Familienrecht

Einwilligung zur Namensänderung

Aktenzeichen  052 F 6/21

Datum:
7.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41969
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1618 S. 4
FamFG § 158 Abs. 2 Nr. 1, § 159 Abs. 2

 

Leitsatz

Es genügt nicht, dass die Namensänderung dem Kindeswohl dient; sie muss für das Kindeswohl viel mehr erforderlich sein, wobei das Kindesinteresse dem grundsätzlich gleichrangigen Interesse seines Vaters überwiegen muss (Hans, OLG Bremen, 4 UF 32/99, 19.05.1999; OLG Stuttgart, 18 UF 39/99, 26.03.1999; OLG Köln, 14 UF 220/98, 13.01.1999). Die Ersetzung der Einwilligung in die Erteilung des Ehenamens nach § 1618 S. 4 BGB darf nur erfolgen, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist und ein milderer Eingriff wie die Voranstellung oder die Anfügung des Ehenamens an den bisherigen Namen nicht ausreicht (OLG Celle, 15 UF 259/98; 03.02.1999). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Einwilligung des Antragsgegners zur Einbenennung der Kinder M. S., geb. am 20.08.2010 und J. S., geb. am 29.04.2015 auf den nunmehrigen Ehenamen der Antragstellerin wird durch das Amtsgericht Schweinfurt – Familiengericht – ersetzt.
2. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
3. Dieser Beschluss wird erst mit Rechtskraft wirksam.
4. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage des Antrages vom 10.01.2021, welcher gemäß § 1618 S. 4 BGB zulässig ist.
Die Antragstellerin hat am 31.12.2020 wieder geheiratet und trägt nun den Ehenamen L.
Die Mutter und ihr Ehemann haben die Kinder in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen und beabsichtigen, den Kindern ihren Ehenamen gemäß § 1618 BGB zu erteilen. Der Antragsgegner hat eine Einwilligung zu der beabsichtigten Namensänderung nicht erteilt, so dass ein Antrag auf gerichtliche Ersetzung der Einwilligung gestellt wurde.
Die durch das Gesetz eng gefassten Voraussetzungen für eine Ersetzung der Einwilligung des Elternteils, dessen Namen die Kinder M. S., geb. am 20.08.2010 und J. S., geb. am 29.04.2015 tragen, sind in ausreichendem Maße erfüllt.
Das Gericht hatte zu prüfen, inwieweit eine derartige Namensänderung für die Kinder M. S., geb. am 20.08.2010 und J. S., geb. am 29.04.2015 unbedingt erforderlich ist. Nur in solchen Fällen „kann“ es die erforderliche Einwilligung des Kindsvaters ersetzen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass eine solche Ersetzung nicht als Regelfall anzusehen, sondern vielmehr die konkrete Erforderlichkeit im Einzelfall zu prüfen ist. Das bloße Vorbringen, dass es für ein Kind besser sei, den Namen seiner Mutter zutragen, ist insoweit zwar nachvollziehbar, aber für sich allein nicht ausreichend, da dies in (fast) jedem Fall so sein wird und insoweit die Formulierung des Gesetzes anders lauten müsste. Zwischenzeitlich ist die Rechtsprechung auch insoweit einhellig, dass es nicht genügt, dass die Namensänderung dem Kindeswohl dient; sie muss für das Kindeswohl viel mehr erforderlich sein, wobei das Kindesinteresse dem grundsätzlich gleichrangigen Interesse seines Vaters überwiegen muss (Hans, OLG Bremen, 4 UF 32/99, 19.05.1999; OLG Stuttgart, 18 UF 39/99, 26.03.1999; OLG Köln, 14 UF 220/98, 13.01.1999). Die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Einwilligung sind dabei gegenüber dem früheren Rechtszustand erheblich verschärft und enger eingegrenzt worden (OLG Celle, 18 UF 26/99, 23.04.1999; OLG Hamm, 2 UF 517/98, 09.02.1999). Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls liegt nicht vor, wenn die Namensänderung nur dazu dienen soll, dem Kind Unannehmlichkeiten zu ersparen, die sich aus der Namensverschiedenheit zur neuen Familie ergeben (OLG Nürnberg, 11 WF 412/99). Die Ersetzung der Einwilligung in die Erteilung des Ehenamens nach § 1618 S. 4 BGB darf nur erfolgen, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist und ein milderer Eingriff wie die Voranstellung oder die Anfügung des Ehenamens an den bisherigen Namen nicht ausreicht (OLG Celle, 15 UF 259/98; 03.02.1999).
Dennoch wird in den Fällen, in denen der Bindung an den bisherigen Namen keine tatsächliche Beziehung zwischen dem Kind und Elternteil mehr zugrunde liegt, eine Einbenennung, soweit sie dem Kindeswohl dient, auch für erforderlich gehalten (OLG Dresden, 22 UF 171/99, 05.05.1999). Auch ist zu berücksichtigten, wie sich eine Namensänderung auf das Verhältnis zwischen dem Kind und dem Vater auswirkt, sofern das Kind eine enge Bindung an den leiblichen Vater hat; insoweit ist eine eingehende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Kindes und denen des Vaters vorzunehmen (OLG Nürnberg, 11 WF 412/99, 15.04.1999; OLG Hamm, 2 UF 43/99; 27.04.1999).
