Familienrecht

Begleiteter Umgang der Kindesmutter mit ihren beiden Kindern auch während der Coronapandemie

Aktenzeichen  003 F 314/20

Datum:
11.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46728
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Weißenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1679a, § 1684 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Der Antragsgegner ist nicht befugt, den Umgang davon abhängig zu machen, dass die Antragstellerin vor jedem Kontakt einen negativen Coronatest vorlegt. Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus führen nicht dazu, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden bzw. beschränkt werden können. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat stets drauf hingewiesen, dass sich die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, nicht auf die Kernfamilie beziehe, auch wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten leben. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Umgang der Antragstellerin mit ihren Kindern … geboren am … und … geboren am … wird wie folgt geregelt:
Der Umgang findet künftig einmal monatlich, jeweils am 1. Freitag eines Monats, erstmals am 05.02.2021, als begleiteter Umgang jeweils von 14:30 Uhr bis 17:30 Uhr statt.
Umgangsbegleiterin ist Frau … von …. Der Antragsgegner hat die Kinder zu Beginn des jeweiligen Umgangstermins dieser am von ihr bestimmten Ort zu übergeben.
2. Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Kindseltern je zur Hälfte. Auslagen werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind die Eltern der Kinder …, geboren am … und … geboren am … Ihre Ehe ist seit 26.08.2012 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge steht dem Kindsvater, bei dem die Kinder leben, alleine zu.
… besucht derzeit die Berufsvorbereitungsjahrklasse der Berufsschule, … die 8. Klasse der Mittelschule.
Der Kindsvater ist Arzt und berufstätig.
Die Kindsmutter leidet seit mehreren Jahren an einer psychischen Erkrankung und steht unter Betreuung. Sie lebt in ….
Die Eltern streiten seit längerem um den Umgang der Antragstellerin mit ihren Kindern.
Am 26.09.2019 haben sie sich vor dem Amtsgericht Weißenburg in Bayern – 3 F 209/19 – auf einen begleiteten Umgang für ein Jahr jeweils einmal im Monat freitags für 3 Stunden geeinigt.
Der Antragsgegner verweigert sich derzeit einem Umgang der Antragstellerin mit der Begründung, der Umgang stelle für die Kinder eine Gefahr dar, von der Antragstellerin mit dem Corona Virus infiziert zu werden.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass keine Infektionsgefahr bestehe.
Sie beantragt,
für 2 Jahre einen begleiteten Umgang einmal monatlich freitags für 3 Stunden anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass ein Umgang voraussetzt, dass die Kindesmutter vor jedem Umgangskontakt einen aktuellen negativen Coronatest vorliegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze ihrer Verfahrensbevollmächtigten Bezug genommen:
Das Gericht hat die Kindseltern persönlich angehört.
Das Kreisjugendamt … hat am 14.10.2020 eine schriftliche Stellungnahme (Blatt 17a/17b) abgegeben, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Das Gericht hat die Kinder … und … am 01.12.2020 persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf den Anhörungsvermerk vom selben Tage (Bl. 34) gleichfalls Bezug genommen.
II.
Da die Kindseltern sich nicht über den Umgang der Antragstellerin mit den gemeinsamen Kindern einigen können, war dieser gemäß § 1684 Abs. 3 BGB durch das Familiengericht zu regeln. Maßstab für die Entscheidung ist das Kindeswohl (§ 1697 a BGB).
Dem Kindeswohl entspricht ein Umgang wie aus dem Tenor ersichtlich.
Der Umgang in dieser Form wurde auch bereits in der Vergangenheit so gehandhabt. Er entspricht der Vereinbarung der beteiligten Kindseltern vom 26.09.2019. Ein Grund, davon abzuweichen, besteht nicht.
Der Antragsgegner ist nicht befugt, den Umgang davon abhängig zu machen, dass die Antragstellerin vor jedem Kontakt einen negativen Coronatest vorlegt. Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona Virus führen nicht dazu, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden bzw. beschränkt werden können. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat stets drauf hingewiesen, dass sich die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, nicht auf die Kernfamilie beziehe, auch wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten leben.
Der Kindesmutter ist es deshalb nicht zuzumuten, vor jedem Umgangskontakt einen negativen Coronatest vorzulegen. Dies wird auch vom Kindsvater oder der Umgangsbegleiterin nicht gefordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin, weil sie in … lebt, in besonderem Maße der Infektion mit dem Corona Virus ausgesetzt ist, sind nicht ersichtlich. Anlässlich ihrer Anhörung am 26.11.2020 hat sie darüber hinaus ihren Pass vorgelegt, aus dem sich keinerlei Reisen in das Ausland ergeben.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Antragstellerin der Lage sein sollte, jeweils pünktlich zum Umgangsbeginn ein aktuelles negatives Testergebnis präsentieren zu können. Das Testergebnis würde zudem nur eine Momentaufnahme darstellen.
Die derzeitige Pandemie stellt somit keinen Grund dar, dass verfassungsmäßig gewährleistete Recht der Antragstellerin auf Umgang mit ihren Kindern, einzuschränken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Der Verfahrenswert ergibt sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.


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