Familienrecht

Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen durch LaserTag

Aktenzeichen  W 3 K 14.438

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 176
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JuSchG JuSchG § 7 S. 1 u. 2
VwGO VwGO §§ 113 I 1, 114

 

Leitsatz

1. Vom in Würzburg angebotenen Spiel LaserTag geht eine Gefährdung für das geistige und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen aus. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Ziffer 2 des Bescheides der Stadt Würzburg vom 31. März 2014 wird aufgehoben. Ziffer 3 des Bescheides vom 31. März 2014 wird aufgehoben, soweit sie sich auf Ziffer 2 des Bescheides bezieht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin ¾, die Beklagte ¼ zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 31. März 2014, mit welchem die Beklagte auf der Grundlage von § 7 Jugendschutzgesetz (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2730), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl I S. 3154), Personen unter 16 Jahren den Zutritt zu den Betriebsräumen – auch bei Begleitung durch Personensorgeberechtigte bzw. erziehungsbeauftragte Personen – untersagt (Ziffer 1. des Bescheides) sowie für Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren anordnet, vor dem Spiel eine persönliche Einweisung und nach dem Spiel eine persönliche Auswertung durchzuführen (Ziffer 2. des Bescheides). Zwar ist dem bloßen Wortlaut der Anordnung in Ziffer 2. des Bescheidtenors die Begrenzung der Anordnung auf Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren nicht zu entnehmen; allerdings ergibt sich dies zum einen daraus, dass Personen unter 16 Jahren gemäß Ziffer 1. des Bescheides ohnehin kein Zutrittsrecht haben und der Bescheid auf § 7 JuSchG gestützt ist, der gemäß seinem Wortlaut lediglich auf Kinder und Jugendliche (also gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 JuSchG auf Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind) anwendbar ist; zum anderen hat die Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015 klargestellt. Weiterhin bestimmt der angegriffene Bescheid in seiner Ziffer 3., dass der Inhalt der in Ziffer 1. und 2. getroffenen Anordnungen an gut sichtbarer Stelle bekanntzugeben ist.
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Hinsichtlich der in Ziffer 2. getroffenen Anordnung, bei Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren vor dem Spiel eine persönliche Einweisung und nach dem Spiel eine persönliche Auswertung durchzuführen sowie hinsichtlich der in Ziffer 3. getroffenen Anordnung, soweit sie sich auf Ziffer 2. bezieht, erweist sich der Bescheid vom 31. März 2014 als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit war der angegriffene Bescheid aufzuheben. Hinsichtlich der in Ziffer 1. getroffenen Anordnung, wonach für Personen unter 16 Jahren der Zutritt zu den Betriebsräumen untersagt wird sowie hinsichtlich der in Ziffer 3. getroffenen Anordnung, soweit sie sich auf Ziffer 1. bezieht, ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit war die Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids ist § 7 JuSchG. Geht von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen aus, so kann gemäß § 7 Satz 1 JuSchG die zuständige Behörde anordnen, dass der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf. Nach § 7 Satz 2 JuSchG kann die Anordnung Altersbeschränkungen, Zeitbegrenzungen oder andere Auflagen enthalten, wenn dadurch die Gefährdung ausgeschlossen oder wesentlich gemindert wird.
Tatbestandsvoraussetzung dieser Vorschrift ist, dass von einem Gewerbebetrieb – und ein solcher ist im vorliegenden Fall der LaserTag-Arena unstreitig gegeben – eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern (also gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG von Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind) oder von Jugendlichen (also gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG von Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind), ausgeht. Eine derartige Gefährdung ist anzunehmen, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die körperliche Unversehrtheit, die psychische Konstitution oder das sozialethische Wertebild Minderjähriger Schaden nehmen wird. Die Gefahr muss nicht unmittelbar drohen, sondern es genügt, dass Kinder und Jugendliche an den fraglichen Orten nach Kenntnis der Behörde einer solchen dauernd oder zeitweise ausgesetzt sind (Liesching in Erbs/Kohlhaas, strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Januar 2015, § 7 JuSchG, Rn. 4 m. w. N.). In diesem Zusammenhang ist eine Gefahrenprognose zu erstellen. Deren Grundlage müssen ausreichende und tatsächliche Anhaltspunkte, Erfahrungen des täglichen Lebens, das Erfahrungswissen von Polizeibeamten oder Sozialarbeitern oder wissenschaftliche und technische Erkenntnisse sein (Liesching, a. a. O., Rn. 5). Der Begriff der Gefährdung in § 7 JuSchG kann mit dem Begriff der Jugendbeeinträchtigung im Sinn des § 14 Abs. 1 JuSchG gleichgesetzt werden, also mit der Gefahr, dass die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigt wird (Gutknecht in Nikles/Roll/Spürck/Erdemir/Gutknecht, Jugendschutzrecht, 3. Aufl. 2011, § 7 JuSchG Rn. 6 m. w. N.). In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der Frage, ob das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt wird, die Grundsätze der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH, 21. Fassung vom 1. Dezember 2012, heranziehbar (FSK-Grundsätze). Nach deren § 18 Abs. 2 wird die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigt, wenn die Nerven überreizt, übermäßige Belastungen hervorgerufen werden, die Fantasie über Gebühr erregt, die charakterliche, sittliche oder geistige Erziehung gehemmt, gestört oder geschädigt wird oder zu falschen und abträglichen Lebenserwartungen verführt wird (§ 18 Abs. 2 Nr. 3 FSK-Grundsätze; vgl. hierzu auch Liesching, a. a. O., § 14 JuSchG Rn. 6). Als Wertmaßstäbe sind in diesem Zusammenhang die Grundwerte der Verfassung zu beachten, insbesondere die Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (Liesching, a. a. O., § 14 JuSchG, Rn. 5 m. w. N.; BVerwG, B. v. 24.10.2001 – 6 C 3/01 – BVerwGE 115, 189 ff.).
In diesem Zusammenhang ist auch auf den Gedanken in Ziffer 2.2 der Leitkriterien der USK für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computer- und Videospielen, beschlossen und in Kraft gesetzt durch den Beirat der Freiwillige Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH – USK – (USK-Kriterien) vom Juni 2011 hinzuweisen. Nach diesem verallgemeinerungsfähigen Gedanken ist nicht nur auf den durchschnittlichen, sondern auch auf den gefährdungsgeneigten Minderjährigen abzustellen, wobei aber Extremfälle auszunehmen sind (vgl. hierzu auch Ziffer 2.4 USK-Kriterien).
Bei der in § 7 Satz 1 JuSchG vorgegebenen Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist.
Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass von dem von der Klägerin im Rahmen ihres Gewerbebetriebes in Würzburg angebotenen Spiel LaserTag eine Gefährdung für das geistige und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen sowohl im Alter unter 16 Jahren als auch im Alter von 16 und 17 Jahren ausgeht. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht, dem es an diesbezüglicher eigener Fachkompetenz fehlt, auf der Grundlage des vom Gericht mit Beweisbeschluss vom 10. Juni 2015 in Auftrag gegebenen, am 5. Februar 2016 schriftlich erstatteten und in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2016 mündlich erläuterten Gutachten des Sachverständigen, Dipl. Psychologen Dr. Florian Rehbein vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V..
