Familienrecht

Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindswohl, Fehlende Umgangskontakte, Umgangsanbahnung, keine außergewöhnliche Belastung, Wunsch des Kindes an der Namensänderung

Aktenzeichen  B 9 K 19.38

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31164
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2018 wird in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben. 
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte und der Beigeladene jeweils zur Hälfte; ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie selbst. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.      
Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet. 

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 13. Dezember 2018 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein für die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG ist dann gegeben, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt. Dies setzt voraus, dass die Namensänderung für das Wohl des Kindes nicht nur förderlich, sondern erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 29). Die Erforderlichkeit der Namensänderung liegt vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich auch nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 42). Entsprechend der Intention des Gesetzgebers, das Namensband zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil nur unter schweren Voraussetzungen gegen dessen Willen zu durchtrennen, kommt der Namenskontinuität des Kindes zu dem anderen Elternteil ein hohes Gewicht zu (vgl. OVG Bremen, B.v. 4.2.2021 – 1 PA 306/20 – juris Rn. 6). Das Kriterium der Erforderlichkeit der Namensänderung ist im Hinblick auf das Kindeswohl nicht so zu verstehen, dass damit die Grenze markiert wird, jenseits derer das Wohl des Kindes ernsthaft und dauernd gefährdet erscheint; die Erforderlichkeit ist nicht daran zu messen, ob die Grenze der Belastbarkeit des Kindes erreicht ist oder nicht. Bereits im Vorfeld einer solchen Gefahrenlage kann die Erforderlichkeit einer Namensänderung bestehen, wenn diese für das Kind einen so hohen Nutzen hat, dass ein um sein Kind besorgter Elternteil auf die Einhaltung des Namensbandes verständigerweise nicht bestehen würde. Es müssen schwerwiegende Nachteile zu gewärtigen sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 42, 44.; OVG Bremen, B.v. 4.2.2021 – 1 PA 306/20 – juris Rn. 6).
Entsprechend der genannten Rechtsprechung und der normkonkretisierenden allgemeinen Verwaltungsvorschrift Nr. 40 NamÄndVwV sind bereits strenge Maßstäbe an die Änderung des Familiennamens eines ehelichen Kindes mit dem Nachnamen des nicht sorgeberechtigten Elternteils zu stellen. In der vorliegenden Konstellation ist der Kläger hingegen weiterhin sorgeberechtigt; die Mutter des Beigeladenen verfügt lediglich über eine Sorgevollmacht. Es sind daher zumindest keine weniger strengen als die angeführten Maßstäbe, die zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Namenskontinuität führen können, anzuwenden.
b. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung des Beigeladenen liegt nicht vor. Zwar hat das Gericht durchaus Verständnis für die menschlich schwierige Situation des Beigeladenen und seiner Mutter, die auf den elterlichen Konflikten beruht. Jedoch wurde von Beklagten- und Beigeladenenseite die Erforderlichkeit der Namensänderung, die zur Begründung der rechtlichen Ausnahme vom Grundsatz der Namenskontinuität führen würde, nicht hinreichend dargelegt. Es kann dabei dahinstehen, ob es für die Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die Namensänderung streitentscheidend auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. VGH BW, U.v. 22.2.2001 – 1 S 929.00 – juris Rn. 26; OVG Berlin-Bbg U.v. 20.11.2003 – 4 A 27702 – juris Rn. 29) oder auf die Umstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der gerichtlichen Tatsacheninstanz, wie sie auch für eine Klage des Kindes auf Verpflichtung der Behörde zur – zunächst abgelehnten – Namensänderung maßgeblich sind (OVG NRW, U.v. 28.5.1996 – 10 A 1691.91 – juris Rn. 18-20; in diese Richtung wohl auch BayVGH, U.v. 6.6.2008 – 5 B 06.832 – juris Rn. 31 f.), ankommt. Die Erforderlichkeit der Namensänderung war zu keinem dieser Zeitpunkte gegeben.
