Familienrecht

Erkrankung, Beschwerde, Rente, Betreuung, Krankheit, Gutachten, Unterbringung, Psychiatrie, Psychotherapie, Wohnung, Diagnose, Anordnung, Attest, Klinik, Einrichtung einer Betreuung, Anordnung der Betreuung, Beschwerde gegen Beschluss

Aktenzeichen  6 T 4627/21

Datum:
20.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13076
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

XVII 312/21 2021-11-12 AGMIESBACH AG Miesbach

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 12.11.2021 über die Anordnung einer Betreuung, Az. XVII 312/21, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1. In dem früheren Betreuungsverfahren, Az. XVII 230/20, regte am 04.06.2020 die Schön-Klinik Bad Aibling, in der die Betroffene damals stationär in Behandlung war, eine Betreuung an wegen einer dementiellen Entwicklung.
Am 24.04.2019 hatte die Polizeiinspektion Bad Wiessee die Betroffene um 4:00 Uhr in der Früh nur mit einem Schlafanzug und Hausschuhen bekleidet im Ort angetroffen. Aus Sicht der Beamten habe sich die Betroffene seltsam verhalten und verwirrende Angaben gemacht.
Der Verfahrensbevollmächtigter der Betroffenen teilte am 19.08.2020 mit, bei der Betroffenen seien lediglich Seh- und Hörvermögen stark eingeschränkt gewesen, inzwischen habe sie sich ein Hörgerät besorgt und sich wegen des grauen Stars am den Auge operieren lassen. Der behandelnde Arzt der Schön-Klinik habe die Betroffene nur einmal flüchtig gesehen und diese Probleme offensichtlich nicht erkannt. Unter diesen Problemen habe auch das Gespräch mit der Polizei gelitten.
Mit Schriftsatz vom 16.11.2020 legte der Verfahrensbevollmächtigte ein Attest der Ärztin Dr. B2. K. vom 12.11.2020 vor, in dem diese angibt, die Betroffene, die seit März 2020 in ihrer Praxis sei, habe sie heute aufgesucht; nach dem geführten Gespräch habe sie weiterhin den Eindruck, die Betroffene sei im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und in der Lage, ihre Belange selbst zu regeln.
Mit Beschluss vom 02.12.2020 wurde das Verfahren wegen Betreuungsanordnung eingestellt, eine Betreuung wurde nicht angeordnet.
2. Am 15.07.2021 regte Rechtsanwalt Dr. Lindner als Vertreter des Vermieters der Betroffenen die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene an, weil die Wohnung der Betroffenen in der S2. straße 15a in T ein Durcheinander sei, kein eingerichtetes Bad habe, nachdem die Betroffene das Waschbecken habe entfernen lassen, die Küche sei total vermüllt mit viel Unrat und es habe einen Wasserschaden gegeben.
Mit Bericht vom 27.07.2021 gab die Betreuungsstelle an, sie habe Kontakt mit der Betroffenen persönlich gehabt im Seniorenwohnheim Rupertihof in Rottach-Egern, wo sich die Betroffene während der Zeit der Sanierung der Wohnung aufhalte. Die Betroffene habe angegeben, sie wolle nicht in die Wohnung zurück, sie werde wieder nach München ziehen, dafür fehle ihr derzeit allerdings die Kraft. Die Betroffene habe den Eindruck gemacht, realitätsfern zu sein, auch habe sie im Gespräch einiges durcheinandergebracht.
Unter dem 15.10.2021 erstattete die gerichtlich bestellte Sachverständiger Dr. W., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Oberärztin an der kbo Isar Amper Klinik Taufkirchen (Vils), ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Anordnung einer Betreuung. Die Begutachtung beruhte auf einer persönlichen psychiatrischen Untersuchung der Betroffenen am 03.09.2021 über beinahe eineinhalb Stunden, von der Sachverständigen durchgeführten neuropsychologischen Untersuchungen durch verschiedene Testungen sowie Kenntnis der Akten XVII 230/20 des AG Miesbach und der gegenständlichen Akte. Die Diagnose lautete auf eine dementielle Erkrankung in Form einer nicht näher bezeichneten Demenz ICD-10 F03. Wegen dieser dementiellen Erkrankung leide die Betroffene unter alltagsrelevanten, ausgeprägten Einbußen ihrer Orientierung, Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktionen, der Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration sowie an einer beeinträchtigten Urteils- und Kritikfähigkeit. Aus diesem Grund sei die Betroffene nicht mehr in der Lage, sich eigenverantwortlich und selbstständig um ihre Angelegenheiten zu sorgen. Zum Untersuchungszeitpunkt sei die Betroffene nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Eine rechtliche Verständigung mit der Betroffenen sei nicht mehr möglich. Die natürliche Einwilligungsfähigkeit sei nur noch bezüglich einfacher alltäglicher Fragestellungen erhalten, bei schwierigeren Fragestellungen, zum Beispiel bezüglich ärztlicher oder aufenthaltsbestimmender Maßnahmen, sei sie aufgehoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten (Blatt 8/17) inhaltlich Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 25.10.2021 wurde das Gutachten an die Betroffene versandt (Blatt 19).