Aus dem Gutachten ergibt sich Folgendes:
Für die Beantwortung der Beweisfragen hat der Sachverständige zunächst auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten Akten des Gerichts und der Beklagten den bisherigen Sachverhalt einschließlich der unterschiedlichen Sichtweisen der Parteien dargestellt. Sodann hat er die im Beweisbeschluss des Gerichts enthaltenen juristischen Tatsachenfragen in die psychologische Fragestellung „übersetzt“, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Kinder und Jugendliche im Alter unter 16 Jahren bzw. Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jahren durch ihre Teilnahme am Spiel LaserTag im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsentwicklung gefährdet werden können (Ziffer 3. des Gutachtens).
Nach Ansicht des Sachverständigen wären die beiden genannten Personengruppen aus psychologischer Perspektive dann in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefährdet, wenn das Spiel LaserTag eine aggressivitätssteigernde Wirkung aufweist. Zudem ist eine Gefährdung der Persönlichkeitsentwicklung dann gegeben, wenn es bei der Teilnahme am Spiel LaserTag zu einer Gefährdung der psychischen Gesundheit der genannten Personengruppen dadurch kommt, das die im Spiel dargebotenen Reize starke Angstreaktionen auslösen können und gleichzeitig keine hinreichenden Möglichkeiten bestehen, das Spiel abzubrechen (Ziffer 4. des Gutachtens).
Als Grundlage für die Beantwortung der Frage, ob die Teilnahme am Spiel LaserTag eine aggressivitätssteigernde Wirkung hat, hat der Sachverständige eine Risikoprognose auf der Grundlage des General Aggression Model (im Folgenden: GAM) erstellt. Diese Entscheidung hat er auf der Grundlage der Erkenntnis getroffen, dass es bislang international keine veröffentlichten empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen von LaserTag- oder LaserGame-Angeboten auf Kinder und Jugendliche gibt (Ziffer 2.2 des Gutachtens). Zudem hat er festgestellt, dass es zu gewalthaltigen Computerspielen zwar vielfältige und ausdifferenzierte Studien gibt, dass diese Forschungsergebnisse jedoch nicht unmittelbar auf den hier zu beurteilenden Gegenstand übertragen werden können, weil trotz mancher Ähnlichkeiten beide Spielformen insbesondere Unterschiede hinsichtlich der realweltlichen, wenngleich fiktional gestalteten Spielumgebung, hinsichtlich der körperlichen Aktivität in der Spielarena und der fehlenden visuellen Untermalung von Gewaltfolgen aufweisen (Ziffern 2.2 und 2.2.1 des Gutachtens). Als Grundlage für die wegen des Fehlens verwendbaren empirischen Materials erforderliche Risikoprognose hat sich der Sachverständige für das GAM entschieden, nach Mitteilung des Sachverständigen ein besonders anerkanntes Modell zur Erklärung aggressiven Verhaltens, welches zentrale Lern-, Skript-, Priming-, Erregungsübertragungs- und Desensibilisierungstheorien in ein allgemeines Mehr-Phasen-Modell zur Erklärung von Aggressivität integriert (mit Verweis auf Anderson & Dill, 2000; Bushman & Anderson, 2002).
Auf der Grundlage dieses Modells berücksichtigt der Sachverständige kurzfristige und langfristige Wirkmechanismen.
Im Rahmen der kurzfristigen Wirkmechanismen liegt eine aggressivitätssteigernde Wirkung vor, wenn der aktuelle innerpsychische Erlebniszustand im Rahmen situativer oder personenbezogener Input-Variablen durch eine kognitive, eine affektive und eine psychophysiologische Aktivierungskomponente beeinflusst wird. Im Rahmen der langfristigen Wirkmechanismen liegt eine aggressivitätssteigernde Wirkung vor, wenn die wiederholte Nutzung gewalthaltiger Spiele zu einer Ausdifferenzierung und Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen führt. Dies kann nach den Ausführungen des Sachverständigen durch fünf voneinander unabhängige Wirkmechanismen geschehen: Durch die Verstärkung (1) aggressiver Überzeugungen und Einstellungen, (2) aggressiver Wahrnehmungsschemata, (3) feindseliger Attributionstendenzen und (4) aggressiver Verhaltensskripte sowie durch (5) eine aggressionsbezogene Desensibilisierung (vgl. zu allem: Ziffer 2.2.2 und Ziffer 4. [am Ende] des Gutachtens).
Als Grundlage für die Beantwortung der Frage, ob das Spiel LaserTag zu einer Gefährdung der psychischen Gesundheit der genannten Personengruppen auf der Grundlage starker Angstreaktionen führt, hat der Sachverständige – wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – allgemeine psychologische Überlegungen herangezogen.
Zur Beantwortung der Beweisfragen auf dieser Grundlage hat der Sachverständige die Akte des Gerichts sowie die Akte der Beklagten herangezogen und eine Ortsbegehung in der LaserTag-Arena Würzburg vorgenommen, die eine Vorstellung des Spielangebots durch Standortleitung und Geschäftsführung ohne Kundschaft, eine passive Beobachtung des Spielbetriebs mit Kunden, halbstrukturierte Interviewfragen an die Standortleitung und Geschäftsführung, eine teilnehmende Beobachtung am Spiel mit Kunden sowie eine Fotodokumentation der wesentlichen Ausstattungsmerkmale der LaserTag-Arena beinhaltet (vgl. Ziffern 5. und 6. des Gutachtens).
Auf dieser Basis beantwortet der Sachverständige die Fragestellung, ob vom Spiel LaserTag eine Gefährdung des geistigen oder seelischen Wohls von Kindern und Jugendlichen ausgeht, wie folgt:
Die Teilnahme am Spiel LaserTag erzeugt einen kurzfristigen aggressiven Erlebniszustand. Dies ergibt sich daraus, dass die Teilnahme zu aggressiven Gedanken und Gefühlen führt und psychophysiologisch aktiviert. Die Erzeugung aggressiver Gedanken und Gefühle basiert auf der Waffenähnlichkeit des Phasers, die impliziert, dass aggressives Verhalten in dieser Situation angemessen ist. Das Spiel belohnt und fördert das Verhalten, andere Spieler simuliert zu beschießen, aus psychologischer Sicht selbst eine aggressiv erlebte Verhaltensweise. Dem stehen die entmilitarisierten Begrifflichkeiten und die abstrakte futuristische Spielumgebung nicht entgegen. Die simulierte Ausübung aggressiver Handlungen ist alternativlos, um das Spiel gewinnen zu können. Dies lässt darauf schließen, dass LaserTag kognitiv und emotional als ein Bedrohungs- bzw. Gefahrenszenario verarbeitet wird. Die psychophysiologische Aktivierung kommt durch die intensive körperliche Beanspruchung in Verbindung mit Zeit- und Handlungsdruck im Sinne eines Stresserlebens zustande (vgl. Ziffer 7.1 des Gutachtens).
Die Teilnahme am Spiel LaserTag bewirkt eine langfristige Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen. Dies ergibt sich daraus, dass es bei der wiederholten Teilnahme am Spiel zu einer Verstärkung aggressiver Überzeugungen und Einstellungen sowie zu einer Verstärkung aggressiver Verhaltensskripte kommt, obwohl eine Verstärkung aggressiver Wahrnehmungsschemata und eine Verstärkung feindseliger Attributionstendenzen sowie eine aggressionsbezogene Desensibilisierung nicht festgestellt werden können.
