Familienrecht

Fahrzeug, Gutachten, Mangel, Festsetzung, Feststellung, Vergleich, Erstattung, Notwendigkeit, Gutachtensauftrag, Umfang, Pflichtverletzung, Aufwendungen, Auskunft, Erforderlichkeit, Tschechische Republik, Notwendigkeit der Hinzuziehung, ungerechtfertigter Bereicherung

Aktenzeichen  22 O 180/19

Datum:
2.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9045
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Entschädigung des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Dirk Schrievers für seine Tätigkeit im Verfahren des Landgerichts Bayreuth, Az. 22 O 180/19, wird auf 0,- € festgesetzt.
2. Die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Dirk Schrievers bereits erhaltene Vergütung in Höhe von 3.538,35 € ist an die Staatskasse zurückzuzahlen.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Aufgrund Beweisbeschlusses vom 30.04.2020 (Bl. 135 f. d.A.) wurde der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Dirk Schrievers beauftragt, ein schriftliches Gutachten zu von der Klagepartei behaupteten technischen Mängeln des streitgegenständlichen Fahrzeugs BMW xDrive Limousine zu verfassen. Hinsichtlich der einzelnen Mängelbehauptungen wird auf den Beweisbeschluss Bezug genommen. Im Rahmen der Auftragserteilung wurde der Sachverständige explizit um unverzügliche Prüfung gebeten, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann (Bl. 139 d.A.).
Mit Schreiben vom 04.06.2020 (Bl. 144 d.A.) bestätigte der Sachverständige die Annahme des Gutachtensauftrags, das voraussichtliche Ausreichen des Kostenvorschusses von 5.000,- € sowie eine voraussichtlich fristgerechte Gutachtenserstattung binnen drei Monaten.
Mit Schriftsatz vom 17.07.2020 beantragte der Klägervertreter erstmals, den Sachverständigen vom Gutachtensauftrag zu entbinden und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Sachverständige „nicht der richtige Sachverständige [sei], um die Fragen des Beweisbeschlusses sach- und fachkundig sowie ordnungsgemäß abzuarbeiten“ (Bl. 151 d.A.). Mit Schreiben vom 28.07.2020 nahm der Sachverständige zu den Vorhaltungen des Klägervertreters Stellung (Bl. 162 ff. d.A.) und teilte mit, dass eine „weitergehende Untersuchung nur unter Zuhilfenahme des Herstellers sinnvoll möglich [sei], weil entsprechendes Diagnose- und Messgerät von Sachverständigen in dem Umfang weder vorgehalten werden könn[e] noch für konkrete Fahrzeugtypen zur Verfügung“ stehe (Bl. 166 d.A.). Einen Kontakt zu BMW habe der Kläger bereits bei Fahrzeugübergabe am 23.06.2020 mitgeteilt (Bl. 164 d.A.).
Mit Verfügung vom 01.10.2020 (Bl. 183 d.A.) stellte das Gericht dem Sachverständigen die Rückgabe des Gutachtensauftrages oder alternativ die Kontaktaufnahme zu BMW anheim.
Mit Schreiben vom 26.10.2020 gab der Sachverständige S. den Gutachtenauftrag zurück (Bl. 196 d.A.). Zur Begründung führte er sinngemäß an, dass unsicher sei, ob es ihm möglich sein würde, unter Zuhilfenahme der BMW AG den Gutachtensauftrag abzuschließen, und dass jedenfalls mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen zu rechnen wäre. Er selbst „verfüge […] nicht über solche Diagnose- und Messgeräte, welche die vorgetragenen Fahrzeugmängel feststellen und dokumentieren könnten“ (a.a.O.). Der Sachverständige übermittelte einen Tätigkeitsbericht vom 29.10.2020 und übersandte eine Rechnung über 3.540,11 € (Bl. 198 f. d.A.). Nach Prüfung der Anweisungsbeamtin (Bl. 200 f d.A.) wurde ein Betrag von 3.538,35 € an den Sachverständigen S. ausbezahlt (Bl. 202 d.A.).