aa. Es reicht für eine Namensänderung des Beigeladenen nicht aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides am 13. Dezember 2018 ca. eineinhalb Jahre keinen Kontakt mehr zum Beigeladenen hatte. Selbiges gilt dafür, dass der Kläger nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides einige Umgangstermine mit dem Beigeladenen nicht wahrgenommen hat. Die Bewertung des Kindeswohls macht regelmäßig eine Abwägung der gegenläufigen Interessen notwendig, die nicht allein aus der Perspektive der aktuellen familiären Situation vorgenommen werden darf. Neben dem Interesse des Kindes an der von ihm gewünschten Namensgleichheit mit dem Elternteil, bei dem es lebt, ist dabei insbesondere die für das Kindeswohl regelmäßig gleichfalls wichtige Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu dem anderen Elternteil in den Blick zu nehmen. Das gilt auch und gerade dann, wenn der Kontakt schon seit längerer Zeit abgebrochen ist und dieser Zustand durch die Namensänderung als Zeichen einer nach außen sichtbaren Ablösung weitgehend verfestigt würde. Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn bei längerfristiger prognostischer Bewertung die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine Wiederaufnahme einer tragfähigen Eltern-Kind-Beziehung nicht mehr zu erwarten ist. Mangelnde Umgangskontakte sind dabei für sich genommen nicht hinreichend, um die Erforderlichkeit einer Namensänderung zu begründen. Wegen der Wandelbarkeit zwischenmenschlicher Beziehungen und der dadurch bedingten Möglichkeit einer zukünftigen Veränderung kann es entscheidend nur darauf ankommen, ob bei prognostischer Bewertung die Annahme gerechtfertigt ist, dass der namensgebende Elternteil dauerhaft kein Interesse mehr an einer tragfähigen Beziehung zu seinem Kind hat. Lediglich in einem solchen Fall ist die namensrechtliche Bindung des Kindes zu diesem Elternteil ausnahmsweise nicht schutzwürdig (vgl. OVG Saarland, B.v. 13.12.2018 – 2 A 867/17 – juris Rn. 11; OVG Bremen, B.v. 4.2.2021 – 1 PA 306/20 – juris Rn. 12; OVG NRW, B.v. 17.9.2012 – 16 E 1292/11 – juris Rn. 13).
Eine derartige Situation kann vorliegend nicht festgestellt werden. Das Ausbleiben der Umgangskontakte über eineinhalb Jahre hin bzw. das nur vereinzelte Zustandekommen solcher Kontakte ist ersichtlich nicht darauf zurückzuführen, dass der Kläger kein Interesse an seinem Sohn gezeigt hätte. Im Gegenteil war der Kläger bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides darum bemüht, einen Umgang zum Beigeladenen, der seit der Trennung nicht mehr stattgefunden hatte, aufzubauen. So beantragte er im September 2018 beim Amtsgericht … eine Regelung zum Umgang mit dem Beigeladenen. Er und die Kindsmutter einigten sich in der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht … am 24. Oktober 2018 dahingehend, dass ein begleiteter Umgang des Klägers mit dem Beigeladenen über die Erziehungsberatungsstelle der Caritas stattfinden solle. Bereits vor Bescheiderlass zeigte der Kläger daher, dass er weiterhin Interesse an seinem Sohn hat und eine Beziehung zu diesem aufbauen will. Diese Bemühungen setzten sich auch nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiter fort. Die Sozialpädagogin G. des Jugendamtes gab in der mündlichen Verhandlung an, dass seit Februar 2019 regelmäßig Umgangstermine stattfänden, die im Wesentlichen funktionieren würden. Der Kläger nahm ausweislich des Schreibens der Caritas vom 