Alleine die Tatsache der unterschiedlichen Nachnamen konnte eine Einbenennung nach § 1618 BGB noch nicht rechtfertigen. Auch der bloße Wunsch der Kinder, den neuen Ehenamen der Mutter zu tragen, reicht für die Ersetzung der Einwilligung nach § 1618 Satz 4 BGB nicht aus.
Der Verfahrensbeistand wurde angehört. Da das Interesse des Kindes zu seinem gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, war mit Beschluss vom 15.02.2021 ein Verfahrensbeistand zu bestellen, § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
Nach der eingeholten Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 01.03.2021 (Bl. 25 ff d.A.) ist die Einbenennung zur Vermeidung von erheblichen psychischen Belastungen der betroffenen Kinder erforderlich. Als Grund hierfür wird der persönliche Eindruck sowie die Tatsache, dass die Stiefschwester L. nach erneuter Heirat des Antragsgegners dessen Namen annehmen konnte und somit mit diesem auch durch den Namen verbunden sein darf, den betroffenen Kindern dies nun aber verwehrt werde, genannt. Dies erzeuge in den Kindern ein gewisses Unverständnis, welches zu einer psychischen Belastung führe.
Das Jugendamt wurde angehört. Im Rahmen der Ermittlungen wurde eine Stellungnahme des Jugendamts eingeholt. Das Jugendamt sieht vorliegend grundsätzlich keine Kindeswohlgefährdung, überlässt die Einschätzung, ob aufgrund der „Ungleichbehandlung“ zur Stiefschwester L. eine psychische Belastung beider Kinder vorliegt, dem Verfahrensbeistand, da dieser beide Kinder persönlich kennengelernt hat (Bl. 37 R d.A.).
Die betroffenen Kinder wurden persönlich – in Anwesenheit des Verfahrensbeistands – angehört, § 159 Abs. 2 FamFG. Das Gericht hat in dem Termin den Eindruck gewonnen, dass eine psychische Belastung beider Kinder vorliegt. Das Kind M. trug vor, dass sie nicht verstehen könne, warum ihre Stiefschwester L. ihren Namen ändern durfte, sie und J. das aber nicht dürften. M. konnte angemerkt werden, dass sie sich sehr viele Gedanken über die Namensänderung macht. Sie schob immer wieder bei ihren Erzählungen den Satz nach, dass sie sehr traurig wäre und sehr weinen müsste, sollte das Gericht die Einbenennung ablehnen. Das Kind J. konnte sich aufgrund ihres Alters (5 Jahre) noch nicht ausdrücken. Bei den Erzählungen ihrer Schwester M. bzw. auf Nachfrage nickte sie jedoch immer wieder zustimmend. Auch J. konnte eine Bedrücktheit aufgrund der Situation angemerkt werden.
Die Beziehung der Betroffenen Kinder zum leiblichen Vater wird von allen Beteiligten als gut und konstant beschrieben; es findet jedes zweite Wochenende Umgangskontakt statt. Nach Sachvortrag der betroffenen Kinder und des Kindsvaters würde eine Namensänderung die Beziehung zischen Vater und Kindern nicht beeinflussen (vgl. Bl. 44, 52). Das Risiko einer „Entfremdung“ der Kinder vom Kindsvater ist nicht konkret zu befürchten. Das mit der Einbenennung verbundene Risiko für die betroffenen Kinder, bei Scheidung der Antragstellerin mit einem angenommenen Namen dazustehen, zu dem kein Bezug mehr besteht, ist hinnehmbar. Selbst wenn man nach der statistischen Wahrscheinlichkeit den Fall einer Beendigung einer jetzigen Ehe der Antragsteller in Betracht ziehen müsste, stünden beide Kinder mit dem dann insoweit unwandelbaren Namen nicht alleine da, unabhängig davon wie sich die Kindsmutter in Bezug auf ihre eigene Namensführung entscheiden würde, vgl. OLG Bamberg Beschluss vom 10.04.2008 Az.: 7 UF 55/08.
Die Erforderlichkeit der Einbenennung zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung wird aufgrund des persönlichen Eindrucks von den betroffenen Kindern und aufgrund der Stellungnahme des Verfahrensbeistands bejaht. Die Kontinuität der Namensführung, die auch einen wesentlichen Kindeswohlaspekt darstellt, muss hier aufgrund der festgestellten drohenden Kindeswohlgefährdung zurücktreten.
Auf Grund dieser konkreten Feststellungen müssen die Interessen des anderen Elternteils gegenüber den Interessen des Kindes zurücktreten.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG.
Der Eintritt der Wirksamkeit des Beschlusses beruht auf § 40 Abs. 2 FamFG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.


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