Mit Schreiben vom 22.12.2020 erklärte die Klagepartei, dass sie die Kosten des Sachverständigen S. für nicht erstattungsfähig halte. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Sachverständige S. kein Gutachten erstellt und nicht einmal über das technische Equipment verfügt habe, um sachgerechte und aufgabenbezogene Feststellungen treffen zu können. Der Sachverständige S. habe mangels Auslesetechnik unnötige und unsinnige Fahrten mit dem Fahrzeug sowie Privatfahrten einschließlich einer Fahrt in die Tschechische Republik unternommen und auch andere Personen mit dem Fahrzeug fahren lassen. Insgesamt seien mit dem geleasten Fahrzeug in der Obhut des Sachverständigen S. 5.300 km zurückgelegt worden (Bl. 222 f.).
Die Beklagtenpartei erklärte mit Schriftsatz vom 15.01.2021 ebenfalls, dass dem Sachverständigen S. ihrer Auffassung nach keine Entschädigung zustehe (Bl. 238 d.A.).
Der hierzu angehörte Sachverständige S. räumte mit Schreiben vom 18.01.2021 ein, dass er die „aufgeführten Fahrten beispielsweise Würzburg, Nürnberg, Regensburg oder auch Tschechien […] möglicherweise aus privatem Anlass durchgeführt [habe], dies aber immer unter Beobachtung des Fahrzeugs und dessen Verhalten und Dokumentation mit entsprechenden Kameras“ (Bl. 239R d.A.). Es mache keinen Unterschied, aus welchem Anlass die Fahrten durchgeführt worden seien (a.a.O.) und diese seien auch „keinesfalls unnötig oder unsinnig“ gewesen, weil sie Voraussetzung dafür gewesen seien, um überhaupt einem möglichen Mangel auf den Grund gehen zu können (Bl. 240 d.A.). Er überlasse letztlich dem Gericht, ob seine Aufwendungen erstattungspflichtig seien (a.a.O.).
Der Sachverständige S. wurde mit Beschluss vom 26.11.2020 formal vom Gutachtensauftrag entbunden (Bl. 207 d.A.). Nachdem eine zwischenzeitlich beabsichtigte Begutachtung durch den Sachverständigen P. K., G., letztlich nicht durchgeführt wurde – wodurch keine Kosten entstanden sind -, wurde mit Beschluss vom 11.03.2021 der Sachverständige Dipl.-Ing. F2. A. F., H., mit der Gutachtenserstattung betraut (Bl. 262 f. d.A.). Der Sachverständige F3. beantwortete den Gutachtensauftrag vollumfänglich und rechnete hierfür 2.231,60 € ab (Bl. 283 d.A.).
Auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen F3. schlossen die Parteien letztlich nach mehreren Vorschlägen des Gerichts einen prozessbeendenden Vergleich (Bl. 336 ff. d.A.).
Mit Schriftsatz vom 29.09.2021 beantragte der Kläger festzustellen,
dass der Sachverständige S. keinen Anspruch auf Kostenerstattung habe (Bl. 310 d.A.).
Die zur damit aufgeworfenen Frage der Festsetzung der Sachverständigenvergütung angehörte Bezirksrevisorin beantragte am 23.10.2021 (Bl. 323 ff. d.A.), festzustellen, dass der Sachverständige seiner Vergütung verlustig sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass es dem Sachverständigen nicht gelungen sei, während sechs Monaten die Voraussetzungen der Gutachtenserstattung zu schaffen und dass die Tätigkeiten des Sachverständigen S. in der Folge nicht verwertet wurden. Der Tätigkeitsbericht des Sachverständigen stelle weder ein verwertbares Gutachten dar noch stehe die abgerechnete Tätigkeit im Verhältnis zum Umfang des Tätigkeitsberichtes. Auch sei in Bezug auf unternommene Auslandsfahrten ein „relativ sorgloser Umgang des Gutachters mit dem zu begutachtenden Fahrzeug festzustellen“ (Bl. 326 d.A.).
