Familienrecht

Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Klage auf Ausbildungsförderungsleistungen wegen Bestehens eines unterhaltsrechtlichen Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss

Aktenzeichen  12 C 18.1124

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7779
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114, § 115, § 127
BAföG § 7 Abs. 3
BGB § 1360a, § 1601, § 1610

 

Leitsatz

1 Zum für die Prozessführung nach § 166 VwGO iVm § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO einzusetzenden Vermögen rechnet auch ein aus §§ 1360a Abs. 4, 1610 Abs. 2 BGB abgeleiteter Anspruch des Verfahrensbeteiligten gegen einen Elternteil auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses in persönlichen Angelegenheiten. Dieser privatrechtliche Anspruch unterhaltsrechtlicher Prägung geht dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor (wie BayVGH BeckRS 2015, 53752). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Einem volljährigen, unverheirateten Kind steht in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB in Rechtsstreitigkeiten, die persönliche Angelegenheiten betreffen, ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen seine Eltern zu, wenn seine Situation der eines unterhaltsberechtigten Ehegatten oder eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn das volljährige Kind wegen der Fortdauer seiner Ausbildung noch keine Lebensstellung erworben hat und deswegen übergangsweise wie ein minderjähriges Kind der Unterstützung durch seine Eltern bedarf (BGH BeckRS 2005, 04779). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die Förderung eines nach einem vorherigen Abbruch wiederaufgenommenen Studiums erfordert stets das Vorliegen eine wichtigen Grundes iSv § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BAföG. (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 15 K 17.3589 2018-04-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seiner Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für ein auf die Leistung von Ausbildungsförderung gerichtetes Klageverfahren weiter. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Dem Kläger kommt bereits deshalb kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO gebietet insoweit den Einsatz des eigenen Vermögens, zu dem auch ein aus § 1360a Abs. 4, § 1610 Abs. 2 BGB abgeleiteter Anspruch gegen seine Mutter auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses für Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten rechnet. Dieser privatrechtliche Anspruch unterhaltsrechtlicher Prägung geht dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – BeckRS 2015, 53752 Rn. 6; B.v. 29.3.2010 – 12 C 09.3144 – BeckRS 2010, 31228 Rn. 6; B.v. 9.4.2009 – 12 C 08.1719 – BeckRS 2010, 53566 Rn. 3; Sächsisches OVG, B.v. 20.3.2015 – 2 D 111/14.NC – BeckRS 2015, 53500; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 128). Denn auch einem volljährigen, unverheirateten Kind steht in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB in Rechtsstreitigkeiten, die persönliche Angelegenheiten betreffen, ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen seine Eltern zu, wenn seine Situation der eines unterhaltsberechtigten Ehegatten oder eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist. Davon kann ausgegangen werden, wenn das volljährige Kind wegen der Fortdauer seiner Ausbildung noch keine Lebensstellung erworben hat und deswegen übergangsweise wie ein minderjähriges Kind der Unterstützung durch seine Eltern bedarf (BGH, B.v. 23.3.2005 – XII ZB 13.05 – NJW 2005, 1722 Rn. 8 ff.; vgl. hierzu ferner BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 20 C 16.2407 – BeckRS 2017, 124624 Rn. 18). Der Unterhalt umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 BGB den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Zum Lebensbedarf rechnet wiederum der Prozesskostenvorschuss nach § 1360a Abs. 4 BGB (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – BeckRS 2015, 53752 Rn. 7; Sächsisches OVG, B.v. 31.3.2010 – 2 D 20/10 – NJW 2010, 2903).
Soweit der Kläger mit seiner Klage die Leistung von Ausbildungsförderung für sein noch nicht abgeschlossenes Studium der Mechatronik/Feinwerktechnik an der Hochschule München erstrebt, handelt es sich weiter auch um einen Rechtsstreit in persönlichen Angelegenheiten, da dieser der Verwirklichung seiner Ausbildung dient und er bislang keine Lebensstellung erlangt hat, die es ihm ermöglicht, sich selbst zu unterhalten (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – BeckRS 2015, 53752 Rn. 8; Sächsisches OVG, B.v. 20.3.2015 – 2 D 111/14.NC – BeckRS 2015, 53500 Rn. 6).
Einen Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses für Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten besitzt der Kläger vorliegend jedenfalls gegen seine nach § 1601 BGB ihm gegenüber unterhaltspflichtige Mutter. Deren Inanspruchnahme erweist sich nicht als unbillig, denn die Mutter hätte, führte sie den Prozess selbst, aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (vgl. Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 129). Weiterhin ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verlangen nach einem Prozesskostenvorschuss mit Blick auf die persönlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und seiner Mutter unbillig wäre. Sie leistet, ausgehend von der beim Senat eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, aktuell bereits einen Barunterhalt in Höhe von 230,- € an den Kläger. Anhaltspunkte dafür, dass der Mutter des Klägers für einen entsprechenden Prozess Prozesskostenhilfe unter Ratenzahlung zu bewilligen wäre, bestehen unter Berücksichtigung der Gerichtskostenfreiheit des ausbildungsförderungsrechtlichen Verfahrens nach § 188 Satz 2, 1 VwGO sowie der Regelung in § 115 Abs. 4 ZPO ebenfalls nicht (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.3.2010 – 12 C 09.3144 – BeckRS 2010, 31228 Rn. 6).
Mithin liegen im vorliegenden Fall die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor, sodass die Beschwerde bereits deswegen zurückzuweisen war.
2. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme weist der Senat darauf hin, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im vorliegenden Fall wohl auch aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten der Klage nicht in Betracht gekommen wäre.
Denn anders als nach der Auffassung des beklagten Studentenwerks wie auch des Verwaltungsgerichts steht im vorliegenden Fall nicht die Frage maßgeblich im Raum, ob der Kläger die Fachrichtung gewechselt oder lediglich den Schwerpunkt seines Studiums verlagert hat. Wie sich aus den vorliegenden Akten ergibt, spricht vielmehr Vieles dafür, dass der Kläger sein Studium der Mechatronik an der Hochschule Regensburg nach drei Semestern zum Ende des Wintersemesters 2015/2016 durch Exmatrikulation abgebrochen und nicht lediglich unterbrochen hat, indem er während des Sommersemesters 2016 einer Beschäftigung nachgegangen ist und sich erst zum Wintersemester 2016/2017 an der Hochschule München für das Studium Mechatronik/Feinwerktechnik für das erste Semester immatrikuliert hat (vgl. zur Differenzierung zwischen Unterbrechung und Abbruch einer Ausbildung OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 10.10.2017 – 12 A 1214/17 – BeckRS 2017, 132914 Rn. 7; VG Magdeburg, U.v. 9.7.2015 – 6 A 17/15 – BeckRS 2015, 51018; VG Freiburg, U.v. 26.4.2001 – 7 K 1032/00 – NVwZ-RR 2002, 122). Die Förderung eines nach einem vorherigen Abbruch wiederaufgenommenen Studiums erfordert indes stets das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG. Ein solcher liegt, soweit der Kläger auf die Probleme mit der Betreuung seines Hundes verweist, ersichtlich nicht vor, sodass der Klage wohl auch die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Erfolgsaussichten fehlen.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es vorliegend nicht, da in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO Gerichtskosten nicht erhoben und im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO Kosten nicht erstattet werden. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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