Familienrecht

Beschwerde, Kindeswohl, Jugendamt, Umgangsrecht, Betreuung, Wechselmodell, Verfahren, Vergleich, Eltern, Kindererziehung, Umgangsregelung, Antragsteller, Umgang, Anordnung, gerichtliche Entscheidung, einvernehmliche Regelung, erneute Auseinandersetzung

Aktenzeichen  16 UF 990/20

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11548
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

565 F 4193/20 2020-07-16 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 16.07.2020 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind die Eltern des Kindes C. K., geb. … 2013.
Zwischen den Beteiligten waren mehrere Streitigkeiten wegen des Umgangs des Antragstellers mit C. gerichtlich anhängig. Zuletzt wurde dieser im Verfahren 561 F 10490/16 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens am 08.12.2017 einvernehmlich geregelt.
Am 16.11.2018 beantragte der Antragsteller im Verfahren 561 F 10422/18 die Ausweitung des Umgangs zu einem Wechselmodell. Dieser Antrag wurde vom Amtsgericht München am 28.06.2019 zurückgewiesen, die hiergegen beim Oberlandesgericht München eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg (12 UF 949/19). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts datiert vom 21.11.2019.
Mit Anträgen vom 05.05. und 18.05.2020 beantragte der Antragsteller erneut die Ausweitung des Regel- und Ferienumgangs und damit eine Abänderung der bestehenden, zwischen den Beteiligten einvernehmlich getroffenen und gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung.
Das Amtsgericht München hat nach Anhörung des Kindes sowie des Verfahrensbeistandes und Jugendamtes den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Gegen diese, dem Antragsteller am 21.07.2020 zugestellte Entscheidung, wendet er sich mit seiner am 20.08.2020 beim Amtsgericht München eingegangenen Beschwerde, mit der er mit seinem Sohn C. Umgang im 14tägigen Turnus von Donnerstag nach Schulschluss bis Montag früh bis Schulbeginn begehrt, hilfsweise von Freitag nach Schulschluss bis Montag Schulbeginn in 14tägigem Turnus.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass es bereits nach der Trennung der Eltern im Jahr 2015 sein Wunsch gewesen sei, C. in einem sogenannten paritätischen Wechselmodell zu betreuen.
Der Wille von C. könne nicht herangezogen werden, da ein freier Wille von der Antragsgegnerin gar nicht zugelassen würde.
Das Jugendamt habe Änderungen der bestehenden Vereinbarung empfohlen. Die Verfahrensbeiständin sei ihrem obliegenden Auftrag nicht vollumfänglich nachgekommen.
Auch gäbe es entgegen des Vortrags der Antragsgegnerin sehr wohl eine Kommunikation und Kooperation zwischen den Beteiligten. Lediglich hinsichtlich des Umfangs des Umgangs des Antragstellers mit C. könnten sich die Eltern nicht einvernehmlich positionieren.
Das Amtsgericht habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Anordnung eines erweiterten Umgangs unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls vorliegend geboten sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Eine Abänderung der bisherigen Regelung aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig beeinträchtigenden Gründen liege nicht vor.
Offensichtlich übersehe der Antragsteller den stringent geäußerten Wunsch von C., es solle alles so bleiben wie bisher. Der Wille von C. sei klar, eindeutig und autonom. Ein Sachverständigengutachten sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Eine Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern gebe es nicht. Die Beziehung sei belastet und sie könnten sich nicht über die Belange von C. austauschen.
Die Erziehungseignung des Antragstellers werde massiv in Zweifel gezogen durch die vielen Verfahren, in die er auch den gemeinsamen Sohn C. hineingezogen habe.
Telefonkontakte zwischen Mutter und Sohn würden vom Antragsteller während dessen Umgangszeiten nicht proaktiv unterstützt. Der Antragsteller wolle nicht, dass Mutter und Sohn während seines Umgangs telefonierten.
Das Jugendamt hat sich mit Schreiben vom 23.09.2020 (Blatt 81 der Akten) und mit Schreiben vom 16.12.2020 (Blatt 129 der Akten) dahingehend positioniert, dass die getroffene einvernehmliche Regelung der Beteiligten beibehalten werden solle. Das Begehren des Antragstellers beinhalte eine Umgangserweiterung, die einem Wechselmodell angenähert sei. Dies würde aus pädagogischer Sicht abgelehnt.