Der Sachverständige wurde zur Frage der Streichung oder Kürzung der Sachverständigenvergütung mit Schreiben vom 26.10.2021 angehört (Bl. 331) und hat sich hierzu mit Schreiben vom 18.11.2021 (Bl. 364 ff. d.A.) und nach gewährter Akteneinsicht mit weiterem Schreiben vom 07.12.2021 (Bl. 377 f. d.A.) geäußert. Dabei hat der Sachverständige ausdrücklich beantragt, ihm die ungekürzte Vergütung zuzusprechen (Bl. 374 u. 378 d.A.).
II.
Der Antrag der Klagepartei vom 29.09.2021 ist mangels Statthaftigkeit unzulässig. Die Parteien eines Rechtsstreits sind gemäß § 4 I 1 JVEG nicht zur Stellung eines Antrags auf Festsetzung der Vergütung berechtigt. Dies gilt auch dann, wenn die Vergütung wegen der vermeintlichen Unbrauchbarkeit des Gutachtens nach § 8 a JVEG aberkannt werden soll und ungeachtet der Frage, ob die Partei Kostenschuldner der Gerichtskosten ist oder nicht (Schneider, JVEG, 4. Aufl. 2021, § 4 Rn. 22). Dies schon deshalb, weil der Beschluss gemäß § 4 IX JVEG nicht zu Lasten des Kostenschuldners wirkt.
III.
Der von der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse gestellte Antrag ist hingegen zulässig und begründet.
1. Der Antrag der Staatskasse ist gemäß § 4 I 1 Var. 2 JVEG statthaft.
Unabhängig hiervon wäre die Vergütung des Sachverständigen S. in Anwendung des § 4 I 2 JVEG gemäß § 4 I 1 Var. 3 JVEG von Amts wegen festzusetzen gewesen, weil aufgrund des Vortrages der Parteien die Streichung oder Kürzung der Vergütung in Betracht kommt.
2. Der Antrag ist auch begründet. Dem Sachverständigen ist die Vergütung gemäß § 8 a II 1 Nr. 1 JVEG zu versagen mit der Konsequenz, dass die bereits ausgezahlte Vergütung zurückzufordern ist.
a) Der Sachverständige hat entgegen § 8 a II 1 Nr. 1 JVEG gegen seine aus § 407 a I ZPO resultierende Pflicht verstoßen, unverzüglich zu prüfen, ob er den Auftrag binnen gesetzter Frist ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigen kann, und dies verneinendenfalls unverzüglich dem Gericht mitzuteilen. § 407 a I ZPO knüpft dabei an die Verletzung der Mitteilungspflicht an (vgl. BayVerfGH, BeckRS 2003, 14050 (Rn. 23); Schneider/Volpert/Fölsch/Pannen/Simon, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 8 a JVEG Rn. 7).
aa) Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 04.06.2020 (Bl. 144 d.A.) den Gutachtensauftrag bestätigt, aber hierbei und auch in der unmittelbaren Folge nicht darauf hingewiesen, dass er zur Gutachtenserstellung auf die Unterstützung der Herstellerfirma angewiesen sein könnte.
(1) Fest steht, und dies allein ist entscheidend, dass der Sachverständige die in der Sache erforderliche Mitteilung unterließ, dass er – wie er selbst einräumt (u.a. Bl. 165, 166, 365 d.A.) – mangels hierfür ausreichender technischer Ausstattung nicht in der Lage war, das Gutachten eigenständig und ohne Zuhilfenahme externer Expertise abschließend zu bearbeiten.
Weshalb der Sachverständige dies unter Verstoß gegen § 407 a I 2 ZPO gegenüber dem Gericht zunächst nicht kommunizierte, ist im Ergebnis unerheblich, also ob der Sachverständige entgegen seiner aus § 407 a I 1 ZPO resultierenden Verpflichtung nicht oder nicht hinreichend vor Auftragsannahme geprüft hat, ob er tatsächlich in der Lage sein würde, den Gutachtensauftrag eigenständig in seinem gesamten Umfang abzuarbeiten, oder ob er im Rahmen der Vorabprüfung erkannt hat, dass er – zumindest möglicherweise, in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Begutachtung (vgl. Ausführungen des Sachverständigen Bl. 366 d.A.) – nicht eigenständig zur abschließenden Gutachtensbearbeitung in der Lage sein würde.
