Familienrecht

Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention nach Vergleich

Aktenzeichen  13 W 2128/20

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2020, 1150
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a Abs. 2, § 101 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Klausel in einem Vergleich, das Gericht solle über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO entscheiden, ist regelmäßig lediglich als Auftrag an das Gericht zu verstehen, anhand dieses Maßstabs eine Kostenregelung zu treffen; die implizite Vorgabe, die Kosten der Nebenintervention dabei auszuschließen, enthält sie nicht. (Rn. 10)

Verfahrensgang

12 O 699/17 2020-03-02 Bes LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.03.2020, Az. 12 O 699/17, mit dem es über die Kosten entschieden hat, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 72% und die Beklagte 28%.
b) Von den Kosten der Streithelferin der Beklagten trägt die Klägerin 72%; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Parteien haben ihren Rechtsstreit beendet, indem sie einen Vergleich schlossen, dem die Streithelferin der Beklagten zustimmte. Mit Beschluss vom 02.03.2020 hat das Landgericht den Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Nach dessen Ziff. 3 sollte das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO entscheiden. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht folgende Kostenentscheidung getroffen: „Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 72% und die Beklagte 28%“. Für die Bildung der Kostenquote hat sich das Landgericht an dem Inhalt des Vergleichs orientiert und die Kosten nach dem dort zugrunde gelegten Obsiegen und Unterliegen der Parteien verteilt.
Mit Schriftsatz vom 06.03.2020 beantragte die Streithelferin, die getroffene Kostenentscheidung dahin zu ergänzen, dass die Klägerin von den Kosten der Streithelferin der Beklagten ebenfalls 72% und die Streithelferin ihre Kosten im Übrigen selbst trägt. Das Landgericht hat dies durch Verfügung vom 18.05.2020 abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 321 ZPO nicht vorlägen und zugleich darauf hingewiesen, dass es den Antrag der Streithelferin als Beschwerde gegen seine Kostenentscheidung behandeln wolle. Daraufhin stellte die Streithelferin mit Schriftsatz vom 26.05.2020 klar, dass sie ihren Antrag als Beschwerde verstanden wissen wollte, wenn das Landgericht an seiner Rechtsauffassung festhält. Nachdem sich die Klägerin zur Sache geäußert hatte, half das Landgericht der sofortigen Beschwerde der Streithelferin mit Beschluss vom 25.06.2020 nicht ab und legte die Akte dem Oberlandesgericht vor.
Zu den Einzelheiten des Parteivortrags und der gerichtlichen Entscheidungen und Hinweise nimmt der Senat auf den Akteninhalt Bezug.
II.
Die sofortige Beschwerde der Streithelferin ist statthaft (§ 91a Abs. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig eingelegt worden. Sie hat in der Sache Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Landgericht den Schriftsatz der Streithelferin vom 06.03.2020 im Ergebnis zutreffend als sofortige Beschwerde behandelt. Dies ergibt sich allerdings nicht erst aus einer Umdeutung, sondern bereits aus einer Auslegung des Antrags der Streithelferin. Diese hat, anders als das Landgericht gemeint hat, keinen Antrag auf Beschlussergänzung im technischen Sinne – entsprechend § 321 Abs. 1 ZPO – gestellt. Der Antrag lautet schlicht darauf, den landgerichtlichen Beschluss in der begehrten Weise zu ergänzen, ohne dass dabei der Begriff der Beschwerde oder ein Normzitat des § 321 ZPO verwendet wird. Damit ist allein das Rechtsschutzziel umschrieben, eine kostenrechtliche Besserstellung der Streithelferin herbeizuführen; die Formulierung eines Beschwerdeantrags verlangt keinen anderen Wortlaut. Die Begründung des Antrags befasst sich mit Fragen der Kostentragung. Der dort zu Verfahrensfragen zitierte Beschluss des Reichsgerichts vom 27.10.1903 (II 141/03 – RGZ 56, 113) betraf keine Beschlussberichtigung, sondern eine Beschwerde nach § 99 ZPO (a.F.). Auch daraus lässt sich keine Auslegung als Antrag auf Beschlussberichtigung gewinnen. Ein solcher Antrag wäre auch nicht zielführend gewesen, weil das Landgericht die Streithelferin in der angegriffenen Kostenentscheidung nicht versehentlich übergangen, sondern bewusst gegen sie entschieden hat. Das ergibt sich nochmals deutlich aus dem landgerichtlichen Hinweis vom 18.05.2020. Nach alldem war allein die sofortige Beschwerde als zielführend im Sinne des Rechtsschutzbegehrens anzusehen (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., Vor § 128 Rn. 25 m.w.N.).
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Streithelferin hat Anspruch auf die begehrte Kostenentscheidung.
Gemäß § 101 Abs. 1 ZPO sind die Kosten der unselbständigen Nebenintervention dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit dieser nach den §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Beenden die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, ist anhand der dortigen Regelung zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Nebenintervenient einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten hat. Die Auslegung des Vergleichs ergibt, dass von dem gesetzlichen Regelfall nicht abgewichen werden sollte.
