Familienrecht

Einkommensteuer 2015, 2016 und 2017

Aktenzeichen  3 K 504/19

Datum:
8.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46992
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 32
BGB § 1606 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (in der in den Streitjahren gültigen Fassung) wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.256 € (2015), 2.304 € (2016) bzw. 2.358 € (2017) sowie ein Freibetrag von 1.320 € für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel, § 32 Abs. 6 Satz 5. a) Abweichend von Abs. 6 Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen (d.h. dauernd getrenntlebende oder geschiedene Eltern oder wie hier Eltern eines nichtehelich geborenen Kindes), auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG.
Der andere Elternteil muss dem Antrag nicht zustimmen, er ist jedoch im Verwaltungsverfahren gemäß § 91 AO anzuhören (vgl. Seiler, in Kirchhof EStG Kommentar, 17. Aufl., § 32 Rz. 28 m.w.N.). Ein Verstoß gegen § 91 AO macht den betreffenden Verwaltungsakt rechtswidrig, allerdings kann die Anhörung bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines Finanzgerichtsverfahrens nachgeholt werden (Seiler, in Tipke/Kruse AO/FGO Kommentar, 153. Lfg., § 91 Rz. 22, 23 m.w.N.).
Die Übertragung knüpft an die zivilrechtliche Unterhaltssituation an und setzt voraus, dass der Antragsteller seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt, der andere Elternteil jedoch tatsächlich keinen Unterhalt leistet. Sei es, dass er seine Verpflichtung nicht erfüllt, sei es, dass er hierzu mangels Leistungsfähigkeit schon nicht verpflichtet ist. Eine Übertragung ist hingegen ausgeschlossen, wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nachkommt, selbst wenn sein Beitrag zum Unterhaltsbedarf verhältnismäßig geringfügig ist. Leistet ein Elternteil Naturalunterhalt durch Übernahme der Pflege und Erziehung des Kindes („Betreuungsunterhalt“), so kommt er seiner Unterhaltsverpflichtung in vollem Umfang nach (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).
b) Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG. Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut, § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG.
Auch hier ist der andere Elternteil vorher anzuhören (Seiler, in Kirchhof EStG Kommentar, 17. Aufl., § 32 Rz. 29). Die Übertragung ist ausgeschlossen, wenn das Kind bei beiden Elternteilen oder keinem von ihnen gemeldet ist (Seiler, a.a.O. Rz. 29).
c) Kinder sind im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder, § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt, § 32 Abs. 3 EStG. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es die Voraussetzungen nach Nr. 1, 2 oder 3 erfüllt, insbesondere, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG. Dazu zählt auch der Besuch einer weiterführenden Schule.
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat das Finanzamt zu Recht die Übertragung der dem Vater für B zustehenden Freibeträge abgelehnt. Auch hat es zu Recht die Übertragung der dem Vater für A zustehenden Freibeträge für die Monate Januar und Februar 2016 abgelehnt.
a.) Beide Kinder waren im gesamten Veranlagungszeitraum 2015 minderjährig und daher gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 EStG zu berücksichtigen. Gemäß Abs. 6 Satz 1 stand grds. jedem der beiden Elternteile für jedes der Kinder ein Kinderfreibetrag und ein Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (im Folgenden „Betreuungsfreibetrag“) zu.
aa) Die Voraussetzungen für die Übertragung der Kinderfreibeträge des Vaters auf die Mutter nach § 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG liegen jedoch nicht vor. Zwar hat die Klägerin die Übertragung der Freibeträge des Kindsvaters auf sich beantragt, auch unterliegen sie als unverheiratetes Paar nicht der Ehegattenveranlagung. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen liegen aber nicht vor, weil der Kindsvater – nach dem eigenen Vortrag der Klägerseite – seiner Unterhaltsverpflichtung durch Übernahme der Pflege und Erziehung der Kinder („Betreuungsunterhalt“) in vollem Umfang nachgekommen ist, vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB: Ein Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Die Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob die beiden Elternteile miteinander verheiratet sind oder nicht. Entscheidend für den zivilrechtlichen Verwandtenunterhalt ist die Verwandtschaft in gerader Linie, § 1601 BGB.
bb) Eine Übertragung des Betreuungsfreibetrags des Kindsvaters auf die Klägerin nach § 32 Abs. 6 Satz 8 und 9 EStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil alle Familienmitglieder unter derselben Adresse gemeldet sind. Das Finanzamt hat die Übertragung deshalb zu Recht abgelehnt.
b) Auch in den Jahren 2016 und 2017 waren A und B als Kinder zu berücksichtigen. B war während des gesamten Jahres minderjährig, A wurde zwar am 09.03.2016 volljährig, befand sich jedoch bis 30.08.2016 noch in Schul- und anschließend in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG).
aa) Die Voraussetzungen für die Übertragung der Kinderfreibeträge des Vaters auf die Mutter nach § 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG liegen für B, die 2016 und 2017 noch minderjährig war, wie oben dargestellt, nicht vor.
A wurde am xx.xx.2016 volljährig. Die Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ist daher nur bis einschließlich Februar 2016 auf ihn anwendbar. Für die Monate danach und für 2017 ist das Finanzamt dem Vorbringen der Klägerin gefolgt, wonach der Kindsvater seinen finanziellen Unterhaltspflichten nicht nachgekommen bzw. nicht leistungsfähig sei. Ob dies tatsächlich zutrifft, kann dahinstehen, weil das Finanzgericht über die Anträge der Beteiligten nicht hinausgehen darf, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO.
bb) Eine Übertragung des Betreuungsfreibetrags für B vom Kindsvater auf die Klägerin kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil alle Familienmitglieder unter derselben Adresse gemeldet sind. Dasselbe gilt auch für A. Zudem wurde dieser im März 2016 volljährig. § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG betrifft ausdrücklich nur minderjährige Kinder. Das Finanzamt hat der Klägerin daher zu Unrecht ab März 2016 den Betreuungsfreibetrag für A übertragen. Allerdings darf das Finanzgericht über die Anträge der Beteiligten nicht hinausgehen; das Finanzamt hat lediglich „Klageabweisung“ beantragt, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO
c) Zwar wurde der Kindsvater weder durch das Finanzamt noch durch das Finanzgericht zur Übertragung des Kinderfreibetrags angehört, doch dürfte sich eine Anhörung erübrigen, wenn das Gericht, wie hier, schon aufgrund des klägerischen Sachvortrags zu dem Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für eine Übertragung nicht vorliegen. Im Übrigen hat der Vater nach Angaben des Finanzamts für 2015 einen eigenen Antrag gestellt, so dass davon auszugehen ist, dass er der Auffassung ist, jedenfalls in diesem Jahr seinen Unterhaltspflichten genügt zu haben. Etwas Anderes könnte auch eine Anhörung nicht ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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