(2) Die Pflicht zur Überprüfung der eigenen vollumfänglichen Fachkompetenz durch den Sachverständigen beschränkt sich nicht lediglich auf die Lektüre des Beweisbeschlusses, dessen Tragweite sich häufig nicht hinreichend aus dem bloßen Wortlaut erschließt, sondern setzt ein zumindest kursorisches Aktenstudium voraus. Verletzt der Sachverständige diese vorgelagerte Pflicht und die hieran anknüpfende Mitteilungspflicht schuldhaft, so entfällt der Entschädigungsanspruch, wenn sich später herausstellt, dass die fachliche Qualifikation für die umfassende Bearbeitung des Gutachtensauftrags nicht ausgereicht hat (BayVerfGH, a.a.O.). Nichts anderes gilt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Sachverständige nicht über das erforderliche technische Equipment als Voraussetzung einer abschließenden Gutachtensbearbeitung verfügt. Auch die Frage, ob dem Sachverständigen das zur eigenständigen, abschließenden Bearbeitung erforderliche technische Equipment zur Verfügung steht, ist im Rahmen der Vorabprüfung unter Zugrundelegung des Beweisbeschlusses vom Sachverständigen zu bedenken. Bei hinreichender Prüfung der Reichweite des Beweisbeschlusses hätte der Sachverständige erkennen können und müssen, dass er nicht über eine möglicherweise erforderliche technische Ausrüstung verfügt und sich diese auch nicht ohne Weiteres beschaffen kann.
(3) Soweit der Sachverständige S. argumentiert, es hätte erst nach Feststellung von Mängeln beurteilt werden müssen, wie diese weiter zu analysieren und inwieweit dazu aufwändige Messtechnik notwendig sei (Bl. 367 d.A.), kann er hiermit nicht durchdringen. Es stand von Anfang an – wie der Sachverständige S. indirekt letztlich einräumt – die Möglichkeit im Raum, dass sich im Rahmen der Durchführung der Begutachtung die Notwendigkeit einer Hinzuziehung externer Expertise ergeben könnte, weil der Sachverständige selbst nicht über das unter Umständen erforderlich werdende technische Equipment verfügte. Der Sachverständige ist aber nach § 407 a I ZPO gehalten, jeglichen Zweifel im Hinblick auf den Gutachtensauftrag oder Grenzen der Gutachtenserstattung unverzüglich dem Gericht gegenüber zu kommunizieren (vgl. BeckOK-KostenR/Bleutge, 36. Ed. Stand 01.01.2022, § 8 a JVEG Rn. 9; Toussaint/Weber, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 8 a JVEG Rn. 43).
(4) Der Sachverständige S. hat auch eingeräumt, dass das Gericht aufgrund der Angaben in seinem Schreiben vom 04.06.2020 „nicht davon ausgehen konnte, dass es Probleme bei der Gutachtenerstattung geben konnte“ (Bl. 374 d.A.). Erst nachdem der Klägervertreter die fachliche Eignung des Sachverständigen im Schriftsatz vom 17.07.2020 in Frage gestellt hatte, teilte der Sachverständige dem Gericht telefonisch am 29.07.2020 mit, dass die Begutachtung in Zusammenarbeit mit BMW fortgesetzt werden müsste, da er nicht über das erforderliche technische Equipment verfüge (Telefonvermerk, Bl. 152 d.A.). Diese Mitteilung kann aufgrund eines Zeitablaufs von knapp zwei Monaten schlechterdings nicht mehr als ohne schuldhaftes Zögern im Sinne des § 121 BGB und damit unverzüglich erfolgt angesehen werden (vgl. Toussaint/Weber, § 8 a JVEG Rn. 32). Mit Schreiben vom 28.07.2020, welches dem Einzelrichter erst am 12.08.2020 vorlag (vgl. Vermerk der Geschäftsstelle, Bl. 170R d.A.), teilte der Sachverständige schriftlich mit, dass er nicht über das erforderliche Equipment verfüge, welches zur abschließenden Bearbeitung des Gutachtensauftrages erforderlich sei und dass deshalb auf die Unterstützung des Herstellers zurückgegriffen werden sollte (Bl. 166 d.A.). Auch dieses Schreiben erfüllt das Unverzüglichkeitserfordernis des § 407 a 12 ZPO offensichtlich nicht.
