Aktenzeichen L 6 R 74/14
LPartG § 1 Abs. 1 S. 3, § 15 Abs. 1
SGB VI § 46 Abs. 2a, Abs. 4 S. 2
BGB § 1564 S. 2
Leitsatz
1. Zu den Voraussetzungen der Gewährung von Witwenrente. (amtlicher Leitsatz)
2. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sieht keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente an den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor. (amtlicher Leitsatz)
3. Dies gilt auch dann, wenn die Lebenspartner gemeinsame Kinder haben. (amtlicher Leitsatz)
4. In diesem Ausschluss liegt kein Verstoß gegen Art. 6 GG (BVerfG vom 17.11.2010, Az.: 1 BvR 1883/10) (amtlicher Leitsatz)
5 Soweit das Sozialrecht familienrechtliche Begriffe ohne nähere Umschreibung verwendet oder an Tatbestände dieses Rechtsgebietes anknüpft, folgt es dem bürgerlichen Recht. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 31 R 390/13 2013-12-17 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.12.2013 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Der Kläger hat den Betrag von 225,00 Euro an die Staatskasse zu zahlen.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch nach §§ 46, 99 Abs. 2 SGB VI auf große Witwerrente ab Beginn des 12. Monats vor Rentenantragstellung. Denn er ist weder Witwer noch überlebender Lebenspartner der am 01.08.2011 verstorbenen Versicherten.
Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie
1. ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen versicherten Ehegarten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3. erwerbsgemindert sind.
Nach Absatz 4 des § 46 gelten für einen Anspruch auf Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.
Der Begriff Witwer setzt voraus, dass mit der versicherten Person bis zu deren Tod eine rechtsgültige Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bestanden hat. Ob im Zeitpunkt des Todes der versicherten Person eine rechtswirksame Ehe oder Lebenspartnerschaft mit der die Witwerrente begehrende Person bestanden hat, ist nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht zu beurteilen. Das Sozialversicherungsrecht bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für eine eigenständige Ausgestaltung. Soweit es familienrechtliche Begriffe ohne nähere Umschreibung verwendet oder an Tatbestände dieses Rechtsgebietes anknüpft, folgt es dem bürgerlichen Recht (vgl. Hauck/Noftz – Kommentar zum SGB VI, zu § 46 SGB VI – juris Rdnr. 5). Die Begründung einer Lebenspartnerschaft erfolgt nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) durch die Abgabe entsprechender Erklärungen vor der zuständigen Behörde. Erforderlich ist hierbei eine Erklärung der Lebenspartner über ihren Vermögensstand (§§ 1 Abs. 1 Satz 4, 6 Abs. 1 LPartG, Hauck/Noftz, a. a. O., Rdnr. 6). Die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft muss beim Tod des versicherten Ehegatten bzw. Lebenspartner noch Bestand haben. Dies ist zu verneinen, wenn die Ehe gemäß § 1564 Satz 2 BGB rechtskräftig geschieden oder die Lebenspartnerschaft nach § 15 Abs. 1 LPartG aufgehoben worden ist. Ohne Bedeutung ist, ob die Eheleute bzw. Lebenspartner im Zeitpunkt des Todes des versicherten Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebten oder sich vorher getrennt hatten. Ist ein die Auflösung der Ehe bzw. die Lebenspartnerschaft aussprechendes Urteil bereits verkündet, aber im Zeitpunkt des Todes des Versicherten noch nicht rechtskräftig, hat auch dann noch eine rechtsgültige Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bestanden (§ 619 ZPO, § 29 Satz 2 EheG; § 661 ZPO – vgl. Hauck/Noftz, a. a. O., Rdnr. 16).
Eine von zwei Personen gleichen Geschlechts wirksam begründete Lebenspartnerschaft im Sinne des am 01.08.2001 in Kraft getretenen Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (BGBl. 2001 I S. 266) stand hinterbliebenenrentenrechtlich nach der zum 31.12.2004 geltenden Rechtslage einer Ehe nicht gleich. Der persönliche Geltungs- und Anwendungsbereich des Rechts der „Renten wegen Todes“ beschränkte sich auf Witwer, Witwen, Waisen, Halbwaisen und sogenannte geschiedene Ehegatten. Die Anwendung des Hinterbliebenenrentenrechts auf eingetragene Lebenspartner war ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 29.01.2004 – B 4 RA 29/03 R). Für eine „erweiternde Auslegung“ der Begriffe „Witwer“ und „Ehegatte“ zur Erfassung des eingetragenen Lebenspartners war kein Raum, weil die Rechtsbegriffe „Ehegatte“ und „Lebenspartner“ sich ausschlossen (so BVerfGE 105, 313, 347).
Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl. 2004 I S. 3396) mit Wirkung zum 01.01.2005 geändert. Nach § 46 Abs. 4 SGB VI gelten nunmehr als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner. Der Überlebende einer „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ erfüllt die Witwereigenschaft im Sinne des § 46 SGB VI jedoch nicht. § 46 SGB VI ist nicht verfassungswidrig. Für eine analoge Anwendung des § 46 SGB VI in Fällen nichtehelicher Lebensgemeinschaft fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Auch der Hinterbliebene einer gleichgeschlechtlichen, nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft hat keinen Anspruch gemäß § 46 SGB VI (vgl. insgesamt Hauck/Noftz, a. a. O., Rdnr. 16 – letzter Absatz m. w. N.).