Mit Schreiben vom 27.10.2021 empfahl die Betreuungsstelle eine vorläufige Betreuung (Blatt 20) und schlug Frau G1. O. als Berufsbetreuerin vor.
Mit Verfügung vom 02.11.2021 wurde die Betroffene zu einer persönlichen Anhörung durch den Betreuungsrichterin geladen, die Betreuerin erhielt eine Terminsmitteilung (Blatt 21). Am 04.11.2021 teilte Frau L3. H. mit, sie sei eine Freundin der Betroffenen, die Betroffene bitte um Verlegung des Anhörungstermins, da sie zur Anhörung einen Anwalt hinzuziehen wolle (Blatt 22). Mit Verfügung vom 04.11.2021 wurde der Termin zur Anhörung auf den 12.11.2021 verlegt, um der Betroffenen die Hinzuziehung eines Anwalts zu ermöglichen.
Mit Beschluss vom 04.11.2021 bestellte das Amtsgericht der Betroffenen Frau Rechtsanwältin Ganser zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin (Blatt 24).
Am 12.11.2021 hörte der Betreuungsrichter die Betroffene im Rupertihof in Anwesenheit der Verfahrenspflegerin und der Betreuerin persönlich an (Blatt 26/27). Die Betroffene sei zeitlich desorientiert und verwirrt gewesen, eine Krankheitseinsicht habe sie nicht gezeigt. Das ärztliche Gutachten wurde mit der Betroffenen besprochen. Die Betroffene erklärte, ihr brauche niemand zu helfen. Sie wolle wieder nach München ziehen. Das Sachverständigengutachten stimme so nicht. Die Betroffene konnte und wollte sich zu der Frage einer Einrichtung der Betreuung nicht äußern. Die Person der Betreuerin wurde mit der Betroffenen besprochen, hiermit war sie einverstanden.
Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 12.11.2021, der Betroffenen zugestellt am 17.11.2021, ordnete das Betreuungsgericht die Betreuung für die Betroffene an für die folgenden Aufgabenkreise:
Vermögenssorge,
Gesundheitsfürsorge,
Aufenthaltsbestimmung,
Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrags,
Wohnungsangelegenheiten, Entscheidung über Unterbringung und Unterbringung ähnliche Maßnahmen, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vertretung in gerichtlichen Verfahren und Nachlassangelegenheiten,
Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise.
Zur Berufsbetreuerin wurde G Ö bestellt. Die Frist zur Überprüfung wurde festgesetzt auf 12.11.2028. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf den Beschluss (Blatt 28/31).
Mit Schriftsatz vom 15.11.2021 teilte die Verfahrenspflegerin mit, dass aus ihrer Sicht die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung vorlägen. Anlässlich der persönlichen Anhörung habe sie sich selbst ein Bild machen können, dass die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, ihre Aufgaben des täglichen Lebens zu versorgen, sie sei heillos überfordert, brauche dringend Hilfe in allen Lebenslagen und Unterstützung und Koordinierung für notwendige Arztbesuche aufgrund der Herzerkrankung. Die finanzielle Situation sei nicht geregelt und geklärt. Die Problematik der gekündigten Mietwohnung stehe im Raum (Blatt 33/34).
Mit Schriftsatz vom 19.11.2021 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen die Vertretung derselben an und legte im Namen der Betroffenen Beschwerde gegen den „Entmündigungsbeschluss“ vom 12.11.2021 ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, im Verfahren XVII 230/20 des Amtsgerichts Miesbach sei mit Beschluss vom 02.12.2020 das Verfahren wegen Anordnung einer Betreuung eingestellt worden, eine Betreuung sei nicht angeordnet. Demgegenüber sei aus den neuerlichen Unterlagen keine Veränderung des Zustands der Betroffenen zu entnehmen. Die Wohnung der Betroffenen sei nicht vermüllt, sondern eine Baustelle, die der Vermieter nicht fertigstellen lasse; der zugrunde liegende Wasserschaden falle in die Verantwortlichkeit des Vermieters. Es handele sich um den klassischen Versuch einer Entmietung. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. W. leide an erheblichen Mängeln, da die Dauer der psychiatrischen persönlichen Untersuchung am 03.09.2021 nicht angegeben sei und keine Schweigepflichtsbefreiung der Betroffenen beigefügt sei. Die Betreuung entbehre jeglicher Grundlage. Vorgelegt wurden hierzu als Anlage Lichtbilder von der Betroffenen bzw. der Wohnung (Blatt 54/67, 74/89).