(5) Dass der Sachverständige in seinen Stellungsnahmen mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er fachlich in der Lage war, das Gutachten zu erstellen, ist insoweit unbehelflich. Das Gericht hat an der grundsätzlichen fachlichen Befähigung des Sachverständigen zur Erstattung eines derartigen Gutachtens keinen Zweifel. Dies ändert aber nichts daran, dass der Sachverständige die Notwendigkeit der Hinzuziehung externen Sachverstandes bzw. der Zusammenarbeit mit dem Hersteller pflichtwidrig möglicherweise nicht rechtzeitig erkannt, jedenfalls aber nicht unverzüglich auf diese bzw. ihre Möglichkeit hingewiesen hat.
bb) Der Verstoß erfolgte auch schuldhaft. Ausreichend ist insoweit bereits leichte Fahrlässigkeit (BayVerfGH, a.a.O.; OLG Koblenz, NJOZ 2002, 2031 (2033); Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG u.a., 5. Aufl. 2021, § 8 a JVEG Rn. 6). Wenn der Sachverständige S. im Rahmen der Vorprüfung nicht erkannt haben sollte, dass er mangels eigener technischer Ausrüstung nicht in der Lage sein würde, den Gutachtensauftrag in seinem vollen, aus dem Beweisbeschluss ersichtlichen Umfang eigenständig zu Ende zu bringen, so wäre dies nur durch eine zu oberflächliche und gegen die von einem Sachverständigen zu erwartende und einzuhaltende Sorgfalt verstoßende Vorprüfung zu erklären und daher als zumindest fahrlässig zu bewerten. Gleiches gilt für eine nicht unverzügliche Mitteilung einer als möglich erkannten Notwendigkeit, externe Expertise zu involvieren. Ob insoweit sogar eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann dabei offen bleiben.
Im Übrigen wäre der Sachverständige für das Nichtvertretenmüssen des Verstoßes in vollem Umfang vortrags- und beweispflichtig (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 8 a JVEG Rn. 7). Seinen teils umfangreichen Stellungnahmen ist aber kein Vortrag zu entnehmen, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, vor Auftragsannahme zu erkennen, dass er möglicherweise nicht in der Lage sein könnte, die Begutachtung ohne Hinzuziehung des Herstellers oder sonstigen externen Sachverstandes abzuschließen oder das Gericht unverzüglich über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung externen Sachverstandes zu informieren.
