Bearbeitung des Widerspruchs zeitnah erfolgen werde, bezüglich des Antrages auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei der Antragsgegner der falsche Adressat, so dass dieser nicht bearbeitet werden könne.
Mit Telefax vom 4. Juni 2020 beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München,
die im Bescheid des Antragsgegners vom 28. Februar2020 (gemeint: 28. Mai 2020), zugegangen am 2. Juni 2020, angeordnete sofortige Vollziehung bis zur Entscheidung über die Rechtswirksamkeit des Bescheids auszusetzen.
Zur Begründung wiederholte die Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen die im Schreiben an den Antragsgegner vom 3. Juni 2020 vorgebrachten Argumente. Des Weiteren führte sie aus, dass in dem Hilfeplangespräch beim Antragsgegner am 27. Mai 2020 besprochen worden sei, dass die Entwicklung der Eltern und des Kindes positiv verlaufe und dass zur Festigung der erworbenen und erarbeiteten Themen eine weitere Unterstützung der Familie für erforderlich gehalten werde. Nach dem Hilfeplangespräch sei von Seiten des Antragsgegners angesprochen worden, dass die Heimaufsicht einen Auszug des Antragstellers verlangen würde und er habe nachgefragt, was die Leitung der Einrichtung diesbezüglich geplant hätte. Der Antragsgegner habe des Weiteren mitgeteilt, dass am 2. Juni 2020 ein Gespräch mit der Leiterin des allgemeinen Sozialdienstes zur weiteren Abklärung des wirtschaftlichen Teils der Hilfegewährung stattfinden werde, an dem auch der Antragsteller teilnehmen könne. Der streitgegenständliche Bescheid sei dann jedoch unerwartet ohne dieses Gespräch ergangen.
Am 5. Juni 2020 bat das Gericht den Antragsgegner telefonisch, Ziff. 1 des Bescheids vom 28. Mai 2020 bis zu einer Entscheidung des Gerichts über den gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorläufig nicht zu vollziehen und dem Antragsteller zu ermöglichen, einstweilen in der Einrichtung „H. F.“ in B. A. zu verbleiben. Dies lehnte der Antragsgegner ab und verwies darauf, dass der Antragsteller schon seit längerem von dem bevorstehenden Auszug wisse.
Das Gericht ordnete daraufhin mit Schiebebeschluss vom 5. Juni 2020 zur Sicherung der Rechte des Antragstellers und in Hinblick auf das aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Bedürfnis des Antragstellers auf vorläufigen und effektiven Rechtsschutz an, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 3. Juni 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Mai 2020 bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
In der Antragserwiderung vom 10. Juni 2020 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner habe bereits bei Übernahme des Jugendhilfefalls ab dem 1. Oktober 2019 Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hilfegewährung gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII bei gemeinsamer Unterbringung von Vater, Mutter und Kind geäußert. Die Bitte um Vorlage der gültigen Betriebserlaubnis sei negativ beantwortet worden.
Der Träger der Einrichtung „H. F.“ habe am 24. Oktober 2019 die Erteilung einer Betriebserlaubnis für die Unterbringung von Müttern mit Kindern gemäß § 19 SGB VIII bei der Regierung von Oberbayern beantragt. Im Zuge des laufenden Betriebserlaubnisverfahrens habe die Heimaufsicht mehrere Begehungen in der Einrichtung durchgeführt. Es sei von dieser immer wieder kommuniziert worden, dass dem Träger keine Erlaubnis für die Betreuung von Müttern und Vätern mit Kind erteilt werden könne und der Antragsteller ausziehen müsse.
Die Leitung des Allgemeinen Sozialdienst beim Antragsgegner habe den Antragsteller, die Kindsmutter und die Einrichtungsleitung am 25. März 2020 darüber informiert, dass der Antragsteller die Einrichtung verlassen müsse. Da der Träger der Einrichtung seit Monaten keinerlei Aktivitäten unternommen habe, um den Antragsteller beim Auszug aus der Einrichtung „H. F.“ zu unterstützen, habe beim Hilfeplangespräch am 27. Mai 2020 von der Einrichtungsleitung keine Lösung für den Antragsteller vorgetragen werden können. Der Träger der Einrichtung und der Antragsteller hätten damit seit Anfang 2020 ausreichend Zeit gehabt, sich um eine Anschlussunterkunft zu kümmern.