Mit Schreiben vom 25.11.2021 bat die Betreuerin um die Erweiterung der Betreuung um einen Einwilligungsvorbehalt. Bei ihrem Besuch am 23.11.2021 bei der Betroffenen habe diese einen hohen Bargeldbetrag in einem Stoffbeutel am Rollator hängen gehabt. Außerdem lägen Forderungen des Vermieters in Höhe von knapp 22.000,00 € vor, ab Dezember würden Heimkosten in Höhe von 3.000,00 € fällig. Weitere Forderungen seien anzunehmen, da ein Lager angemietet worden sei, um Möbel und Hausrat einzulagern, daneben solle es noch eine Mietwohnung in München geben. Die Betroffene schädige sich und auch andere finanziell durch ihr Verhalten, ihr Wohl sei gefährdet, wenn sie weiterhin mit einer so hohen Bargeldsumme in der Öffentlichkeit unterwegs sei. Die Betroffene zeige keine Einsicht in die Notwendigkeit, diese Verhalten zu ändern. Die Betroffene beziehe nur eine monatliche Rente von aktuell 600,00 € (Blatt 91/93).
Mit Beschluss vom 26.11.2021 half der Betreuungsrichter der Beschwerde nicht ab. Die Anordnung der Betreuung sei auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu beanstanden. Das Gutachten vom 15.10.2021 leide nicht an erheblichen Mängeln. Zweifel an der sorgfältigen Begutachtung durch die gerichtsbekannte zuverlässige Sachverständige bestünden nicht. Aus dem Gutachten gehe hervor, dass die Betroffene aus medizinischer Sicht aufgrund der bestehenden Demenz nicht mehr in der Lage sei, ihre Angelegenheiten in den bestellten Aufgabenbereichen selbständig zu regeln. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten sich vollumfänglich bei der Anhörung durch den Betreuungsrichter am 12.11.2021 bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss (Blatt 94/99).
Mit Schreiben vom 29.11.2021 teilte die Betreuerin mit, dass die Betroffene in der letzten Woche an drei Tagen (22., 25. und 27.11.2021) von der Polizei in einem verwirrten Zustand in München bzw. Hausham aufgefunden und jeweils zurück in den Rupertihof gebracht worden sei. Die Einrichtung habe mitgeteilt, dass sich der Zustand der Betroffenen in den vergangenen zwei bis drei Wochen zusehends verschlechtert habe. Bei den Unternehmungen sei die Betroffenen nicht witterungsgerecht bekleidet gewesen. Bei dem letzten Besuch der Betreuerin am 26.11.2021 habe die Betroffene stark verwirrt gewirkt (Blatt 102). Sie bitte um Überprüfung, ob eine kurzfristige Unterbringung der Betroffenen möglich sei wegen einer Eigengefährdung. Im Rupertihof können die Betroffene nicht daran gehindert werden, die Einrichtung zu verlassen.
Mit Schriftsatz vom 08.12.2021 (Blatt 105/114) trug der Verfahrensbevollmächtigte weiter vor. Die Betroffene sei am 07.12.2021 ins Kreiskrankenhaus Agatharied gekommen. Es gebe keine Zweifel an der Fähigkeit der Betroffenen zur vollständigen Selbstbestimmung. Im Übrigen wiederholt der Verfahrensbevollmächtigte in weiten Teilen die Argumente aus der Beschwerdeschrift. Er beantragte, die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen durch ein Universitätsgutachten zu klären.
Mit Schriftsatz vom 09.12.2021 (Blatt 115/126) brachte der Verfahrensbevollmächtigte zusätzlich vor, das Amtsgericht habe Frau Dr. W. mit einem Gutachten zu den Voraussetzungen der Unterbringung beauftragt. Er habe mit der Betroffenen in der Psychiatrie in Agatharied telefoniert, die Betroffene werde sich nicht durch Frau Dr. W. untersuchen lassen.
Die Verfahrenspflegerin teilte gegenüber dem Amtsgericht mit (Blatt 128), dass die Betroffene akut eigengefährdet sei und dringend einen geschützten Platz brauche, damit sie sich nicht weiter selbst in Gefahr begebe, die aktuelle Weglauftendenz habe sich schon so manifestiert, dass eine andere Maßnahme nicht mehr möglich sei.
Mit Schriftsatz vom 12.12.2021 (Blatt 129/137) brachte der Verfahrensbevollmächtigte weiter vor, dass die Betreuerin keinesfalls berechtigt sei, dass Mietverhältnis für die Wohnung in der S2. straße 15a zu beenden. Die Wohnung sei zu erhalten und in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Ohne schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht durch die Betroffene sei das Gutachten von der Sachverständigen Dr. W. vom 15.10.2021 nicht verwertbar. Deshalb seien ohne Schweigepflichtsentbindung alle Beschlüsse des Amtsgerichts sofort aufzuheben. Ein Entmündigungs-/Betreuungsverfahren stelle lediglich eine Heuchelei dar, um die Betroffene leichter über den Tisch ziehen zu können; ein solches Verfahren sei immer geeignet, Neigungen, sich selbst zu töten, erheblich zu verstärken.