Die Verstärkung aggressiver Überzeugungen und Einstellungen ergibt sich daraus, dass spielerisch simulierte Aggression die einzige Möglichkeit ist, das Spiel zu gewinnen. Es kommt zu zahlreichen Einzelkonfrontationen gegnerischer Spieler, die derjenige gewinnt, der zuerst bzw. zielgenauer eine Markierung abgibt (schießt). Damit ist der „aggressivere“ Spieler der erfolgreichere Spieler. Kompromissbereitschaft und anderweitige Formen prosozialen Verhaltens werden nicht gefördert. Diesbezüglich kann die Zusammenarbeit im Spielteam aus lernpsychologischer Sicht nicht als prosoziale Handlung wirksam werden. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass lediglich bestimmte aggressive Haltungen nach den Spielregeln legitimiert sind und die Spieler reflektieren können, dass ihre Handlungen nicht tatsächlich zu Schäden beim Gegenspieler führen (vgl. Ziffer 7.2, B1 des Gutachtens).
Die Verstärkung aggressiver Verhaltensskripte ergibt sich daraus, dass das Spiel LaserTag eine bewaffnete Gefechtssituation simuliert, die sich in ähnlicher Weise auch mit echten Waffen zutragen könnte. Demgegenüber verfügen Kinder und Jugendliche üblicherweise nicht über differenzierte kognitive Skripte darüber, welche Ereignisse in einer Gefechtssituation tatsächlich erwartet werden können. Das Spiel erscheint geeignet, kognitive Skripte zu bewaffneten Gefechtssituationen zu lernen, zu festigen und weiter auszudifferenzieren, dies auch auf der Grundlage elektronischer Rückmeldungen über Erfolge und Misserfolge. Diese intensivieren den Lernerfolg. Zwar werden diese Lernerfahrungen durch einige Verfremdungen in der Benutzung des Phasers und bezüglich der möglichen Trefferflächen beim gegnerischen Spieler begrenzt werden; jedoch ist gerade bei Personen, die keinerlei Erfahrungen mit solchen Spielen haben, zu erwarten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressive Verhaltensskripte erlernt werden, zu denen bislang allenfalls rudimentäre Lernerfahrungen vorliegen. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um besonders kritische aggressive Verhaltensskripte handelt, die das Verhalten in einem bewaffneten Gefecht zum Gegenstand haben (vgl. Ziffer 7.2, B4 des Gutachtens).
Hinsichtlich der Ausführungen zum Fehlen der Verstärkung aggressiver Wahrnehmungsschemata und feindseliger Attributionstendenzen sowie zum Fehlen aggressionsbezogener Desensibilisierungen wird auf Ziffer 7.2, B2, B3 und B5 des Gutachtens Bezug genommen.
Die Fragestellung, ob die Teilnahme am Spiel LaserTag die psychische Gesundheit der genannten Personengruppe gefährdet, beantwortet der Sachverständige wie folgt:
Aufgrund eingeschränkter Sichtverhältnisse wegen Dunkelheit, Nebels und Hindernissen, aufgrund der Hintergrundmusik und aufgrund des allgemeinen Kampfgeschehens kann ein Bedrohlichkeitsgefühl erzeugt werden. Spieler können unvorhergesehen auf Gegenspieler, insbesondere auch auf körperlich deutlich überlegenere und nicht vertraute erwachsene Gegner treffen oder gar von mehreren Gegenspielern eingekreist werden und erschrecken. Bei psychisch vulnerablen Spielern ist damit davon auszugehen, dass das Spielangebot deutliche Angstreaktionen auslösen kann. Zwar wird das Angstpotenzial durch die Anwesenheit einer Aufsichtsperson in der Arena abgeschwächt; diese ist jedoch nicht immer direkt zu finden. Zudem erscheint es möglich, dass Spieler im Falle einer starken Angstreaktion nicht mehr in der Lage sind, einen Ausgang selbstständig aufzusuchen. Weiterhin gibt es keinen „Panik- oder Abbruchknopf“. Damit ist nicht sichergestellt, dass sich Spieler dem Spielgeschehen unmittelbar entziehen können. Zudem besteht kein hinreichender kommunikativer Rahmen für den Abbruch des Spiels. Damit weist das Spiel in seiner derzeitigen Konzeption eine hohe Reizintensität auf, die zumindest vulnerable Spieler emotional überfordern und bei diesen zu starken Angstreaktionen führen kann (vgl. Ziffer 7.3 des Gutachtens).
Abschließend differenziert der Sachverständige hinsichtlich der Intensität der festgestellten Auswirkungen des Spiels auf das geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren einerseits und von Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren andererseits.
Hinsichtlich Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 16 Jahren gelangt er zu dem Ergebnis, dass die Erzeugung eines kurzfristigen aggressiven Erlebniszustandes altersunspezifisch einzustufen ist, dass aber das Wirkpotential des Spiels im Hinblick auf die langfristige Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen für diese Altersgruppe als hoch relevant einzuschätzen ist. Zudem kommt er zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des affektiven Wirkpotenzials bei dieser Altersgruppe noch eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass starke Angstreaktionen erlebt werden, allerdings wird nur ein kleinerer Teil der Spieler von stärkeren Angstreaktionen betroffen sein.
Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass aus psychologischer Sicht insgesamt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorliegt, dass die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 16 Jahren durch das Spiel LaserTag Schaden nehmen kann.
Hinsichtlich der Gruppe der Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren gelangt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass auch hier die Erzeugung eines kurzfristigen aggressiven Erlebniszustandes als altersunspezifisch einzustufen ist, dass aber die Gefährdung dieser Altersgruppe im Hinblick auf die langfristige Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen als geringer einzuschätzen ist als in der anderen Altersgruppe. Dies gilt für normal entwickelte Jugendliche; demgegenüber kann insbesondere für risikobehaftete Jugendliche eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden. Das affektive Wirkpotenzial ist nach Ansicht des Gutachters geringer einzuschätzen als bei der jüngeren Altersgruppe, allerdings kann auch für die Altersgruppe der 16- und 17-Jährigen nicht ausgeschlossen werden, dass vulnerable Spieler starke Angstreaktionen entwickeln.
Damit kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass eine Teilnahme von Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren am Spiel nicht vertretbar erscheint, wenn das Angebot den Gefährdungen insbesondere risikobehafteter Jugendlicher nicht wirksam begegnet.
Als Rahmenbedingungen für die wirksame Begegnung der genannten Gefährdung bezeichnet der Sachverständige neben der grundsätzlichen Beibehaltung der derzeit schon vorhandenen Rahmenbedingungen wie Eingangsinstruktion, Fairnessregeln, Spielaufsicht, Gestaltung der Spielarena, Bekleidungsvorschriften, Beschaffenheit der Spielausrüstung, angebotene Spielformen und Spielauswertung zwei weitere Maßnahmen als notwendig, um die genannten Gefährdung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können: Zum einen muss ein Spielabbruch „normalisiert“ werden, also als Handlungsweise beschrieben werden, bei der keine soziale Abwertung zu befürchten ist, einschließlich der Erstattung der Kosten für die Teilnahme. Zum anderen darf vor dem Spiel kein Alkohol an 16- und 17-Jährige ausgeschenkt werden, weil Alkoholkonsum enthemmtes Verhalten begünstigen kann, wodurch die Wahrscheinlichkeit für unfaires und aggressives Verhalten im Spiel steigt.