Der Antragsgegner habe im Hilfeplangespräch herausgearbeitet, dass die Kindsmutter Unterstützung bei der Erziehung ihres Kindes benötige. Dieser Bedarf werde durch eine Mutter-Kind-Maßnahme nach § 19 SGB VIII ab dem 4. Juni 2020 gedeckt. Mit dieser neuen Hilfe werde nicht ausgeschlossen, dass sich auch der Antragsteller um die Betreuung und Erziehung seiner Tochter kümmern könne; er sei lediglich an dem Hilfeprozess nicht mehr unmittelbar beteiligt. Der Antragsgegner sei nicht verpflichtet, Hilfen für den 35-jährigen Antragsteller nach Beendigung der Hilfe zu erbringen.
Auch habe die Leitung der Einrichtung in dieser Angelegenheit nicht die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt des Antragsgegners gesucht. Es sei im Gegenteil der Eindruck entstanden, dass diese den Auszug des Antragstellers verhindern wolle.
Das Jugendamt sei verpflichtet, die Gewährung von Hilfen rechtmäßig zu erbringen und müsse sich an die Vorgaben der Heimaufsicht halten. Dies umfasse auch die Unterbringung in einer Einrichtung, die über eine gültige Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII verfüge.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage bzw. eines Widerspruchs, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten – wie im vorliegenden Fall – besonders anordnet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage bzw. des Widerspruchs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen sowie im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Bei offenen Erfolgsaussichten verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Im Fall einer behördlichen Vollziehungsanordnung hat das Gericht zudem deren formelle Rechtmäßigkeit zu prüfen; dies folgt aus der besonderen Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, welche der Behörde die Ausnahmesituation des Sofortvollzugs vergegenwärtigen soll (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 VwGO Rn. 54 ff. m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig, jedoch überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, da der Bescheid des Antragsgegners vom 28. Mai 2020 voraussichtlich rechtswidrig und der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die vorliegende Begründung des Sofortvollzugs genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Notwendig ist eine – ggf. auch knapp gehaltene – auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Unzureichend ist der Gebrauch lediglich formelhafter Wendungen oder die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37. EL 2019, § 80 Rn. 247 m.w.N.). Ob die Begründung inhaltlich richtig ist, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs, sondern – im Folgenden – bei der summarischen Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu überprüfen.
Das Gericht hat nach der im Verfahren der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erhebliche Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids
Der Antragsgegner hat mit dem Bescheid die erstmals mit Bescheid der … … vom … … 2019 gewährte und sodann vom Antragsgegner mit Bescheid vom 27. September 2019 fortgesetzte Hilfe zur Erziehung gem. § 27 Abs. 1 SGB VIII aufgehoben.
Bei den Bewilligungsbescheiden handelt es sich um Dauerverwaltungsakte.
Hilfe zur Erziehung wird regelmäßig für bestimmte Zeitabschnitte bewilligt und ist, sofern die Regelung sich nicht ausnahmsweise in einer einmaligen Regelung eines Rechtsverhältnisses erschöpft, als längerfristige Gestaltung der Rechtslage aufzufassen (vgl. Tammen /Trenczek in Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 27 Rn. 43; Nellissen in jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 27 Rn. 103; DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2018, 143, 145). Vorliegend wurde dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin – entsprechend dem festgestellten längerfristigen Erziehungsbedarf – mit Bescheid der … … vom 12. Februar 2020 Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII gewährt, „solange die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.“ Auch im Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 27. September 2019 wurde die Hilfe ohne Angabe eines Endzeitpunktes gewährt.
Soll – wie hier – die mit einer solchen Dauerbewilligung gewährte Hilfe eingestellt werden, ist dementsprechend zunächst der Bewilligungsbescheid aufzuheben. Rechtsgrundlage dafür ist – worauf sich der Antragsgegner auch beruft – § 48 SGB X (vgl. z.B. OVG NW, B.v. 12. Juni 2017 – 12 E 1120/16 – juris Rn. 7).
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Der Antragsgegner hat vorliegend die Aufhebung seines Bewilligungsbescheids ausschließlich damit begründet, dass die gemeinsame Unterbringung des Antragstellers mit der Kindsmutter und der gemeinsamen Tochter in der Einrichtung „H. F.“ nicht mehr den Anforderungen der noch zu erteilenden Betriebserlaubnis für die Einrichtung entsprechen würde.
Zwar mag die Erteilung einer Betriebserlaubnis (ausschließlich) nach § 19 SGB VIII für die Einrichtung „H. F.“ eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellen, die die die nach § 27 Abs. 1 SGB VIII bewilligte Hilfegewährung an den Antragsteller und die Kindsmutter in der Einrichtung „H. F.“ nicht (mehr) zulässt. Dazu ist jedoch anzumerken, dass das Verfahren nach § 45 SGB VIII zum einen noch nicht abgeschlossen ist und die Auflagen in dem mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 20. Februar 2020, unter denen der Betrieb der Einrichtung „H. F.“ vorläufig (weiter) geduldet wird, zu der Unterbringung des Antragstellers keine Aussage treffen. Zum anderen bleibt es dem noch laufenden Verfahren zur Erteilung der Betriebserlaubnis vorbehalten, abschließend zu klären, ob zusätzliche, ergänzende Betreuungsformen im Einzelfall – wie etwa die Hilfe für den Antragsteller und seine Familie – dort (ggf. auch zur Erprobung) angeboten werden könnten.