Mit Schreiben vom 12.12.2021 teilte die Betreuerin mit, dass die Betroffene ihr gegenüber angegeben habe, sie habe an den Verfahrensbevollmächtigten 8.000,00 € in bar bezahlt für die anwaltliche Unterstützung, die Betreuerin habe dieses Geld zurückgefordert. Daneben habe sie den Verfahrensbevollmächtigten gebeten, einen von seiner Ehefrau Linda Hacker-Kräutle ausgestellten Schuldschein über 300,00 € über ein Darlehen der Betroffenen an diese zu klären.
Mit Schriftsatz vom 12. und 14.12.2021 (Blatt 143 ff.) lehnte der Verfahrensbevollmächtigte im Namen der Betroffenen den Betreuungsrichter König als befangen ab und erhob gegen diesen Dienstaufsichtsbeschwerde. Mit Schriftsatz vom 14.12.2021 brachte der Verfahrensbevollmächtigter weiter zur Dienstaufsichtsbeschwerde vor (Blatt 155/156).
Am 08.12.2021 erstellte die kbo Lech Mangfall Klinik ein ärztliches Zeugnis über die am 07.12.2021 aufgenommene Betroffene. Als vorläufige Diagnose wurde Delir bei Demenz (ICD 10 F05.1) gestellt, Differenzialdiagnose Demenz bei Alzheimer-Krankheit (ICD 10 F00.9). Die Betroffene sei aufgrund ihrer kognitiven Defizite weder einsichts- noch steuerungs- noch urteilsfähig. Es bestehe aufgrund der Weglauftendenz und der kognitiven Defizite eine akute Eigengefährdung. Die Betroffene sei nicht einwilligungsfähig. Eine Unterbringung sei für sechs Wochen medizinisch indiziert (Blatt 157g).
Mit Schreiben vom 08.12.2021 beantragte die Betreuerin die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung, da die Betroffene in den letzten Wochen mehrmals von der Polizei orientierungslos und verwirrt in München und Umgebung aufgegriffen worden sei und teilweise nicht habe mitteilen können, wo sie wohne. Sie sei krankheitsuneinsichtig. In Gesprächen habe sie immer wieder mitgeteilt, nicht mehr leben zu wollen.
Am 08.12.2021 wurde die Betroffene zu der Frage der vorläufigen Unterbringung persönlich in der Klinik angehört (Blatt 157k).
Mit Beschluss vom 08.12.2021 genehmigte das Betreuungsgericht die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 18.01.2022 und bestellte Rechtsanwältin Ganser auch hier zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin (Blatt 157m).
Mit Schriftsätzen an das Amtsgericht bzw. Beschwerdegericht vom 28.12.2021 (Blatt 159/164), 22.12.2021 (Blatt 166 und Blatt 168/171), 23.12.2021 (Blatt 172/173), 26.12.2021 (Blatt 175/178), 13.01.2022 (Blatt 180) und 18.01.2022 trug der Verfahrensbevollmächtigte weiter vor.
Mit Verfügung vom 20.12.2021 (Blatt 179) ausgeführt am 10.01.2022, wurde dem Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht in die Akte sowie die Beiakte XVII 230/20 gewährt.
II.
1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss vom 12.11.2021 über die Anordnung der Betreuung ist zulässig, insbesondere wurde die Beschwerde innerhalb der Frist von einem Monat eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet und bleibt ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht die Notwendigkeit einer Betreuung in den angegebenen Aufgabenkreisen angenommen.
Dabei merkt die Kammer an, dass sie die Frage der Notwendigkeit und der Voraussetzungen einer Betreuungsanordnung besonders kritisch prüft, wenn ein Dritter, der ein Eigeninteresse haben könnte, wie hier der Vermieter der Betroffenen, der bereits die Wohnung der Betroffenen gekündigt hat, das Betreuungsverfahren anregt.
a) Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Betreuer zu bestellen, wenn die betroffene Person aufgrund einer psychischen Krankheit ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
aa) Die Betroffene leidet an einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1896 BGB, nämlich einer dementiellen Erkrankung unklarer Genese in Form einer nicht näher bezeichneten Demenz (ICD-10 F03). Es sei bei der Betroffenen die Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögens mit beträchtlicher Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens als typisches Symptom erfüllt. Bei ihr liege auch eine Störung des Gedächtnisses betreffend Aufnahme, Speichern und Wiedergabe neuer Informationen vor, auch gehe bei ihr früher gelerntes und vertrautes Material verloren. Es bestehe auch eine Beeinträchtigung des Denkvermögens, der Fähigkeit zum vernünftigen Beurteilen sowie eine Verminderung des Ideenflusses. Die Informationsverarbeitung sei beeinträchtigt. Die Symptome und Störungen lägen auch schon länger als sechs Monate vor, nachdem der behandelnde Arzt Dr. V. in der Klinik in Bad Aibling bereits 2020 die Demenzdiagnose gestellt habe.
