Familienrecht

Kinder- und Jugendhilfe, Kostenbeitrag, Anfechtungsklage erfolgreich, Inzidentprüfung der zugrundeliegenden Maßnahmen, verneint, Rechtswahrungsanzeige, besondere Härte, bejaht, falsche Anschuldigungen als besondere Härte

Aktenzeichen  W 3 K 20.454

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32612
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 2
GG Art. 6 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
SGB VIII § 42
SGB VIII § 91 Abs. 1 Nr. 7
SGB VIII § 92 Abs. 1 Nr. 5
SGB VIII § 92 Abs. 5 S. 1 Alt. 2
SGB VIII § 93
SGB VIII § 94 Abs. 1 S. 1
SGB VIII § 94 Abs. 5
KostenbeitragsV § 2
KostenbeitragsV § 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 14. Februar 2020 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren des Klägers, den Bescheid vom 10. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2020 aufzuheben.
Die zulässige Klage ist in der Sache begründet. Der angegriffene Verwaltungsakt erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist der 14. Februar 2020, da zu diesem Zeitpunkt der Widerspruchsbescheid als letzte Behördenentscheidung erlassen wurde.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung von Elternteilen zu den Kosten von Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sind die §§ 91 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch vom 11. September 2012 (BGBl. I, S. 2022), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. November 2019 (BGBl. I, S. 1948) – SGB VIII.
Gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII werden bei der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) Kostenbeiträge erhoben. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII sind Elternteile zu den in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen heranzuziehen. Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird (§ 92 Abs. 2 SGB VIII). Bei der Ermittlung des Kostenbeitrags ist zunächst das nach § 93 SGB VIII zu berücksichtigende Einkommen zu berechnen. Von diesem sind die in Absatz 2 der Vorschrift genannten Beträge abzusetzen. Das so ermittelte Nettoeinkommen ist schließlich um die in § 93 Abs. 3 SGB VIII aufgeführten Belastungen zu bereinigen. Die Kostenbeitragspflichtigen sind gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang heranzuziehen. Eltern sollen gemäß Satz 2 dieser Norm nachrangig zu den jungen Menschen herangezogen werden.
Ausgehend von diesen rechtlichen Gegebenheiten ist der Kläger dem Grunde nach gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 7, § 92 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 i.V.m. §§ 93 f. SGB VIII verpflichtet, einen Kostenbeitrag für die Inobhutnahme seiner Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum zu leisten.
Der Kläger kann seiner streitgegenständlichen Heranziehung letztlich nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII, für die der Kostenbeitrag erhoben werde, sei rechtswidrig, weil die Hilfemaßnahmen zu einer Zeit erfolgt seien, zu der bereits durch Sachverständigengutachten nachgewiesen sei, dass ein sexueller Missbrauch der Kinder durch den Kläger nicht stattgefunden habe.
Es ist in diesem Zusammenhang umstritten, ob die Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit einer zugrundeliegenden Maßnahme im Rahmen der Erhebung eines Kostenbeitrags erforderlich ist. Teilweise wird vertreten, eine derartige Überprüfung der Rechtmäßigkeit müsse nie stattfinden (VG München, U.v. 12.11.2003 – M 18 K 02.3435 – BeckRS 2009, 37178). Im Gegensatz dazu fordern Teile der Rechtsprechung in jedem Fall eine derartige Inzidentprüfung (VG Ansbach, B.v. 27.6.2006 – AN 14 K 05.04505 – BeckRS 2006, 29759).
Im Wege einer vermittelnden Ansicht wird argumentiert, eine Inzidentprüfung komme (nur) dann in Betracht, wenn der Verpflichtete am jugendhilferechtlichen Bewilligungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei. In dieser Konstellation habe er nicht die Möglichkeit gehabt, gegen die zugrundeliegende Entscheidung Rechtsbehelfe einzulegen. Wenn er dennoch die Kosten rechtswidrigen Verwaltungshandelns tragen müsste, verstieße dies gegen Art. 19 Abs. 4 GG (hierzu OVG Lüneburg, B.v. 27.8.2018 – 10 LA 7/18 – BeckRS 2018, 21390; VG Hannover, U.v. 14.12.2017 – 3 A 5368 – BeckRS 2017, 14140022; VGH BW, U.v. 17.3.2011 – 12 S 2823/08 – BeckRS 2011, 770).