a) Der Vergleich enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Kosten der Nebenintervention. Er enthält auch keine Regelung der Kosten der Parteien. Die Kostenentscheidung wurde vielmehr von den Parteien an das Gericht delegiert, das sich dabei am Maßstab des § 91a ZPO ausrichten sollte. Demgemäß sollte über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entschieden und die Geltung der sonst eingreifenden Auslegungsregel des § 98 ZPO ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 04.02.2016 – IX ZB 28/15, juris Rn. 2; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.04.2013 – 6 WF 77/13, juris Rn. 3; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 98 Rn. 3). Davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen und hat die Kostenquoten anhand der angenommenen Erfolgsaussichten gebildet.
b) Die Nichteinbeziehung der Kosten der Streithelferin in die getroffene Kostenentscheidung kann nicht durch den Verweis auf den Fall des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 04.02.2016 (IX ZB 28/15, juris) begründet werden. Dort hatte der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass eine prozessuale Kostenerstattung ausscheide, wenn dem mit Zustimmung des Nebenintervenienten geschlossenen Vergleich keine Bestimmung zu entnehmen sei, dass eine der Parteien die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen habe. Dies folge aus dem Rechtsgedanken des § 98 ZPO. Ein Nebenintervenient, der einem Vergleich zustimme, der keine Kostenerstattung zu seinen Gunsten regele, müsse hinnehmen, so gestellt zu werden wie eine Partei, die einen Vergleich abschließe, ohne eine von § 98 ZPO abweichende Vereinbarung über die Kostenerstattung zu treffen. Angesichts der Möglichkeit für einen Nebenintervenienten, seine Zustimmung zum Vergleich von einer Regelung der Kostenerstattung abhängig zu machen, sei seine Lage der von § 98 ZPO geregelten Situation vergleichbar (BGH aaO, juris Rn. 10). Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs ist weiter zu entnehmen, dass die Parteien eine bestimmte Kostenverteilung ohne Berücksichtigung des dortigen Nebenintervenienten getroffen haben (BGH aaO, juris Rn. 3). Ein solcher Fall liegt hier gerade nicht vor. Der Vergleich benennt lediglich die für die Kostenentscheidung zuständige Stelle und gibt ihr den Entscheidungsmaßstab vor.
c) Die Formulierung im festgestellten Vergleich enthält auch sonst keine negative Entscheidung zur Berücksichtigung der Kosten der Nebenintervention. Davon geht allerdings das Landgericht aus, wenn es ausführt, dass die Kosten der Nebenintervention nicht zu den Kosten des Rechtsstreits „im eigentlichen Sinn“ gehören. Das ist zwar im begrifflichen Ansatz zutreffend; der Gesetzgeber hat dem Nebenintervenienten in § 101 Abs. 1 ZPO einen eigenständigen Kostenerstattungsanspruch eingeräumt. Dieser Kostenerstattungsanspruch entspricht aber inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch, den die von dem Nebenintervenienten unterstützte Hauptpartei gegen ihren Gegner hat. Diese Ausgestaltung des Kostenerstattungsanspruchs des Nebenintervenienten entspricht seiner Rolle im Rechtsstreit. Durch seinen Beitritt wird der Rechtsstreit der Hauptparteien nicht etwa „sein“ Rechtsstreit. Er bleibt der Rechtsstreit der Hauptparteien. Dem Nebenintervenienten kommt dabei nur eine unterstützende Rolle zu. Nach erfolgtem Beitritt teilt er das prozessuale Schicksal der Hauptpartei. Deshalb räumt das Gesetz dem Nebenintervenienten und der von ihm unterstützten Hauptpartei einen inhaltsgleichen Anspruch ein (BGH, Beschluss vom 03.04.2003 – V ZB 44/02, juris Rn. 10). Es würde vor diesem Hintergrund den Vergleich überstrapazieren und es findet in den zur Akte gelangten Schriftsätzen auch keine Stütze, wenn man in den Auftrag der Parteien an das Gericht, über die Kosten des „Rechtsstreits“ zu entscheiden, zugleich die implizite Vorgabe hineinlegte, die Kosten der Nebenintervention aus dieser Entscheidung herauszunehmen. Ein dahingehendes begriffsjuristisches Verständnis widerspräche auch der üblichen Intention der Parteien bei der Abwälzung der Kostenentscheidung auf das Gericht, die sich darin erschöpft, das Gericht mit einer Aufgabe zu betrauen, die man selbst nicht erledigen kann oder will. So liegen die Dinge hier. Nicht einmal die Klägerin, die sich den landgerichtlichen Ausführungen angeschlossen hat, hat für sich in Anspruch genommen, in den Vergleichsverhandlungen die genannte Differenzierung verfochten oder auch nur angesprochen zu haben. Dazu hatte sie auch keinen legitimen Grund, denn sie hat den Vergleichsvorschlag letztlich nur deshalb angenommen, weil die Streithelferin erklärt hatte, den Vergleichsbetrag – den die Beklagte wohl eher nicht hätte aufbringen können – zahlen zu wollen. Nach alldem ist die Vergleichsformulierung, das Gericht möge über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO entscheiden – wie regelmäßig – lediglich als Auftrag an das Gericht zu verstehen, anhand dieses Maßstabs eine Kostenregelung zu treffen; eine Vorgabe, die Kosten der Nebenintervention dabei auszuschließen, enthält er nicht.
d) Die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention war danach gem. § 101 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Begehrens der unterstützten Partei zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.06.1985 – II ZR 248/84, juris Rn. 6). Sie entspricht der zwischen den Parteien festgelegten Kostenquote.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht.


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