Das Ausmaß der Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Gedächtnisleistungen sei angesichts der eigenen psychiatrischen Untersuchung alltagsrelevant.
Der bei der Betroffenen durchgeführte Mini-Mental-Status-Test (MMST), ein Demenz-Screening-Verfahren, habe ein Ergebnis von 17 von 30 möglichen Punkten ergeben, was für eine mittelgradige dementielle Erkrankung spreche. Bei dem ebenfalls durchgeführten Uhrentest nach Shulman sei die Betroffene nicht mehr in der Lage gewesen, eine bestimmte Uhrzeit in eine Uhr mit Ziffern und Zeigern korrekt einzuzeichnen.
Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des fundierten, umfassenden Gutachtens der gerichtsbekannt erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen Dr. W., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 15.10.2021, das auf dem Inhalt der Akte unter Berücksichtigung der früheren Betreuungsakte, Az. XVII 230/20, mit dem Arztbrief vom 04.06.2020, fremdanamnestischen Angaben sowie auf einer eigenen Exploration der Betroffenen am 03.09.2021 mit selbst durchgeführten Testungen beruht und an dessen Richtigkeit die Kammer keinen Zweifel hat. Der Inhalt des Gutachtens konnte in jeder Hinsicht nachvollzogen werden, insbesondere auch anhand der Schilderung der Äußerungen und des Zustands der Betroffenen in der Exploration. So konnte die Betroffene gegenüber der Sachverständigen nicht angeben, warum sie sich im KWA-Stift Rupertihof in Rottach-Egern befand, sie reagierte ratlos und überfordert auf die Frage, wie es in Zukunft weitergehen könne. Sie habe zu ihrem bisherigen Vermieter in Tegernsee angegeben, dass sie die Miete immer bei sich trage, damit dieser sehen könne, dass sie das Geld auch habe; dann habe sie einen Kosmetikbeutel aus dem Netz ihres Rollator gezogen der mit 100-Euro-Scheinen vollgestopft gewesen sei, und habe dazu angegeben, das seien 10.500,00 €. Daneben habe die Betroffene in der Anhörung noch in ihrer Handtasche viele 100 €-Scheine gehabt. Sie habe dazu erklärt, sie habe das Geld bei sich, damit sie renovieren könne. Die Frage, warum sie das Geld nicht auf die Bank bringe, damit es nicht gestohlen werden könne, habe die Betroffene nicht beantworten können. Die Betroffene habe angegeben, sie wisse nicht, wie es weitergehen werde, aber sie sei nicht dement. Mit der Frage nach ihrem Lebensstandard und ihrer finanziellen Situation sei sie vollkommen überfordert gewesen, habe nicht gewusst, wie viel Rente sie bekomme. Bei der Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit habe sie sich auf die Frage, was für ein Tag heute sei, völlig desorientiert gezeigt und als aktuelles Jahr das Jahr 1921 angegeben. Das Wort Radio habe sie nicht rückwärts buchstabieren können.
Die Einschätzung der Sachverständigen wird auch bestätigt durch den Arztbrief der Schön-Klinik Bad Aibling vom 04.06.2020, wo sich die Betroffene damals in stationärer Behandlung befand, in dem die Diagnose eines hochgradigen Verdachts auf Demenz vom Alzheimertyp gestellt wurde. Die Betroffene sei zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, weise aber deutliche Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie eine Merkfähigkeitsstörungen auf. Testdiagnostisch habe sie im MoCa-Test 18 Punkte erreicht, was einer mittelgradigen kognitiven Beeinträchtigung entspreche.
Auch die persönliche Anhörung der Betroffenen durch den Betreuungsrichter vom 12.11.2021 bestätigte die Ausführungen der Sachverständigen. Im Anhörungsprotokoll schilderte der Richter, dass einzelne Äußerungen der Betroffenen inhaltlich unverständlich gewesen seien, die Betroffene zeitlich desorientiert und örtlich nur unscharf orientiert gewesen sei. Situativ sei die Betroffene desorientiert gewesen. Krankheitseinsicht habe die Betroffene nicht gezeigt. Sie sei verwirrt und verunsichert gewesen. Es sei nicht beurteilbar gewesen, ob die Betroffene den Sachverhalt verstanden habe.
Nach all dem hatte die Kammer keinen Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens.