Grundsätzlich spricht aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des effektiven Rechtsschutzes tatsächlich einiges dafür, dem Beitragspflichtigen die Möglichkeit einer Überprüfung der Maßnahme dann zu eröffnen, wenn er seinerzeit rechtlich oder tatsächlich nicht in der Lage war, Rechtsbehelfe hiergegen einzulegen. Nur so kann vermieden werden, dass es zur unverschuldeten Heranziehung zu Beiträgen einer rechtswidrigen Maßnahme kommt.
Allerdings wird vorliegend anhand der Behördenakte ersichtlich, dass der Kläger am jugendhilferechtlichen Verfahren seiner Kinder beteiligt war. Der Kläger wurde am 22. März 2019 am Verfahren zur Inobhutnahme zusammen mit der Kindsmutter beteiligt und hat der Inobhutnahme seiner Kinder nicht widersprochen. Zudem wurde der Bewilligungsbescheid für die Inobhutnahme ab dem 22. März 2019 vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. Juni 2019 an den Kläger persönlich übersandt. Diese Bescheide waren mit einer Begründung sowie einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen. Es wäre dem Kläger daher als Adressat des Bescheides möglich gewesen, Widerspruch oder Klage zu erheben. Ein dementsprechender Rechtsbehelf des Klägers ergibt sich allerdings weder aus der Behördenakte noch aus dem gerichtlichen Vortrag des Klägers. Der Kläger war daher am Verfahren beteiligt und hätte sich gegen die dem Kostenbeitrag zugrunde liegende Maßnahme wehren können. Dies gilt auch für den Einwand des Klägers, dass er sich am 22. März 2019 auf der Dienststelle der Polizei unter Druck gesetzt gefühlt habe und er davon ausgegangen sei, dass sein Einverständnis mit der Inobutnahme damals nur vorübergehend gewesen sei. All dies hätte er im Rechtsbehelfsverfahren gegen die ursprünglichen Maßnahmebescheide vortragen können. Die oben genannte Argumentation in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG greift im vorliegenden Fall nicht.
Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, im Rahmen einer Kostenbeitragserhebung sei die Rechtmäßigkeit der Jugendhilfemaßnahme stets zu prüfen, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Es ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der an die Kinder des Klägers gewährten Hilfeleistung. Diesbezüglicher Rechtsschutz wäre aller Voraussicht nach ohne Erfolg geblieben.
Der Beklagte hat dem Kläger durch die Rechtswahrungsanzeige vom 25. April 2019 die Gewährung der Leistung mitgeteilt und ihn über die Folgen für seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem jungen Menschen gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII aufgeklärt, sodass der Beklagte den Kostenbeitrag ab dem 26. April 2019 verlangen konnte. So kann gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ein Kostenbeitrag u.a. bei Eltern erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen zum einen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er zum anderen über die Folgen für seine Unterhaltspflicht dem jungen Menschen gegenüber aufgeklärt wurde. Hierbei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Erhebung des Kostenbeitrags (Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 92 Rn. 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.11.2014 – 12 C 14.2416 – NJW 2015, 1402; B.v. 17.7.2018 – 12 C 15.2631 – juris Rn. 6 m.w.N.); das Recht zur Erhebung des Beitrags knüpft an die entsprechende Mitteilung an den Beitragspflichtigen an. Das Gericht hat dies entsprechend von Amts wegen zu prüfen (OVG NRW, B.v. 28.11.2018 – 12 A 2855/17 – juris Rn. 9), denn das Recht, den Kostenbeitrag zu erheben, entsteht erst dann, wenn die Mitteilung erfolgt ist (Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 92 Rn. 17 m.w.N.). Daran gemessen gilt im vorliegen Fall folgendes:
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass ihm die Rechtswahrungsanzeige vom 25. April 2019 überhaupt nicht zugestellt worden ist. Das betreffende Schreiben wurde nach Aktenlage mittels Postzustellungsurkunde an die richtige Adresse des Klägers versandt und in den zur Wohnung gehörigen Briefkasten eingelegt, nachdem der Kläger dort nicht angetroffen worden war und auch sonst keine andere zum Empfang berechtigte Person zugegen war (Art. 1, 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 180 Satz 1 ZPO). Damit werden Zustellung und Zugang unwiderlegbar zu Lasten des Klägers fingiert (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 181 Rn. 5).