15. Juli 2020 im Jahr 2019 fast monatlich an einem einstündigen Umgangstermin mit dem Beigeladenen teil. Im Jahr 2020 fanden entsprechend des Schreibens der Caritas und dem Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 5. Oktober 2020 sechs weitere Umgangstermine statt. Dass einzelne Termine aufgrund der Covid-19-Pandemie sowie Terminkollisionen nicht stattfanden bzw. ersatzlos abgesagt werden mussten und deshalb Umgangslücken entstanden sind, deutet nicht darauf hin, dass der Kläger kein Interesse mehr an seinem Sohn hätte. Vielmehr nahm der Kläger trotz der großen Distanz seines derzeitigen Wohnortes zur Beratungsstelle und seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten über den gesamten Zeitraum des gerichtlichen Verfahrens an Umgangsterminen statt. Im Jahr 2021 versuchte er sogar den Umgang zu seinem Sohn durch einen Antrag beim Amtsgericht zu erweitern. Zwar hielt das Amtsgericht, entsprechend der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, eine Ausweitung des Umgangs nicht für veranlasst, jedoch stimmte die Kindsmutter zu, dass der Kläger auch nach den Umgangsterminen noch ein wenig Zeit mit seinem Sohn verbringen darf. Die umgangsrechtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht, die Wahrnehmung der Umgangstermine bei der Caritas sowie die aktive Beteiligung des Klägers im vorliegenden Verfahren zeigen, dass er sich ernsthaft um die Verwirklichung und die Umsetzung des ihm grundsätzlich von Verfassung wegen zustehenden Umgangsrechts zu seinem Sohn bemüht hat und er weiterhin Interesse daran hat, eine tragfähige Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen.
Dass entsprechend der Stellungnahme der Sozialpädagogin G. des Jugendamtes vom 14. August 2020 weder vor noch nach Bescheiderlass eine tragfähige und stabile Vater-Sohn-Beziehung entstanden sei und trotz regelmäßiger Umgangstermine keine wesentlichen Fortschritte festzustellen seien, die zu einer Bindung zwischen Vater und Sohn führen würden, ändert nichts an der Einschätzung des Gerichts, dass eine Namensänderung des Beigeladenen nicht erforderlich ist. Zwar besteht derzeit keine (tragfähige) Vater-Sohn-Beziehung, die durch die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen durchtrennt werden würde. Jedoch kommt es – wie dargestellt wurde – maßgeblich darauf an, ob eine solche Beziehung aufgrund dauerhaft mangelnden Interesses des namensgebenden Elternteils zum Kind nicht mehr zu erwarten ist. Der Kläger hat gerade durch seine Bemühungen gezeigt, dass ihm viel daran gelegen ist, weiterhin Kontakt zu seinem Sohn zu halten und zu intensivieren sowie diesen auch – notfalls durch weitere gerichtliche Umgangsverfahren – auszudehnen. Eine Ausdehnung der Umgangskontakte sowie die langsame Verbesserung der Vater-Sohn-Beziehung wird gewiss viel Zeit und Mühe des Klägers in Anspruch nehmen. Das jetzige Verhalten des Klägers zeigt jedoch deutlich, dass er bereit ist, diese Zeit und Mühe auch künftig für seinen Sohn zu investieren. Bei längerfristiger prognostischer Bewertung ist daher nicht auszuschließen, dass sich die zwischenmenschliche Beziehung des Vaters zu seinem Sohn wandelt und eine tragfähige Beziehung entsteht. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger weiterhin sorgeberechtigt für seinen Sohn ist, ist eine solche Entwicklung im Bereich des Möglichen. Die namensrechtliche Bindung des Klägers zu seinem Sohn ist daher weiterhin schutzwürdig.