Auf die mit der Beschwerde gerügte fehlende schriftliche Schweigepflichtsbefreiung der Sachverständigen durch die Betroffene und die deswegen geltend gemachte Unverwertbarkeit des Gutachtens kommt es vorliegend nicht an. Die Sachverständige hat in der Exploration festgehalten, dass die Betroffene sich mit der Durchführung der Untersuchung einverstanden gezeigt und sie die Sachverständige von der Schweigepflicht entbunden habe, auch sei die Betroffene mit der Verwendung vorliegender Arztbriefe und Epikrisen einverstanden gewesen.
Soweit die Beschwerde weiter an dem Gutachten bemängelt, es leide an einem erheblichen Mangel, weil die Sachverständige die Dauer der psychiatrischen Untersuchung vom 03.09.2021 nicht angegeben habe, so wäre dies zum einen nicht erforderlich, zum anderen hat die Sachverständige jedoch auch auf Seite 19 des Gutachtens (Blatt 17 der Akte) ausgeführt, dass die psychiatrische Untersuchung beinahe eineinhalb Stunden gedauert habe.
Nach all dem gab es nicht den geringsten Anhaltspunkt, weder formell noch inhaltlich, weswegen ein weiteres Gutachten zu der Frage der Anordnung der Betreuung und deren medizinischen Voraussetzungen zu erholen gewesen wäre.
bb) Aufgrund dieser Krankheit ist die Betroffene nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten in den angeordneten Aufgabenkreisen selbst zu regeln.
Die Sachverständige Dr. W. hat ausgeführt, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Gedächtnisleistungen alltagsrelevant sei, so dass aus medizinischer Sicht kein Zweifel an der Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung bestehe. Die selbstständige Alltagsbewältigung der Betroffenen müsse aufgrund der psychischen und auch körperlichen Beeinträchtigungen als stark eingeschränkt bezeichnet werden. Aus den Akten bzw. den fremdanamnestischen Angaben des Einrichtungsleiters des Rupertihofs ergebe sich in der letzten Zeit, etwa seit 2019, eine zunehmende Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit verbunden mit zunehmender Hilflosigkeit. Die Betroffene sei nachts von der Polizei hilflos umherirrend aufgegriffen worden. Auch die Schön-Klinik habe im Juni 2020 bereits den Eindruck gehabt, dass die Betroffene aufgrund ihrer dementiellen Entwicklung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln könne. Mit den aktuellen Problemen (Wasserschaden in der Wohnung, Aufenthalt im Seniorenheim Rupertihof, ohne dass dort Finanzierung oder Vertrag geregelt waren, Kündigung der früheren Mietwohnung) sei die Betroffene völlig überfordert gewesen. Sie sei nicht mehr in der Lage, vorausschauend oder planerisch zu denken, auch nicht entsprechend zu handeln. Die Betroffene benötige Hilfe im Alltag, im Umgang mit Behörden und Versicherungen, auch im Umgang mit Gerichten und Banken. Die Betroffene erkenne diesen Hilfebedarf nicht, leugne ihre Erkrankung und bagatellisiere ihre Defizite sehr. Sie habe eine große Menge Bargeld in einem Beutel in ihrem Rollatornetz völlig offen und ungeschützt mit sich geführt. Deutlich alltagsrelevant sei die Beeinträchtigung der Auffassungsgabe, der Aufmerksamkeit, der Konzentrationsfähigkeit und der Gedächtnisleistungen sowie der exekutiven Funktionen. Die Betroffene könne keine Zusammenhänge mehr erkennen und habe auch Schwierigkeiten im vorausschauenden, planerischen Denken und Handeln. Die Mietwohnung sei gekündigt, die Betroffene sei obdachlos, wenn sie nicht weiterhin im Rupertihof wohnen könne, wo allerdings die Formalitäten und die Finanzierung noch nicht geregelt seien. Die Betroffene sei hierzu nicht in der Lage. Verträge müssten unterzeichnet werden, eine Pflegestufe müsse beantragt werden, daneben müssten die Räumung der ehemaligen Wohnung und der Umzug organisiert werden. Daneben brauche die Betroffene aber auch Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags im Hinblick auf Tabletteneinnahme und Gesundheitssorge sowie in der Kommunikation mit Ämtern, Behörden, Sozialversicherungsträgern, Banken und Gerichten. Die Betroffene habe den Überblick über ihre Angelegenheiten, auch ihre Finanzen, verloren und sei sich der Tragweite und der Konsequenzen ihres Handelns nicht mehr bewusst. In gesundheitlichen Angelegenheiten werde die Betroffene bei zunehmender Gebrechlichkeit mehr Unterstützung benötigen, da sie aufgrund der wahrscheinlich fortschreitenden Symptomatik der kognitiven Beeinträchtigungen zunehmend hilfebedürftig werde und auch die körperlichen Beeinträchtigungen zunähmen. Aus medizinischer Sicht bestehe daher die Notwendigkeit der Betreuung für die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Miet- und Wohnungsangelegenheiten inklusive Abschluss von Verträgen und Kontrolle deren Einhaltung, Heimangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialversicherungsträgern, Vertretung im gerichtlichen Verfahren und Nachlassangelegenheiten sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, ausgenommen rein privater Schriftverkehr. Die Betroffene sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Sie sei nicht mehr in der Lage, die Schwere ihrer Erkrankung sowie Ausmaß, Umfang und Konsequenzen ihres Handelns und ihrer Entscheidung noch ausreichend beurteilen zu können. Sie sei angewiesen auf Hilfe und Unterstützung eines Betreuers.
