Familienrecht

Haftung von gerichtlich bestellten Sachverständigen

Aktenzeichen  15 O 182/18

Datum:
7.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53046
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826, § 839a

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.921.214,60 € festgesetzt.

Gründe

A) Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus § 839a BGB zu.
§ 839a BGB setzt voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung auf einem unrichtigen Sachverständigengutachten beruht. Vorliegend hat sich die Klägerin dazu entschlossen, mit der … vor dem Oberlandesgericht … im Verfahren 4 U 46/16 einen Vergleich abzuschließen. Das in der Vorinstanz vom Landgericht … Aktenzeichen 1 HK O 2840/10, ausgesprochene Urteil wurde nicht rechtskräftig. Es fehlt mithin an einer gerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 839 a BGB (OLG Koblenz, Beschluss vom 03. März 2015 – 5 U 2/15 -, Rn. 12; OLG Nürnberg, NJW-RR 2011, 1216; Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839a, Rn. 19; MüKoBGB/Wagner BGB § 839a Rn. 25; BeckOK BGB/Reinert BGB § 839a Rn. 5).
Ein gerichtlicher Hinweis im Vorfeld oder im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss steht einer solchen gerichtlichen Entscheidung nicht gleich. Nach der Gesetzesbegründung sollten solche Fälle ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich des § 839a BGB fallen (Begr. RegE, BT-Drs. 14/7752, S. 28). Daher scheidet auch eine analoge Anwendung des § 839a BGB aus (OLG Nürnberg, NJW-RR 2011, 1216; BeckOGK/Dörr BGB § 839a Rn. 51).
II. Der Klägerin steht aber auch kein Anspruch aus § 826 BGB zu.
1. § 826 BGB ist schon nicht anwendbar (OLG Nürnberg, NJW-RR 2011, 1216; MüKoBGB/Wagner BGB § 839a Rn. 25; offen gelassen: OLG Koblenz, Beschluss vom 03. März 2015 – 5 U 2/15 -, Rn. 12, juris; a.A.: Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839a, Rn. 19; BeckOGK/Dörr BGB § 839a Rn. 51). Denn bei § 839a BGB handelt es sich um eine abschließende Sondervorschrift. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Haftung von gerichtlich bestellten Sachverständigen für ein unrichtiges Gutachten abschließend durch § 839a BGB geregelt werden (Begr. RegE, BT-Drs. 14/7752, S. 28). Für die Anwendbarkeit der übrigen deliktischen Anspruchsgrundlagen kommt es daher entscheidend darauf an, ob der Anspruch gegen einen gerichtlichen Sachverständigen gerade auf sein unrichtiges Gutachten gestützt wird. Nur dann sind andere Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen. Nicht beschränkt auf § 839a BGB wäre die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen daher, wenn er z.B. zum Zweck der Erstellung des Gutachtens leicht fahrlässig fremdes Eigentum beschädigt.
Zweck des § 839 a BGB ist es einerseits, dem Geschädigten auf diesem Weg materielle Gerechtigkeit zu verschaffen. Andererseits soll die Haftung gerichtlich bestellter Sachverständiger einheitlich so geregelt werden, dass die Unabhängigkeit des Sachverständigen gewährleistet ist und übermäßiger Druck auf Grund der Gefahr eines Rückgriffs gegen ihn ausgeschlossen wird (Begr. RegE, BT-Drs. 14/7752, S. 28). Die beabsichtigte Einheitlichkeit der Haftung und Vermeidung übermäßigen Drucks auf den Sachverständigen kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Haftung nach § 839 a BGB auch im Hinblick auf § 826 BGB abschließend ist. Andernfalls wären die Schranken der Haftung – Erfordernis einer gerichtlichen Entscheidung und § 839a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB – nicht in jedem Fall gültig. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der vorsätzlich handelnde Schädiger keinen Schutz verdient. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 839 a BGB und nach dem Willen des Gesetzgebers gelten die Schranken der Haftung auch für den vorsätzlich handelnden Sachverständigen. Der Zweck der materiellen Gerechtigkeit wird dadurch nicht beeinträchtigt, da es der Geschädigte selbst in der Hand hat, ob er eine gerichtliche Entscheidung erstreitet oder das Verfahren anderweitig beendet. Entschließt er sich zu Letzterem, besteht aber keine Veranlassung, den Sachverständigen zum „Ausfallbürgen“ zu machen.
Auch systematische Erwägungen sprechen gegen eine Anwendbarkeit des § 826 BGB im Anwendungsbereich des § 839a Abs. 1 BGB. Aufgrund der Stellung im Gesetz und der Verweisung auf § 839 Abs. 3 BGB durch § 839a Abs. 2 BGB kommt die Nähe zur Amtshaftung zum Ausdruck. Für die Amtshaftung ist jedoch anerkannt, dass ein Rückgriff auf § 826 BGB ausgeschlossen ist (BGH, NJW 2002, 3172; BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 31). Dies spricht dafür, auch im Rahmen des § 839a BGB einen Rückgriff auf § 826 BGB nicht zuzulassen.
Aufgrund dieser Erwägungen ist § 826 BGB nicht anwendbar.
2. Aber selbst wenn § 826 BGB anwendbar wäre, dürfte es an der Kausalität fehlen. Die Klägerin ging nach eigenem Vorbringen davon aus, dass das Gutachten des Beklagten unrichtig war. Das OLG … gab zu verstehen, dass es mit der Urteilsfindung des Landgerichts … nicht einverstanden war, sodass sogar eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung in Betracht kam. Wenn die Klägerin vor diesem Hintergrund einen Vergleich schließt, ist nicht ersichtlich, wie sich das Gutachten des Beklagten ausgewirkt haben kann. Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht … im Fall einer Zurückverweisung den Einwänden der Klägerin nachgegangen wäre und so die Unrichtigkeit des Gutachtens – soweit eine solche vorlag – aufgedeckt hätte. Auch wenn im Einzelfall ein Vergleichsabschluss dem Schädiger zurechenbar sein kann, ist eine Zurechnung unter den vorliegenden Umständen abzulehnen.
III. Mangels Hauptanspruchs entfallen auch die Zinsansprüche.
B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
C) Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Höhe des Leistungsantrags.


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