Auch die Umstände, dass der Kläger drei weitere Kinder hat und seinen Unterhaltszahlungen laut Angaben der Beigeladenenseite teilweise nicht nachgekommen sei, ändert nichts daran, dass der Kläger durch seine Umgangsbemühungen gezeigt hat, dass ihm der Aufbau einer Beziehung zu seinem Sohn wichtig ist. Im Gegenteil nimmt sich der Kläger trotz seiner anderen Kinder die Zeit, um Umgangstermine mit dem Beigeladenen wahrzunehmen. Dass der Kläger der Kindsmutter gesetzlich zustehende Unterhaltszahlungen nicht geleistet hat, wurde lediglich pauschal behauptet. Im Übrigen ist wohl – auch anhand der eingereichten Unterlagen des Klägers im Rahmen seines Prozesskostenhilfeantrags – naheliegender, dass Unterhaltszahlungen – wenn dies der Fall wäre – an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Klägers, nicht jedoch am mangelnden Interesse an seinem Sohn gescheitert sind.
bb. Soweit der Bevollmächtigte des Beigeladenen und die Beklagtenseite eine seelische Belastung des Beigeladenen geltend machen, rechtfertigt dies ebenfalls keine Namensänderung des Beigeladenen. Zwar kann eine seelische Belastung als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden. Dies allerdings nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Ist die seelische Belastung hingegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids war der Beigeladene noch keine vier Jahre alt. Entsprechend der Stellungnahme der Sozialpädagogin G. des Jugendamtes vom 27. August 2018 sei der Beigeladene damals noch zu jung gewesen, um die Bedeutung seines Nachnamens zu erkennen und zu verstehen. Es sei zu befürchten gewesen, dass sich die Ängste der Kindsmutter vor dem Kindsvater auf den Beigeladenen übertragen und so eine Belastung für diesen darstellen würden. Dass eine seelische Belastung des Beigeladenen zum damaligen Zeitpunkt bestanden hat bzw. in absehbarer Zeit tatsächlich zu erwarten und nicht nur möglich gewesen wäre, wurde gerade nicht substantiiert und nachvollziehbar in der Stellungnahme dargestellt.
Eine solche seelische Belastung ist auch nach Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheides bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht konkret aufgezeigt worden. Zwar wies die Sozialpädagogin G. des Jugendamtes in der mündlichen Verhandlung wiederum auf die Ängste der Mutter hin, die sich aufs Kind übertragen könnten. Sie gab jedoch auch an, dass die Mutter des Beigeladenen die elterlichen Konflikte weitest möglich von diesem fernhalte und der Beigeladene ein fröhliches Kind sei. In ihrer Stellungnahme vom 14. August 2020 stellte die Sozialpädagogin ferner dar, dass es in Bezug auf die psychische und generelle Entwicklung des Beigeladenen keine nennenswerten Probleme oder Auffälligkeiten gebe. Ein nachvollziehbarer Beleg für eine bestehende und drohende seelische Belastung des Beigeladenen liegt daher auch jetzt nicht vor.
Ebenso wenig führt die negative Behaftung des Nachnamens „Sch.“ im Familien-, Verwandten- und Bekanntenkreis des Beigeladenen oder in seiner Wohngemeinde zu einer seelischen Belastung des Beigeladenen. Eine gesellschaftliche Stigmatisierung oder Ausgrenzung des Beigeladenen wurde nicht substantiiert von Beklagten- oder Beigeladenenseite dargestellt, sondern lediglich pauschal behauptet. Soweit der Nachname des Beigeladenen in der Wohngemeinde aufgrund der kriminellen Vergangenheit des Klägers negativ behaftet sein sollte, so liegt dies wohl eher an der Person des Klägers als Vaters des Beigeladenen und nicht an dessen Nachnamen. Ferner wurde zuletzt eine solche negative Behaftung des Nachnamens in der Wohngemeinde nicht mehr von Seiten der Sozialpädagogin G. des Jugendamtes dargestellt (vgl. Stellungnahme vom 14. August 2020). Sollte der Nachname des Klägers im Verwandten- und Bekanntenkreis des Beigeladenen negative Gefühle und abneigende Haltungen hervorrufen, so ist es die Aufgabe von Erwachsenen zwischen der Person des Klägers und der des Beigeladenen zu trennen und etwaige negative Haltungen einem Kind gegenüber, welches den Nachnamen seines Vaters trägt, nicht zu zeigen. Sowohl von Verwandten als auch Bekannten eines Kindes sowie generell von Erwachsenen kann erwartet werden, dass diese sich einem Kind gegenüber angemessen verhalten und negative Gefühle gegen den Vater im Umgang mit dem Kind außen vorlassen. Wenn Kinder aus dem Umfeld des Beigeladenen diesen aufgrund der Taten seines Vaters hänseln sollten, so ist es ebenfalls Aufgabe der Erwachsenen solchen Tendenzen entgegenzutreten und für ein gutes und von Toleranz geprägtes Umfeld zu sorgen.