An der Erforderlichkeit der angeordneten Aufgabenkreise hatte die Kammer daher keinen Zweifel, auch angesichts des Zustands der Betroffenen und ihres geschilderten Verhaltens.
(1) Aufenthaltsbestimmung, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrags, Wohnungsangelegenheiten:
Angesichts der oben geschilderten Ausführungen und Feststellungen der Sachverständigen zu den Fragen rund um die Wohnung (Kündigung, Räumung der alten Wohnung, Umzug, Frage eines möglichen Verbleibs im Seniorenheim Rupertihof mit Abschluss entsprechender Verträge, drohende Obdachlosigkeit), die so im Wesentlichen auch von der Verfahrenspflegerin mit Schreiben vom 15.11.2021 beschrieben wurden, besteht hier ohne Zweifel ein Bedarf für eine Betreuung in diesen Aufgabenkreisen.
(2) Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen:
Nachdem die Betroffene inzwischen vorläufig untergebracht wurde und aktuell sich die Frage der Verlängerung stellt, besteht auch hier die Notwendigkeit für die Anordnung der Betreuung in diesem Aufgabenkreis.
(3) Gesundheitsfürsorge:
Nach den Ausführungen der Sachverständigen benötigt die Betroffene Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags im Hinblick auf Tabletteneinnahme und Gesundheitssorge. Sie ist nicht mehr in der Lage, die Schwere ihrer Erkrankung zu erkennen. Krankheitseinsicht habe die Betroffene nicht gezeigt. Es muss eine Pflegestufe beantragt werden. Nach Auskunft der Verfahrenspflegerin benötigt die Betroffene auch Unterstützung und Koordinierung für notwendige Arztbesuche aufgrund der Herzerkrankung. Angesichts dieser Lage besteht die Notwendigkeit der Anordnung dieses Aufgabenkreises.
(4) Vermögenssorge:
Nach den Ausführungen der Sachverständigen ist die Betroffene nicht mehr geschäftsfähig. Dazu wurde festgestellt, dass die Betroffene keinen Überblick über ihre finanzielle Lage und ihre Einkünfte hat und erhebliche Mengen Bargeld ungesichert mit sich herum trägt, damit ihr früherer Vermieter sehe, dass sie die Miete bezahlen kann, und damit sie renovieren könne. Den Gedanken, das Geld aus Sicherheitsgründen auf die Bank zu bringen, konnte sie nicht nachvollziehen. Es bestehen gleichzeitig erhebliche Forderungen des früheren Vermieters, möglicherweise zusätzlich für ein gemietetes Lager, und im Raum stehen auch Mietforderungen für eine Wohnung in München, was die Betreuerin als finanzielle Gesamtlage noch zu klären versucht. Die Betroffene ist mit einer Lösung dieser Probleme völlig überfordert.
Klärungsbedarf besteht außerdem im Hinblick auf eine Rechtsanwalts-Honorarvereinbarung.
(5) Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern:
Die Kompetenz zur Vertretung ergibt sich für den Betreuer in der Regel automatisch als Rechtsfolge aus der Zuweisung des jeweiligen Aufgabenkreises, so dass die gesonderte Nennung des Aufgabenkreises zur Klarstellung erfolgt, sofern nicht ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten Verfahren hergestellt wird (Palandt/Götz, BGB, 80. Aufl., § 1896, Rn. 22). Vorliegend handelt es sich um eine solche Klarstellung, dass die Betreuerin in den ansonsten festgesetzten Aufgabenkreisen die Betroffene entsprechend vertreten kann.
Angesichts der fehlenden Geschäftsfähigkeit und der von der Sachverständigen ausgeführten Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Gedächtnisleistungen sowie der exekutiven Funktionen und da die Betroffene keine Zusammenhänge mehr erkennen kann, nicht mehr vorausschauend planen, denken und handeln kann, war die Betroffene auch in diesem Bereich nicht in der Lage ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, so dass die Vertretung gegenüber den genannten Stellen in den angeordneten Aufgabenkreisen erforderlich war.