Unter Einhaltung dieser Prämissen gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass zwar hinsichtlich der Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Persönlichkeitsentwicklung durch das Spiel LaserTag Schaden nehmen kann, dass aber dieser Gefährdung durch eine persönliche Einweisung und Auswertung, die auch eine Normalisierung des Spielabbruches und das Verbot des Alkoholausschanks umfasst, wirksam begegnet werden kann.
Das Gericht hat das Gutachten des Sachverständigen überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gutachten die Fragestellungen des Beweisbeschlusses des Gerichts inhaltlich richtig aufnimmt und sie adäquat und für das Gericht nachvollziehbar mit einem psychologischen Hintergrund aufarbeitet und spezifiziert, sozusagen in psychologische Fragestellungen „übersetzt“.
Zwar hat die Klägerseite diesbezüglich in Frage gestellt, ob Aggression überhaupt ein Zustand ist, der zwangsläufig eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl bedeutet. Allerdings ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass eine Steigerung der Aggressivität aus psychologischer Sicht die Persönlichkeitsentwicklung gefährdet, weil es unabhängig von den Ausführungen der Klägerseite zu „positiver Aggression“ im vorliegenden Fall um die Frage geht, ob die Teilnahme am Spiel LaserTag eine stärkere Konfliktbereitschaft, normabweichendes Verhalten und die automatisierte Verfügbarkeit inadäquater aggressiver Reaktionen zur Folge haben kann.
Das Gericht hat sich weiterhin davon überzeugt, dass der Sachverständige die richtige Grundlage bzw. Methode zur Beantwortung der Beweisfragen angewendet hat. Insbesondere hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass mangels vorhandener empirischer Erkenntnisse die Beantwortung der Beweisfragen aufgrund eigener empirischer Forschung hierzu mit einem Zeitaufwand von etwa fünf Jahren und Kosten in Höhe von mehreren hunderttausend Euro verbunden wäre. Auf dieser Grundlage erachtet das Gericht die Entscheidung des Sachverständigen als sachgerecht, auf die Durchführung eigener empirischer Studien zur Beantwortung der Beweisfrage zu verzichten, da deren Zeit- und Kostenumfang in keinerlei angemessenem Verhältnis zum wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei (vgl. hierzu den festgesetzten Streitwert) steht und dem Interesse an einer Entscheidung des Rechtsstreits in einem zeitlich angemessen Rahmen (vgl. hierzu auch den Rechtsgedanken des § 198 GVG) widerspricht. Unter dieser Voraussetzung geht auch die Rüge des Klägerbevollmächtigten, der Sachverständige habe keine Messungen zur Feststellung von Erregung und Aggression an den Spielenden vorgenommen, ins Leere.
Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass empirische Studien zur Beantwortung der Beweisfragen nicht in Betracht kommen, hat der Sachverständige zu Recht eine Risikoprognose erstellt; eine Alternative hierzu ist weder von der Klägerseite genannt worden noch für das Gericht erkennbar.
Zu Recht hat der Sachverständige der Risikoprognose das GAM zugrunde gelegt. Zur Begründung und für das Gericht nachvollziehbar hat der Sachverständige sowohl im schriftlich erstatteten Gutachten als auch in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das GAM ein besonders anerkanntes Modell zur Erklärung aggressiven Verhaltens darstellt, welches zentrale Lern-, Skript-, Priming-, Erregungsübertragungs- und Desensibilisierungstheorie in ein allgemeines Mehr-Phasen-Modell zur Erklärung von Aggressivität integriert (Ziffer 2.2.2 des Gutachtens). Damit hat er nachvollziehbar deutlich gemacht, dass das GAM insbesondere auch für die Beurteilung von Aggressionen in bislang diesbezüglich nicht erforschten Bereichen anwendbar ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Lexikon der Psychologie von Dorsch zum Stichwort GAM (https://portal.hogreve.com/dorsch/general-aggression-model/; abgerufen am 12.4.2016). Nach dessen Ausführungen wurde das GAM bisher angewendet auf die Erklärung der aggressionserhöhenden Wirkung von Mediengewaltkonsum, extremen Temperaturen, Schmerzen etc. und wurde kürzlich theoretisch erweitert, u. a. bezüglich seiner Anwendbarkeit auf Gewalt in intimen Beziehungen und Gewalt zwischen Gruppen. Dies macht deutlich, dass das GAM nicht allein auf gewalthaltige Computerspiele anwendbar ist.
Auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen, dass das GAM auf 40 Jahre Lernpsychologie zurückgeht, hat er nachvollziehbar dargelegt, dass sich dies auf die lernpsychologischen Grundlagen bezieht und somit nicht zu befürchten ist, dass das GAM wegen Zeitablaufs nicht mehr gültig sein könnte.
Demgegenüber kann das Gericht auf der Grundlage der Erläuterungen des Sachverständigen nicht den Ausführungen der Klägerseite folgen, das GAM werde dazu genutzt, vorhandene Aggressionen zu erklären und sei deshalb nicht aussagekräftig für Spieler, die nicht aggressiv seien.
Nicht nachvollziehbar ist die von der Klägerseite vorgelegte Stellungnahme des Dr. Christoph P., Fakultät für empirische Humanwissenschaften der Universität des Saarlandes, vom März 2016, Grundannahme des GAM sei, dass wiederholtes Spielen von gewalthaltigen Videospielen zu einer schleichenden Veränderung in Persönlichkeit und Verhaltensaspekten führen können. Dies ist, wie sich aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen (vgl. oben) ergibt, eine zunächst (zu) eingeengte Sichtweise.
Zu Unrecht rügt Dr. P. für die Klägerseite, dass GAM bzw. der Sachverständige berücksichtige nicht bzw. unzureichend, dass hinsichtlich aggressiven Verhaltens nicht nur die Lerneffekte, sondern auch die Frage nach einer aggressiven Persönlichkeit eine Rolle spielten. Dies hat der Sachverständige im Rahmen des GAM berücksichtigt (vgl. z. B. Ziffer 2.2.2, 2. Absatz des Gutachtens).
Nicht nachvollziehbar ist die nicht im Einzelnen erläuterte Meinung von Dr. P., der Sachverständige verneine die Existenz wichtiger Teilkomponenten des GAM und ziehe stattdessen „verallgemeinerte Schlussfolgerungen“. Nicht nachvollziehbar ist weiterhin die Darlegung von Dr. P., das GAM sei kein Modell, dessen Pfade im Sinne einer „oder- Verbindung“ gesehen werden dürften, sondern die Kombination aller Faktoren zeige die Gefahren auf, die bei wiederholtem Spielen entstehen könnten. Denn nachvollziehbar legt der Sachverständige in seinem Gutachten (Ziffer 2.2.2) dar, dass die fünf aufgezeigten langfristigen Wirkmechanismen unabhängig voneinander zur Ausbildung einer aggressiven Persönlichkeitsstruktur beitragen; in der mündlichen Verhandlung hat er dargestellt, dass ein einziger Wirkpfad hinreichend ist, dass aber der Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung umso gravierender sein kann, je mehr Wirkpfade vorhanden sind, wobei es auch auf die Intensität des Wirkpfades ankommt. Dem konnte die Klägerseite nichts entgegensetzen.
