Familienrecht

Die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung wegen des Vorliegens einer psychischen Erkrankung

Aktenzeichen  11 T 28/19

Datum:
4.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23553
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 38 Abs. 3, § 63 Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a

 

Leitsatz

1. Die Zustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass der Zustellungsempfänger in der Gemeinschaftseinrichtung wohnt, d.h. dort lebt und schläft. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Voraussetzungen zur Anordnung einer gesetzlichen Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise sind erfüllt, wenn der Betroffene auf Grund einer psychischen Krankheit unfähig ist, die bezeichneten Angelegenheiten eigenverantwortlich zu besorgen. (Rn. 4 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 XVII 512/18 2018-11-26 Bes AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26.11.2018 wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen.

Gründe

Gründe: i.
Mit Schreiben vom 20.06.2018 regte das Landratsamt Schweinfurt – Betreuungsstelle – an, zu prüfen, ob bei dem Betroffenen die Voraussetzungen zur Errichtung einer Betreuung bestehen. Das Amtsgericht Schweinfurt holte ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen l_| vom 13.08.2018 ein. Mit Beschluss vom 23.11.2018 hat das Amtsgericht Schweinfurt vorläufige Betreuung, befristet bis zum 22.05.2019, angeordnet. Mit Beschluss vom 26.11.2018 hat das Amtsgericht Schweinfurt den Beschluss vom 23.11.2018 aufgehoben und Betreuung für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Abschluss von Verträgen jeglicher Art, Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung und unterbringungsähnliche Maßnahmen sowie Vermögenssorge (mit Einwilligungsvorbehalt) angeordnet und Frau Reuter als Berufsbetreuerin bestellt. Am 21.01.2019 hat der Betroffene telefonisch gegenüber dem Amtsgericht Schweinfurt angegeben, er sei mit der Einrichtung der Betreuung nicht einverstanden. Das Amtsgericht Schweinfurt hat den Betroffenen am 06.02.2019 angehört und mit Beschluss vom 06.02.2019 der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat einen Verfahrenspfleger bestellt, dieser hat eine Stellungnahme vom 21.02.2019 abgegeben.
II.
1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26.11.2018 ist zulässig. Die Beschwerde ist insbesondere nicht verfristet, § 63 Abs. 1 FamFG. Die Postzustellungsurkunde über die Zustellung des Beschlusses vom 26.11.2018 ist zwar auf den 30.11.2018 datiert. Ausweislich der Postzustellungsurkunde erfolgte die Übergabe aber nicht an den Betroffenen persönlich, sondern an eine zum Empfang ermächtigte Vertreterin des Leiters des Leopoldina-Krankenhauses Schweinfurt als Gemeinschaftseinrichtung im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Eine Zustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt aber voraus, das der Zustellungsempfänger in dieser Gemeinschaftseinrichtung wohnt, d.h. dort lebt und schläft (Zöller-Schultzky, ZPO, 32. Auflage, § 178 Rn. 20). Aus der Akte ergeben sich aber keine Anhaltspunkte über die nähere Ausgestaltung des Aufenthaltes des Betroffenen im Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt. Vielmehr hat sich der Betroffene wohl noch am 22.11.2018 in der Herz- und Gefäßklinik Bad Neustadt an der Saale aufgehalten, wo er richterlich angehört wurde. Wann er in das Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt gelangte und wie lange er sich dort aufhielt geht jedoch aus der Akte nicht hervor.
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Amtsgericht Schweinfurt hat zu Recht in dem angegriffenen Beschluss Betreuung für den Betroffenen angeordnet, da er auf Grund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen und einen freien Willen nicht bilden kann, § 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 a BGB.
Der Sachverständige L| hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 13.08.2018 festgestellt, beim Betroffenen sei eine psychische Krankheit im Form einer Schizophrenia Simplex mit Residualsymptomatik festzustellen. Er zeige Züge einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit gleichzeitigen deutlichem Verlust des Realitätsbezuges bei massiven Einbußen an psychosozialen Fähigkeiten. Aus fachärztlicher Sicht lägen die medizinischen Voraussetzungen zur Anordnung einer Betreuung mit den Aufgaben kreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise vor, da der Betroffenen auf Grund einer psychischen Krankheit unfähig sei, die bezeichneten Angelegenheiten eigenverantwortlich zu besorgen. Maßnahmen, welche die Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Krankheit und das daraus folgende Unvermögen zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten würden voraussichtlich lebenslang fortbestehen. Der Betroffene sei nur noch sehr beschränkt zur freien Willensbildung im Sinne eines natürlichen Willen fähig. Er sei nicht in der Lage, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände zu erfassen, gegeneinander abzuwägen und gemäß eines auf Grund dieser Abwägung gebildeten Willen zu handeln. Aus psychiatrischer Sicht könne von einer freien Willensbestimmung nicht gesprochen werden.
Das Gericht hat das Gutachten einer kritischen Würdigung unterzogen. Die Ausführungen sind aber überzeugend und nachvollziehbar. Der Sachverständige leitet seine Feststellungen und Schlussfolgerungen schlüssig und sorgfältig aus den im zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen her, insbesondere der Untersuchung des Betroffenen.
Die bei der Anhörung am 06.02.2019 durch das Amtsgericht Schweinfurt getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Betroffenen decken sich im Ergebnis mit den ärztlichen Feststellungen.
Auf eine nochmalige Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht wurde gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG verzichtet, da die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts vom Betroffenen nicht ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2011, XII ZB 346/10).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.


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