(6) Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise:
Die zu den einzelnen Aufgabenkreisen angeführten Argumente, insbesondere die Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten und exekutiven Funktionen, machen zur Überzeugung der Kammer diese Annexbefugnis zu den erforderlichen Aufgabenkreisen ebenfalls notwendig. Da eine rechtliche Verständigung mit der Betroffenen nach dem Sachverständigengutachten nicht mehr möglich und die Betroffene nicht mehr geschäftsfähig ist, könnte die Betreuerin ihre Betreuungsaufgaben ohne die Postkontrolle nicht sinnvoll ausüben.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen im Rahmen der Beschwerdebegründung darauf abstellt, dass noch am 02.12.2020 im Verfahren Az. XVII 230/20 das Betreuungsverfahren eingestellt und eine Betreuung nicht angeordnet wurde, so hat sich aus den dem hier angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Tatsachen, insbesondere auch dem Sachverständigengutachten, das im früheren Verfahren letztlich nicht mehr erholt wurde, ergeben, dass jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 1896 BGB vorlagen. Angesichts der Erkrankung der Betroffenen, nämlich einer dementiellen Erkrankung, die in der Regel einen chronisch-progredienten Verlauf hat, kann ein weiteres vergangenes Jahr eben, wie es hier erfolgt ist, einen entscheidenden Unterschied machen. Daneben ist aber anzumerken, dass bereits im Juni 2020 die Schön-Klinik den hochgradigen Verdacht auf Demenz feststellte, so dass ein damals erholtes Gutachten möglicherweise auch bereits einen Betreuungsbedarf ergeben hätte.
Auf die vom Verfahrensbevollmächtigten mit der Beschwerde vorgebrachte Argumente, die Vermüllung der Wohnung der Betroffenen sei nicht richtig, die Wohnung sei einfach nur eine Baustelle, die Betroffene meistere den Weg durch das Haus und in ihre Wohnung problemlos mit einem Rollator, kommt es nicht an. Bereits aufgrund der anderen Tatsachen steht die Erforderlichkeit der Betreuung in den angeordneten Aufgabenkreisen zur Überzeugung der Kammer fest.
cc) Die Betroffene ist auch – nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen – krankheitbedingt nicht in der Lage, ihren Willen bezüglich der Errichtung einer Betreuung frei zu bestimmen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln. Auch hat die Betroffene keine Krankheitseinsicht. Eine Betreuerbestellung ist daher auch gegen den Willen der Betroffenen gerechtfertigt.
b) Gegen die Auswahl der Betreuerin, die auch die Betreuungsstelle vorgeschlagen hatte, bestehen nach Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen der Betroffenen keine Bedenken. Die Betroffene hat auch keine andere Person als die bestellte Betreuerin benannt.
c) Weniger einschneidende Maßnahmen standen aus Sicht der Kammer nicht zur Verfügung. Auch die Sachverständige führte in ihrem Gutachten aus, dass andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen würden, aus medizinischer Sicht nicht gegeben seien.
d) Die Dauer der Betreuung mit einer Überprüfungsfrist bis spätestens zum 12.11.2028 entspricht der Empfehlung der Sachverständigen, die eine Betreuungsanordnung für sieben Jahre für notwendig erachtete. Sie entspricht damit auch dem Gesetz, da gemäß § 295 Abs. 2 FamFG über die Verlängerung der Betreuung spätestens sieben Jahre nach Anordnung der Maßnahme zu entscheiden ist.
e) Eine nochmalige Anhörung der Betroffenen durch die Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu der Frage der Betreuungsanordnung war vorliegend nicht veranlasst.
Die Betroffene wurde durch das Betreuungsgericht zeitnah am 12.11.2021, also am Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, persönlich angehört. Eine Verfahrenspflegerin für das Verfahren zur Betreuungsanordnung war bestellt, diese war ebenso wie die Betreuerin bei der Anhörung anwesend. Der Verfahrensbevollmächtigte zeigte sich erst nach dem angefochtenen Beschluss mit Schreiben vom 19.11.2021 an. Das Gutachten der Sachverständigen war bereits am 25.10.2021 an die Beteiligten versandt worden, auch an die Betroffene, so dass ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Anhörung blieb. Außerdem wurde das Gutachten in der Anhörung zusätzlich besprochen.
Die Betroffene konnte und wollte sich nach dem Protokoll des Betreuungsrichters vom 12.11.2021 zu der Frage der Einrichtung der Betreuung nicht äußern. Lediglich zu der Person der Betreuerin Frau Ö. gab sie an, dass sie mit dieser einverstanden sei. Damit war die Betroffene in der Anhörung mit der Betreuungsanordnung als solcher nicht erklärtermaßen einverstanden, so dass die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss über die Anordnung der Betreuung kein Meinungswechsel darstellt, der als neue Tatsache zu sehen wäre.
f) Soweit der Verfahrensbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Beschwerde von Entmündigung spricht, ist dies nach der Änderung des Betreuungsrechts vor etlichen Jahren überhaupt nicht der Fall, die Betroffene ist in keiner Weise entmündigt, ein Einwilligungsvorbehalt ist ja auch gar nicht angeordnet. Eine Betreuung ist lediglich eine Unterstützung und Hilfestellung für die Betroffene.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.


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