cc) Im Übrigen ist völlig unverständlich, weshalb der Sachverständige nach Erkennen der Notwendigkeit der Hinzuziehung des Herstellers – auf die er selbst erstmals im Schreiben vom 28.07.2020 hinwies (Bl. 162 ff., insb., 167 d.A.) – und trotz entsprechender Möglichkeit nicht unverzüglich nach vorheriger Rücksprache mit dem Gericht mit dem Hersteller verbindlich abgeklärt hat, ob eine abschließende Gutachtenserstellung durch ihn unter Zuhilfenahme der technischen Ausrüstung der BMW AG möglich sein würde oder nicht. Der Kläger hatte dem Sachverständigen nach dessen eigenen Ausführungen Daten zur Kontaktaufnahme mit einem mit derartigen Fragestellungen bei BMW befassten Mitarbeiter bereits am 23.06.2020 mitgeteilt, woraufhin der Sachverständige zu diesem Mitarbeiter auch zunächst Kontakt aufgenommen hat (Bl. 156 d.A.). Obwohl der Sachverständige von diesem Mitarbeiter bereits im Juli 2020 die Auskunft erhalten hatte, dass „dies nach seiner Einschätzung eher schwierig [sei] und eben konkret mit der BMW AG vereinbart werden“ müsste (Bl. 165 d.A.) und der Sachverständige auch bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der insoweit fehlenden Entscheidungskompetenz der Kontaktperson hatte (Bl. 372 d.A.), wartete der Sachverständige mit der Herbeiführung einer verbindlichen Klärung der Durchführbarkeit weiter ab, nahm aber gleichwohl kostenverursachende Untersuchungen vor, während derer das Fahrzeug dem Kläger entgegen der ursprünglichen Aussage des Sachverständigen, das Fahrzeug für wenige Wochen zu benötigen (Bl. 143 d.A.: „ca. 1 Woche“; Bl. 150 d.A.: „noch 2-3 Wochen), letztlich für etwa sechs Monate nicht zur Verfügung stand. Erst nachdem das Gericht ihm mit Verfügung vom 01.10.2021 ausdrücklich anheim gestellt hatte, den Gutachtensauftrag zurückzugeben und dabei explizit die vorherige Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit BMW durch den Sachverständigen angesprochen hatte (Bl. 183 d.A.), führte der Sachverständige eine im Ergebnis negative Klärung herbei.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass das Gericht dem Sachverständigen entgegen dessen wiederholter Behauptung nicht „nahe gelegt“ (Bl. 365, 368, 369 d.A.) hat, den Gutachtensauftrag zurückzugeben, sondern dies dem Sachverständigen ausdrücklich freigestellt hat. Der Sachverständige räumt letztlich auch selbst ein, dass er hierüber frei entscheiden konnte (Bl. 368 d.A.). Das Gericht hat überdies sogar noch versucht, dem Sachverständigen die abschließende Bearbeitung zu ermöglichen, indem es diesem den Gutachtensauftrag nicht unmittelbar entzogen, sondern diesem erneut die Möglichkeit eingeräumt hat, vor Rückgabe des Gutachtensauftrags zu versuchen, sich mithilfe der BMW AG die Möglichkeit einer abschließenden Bearbeitung des Gutachtensauftrages zu schaffen (vgl. Bl. 183 d.A.). Erst nachdem der Sachverständige bei erneuter Rücksprache mit der vom Kläger benannten Kontaktperson bei BMW die Auskunft erhalten hatte, dass ohne Involvierung der Rechtsabteilung von BMW eine Überprüfung des Fahrzeugs bei BMW durch ihn nicht möglich sei (Bl. 196 d.A.), gab der Sachverständige den Gutachtensauftrag aus freien Stücken zurück.
b) Eine – zumindest teilweise – Vergütung wäre dem Sachverständigen trotz dieser Pflichtverletzung dann, aber auch nur dann (Schneider, § 8 a Rn. 7) zu zahlen, wenn das Gericht die Leistung gleichwohl verwertet. Dies ist nicht erfolgt.
aa) Die Leistung des Sachverständigen S. war mangels abschließender Bearbeitungsmöglichkeit durch den Sachverständigen von vornherein nicht bestimmungsgemäß verwertbar (vgl. hierzu auch Toussaint/Weber, § 8 a JVEG Rn. 37) im Sinne der bezweckten abschließenden Begutachtung durch einen Sachverständigen und machte die Beauftragung eines anderen Sachverständigen erforderlich. Damit hat sich eben jenes Risiko verwirklicht, das durch die Mitteilungspflichten des § 407 a I 2 JVEG ausgeschlossen werden soll. Darauf, ob der insoweit beauftragte Sachverständige F3. tatsächlich das fragliche technische Equipment benutzt hat oder nicht (wie vom Sachverständigen S. vorgetragen, vgl. Bl. 377 f. d.A.), kommt es im Hinblick auf die Kausalität der Pflichtverletzung des Sachverständigen S. für die Zurückgabe des Gutachtensauftrages und die Neuvergabe des Gutachtens nicht an.