Allerdings führt weder die aktuelle vorläufige Duldung noch eine ggf. zukünftig auf § 19 SGB VIII beschränkte Betriebserlaubnis dazu, dass der Hilfebedarf des Antragstellers entfallen wäre. Vielmehr ist es Aufgabe des Antragsgegners, entsprechend dem Hilfebedarf eine geeignete Hilfeform zu suchen, anzubieten und ggf. zu bewilligen. Eine ersatzlose Aufhebung der Hilfegewährung für den Antragsteller und die ausschließliche Bewilligung einer Hilfeleistung an seine Lebensgefährtin nach § 19 SGB VIII erweist sich nach vorläufiger Einschätzung als rechtswidrig.
Der Antragsgegner als zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist von Amts wegen verpflichtet, tätig zu werden, sobald ein möglicher Hilfebedarf an ihn herangetragen wird. Dies ist vorliegend mit dem Übernahmeersuchen des Jugendamtes der … … geschehen. Im Hilfeplan vom 12. Februar 2019 wurde ein Erziehungsdefizit der Eltern aufgrund deren Drogenvergangenheit und der aktuell stattfindenden Substitution festgestellt. Der Antragsteller und seine Lebensgefährtin benötigten ein engmaschiges Hilfenetzwerk in geschütztem Rahmen und eine intensive Begleitung in allen Lebensbereichen, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten und eine Überforderung der Eltern zu vermeiden. Auch wurde im Übernahmeersuchen vom 28. März 2019 die Notwendigkeit der gemeinsamen Unterbringung der Eltern geschildert, um eine gemeinsame Zukunftsperspektive zu entwickeln. Ebenso ergeben sich aus dem Protokoll des Hilfeplangesprächs am 27. Mai 2020 keine Anhaltspunkte dafür, dass die bisher gewährte Hilfe nicht mehr erforderlich oder ungeeignet sei. Vielmehr wird ausgeführt, dass die Familie im Berichtszeitraum gute Fortschritte erzielt habe. Es sei eine vertrauensvolle Beziehung zu den Betreuern in der Einrichtung „H. F.“ aufgebaut sowie die Bindung zwischen dem Kind und seinen Eltern gestärkt worden.
Dieser bisher – sowohl für die Kindsmutter als auch für den Antragsteller gleichermaßen – festgestellt Hilfebedarf wäre daher maßgeblich bei der Aufhebung der Jugendhilfemaßnahme und ggf. Überleitung in eine andere Maßnahme zu berücksichtigen gewesen.
Vorliegend ist jedoch in keiner Weise ersichtlich, dass sich der Antragsgegner überhaupt mit dem aktuellen Hilfebedarf des Antragstellers beschäftigt hätte. Dass ein Hilfebedarf beim Antragsteller nicht mehr vorläge, hält das Gericht angesichts dessen weiterhin erfolgender Substituierung und ungefestigter Lebenssituation nach vorläufiger Einschätzung auch zumindest für unwahrscheinlich. Der Hilfeplan vom 27. Mai 2020 verweist hinsichtlich des erzieherischen Bedarfs lediglich auf den „Hilfeplan 1“, womit wohl das noch bei dem Jugendamt Regensburg geführte Hilfeplangespräch vom 12. Februar 2019, in welchem die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB VIII für beide Elternteile festgestellt wurden, gemeint ist, und erschöpft sich in der Formulierung von Zielen allein bezogen auf die Kindsmutter. Zwar fällt die Beschreibung des Verhaltens und der Situation des Antragstellers insgesamt positiv aus, jedoch finden sich an keiner Stelle Ausführungen dahingehend, dass ein weitergehender Hilfebedarf beim Antragsteller daher nicht mehr vorliegen würde. Sollte sich diese Einschätzung geändert haben, wäre der Antragsgegner gehalten gewesen, hinsichtlich des Hilfebedarfs des Antragstellers eine fundierte sozialpädagogische Stellungnahme abzugeben. Solange eine solche fehlt, ist davon auszugehen, dass der Hilfebedarf des Antragstellers unverändert besteht.