Zu der Behauptung von Dr. P., dass GAM sei nur für das wiederholte Spielen gewalthaltiger Spiele gedacht, die Grundannahmen „wiederholt“ und „gewalthaltig“ seien hier jedoch nicht zu finden, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dahingehend Stellung genommen, es sei nicht quantifizierbar, wie oft bzw. regelmäßig LaserTag gespielt werden müsse, damit die langfristigen Wirkmechanismen einsetzten. Er hat erläutert, dass jede einzelne Spielrunde einen Lernimpuls setzt. Je mehr man sich dem aussetzt, je öfter man also spielt, umso mehr werden – so der Sachverständige – die Lerneffekte gefestigt. Dies bedeutet aber, dass schon eine einzige Spielrunde zu langfristigen Lerneffekten führen kann.
Damit konnte die Klägerseite das Vorgehen des Sachverständigen, als Methode zur Beantwortung der Fragestellung, ob vom Spiel LaserTag eine aggressivitätssteigernde Wirkung ausgeht, das GAM heranzuziehen, nicht substantiiert in Frage stellen.
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährdung der psychischen Gesundheit auf der Grundlage der Angstproblematik hat sich der Sachverständige nachvollziehbar auf allgemeine psychologische Grundsätze und Überlegungen gestützt. Dies haben die Parteien nicht in Frage gestellt.
Der Sachverständige hat mit den Akten des Gerichts und der Beklagten sowie mit der Ortsbegehung alles Material zu Beantwortung der Beweisfragen herangezogen, das ihm zur Verfügung stand. Demgegenüber rügt die Klägerseite den aus ihrer Sicht zu kurzen Aufenthalt des Sachverständigen in der LaserTag-Arena Würzburg, ohne allerdings benennen zu können, welche zusätzlichen entscheidungserheblichen Erkenntnisse der Sachverständige bei einem längeren Aufenthalt hätte gewinnen können. Zu Unrecht rügt in diesem Zusammenhang Dr. P. für die Klägerseite, der Sachverständige habe es versäumt, Interviews mit Spielern durchzuführen; eine derartige Gewinnung von Material wäre allenfalls im Rahmen einer empirischen Untersuchung sinnvoll, die aber, wie oben ausgeführt, nicht durchzuführen war.
Der Sachverständige hat die Beweisfragen für das Gericht nachvollziehbar, in sich schlüssig und frei von Widersprüchen beantwortet.
Insbesondere hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er im Rahmen der Beantwortung der Beweisfragen die beiden Bereiche „aggressivitätssteigernde Wirkung von LaserTag“ und „Gefährdung der psychischen Gesundheit“ (Angstproblematik) unabhängig voneinander geprüft hat. Er hat dargelegt, dass eine Prüfung von Wechselwirkungen beider Bereiche ohne empirische Daten problematisch ist. Damit gelangt der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass unabhängig voneinander sowohl eine aggressivitätssteigernde Wirkung des Spiels als auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit vorliegt und beide Erkenntnisse gleichermaßen Grundlage für die Beantwortung der Beweisfragen waren.
Weiterhin hat er hinsichtlich der Frage nach dem Begriff der „Verstärkung“ im Rahmen der langfristigen Wirkmechanismen des GAM überzeugend dargelegt, dass dieser Begriff nicht darauf hinweist, dass schon eine Aggressivität vorhanden sein muss. Er hat ausgeführt, dass bestimmte aggressive Überzeugungen sowohl neu angelegt als auch verstärkt werden können. Der Begriff Verstärkung meint eine stärkere Ausbildung der bestimmten aggressiven Überzeugung.
Auf die Frage, wie oft ein Kind/ein Jugendlicher das Spiel LaserTag spielen muss, damit die langfristigen Wirkmechanismen greifen, hat der Sachverständige überzeugend erläutert, dass dies nicht quantifizierbar ist, sondern dass jede Spielrunde einen – auch langfristigen – Lernimpuls setzt und dass wiederholtes Spielen diese Lerneffekte festigt, ohne dies quantifizieren zu können. Hierfür wären langwierige und kostenaufwändige Längsschnittstudien erforderlich.
Die Klägerseite rügt, der Sachverständige habe den Einfluss der Distanzierung von Gewalt- und Kriegsbegrifflichkeiten beim Spiel LaserTag im Rahmen des Ergebnisses nicht hinreichend gewürdigt. Dies kann das Gericht nicht nachvollziehen. Es wird auf Ziffern 7.1 A1 und 7.2 B4 des Gutachtens Bezug genommen, insbesondere aber auch Ziffer 7.4 (am Ende) verwiesen, wo der Sachverständige ausdrücklich darauf hinweist, dass seine Beurteilung nur unter der Voraussetzung gilt, dass die bisherigen Rahmenbedingungen, zu denen beispielsweise auch die entmilitarisierte Sprache gehört, beibehalten werden.
Unbehelflich sind die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu der Frage, ob der Gutachter die englischen Begriffe „You are hit“, „recharge“ und „base“ falsch verstanden hat; denn der Sachverständige legt Wert auf eine Beibehaltung der entmilitarisierten Sprache und berücksichtigt die genannten Begriffe nicht zulasten der Klägerseite bei der Beantwortung der Beweisfragen.
Zu Unrecht stellt der Klägerbevollmächtigte die Erkenntnis des Sachverständigen in Frage, der Phaser sei waffenähnlich. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung seine Erkenntnis nachvollziehbar erläutert und insbesondere darauf hingewiesen, dass zwischen der Nachbildung einer Waffe und der Waffenähnlichkeit unterschieden werden muss. Demgegenüber können die von der Klägerseite vorgebrachten Beispiele von Gegenständen, die dann auch „waffenähnlich“ wären (Diktiergerät, Handstaubsauger, Handfön, Bohrmaschine) nicht überzeugen.
Zu Recht und entgegen der Meinung der Klägerseite lässt der Sachverständige bei der Beantwortung der Beweisfragen den Einwurf außer Acht, dass deren Beantwortung im Sinne der Beklagtenseite zu Umsatzeinbußen der Klägerin und zum Verlust von Arbeitsplätzen führt. Dies hat mit der Tatsachenfrage, die der Sachverständige zu beantworten hatte, nichts zu tun.
Die von der Klägerseite gerügten „Zirkelschlüsse“ des Sachverständigen werden nicht im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt, sondern als bloße Behauptung in den Raum gestellt.
Zu Unrecht rügt Dr. P. für die Klägerseite, hinsichtlich Spielabschluss und Auswertung gebe es keinen Zwischenbefund. Hierzu äußert sich der Sachverständige unter Ziffer 7.2, B1 des Gutachtens nachvollziehbar.
Die Rüge von Dr. P., der Sachverständige verkenne den „Waffeneffekt“ (vgl. Stellungnahme vom März 2016, Ziffer 2.6.1) nämlich den Effekt, dass Waffen mit Aggression assoziiert würden, geht aus Sicht des Gerichts ins Leere, insbesondere seine Vergleiche mit den Waffen aus den Sportarten Fechten oder Bogenschießen. Zudem ist sein Zweifel, ob der Waffeneffekt auch in der deutschen Kultur verankert sei, nicht weiter belegt und damit nicht nachvollziehbar.