Der Verfahrensbeistand hat mit Schriftsatz vom 02.10.2020 darauf hingewiesen, dass die von den Beteiligten getroffene Umgangsregelung nach einem vorangegangenen Sachverständigengutachten am 08.12.2017 einvernehmlich getroffen worden sei. Lediglich der Umstand, dass C. nunmehr statt dem Kindergarten die Schule besuche, sei kein triftiger Grund, um die getroffene Umgangsregelung abzuändern. Die getroffene Umgangsregelung sei altersangemessen und beizubehalten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 06.11.2020 (Blatt 101 – 106 der Akten) auf die Rechtslage hingewiesen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 20.11.2020 ein Vergleichsangebot unterbreitet, das in diesem Umfang vom Antragsteller nicht angenommen worden ist. Vielmehr hat er mit seinem Schriftsatz vom 04.12.2020 erneut ein faktisches Wechselmodell vorgeschlagen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache unbegründet.
Nach § 1696 Abs. 1 BGB kann eine gerichtliche Entscheidung zum Sorge- und zum Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich nur abgeändert werden, wenn dies aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig betreffenden Gründen erforderlich ist.
Das vom Antragsteller mit seiner Beschwerde erstrebte und mit Schriftsatz vom 04.12.2020 konkretisierte Wechselmodell entspricht dem Kindeswohl von C. nicht, da die Voraussetzungen für ein Wechselmodell hier nicht vorliegen.
Zwischen Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf. Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen.
Denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten Koalitionsdruck in Loyalitätskonflikte.
Die Senkung des elterlichen Konfliktniveaus ist ein Anliegen der mit der Trennungs- und Scheidungsproblematik befassten Professionen, und das Familiengericht ist dementsprechend schon von Gesetzes wegen angehalten, auf eine einvernehmliche Konfliktlösung hinzuwirken, § 156 Abs. 1 FamFG. Aus diesem Grunde erscheint die im Dezember 2017 getroffene Regelung, die von beiden Elternteilen einvernehmlich getroffen wurde, kindeswohlgerecht.
Im vorliegenden Fall scheidet die vom Antragsteller erstrebte Anordnung eines Wechselmodells aus.
Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit des Antragstellers bestehen, weil er C. seit Jahren in den Elternkonflikt hineinzieht und ihn immer wieder den Anhörungen vor Gericht, beim Jugendamt oder Verfahrensbeistand aussetzt, die ihn in einen Loyalitätskonflikt bringen und offensichtlich belasten. Bedenklich hinsichtlich der Bindungstoleranz des Antragstellers erscheint auch, dass er C. während der Umgangszeiten nicht mit seiner Mutter telefonieren lässt. Auch die erneute Auseinandersetzung im Rahmen der Weihnachtstage, dokumentiert durch die Anlagen A 1 und A 2 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 24.11.2020, spricht für eine eingeschränkte Erziehungseignung.
Es ist nunmehr an der Zeit, dass der Antragsteller nicht nur den Willen von C. respektiert, sondern auch getroffene gerichtliche Entscheidungen und sich dementsprechend verhält. Das Nichteinhalten von Vereinbarungen zeigt ein erzieherisches Defizit des Antragstellers auf und lässt darauf schließen, dass er nicht in der Lage ist, dem Kind Regeln und Grenzen zu vermitteln. Auch wirkt sich nachteilig auf C. aus, dass er im Rahmen der vom Antragsteller initiierten Verfahren bewusst oder unbewusst unter Koalitionsdruck gesetzt und dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht wird (BGH FamRZ 2017, 532, Rn. 31).
Jedenfalls kam unter diesen Umständen die Anordnung eines Wechselmodells nicht in Betracht.
In diesem Zusammenhang erstaunt, dass der Antragsteller trotz der klaren Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 21.11.2019 bereits im Mai 2020 erneut ein gerichtliches Verfahren eingeleitet hat.
Eine erneute Anhörung des Kindes C., das sich in allen Verfahren durchgehend dahingehend positioniert hat, dass es bei der bisherigen Umgangsregelung bleiben solle, war nicht veranlasst, da diese zeitnah vom Familiengericht München am 15.07.2020 durchgeführt worden ist und von einer erneuten Einvernahme keine neuen Erkenntnisse zu warten waren. Vielmehr ist dem Kind zu wünschen, dass es endlich Ruhe finden darf und von weiteren gerichtlichen Vorladungen verschont bleibt.
Die Fachkräfte haben sich einvernehmlich dahingehend positioniert, dass die getroffene Umgangsvereinbarung der Beteiligten dem Kindeswohl am besten entspricht.
Die Voraussetzungen einer Abänderung gemäß § 1696 Abs. 1 BGB sind weder vom Antragsteller substantiiert vorgetragen noch ansonsten ersichtlich.
Ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Kindeswillens im vorliegenden Fall war nicht erforderlich, worauf der Senat bereits am 06.11.2020 hingewiesen hat.
Bei einem derart klar und kontinuierlich geäußerte Willen eines Kindes ist die Einschaltung eines Sachverständigen obsolet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 FamFG.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.


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