Der Antragsgegner wird daher an dem aktuellen Hilfebedarf orientiert die weitere Hilfeleistung zu entwickeln haben.
Der Antragsgegner hat hierbei insbesondere das Wohl des Kindes M. in Form der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung ihrer Bindung an beide sorgeberechtigten Elternteile sowie den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie (vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3 GG) zu berücksichtigen. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen von § 19 SGB VIII – der nunmehr vom Antragsgegner als Anspruchsgrundlage für die ausschließliche Leistung an die Lebensgefährtin des Antragstellers herangezogen wird, nicht gegeben sein dürften. Denn weder ist die Lebensgefährtin alleine sorgeberechtigt, noch sorgt sie alleine für das Kind (Kunkel, SGB VIII, 7. Auflage, § 19 Rn. 1; Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 19 Rn. 5). Der Antragsgegner kann diese Tatbestandsvoraussetzungen nicht entgegen den aktuellen Gegebenheiten, dem Willen der Beteiligten und insbesondere dem Kindswohl zwangsweise herbeiführen. Vielmehr wurde bei der erstmaligen Hilfegewährung durch das Jugendamt der … … explizit ausgeführt, dass eine gemeinsame Unterbringung der Familie notwendig sei.
Sofern die sozialpädagogische Stellungnahme unverändert bleibt, dürfte der Antragsgegner daher (weiterhin) ein individuelles Hilfsangebot zu entwickeln haben, von dessen Zulässigkeit und Erforderlichkeit bereits die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 14. August 2019 zu Recht ausgeht (vgl. auch Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 19 Rn. 5 a.E.). Insoweit irritiert am Vorgehen des Antragsgegners auch, dass die Hilfe in Form der Unterbringung in der Einrichtung „H. F.“ zunächst trotz der bereits von Beginn an bestehenden Bedenken des Antragsgegners sowohl an der Hilfeform als auch der speziellen Geeignetheit der Einrichtung „H. F.“ gewährt wurde, eben diese Bedenken nunmehr aber zu einer Verweigerung dieser Hilfe führen sollen. Ebenso wird der Antragsgegner für die Zukunft auch zu berücksichtigen haben, dass für den Erfolg der Hilfeleistung vorliegend eine Kontinuität der Maßnahme mit der Möglichkeit sowohl für den Antragsteller als auch für die Kindsmutter und das Kind stabile Beziehungen zu den Betreuern aufzubauen, wesentlich sein dürfte.
Im Übrigen ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Überlegungen der Antragsgegner die Einrichtung in der Pflicht sieht, eine anderweitige Unterbringung des Antragstellers herbeizuführen. Zwar mag es sinnvoll und angeraten sein, gemeinsam mit der den Antragsteller bisher betreuenden Einrichtung alternative Hilfeformen zu entwickeln; dies ändert jedoch nichts an der ausschließlichen fachlichen Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Antragsgegners für die Hilfegewährung.
Die durch den Antragsgegner gewährte Hilfe zur Erziehung wäre daher angesichts des nach wie vor anzunehmenden Hilfebedarfs des Antragstellers nicht einzustellen, sondern ggf. in eine andere geeignete Maßnahme umzuwandeln gewesen. Bis eine solche geänderte Maßnahme nicht vom Antragsgegner unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Antragstellers und der Kindsmutter zumindest vorgeschlagen wurde, erscheint eine Beendigung der Hilfemaßnahme, wie hier geschehen durch Bescheid vom 28. Mai 2020, als rechtswidrig.
Darüber hinaus verkennt der Antragsgegner im Rahmen seiner Begründung des Sofortvollzugs, dass im vorliegenden Fall nicht die Erbringung von wie auch immer gearteten „Lebenshilfen“ für den Antragsteller in Streit steht, sondern die Gewährung einer Jugendhilfemaßnahme, die in erster Linie der Tochter des Antragstellers zugutekommen soll. § 27 SGB VIII dient dazu, mangelnde elterlicher Erziehungsleistungen im Interesse des Kindes oder des Jugendlichen auszugleichen und dessen Entwicklung zu fördern (vgl. Schmid-Obkirchner, in Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, Rn. 17 ff.). Im Übrigen vermag das Gericht auch die vom Antragsgegner vorgenommen Beurteilung der Kindswohlgefährdung (gemeint wohl der anderen in der Einrichtung befindlichen Kinder) nicht nachzuvollziehen. Selbst nach der aktuell wohl geplanten Betriebserlaubnis werden sich weiterhin sowohl (alleinerziehende) Väter als auch Mütter in der Einrichtung aufhalten.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs war daher wiederherzustellen; sie endet entsprechend der Regelung nach § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 HS. 1 VwGO nicht erhoben.


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