Zu Unrecht rügt Dr. P., der Sachverständige ziehe den Schluss, dass eine psychophysiologische Erregung „automatisch zu konkret aggressivem Verhalten führen muss“. Diese Aussage ist im Gutachten nicht enthalten.
Weiterhin rügt Dr. P., der Sachverständige widerspreche sich im Rahmen der Beurteilung des Punktes „Verstärkung aggressiver Verhaltensskripte“, indem er einerseits behaupte, LaserTag simuliere eine bewaffnete Gefechtssituation, die sich in ähnlicher Weise auch mit echten Waffen zutragen könnte und andererseits feststelle, aufgrund des hohen Abstraktionsgehaltes lägen keine Parallelen zu realen Schauplätzen vor, die der Alltagserfahrung von Kindern und Jugendlichen entsprächen. Demgegenüber legt der Sachverständige in seinem Gutachten ausführlich die Gründe für seine Beurteilung dar und weist insbesondere auf die Begrenzung der Lernerfahrungen durch die Verfremdungen hin. Damit und mit den entsprechenden Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung wird deutlich, dass auch das in einer verfremdeten Umgebung gelernte Verhalten im Rahmen einer Gefechtssituation zu einer Verstärkung aggressiver Verhaltensskripte führen kann.
Zu Recht führt Dr. P. im Rahmen seiner Stellungnahme zum affektiven Wirkpotenzial aus, dass die Aussage nicht generalisiert werden könne, die Spielatmosphäre beim Spiel LaserTag könne durchaus geeignet sein, bei jüngeren Kindern Angst zu erzeugen. Diese Aussage trifft der Sachverständige aber auch nicht. Demgegenüber begründet Dr. P. seine Empfehlung, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nur mit Zustimmung der Eltern spielen zu lassen, als gegenüber dem Zutrittsverbot milderes Mittel nicht nachvollziehbar. Denn auch Eltern können nicht zuverlässig beurteilen, ob Kinder in der Spielsituation in einen Angstzustand geraten können oder nicht.
Zu Recht und für das Gericht nachvollziehbar differenziert der Sachverständige im Rahmen von Ziffer 7.4 seines Gutachtens zwischen den verschiedenen Altersgruppen. Die dabei zugrunde gelegten Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren einerseits und Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren andererseits decken sich mit den Ausführungen zu diesen Altersgruppen in Ziffer 3. der USK-Leitkriterien.
Nicht folgen kann das Gericht den Ausführungen der von der Klägerseite eingebrachten Äußerung von Dr. P. hinsichtlich der altersspezifischen Wirkhypothesen, die die Darlegungen des Sachverständigen mit dem Argument in Frage stellen wollen, jüngere Kinder seien nicht unbedingt für aggressive Reize sensibler als ältere Kinder. Diese Argumentation geht schon deswegen ins Leere, weil sie sich allein mit Kindern, also mit unter 14-Jährigen beschäftigt, während der Sachverständige seine Ausführungen entsprechend der Beweisfrage auf die Gruppe der 12- bis 15-jährigen bezieht, also auf (wohl im Sinne des Dr. P.) ältere Kinder und jüngere Jugendliche. Deshalb sind auch die weiteren Ausführungen von Dr. P. zu „jüngeren Kindern“ unbehelflich.
Auch dessen Ausführungen, lediglich ca. 7% der „Kinder im Alter unter 17 Jahren“ wiesen ernsthafte aggressive Störungen auf, sind zum einen nicht nachvollziehbar (die Kindeseigenschaft endet gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG mit der Vollendung des 14. Lebensjahrs) und stellen zum anderen die Ausführungen des Sachverständigen nicht in Frage.
Auch die Ausführungen der Klägerseite zu den Chancen, die das Spiel LaserTag für Personen in der hier relevanten Entwicklungsphase für deren positive kognitive und soziale Entwicklung bietet, können das Gutachten des Sachverständigen nicht in Frage stellen. Zu der Frage, ob die Zusammenarbeit im Spiel-Team aus lernpsychologischer Sicht als prosoziale Haltung wirksam werden kann, hat sich der Sachverständige in Ziffer 7.2.1 seines Gutachtens nachvollziehbar geäußert.
Um das Gutachten des Sachverständigen zu erschüttern, legte die Klägerseite zudem das Ergebnis einer im Zeitraum vom 8. bis 15. März 2016 durchgeführten anonymen Online-Befragung von LaserTag-Spielern vor, an der insgesamt 108 Personen, hiervon 16 Personen im Alter von unter 16 Jahren und 13 Personen im Alter von 16 bis 17 Jahren teilgenommen haben. Die in der Umfrage gestellten Fragen beziehen sich auf die Feststellungen des Sachverständigen. Grundsätzlich mag eine Umfrage Teil einer notwendigerweise breit angelegten empirischen Studie sein; eine derartige Umfrage allein, die zudem aufgrund der geringen Anzahl der Teilnehmenden aus den relevanten Altersgruppen nicht repräsentativ sein kann, ist als Mittel zur Bewertung der hier relevanten Frage, ob durch die Teilnahme am Spiel LaserTag das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet ist, schon vom Ansatz her nicht geeignet. Zudem hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass denjenigen Personen, die am Spiel LaserTag teilnehmen, die Wirkmechanismen nicht bewusst werden; das heißt, dass die vom Sachverständigen festgestellten Lerneffekte von den Spielenden nicht verbalisiert werden können. Schon deswegen ist eine Befragung wie die von der Klägerseite vorgelegte nicht einmal ansatzweise dafür geeignet, das Sachverständigengutachten in Frage zu stellen. Nicht nachvollziehbar sind im Übrigen auch einzelne Schlussfolgerungen von Dr. P. aus den Ergebnissen der Online-Befragung, wie z. B. diejenige, dass Personen unter 16 Jahren Spiele wie FIFA oder Mindcraft bevorzugen, damit keine Interesse an Gewaltspielen haben und deshalb auch nicht als Zielgruppe für das GAM infrage kommen.
Der abschließenden Bewertung in der Stellungnahme von Dr. P., das Gutachten des Sachverständigen argumentiere einseitig und lasse eine wissenschaftlich angebrachte Objektivität vermissen, kann das Gericht nicht folgen.
Im Rahmen der Bewertung des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen sind zudem die schon im Vorfeld der Beweiserhebung von den Parteien vorgelegten fachlichen Stellungnahmen in den Blick zu nehmen.
Die Klägerseite hat ein „Gutachten zu LaserTag als Sport- und Spielevent im Jugendalter“ vom 1. April 2014 der Professorin für Theorien, Konzepte und Methoden sozialer Arbeit, Dr. Huth-Hildebrandt von der Fachhochschule Frankfurt am Main, Bereich Sozialwissenschaften, vorgelegt. Dieses ist schon deshalb für die Beantwortung der Beweisfragen und damit auch für die Beurteilung des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens nicht verwendbar, weil es sich dem Spiel LaserTag aus sozialpädagogischer Perspektive nähert (vgl. Gutachten vom 1.4.2014, S. 17, Fazit) und nicht, wie im vorliegenden Fall erforderlich, aus psychologischer Sicht. Verwendbare Ansätze von Antworten auf die vom Gericht gestellten Beweisfragen sind in dem Gutachten nicht enthalten.