bb) Der „kurze Tätigkeitsbericht“ (Wortwahl des Sachverständigen selbst, Bl. 197 d.A.) des Sachverständigen S. und damit dessen Leistung wurde im weiteren Verfahrensverlauf weder durch den neuen Sachverständigen F3. noch durch das Gericht berücksichtigt. Trotz der vom Sachverständigen S. gefahrenen 5.300 km traf der Sachverständige F3. eigene Feststellungen, während derer er das Fahrzeug weitere 888 km bewegte. Vor allem erfolgten die gerichtlichen Vergleichsvorschläge (vgl. Bl. 299 d.A., dort insb. lit. a)) und die letztliche Einigung der Parteien (vgl. Bl. 312 u. 315 d.A.) ausschließlich auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen F3.. Die Leistung des Sachverständigen S. gilt daher auch nicht nach § 8 a II 2 JVEG als verwertbar.
cc) Nicht unerwähnt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass das Gericht den Sachverständigen F3. sogar im Interesse aller Beteiligter und auch des Sachverständigen S. (eben vor dem Hintergrund der Regelung des § 8 a II 2 JVEG) gebeten hat, nach Möglichkeit sein Gutachten auf den im Tätigkeitsbericht des Sachverständigen S. mitgeteilten Erkenntnissen aufzubauen (siehe Anschreiben an den Sachverständigen F3. vom 18.02.2021, Bl. 251 d.A.). Dass der Sachverständige F3. dies im Ergebnis nicht getan, sondern stattdessen eigene Feststellungen getroffen hat, oblag seiner Entscheidung und ist schon deswegen nicht zu beanstanden, weil er das von ihm erstattete Gutachten zu verantworten hatte.
In diesem Kontext ist auch klarzustellen, dass die vom Sachverständigen S. in seiner Stellungnahme unvollständig und missverständlich wiedergegebene vermeintliche Aussage des Gerichts, „dass die bisherigen Tätigkeiten auch entschädigt werden“ (Bl. 365 d.A.), so nicht gefallen ist und schon gar nicht in der kolportierten Absolutheit. Dem Sachverständigen S. wurde lediglich mitgeteilt, dass seine Leistungen im Falle einer Rückgabe des Gutachtensauftrags dann vergütet werden, wenn (!) sie als Vorarbeit durch einen anderen Gutachter und im Ergebnis auch durch das Gericht verwertet werden. Diese Aussage war vor dem Hintergrund der Regelung des § 8 a II 2 JVEG korrekt. Auch lässt der Sachverständige S. in seiner Stellungnahme unerwähnt, dass die verbleibende Möglichkeit, dass er keine Entschädigung erhalten könnte, durch das Gericht im Rahmen besagten Telefonats erinnerlich sogar ausdrücklich angesprochen wurde. Vor dem Hintergrund dieser gerichtlichen Aussage erklärt sich auch die Ausführung des Sachverständigen S. in seinem Schreiben vom 18.01.2021, er überlasse dem Gericht die Entscheidung, ob die durch seine Tätigkeit entstandenen Kosten erstattungspflichtig sind oder nicht (Bl. 240 d.A.).
c) Die Feststellung, dass eine bereits gezahlte Vergütung des Sachverständigen wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuzahlen ist, kann bereits im Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG getroffen werden (OLG Nürnberg, BeckRS 2012, 1729; KG Berlin, BeckRS 2011, 20089; vgl. auch Schneider, § 4 Rn. 83).
3. Da der Vergütungsanspruch nach § 8 a II 1 Nr. 1 JVEG zu versagen ist, kann offen bleiben, ob der Vergütungsanspruch daneben auch wegen Mangelhaftigkeit der Leistung gemäß § 8 a II 1 Nr. 2 JVEG zu versagen oder zu kürzen ist.
IV.
Der Kostenausspruch folgt aus § 4 VIII JVEG.

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