Soweit auf den bald anstehenden Schulbeginn des Beigeladenen abgestellt wird, ist nicht zu erwarten, dass der Beigeladene wegen seinem Nachnamen per se Hänseleien oder Beschimpfungen ausgesetzt ist, da der Familienname „Sch.“ sehr geläufig, nicht schwer auszusprechen und gewöhnlich ist. Sollte es dennoch zu Hänseleien oder Beschimpfungen wegen der Person des Vaters des Beigeladenen kommen, die Kinder mit dem klägerischen Nachnamen assoziieren könnten, so ist es die Aufgabe der Schulleiter und Lehrer – in Kooperation mit den Eltern – für ein gedeihliches Miteinander der Schüler zu sorgen, Hänseleien entgegenzutreten, die Schüler entsprechend aufzuklären und ein von Toleranz geprägtes Lernumfeld zu schaffen.
cc. Der zwischenzeitlich bestehende und durchaus nachvollziehbare Wunsch des Beigeladenen, den selben Familiennamen wie seine Mutter, die nach der Scheidung wieder ihren Familiennamen angenommen hat, zu tragen, mag zwar dem Kindeswohl dienlich sein; Erforderlichkeit im Sinne der oben dargestellten Anforderungen liegt hingegen nicht vor. Eine Namensänderung ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; in gewissem Umfang müssen sie mit den mit einer Scheidung ihrer Eltern verbundenen Problemen – so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit – zu leben lernen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 43).
Es ist heute nicht mehr ungewöhnlich, dass Mutter und Kind verschiedene Namen tragen. Erhebliche Nachteile sind damit nicht zwangsläufig verbunden. Einem Kind kann in der Regel erklärt werden, worauf die Namensverschiedenheit beruht. Dabei kann und muss vorausgesetzt werden, dass sich auch die Mutter des Beigeladenen bei dessen Erziehung am Wohl ihres Kindes orientiert und diesen nicht unnötigerweise mit Problemen belastet, die sie selbst möglicherweise noch mit ihrem früheren Partner hat (vgl. OVG Bremen, B.v. 4.2.2021 – 1 PA 306/20 – juris Rn. 10). Die Mutter des Beigeladenen hat entsprechend der Stellungnahmen der Sozialpädagogin G. des Jugendamtes vom 27. August 2018 und vom 14. August 2020 bisher dafür gesorgt, dass die elterlichen Konflikte bestmöglich vom Beigeladenen ferngehalten worden seien und ihm zu verstehen gegeben, dass ihr neuer Lebensgefährte nicht der biologische Vater des Beigeladenen sei. Es wird der Mutter des Beigeladenen daher auch künftig möglich sein, dem Kläger die Namensverschiedenheit in verständlicher Weise zu vermitteln und dadurch erhebliche Nachteile für das Kind zu verhindern.
c. Die unter der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides erlassene Verfügung stellt eine zur Namensänderung begleitende Verfügung dar und ist daher ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO sowie § 159 Satz 1 VwGO i.V. m. § 100 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Bevollmächtigte des Beigeladenen hat erstmalig und nach ergangenem gerichtlichen Hinweis über die möglichen Kostenfolgen einer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 15. April 2021 die Klageabweisung beantragt. Ihm können daher als unterliegenden Beteiligten die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerseite auferlegt werden. Da sowohl der Beklagte als auch der Beigeladene unterliegen, haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 ZPO.


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