Die Stellungnahme von Dr. P. vom 7. April 2014, die die Klägerseite vorgelegt hat, geht nicht über die Inhalte seiner Stellungnahme vom März 2016 hinaus, die bereits oben in die Entscheidungsfindung des Gerichts einbezogen worden ist.
Die von der Klägerseite vorgelegte Ausarbeitung „Einstieg: Machen Computerspiele gewalttätig?“ des Dipl.-Medienwissenschaftlers Dr. Thilo Hartmann vom 7. August 2007 bezieht sich ausschließlich auf gewalthaltige Computerspiele und ist deshalb für den vorliegenden Fall nur insoweit verwendbar, als es die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zum GAM bestätigt.
Die von der Beklagtenseite vorgelegte „Stellungnahme zu potenziellen Auswirkungen von LaserGame auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“ des Priv. Doz. Dr. Lenhardt von der Universität Würzburg, Lehrstuhl Psychologie IV vom 1. Januar 2014/13. Mai 2014 lässt nicht eindeutig erkennen, ob sie sich tatsächlich mit dem hier maßgeblichen Spiel LaserTag beschäftigt, da sie von „Lasergame“ spricht. Allerdings sind dieser Stellungnahme Ausführungen zum GAM zu entnehmen, die sich mit denjenigen des gerichtlich bestellten Sachverständigen decken.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten des Sachverständigen, wie oben im Einzelnen ausgeführt, die Fragestellungen des Gerichts richtig aufgreift, die richtige Methode zur Beantwortung der Fragen wählt, sämtliche zur Verfügung stehenden Materialien und Erkenntnismittel hinsichtlich des konkreten Falls berücksichtigt und die Fragen des Gerichts nachvollziehbar, in sich schlüssig und frei von Widersprüchen beantwortet. Es ist dazu geeignet, dem Gericht den notwendigen Sachverstand hinsichtlich der Tatsachenfrage, ob von dem Spiel LaserTag eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgeht, zu vermitteln. Gleiches gilt für die Tatsachenfrage, ob für Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren diese Gefahr nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn vor der Teilnahme am Spiel eine persönliche Einweisung und nach dem Spiel eine persönliche Auswertung seitens der Klägerin durchgeführt werden. Deshalb macht sich das Gericht das Gutachten zu Eigen.
Auf Basis dieses Gutachtens gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass von dem in der LaserTag-Arena Würzburg angebotenen Spiel LaserTag eine Gefahr für das geistige und seelische Wohl sowohl von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren als auch von Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren ausgeht. Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Satz 1 JuSchG vor.
Auf dieser Grundlage hatte die Beklagte das ihr von § 7 Satz 1 und Satz 2 JuSchG eröffnete Ermessen auszuüben. Soweit die Beklagte damit ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO, ob der Bescheid vom 31. März 2014 deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (so genannter Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (so genannte Ermessensüberschreitung) oder wenn sie die Bandbreite ihrer Handlungsmöglichkeiten unterschätzt, also irrtümlich bestimmte Anordnungen für unzulässig gehalten hat (Ermessensunterschreitung). Ein Ermessensfehler liegt zudem dann vor, wenn die Behörde nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich also von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (so genannter Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 114 Rn. 14 ff.; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 114a ff.; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 16 ff.).
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln (Kopp/Schenke, a. a. O., § 114 Rn. 14 ff.; Decker in Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2014 § 114 Rn. 10 m. w. N.). Eine bezüglich der Ermessenausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder Fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt. Fehlt in einer gegebenen Begründung ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht dies für die Annahme, dass dieser Punkt auch tatsächlich übersehen wurde (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 23).
Ist eine Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid vorhanden, ist sie allerdings defizitär, kann die Verwaltungsbehörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Voraussetzung für ein derartiges Nachschieben von Ermessenserwägungen im Gerichtsverfahren ist, dass die nachgeschobene Erwägung Umstände berücksichtigt, die bereits bei Bescheiderlass vorlagen, dass die nachgeschobene Erwägung den Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert und dass durch die Berücksichtigung der nachgeschobenen Erwägung im Prozess die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 89 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall sind im Bescheid vom 31. März 2014 hinsichtlich der Entscheidung in Ziffer 1., wonach der Zutritt von Personen unter 16 Jahren zu den Betriebsräumen – auch in Begleitung durch Personensorgeberechtigte bzw. erziehungsbeauftragte Personen – untersagt wird, Ermessenserwägungen vorhanden. Insbesondere führt die Beklagte aus, das Spiel biete Gelegenheit zu destruktivem oder gewalttätigem Verhalten, die Hindernisse und Versteckmöglichkeiten erweckten den Eindruck eines simulierten Nahkampfs, durch körperliche Anstrengung werde eine intensivere Wahrnehmung und ein intensiveres Spielerleben erzeugt, das eine Abstraktion erschwere. Der Gegner werde als Mensch erkannt. Das Jugendschutzgesetz habe die Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen, die mit Auswirkungen auf die Gewaltbereitschaft einzelner oder jugendlicher Gruppen einhergingen, zu schützen. Deshalb werde eine Teilnahme am Lasergame von Jugendlichen unter 16 Jahren für nicht zulässig erachtet. Aus dem Entscheidungstenor wird deutlich, dass die Beklagte als milderes Mittel den Zutritt von Personen unter 16 Jahren in Begleitung durch Personensorgeberechtigte bzw. erziehungsbeauftragte Personen geprüft und verworfen hat und zwischen unter 16-jährigen Personen einerseits und 16- bis 17-jährigen Personen andererseits differenziert hat. Im Klageverfahren vertieft die Beklagte im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO ihr diesbezügliches Vorbringen und trägt zudem vor, ohne eine entsprechende Anordnung lasse sich die Möglichkeit des Aufenthalts von Kindern und Jugendlichen in der LaserTag-Arena nicht verhindern. Wirtschaftliche Überlegungen der Klägerin könnten nicht über den Gedanken des Schutzgutes des Jugendschutzgesetzes gestellt werden.
Hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheides vom 31. März 2014, also hinsichtlich der Untersagung des Zutritts für Personen unter 16 Jahren zu den Betriebsräumen, hat die Beklagte damit ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat sich mit nachvollziehbaren Argumenten für ein Tätigwerden entschieden. Weiterhin ist nicht erkennbar, dass eine Ermessenüberschreitung vorliegt, dass also die verhängte Rechtsfolge, das Zutrittsverbot zur LaserTag-Arena, von § 7 Satz 1 JuSchG nicht gedeckt wäre (vgl. Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 16). Denn § 7 Satz 1 JuSchG eröffnet die Rechtsfolge, den betroffenen Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht zu gestatten. Dies ist der Sache nach dem Verbot des Zutritts zu den Betriebsräumen inhaltsgleich. Auch eine Ermessensunterschreitung liegt nicht vor (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 16). Zudem ist ein Ermessenfehlgebrauch nicht erkennbar. In diesem Rahmen ist auch der Schutzzweck des Jugendschutzgesetzes zu berücksichtigen, insbesondere der Kontext des § 7 JuSchG zu den anderen Jugendschutzregelungen; die Ermessensausübung hat sich in diesem Rahmen zu bewegen (vgl. VG Bayreuth, B. v. 11.7.2014 – B 3 S 14.443 – juris Rn. 21 ff.). In dieser Hinsicht ergibt sich etwa aus § 4, § 5 und § 9 JuSchG eine besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Ab dem Alter von 16 Jahren nimmt der Gesetzgeber den Schutzgedanken zugunsten einer Selbstbestimmung der Jugendlichen deutlich zurück. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte alles in ihre Ermessenserwägungen eingestellt, was nach Lage der Dinge einzustellen war, und sie hat es sachgerecht gewichtet und abgewogen. Insbesondere ist erkennbar, dass sie auch wirtschaftliche Überlegungen zugunsten der Klägerin berücksichtigt, aber hintangestellt hat. Demgegenüber sind weder sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt noch einzustellende Belange falsch gewichtet worden. Auch wird deutlich, dass die Beklagte auf der Grundlage von § 7 Satz 2 JuSchG erwogen hat, ein milderes Mittel als ein Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren anzuwenden, welches die Gefährdung für deren geistiges oder seelisches Wohl ausschließt oder wesentlich mindert. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Beklagte zwischen den beiden Altersgruppen differenziert, sich also im Rahmen des Schutzzwecks des Jugendschutzgesetzes zum Schutz der Altersgruppe der unter 16-Jährigen im Gegensatz zu der Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen für ein Zutrittsverbot entscheidet; zum anderen ergibt sich dies auch daraus, dass die Beklagte in Ziffer 1. des Bescheidtenors auch das mildere Mittel eines Zutritts unter Begleitung von Personensorgeberechtigten bzw. erziehungsbeauftragten Personen anspricht, aber ausschließt.
Hat aber die Beklagte auf der Grundlage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 JuSchG, dass vom Spiel LaserTag eine Gefährdung für das geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgeht, ihr Ermessen ordnungsgemäß dahingehend ausgeübt, Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Zutritt zu den Betriebsräumen zu untersagen, ist diese Entscheidung und im Zusammenhang damit auch Ziffer 3. des Bescheides, soweit sie sich auf 1. bezieht (vgl. hierzu § 3 Abs. 1 JuSchG), rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Demgegenüber ergibt sich, dass hinsichtlich Ziffer 2. des angegriffenen Bescheides – also hinsichtlich der Bestimmung, dass für 16- und 17-jährige Jugendliche vor dem Spiel eine persönliche Einweisung und nach dem Spiel eine persönliche Auswertung durchzuführen ist – schon aus dem Bescheid selbst, dass keinerlei Ermessenserwägungen vorhanden sind. In der Begründung des Bescheides finden sich keine Ausführungen hierzu. Damit liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor; die Beklagte hat verkannt, dass sie überhaupt ein Ermessen hat (vgl. Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 17). Auch aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich nicht, dass und welche Ermessenserwägungen sie eingestellt haben könnte (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 18). Da die Beklagte jedoch bei der Anwendung der Vorschrift des § 7 JuSchG zur Ausübung ihres Ermessens nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, handelt sie grundsätzlich rechtswidrig, wenn sie dies verkennt (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 17). Damit kommt auch eine diesbezügliche Ergänzung von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO im Gerichtsverfahren nicht in Betracht, zumal die Beklagte in ihrem gerichtlichen Vorbringen auch keine Erwägungen zu dieser Problematik angestellt hat.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor und von einem Ermessensnichtgebrauch ist dann nicht auszugehen, wenn ein nach dem Gesetz von sich aus bestehender Ermessenspielraum im Einzelfall ausnahmsweise auf Null reduziert ist (Rennert, a. a. O., § 114 Rn. 18 m. w. N.; Decker in Posser/Wolff, § 114 Rn. 18). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null liegt dann vor, wenn angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falls überhaupt nur eine einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei sein könnte (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 114 Rn. 6 m. w. N.). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist im vorliegenden Fall jedoch nicht anzunehmen. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, das unter Zugrundelegung der Rahmenbedingungen des Spiels LaserTag und insbesondere der allgemeinen Einweisung aller Spieler vor dem Spiel mittels Video und mittels allgemein gültiger Hinweise der Aufsichtsperson (vgl. hierzu auch die Beschreibung in Ziffer 6.2.7 des Sachverständigengutachtens) sowie der allgemeinen Auswertung auf dem Bildschirm im Eingangsbereich (vgl. Beschreibung in Ziffer 6.2.9 des Sachverständigengutachtens) eine darüber hinausgehende „persönliche Einweisung“ und „persönliche Auswertung“, also eine auf den einzelnen Spieler individuell zugeschnittene und ausschließlich für diesen vorgenommene Einweisung und Auswertung (gleich welchen Inhalts, der im angegriffenen Bescheid nicht näher festgelegt ist) die einzige in Frage kommende Methode wäre, um die vom Spiel LaserTag für das geistige oder seelische Wohl von 16- und 17-Jährigen ausgehende Gefahr i. S. v. § 7 Satz 2 JuSchG auszuschließen oder wesentlich zu mindern; zudem ist nicht erkennbar, dass diese Methode zwingend anstelle des gemäß § 7 Satz 1 JuSchG anwendbaren Zutrittsverbots angewendet werden müsste. Dies ergibt sich daraus, dass der vom Gericht bestellte Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar aufgezeigt hat, dass unter Beibehaltung der derzeitigen Rahmenbedingungen mit allgemeiner Einweisung und Auswertung auch eine allgemeine Erläuterung der Möglichkeiten, „ohne Gesichtsverlust“ während des Spieles „auszusteigen“ (also die „Normalisierung des Spielabbruchs“) in Verbindung mit einem Verbot, mit Alkoholeinwirkung am Spiel teilzunehmen, eine realistische Möglichkeit ist, für 16- und 17-Jährige die Gefahr für deren geistiges oder seelisches Wohl gemäß § 7 Satz 2 JuSchG auszuschließen oder wesentlich zu mildern.
Da somit hinsichtlich Ziffer 2. des Bescheides zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Satz 1 JuSchG, nämlich dass vom in Würzburg angebotenen Spiel LaserTag eine Gefährdung für das geistige oder seelische Wohl von Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren ausgeht, gegeben sind, die Beklagte jedoch in dem angefochtenen Bescheid keinerlei Ermessenserwägungen hinsichtlich ihres hierauf bezogenen Handelns erkennen lässt und damit ermessenfehlerhaft gehandelt hat, erweist sich der Bescheid hinsichtlich seiner Ziffer 2. und hinsichtlich Ziffer 3., soweit sie sich auf Ziffer 2. bezieht (§ 3 Abs. 1 JuSchG), als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Aus alledem ergibt sich, dass die Ziffer 2. des Bescheides vom 31. März 2014 (Anordnung einer persönlichen Einweisung vor dem Spiel und einer persönlichen Auswertung nach dem Spiel für Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jahren) und dessen Ziffer 3., soweit sie sich auf Ziffer 2. bezieht, aufzuheben war. Hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheides (Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren) und hinsichtlich Ziffer 3., soweit sie sich auf Ziffer 1. bezieht, war die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

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