Eine Lebenspartnerschaft i. S. v. § 1 LPartG bestand zwischen dem Kläger und der Verstorbenen bereits mangels Gleichgeschlechtlichkeit nicht. Eine erweiterte Anlegung des Begriffs der Lebenspartnerschaft ist angesichts der klaren Definition des § 1 LPartG nicht möglich. Der Kläger beruft sich letztlich darauf, dass die von ihm begründete nichteheliche Lebensgemeinschaft einer Ehe in den Fällen gleich zu stellen sei, in denen eine Restfamilie aufgrund der Erziehung eines Kindes durch den Hinterbliebenen besteht. Diese Rechtsauslegung findet keine Bestätigung durch das BVerfG. Insoweit wird unter anderem auf den Nichtannahmebeschluss des 1. Senats, 3. Kammer des BVerfG vom 17.11.2010 (1 BvR 1883/10) verwiesen. Auch in diesem Fall entstammte der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Kind (eine im Mai 2000 geborene Tochter). Die Verfassungsbeschwerde wurde – unbeschadet der Beantwortung weiterer Zulässigkeitsfragen – vom BVerfG als unbegründet beurteilt, da es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, Witwenrenten nach § 46 SGB VI nur dem Überlebenden einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zu gewähren. Im Nichtannahmebeschluss wurde ausgeführt, das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt bereits entschieden, dass es dem Gesetzgeber wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, den Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz anordnet, nicht verwehrt ist, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (a. a. O., m. w. N.). Dies gelte insbesondere im Verhältnis der Ehe zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften; diese fallen nicht unter den Begriff der Ehe. Daher ist es gerechtfertigt, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod besser zu stellen als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenleben (BVerfG a. a. O. – insbesondere unter Hinweis auf BVerfGE 124, 199, 225). Dem entspricht die Nichteinbeziehung von überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten in die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG, deren Verletzung dort von der Beschwerdeführerin gerügt worden war. Art. 6 Abs. 4 GG betrifft nur Situationen, in denen die Mutter Nachteile erleidet, die auf ihre Mutterschaft zurückzuführen sind, nicht aber Regelungen für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen. Der Ausschluss nichtehelicher Partner von der Hinterbliebenenrente in § 46 SGB VI knüpft aber weder an die Mutterschaft an noch betrifft er ausschließlich Mütter. Art. 6 Abs. 5 GG – auf den sich auch der Kläger beruft – schließlich begünstigt nur nichteheliche Kinder, nicht aber deren Eltern (vgl. BVerfG, a. a. O., m. w. N.). Entsprechendes gilt naturgemäß auch für Väter, denen nach dem Versterben der Mutter die Alleinerziehung gegebenenfalls obliegt.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der 1. Senat des BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 02.05.2012 (1 BvL 20/09) für die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente ausdrücklich darauf abgestellt hat, inwieweit die formellen Voraussetzungen für den Bestand und die Auflösung von Lebensgemeinschaften durch konstitutive Rechtsakte nach zivilrechtlichen Bestimmungen (d. h. auf Eheschließung und Scheidung) erfüllt waren bzw. sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bestehen für den erkennenden Senat nicht die geringsten Zweifel daran, dass diese konstitutiven Rechtsetzungsakte Voraussetzung für die begehrte Sozialleistung sein müssen.
Auch für die nach § 46 Abs. 2a SGB VI maßgebliche Ehedauer von mindestens einem Jahr kommt der „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ vor der Eheschließung keine Anspruchs begründende Bedeutung zu. Denn selbst die gesetzliche Vermutung einer „Versorgungsehe“ wird durch diese inoffizielle Partnerbeziehung grundsätzlich nicht widerlegt (Urteil der 13.Ka. des SG Aachen vom 18.02.2014, S 13 KN 436/13, juris – Rdnr. 24 m. w. N.).
Für die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte besteht rechtsdogmatisch kein Raum und der Berufung ist insgesamt – hinsichtlich des Haupt und Hilfsantrages – der Erfolg zu versagen.
Unter Hinweis auf diese neuere Rechtsprechung des BVerfG ist dem Kläger in der mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung dargelegt und ihm die Auferlegung von Verschuldenskosten in Aussicht gestellt worden. Als verursachter Kostenbetrag i. S. d. § 192 Abs.1Satz 3 SGG gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs.2 SGG, der für das Verfahren vor dem Landessozialgericht 225,00 Euro beträgt. Dieser Mindestbetrag wurde vom Senat für angemessen erachtet, nachdem der Kläger den Rechtsstreit ohne hinreichende Begründung fortführte.
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger mit seinen Berufungsanträgen auch die – erstmalige – Entscheidung des Senats zur Notwendigkeit seiner Zuziehung im Widerspruchsverfahren begehrt hat, erweist sich dieses Rechtsschutzbegehren als unstatthaft. Denn hierüber ist durch den Urkundsbeamten im Verfahren nach § 197 SGG zu entscheiden (vgl. z. B. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 11.A., § 193 Rdnr. 5b).