Auch inhaltlich begegnet die im Streit stehende Rechtswahrungsanzeige keinen rechtlichen Bedenken. Festzuhalten ist, dass der ursprüngliche Bescheid über die Jugendhilfemaßnahmen vom 13. Mai 2019 ab dem 22. März 2019 von der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege in Ausgestaltung der Bereitschaftspflege ausgegangen ist. Dieser wurde mit Bescheid vom 11. Juni 2019 dahingehend abgeändert, dass die Kinder im Wege der vorläufigen Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie in Obhut genommen worden sind. Unstreitig hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 25. April 2019 zunächst über die falsche Maßnahme informiert. Einer Erhebung des Kostenbeitrags am 26. April 2019 steht dies dennoch nicht im Wege. So soll die in § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII normierte Hinweispflicht dem Schutz der wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeit des Kostenbeitragspflichtigen dienen (Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Aufl. 2018, § 92 Rn. 17 ff m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.5.2014 – 12 ZB 12.2509 – juris; BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 5 C 22/11 – NJW 2013, 629). Im vorliegenden Fall war die wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeit des Klägers vollumfänglich gewahrt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Mit der im Streit stehenden Rechtswahrungsanzeige weist der Beklagte den Kläger auf den Umstand hin, dass er für die ab dem 22. März 2019 laufenden Jugendhilfemaßnahmen einen Kostenbeitrag erheben wird. Dem Kläger war daher das bestehende Risiko einer Inanspruchnahme als Kostenbeitragsschuldner bekannt. Es oblag dem Kläger selbst, diesem Risiko durch geeignete Vorsorge zu begegnen. Welche Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe der Beklagte gewählt hat, ist dabei nicht von Belang. Dies deshalb, da bei der Erhebung der streitigen Kostenbeiträge primär finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen. Dies ergibt sich zunächst aus den §§ 91 ff. SGB VIII direkt, da dort das Vermögen, Einnahmen und Belastungen des Kostenbeitragspflichtigen im Vordergrund stehen. Die nach § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassene Kostenbeitragsverordnung differenziert in § 2 und § 3 lediglich danach, ob die maßgebliche Jugendhilfemaßnahme vollstationär und teilstationär erbracht wird. Da der Beklagte dem Kläger im streitigen Schreiben vom 25. April 2019 mitgeteilt hat, dass für seine Kinder vollstationäre Leistungen erbracht werden, ist auch diesbezüglich kein Anhaltspunkt gegeben, der eine Beanstandung der betreffenden Rechtswahrungsanzeige rechtfertigen könnte. Dem Schutz der wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeit des Klägers ist nach alledem hinreichend Rechnung getragen worden.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte das zu berücksichtigende Einkommen des Klägers gemäß § 93 SGB VIII fehlerhaft berechnet hätte oder der Umfang der Heranziehung nach § 94 SGB VIII nicht im Einklang mit der geltenden Rechtslage stehen könnte, liegen nicht vor.
Von der Heranziehung des Klägers zum Kostenbeitrag ist jedoch gemäß § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII ganz abzusehen, weil sich aus der Heranziehung im konkreten Fall eine besondere Härte ergäbe.
Eine besondere Härte liegt vor, wenn eine atypische Situation des Kostenschuldners nicht ausreichend im Rahmen der Regelungen zur Ermittlung des Kostenbeitrags berücksichtigt werden kann. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar ist. Ein Beurteilungsspielraum liegt nicht vor. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte ist nicht jegliche Härte und ein für den Pflichtigen unbilliges Ergebnis gemeint. Der Begriff setzt vielmehr voraus, dass die Kostenheranziehung gegen die Leitvorstellungen nach §§ 91 bis 94 SGB VIII verstößt. Dies ist gegeben, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dazu führen, dass die Belastung mit einem Kostenbeitrag unzumutbar ist. Eine vom Gesetzgeber gewollte Belastung, die aufgrund gesetzlicher Regelung in einer Vielzahl von Einzelfällen einschlägig ist, kann in der Regel keine besondere Härte begründen. (Krome in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 92 SGB VIII, § 92 Rn. 52 m.w.N.; Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 08/2017, § 92 Rn. 28 m.w.N.; Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 92 Rn. 31ff m.w.N.).
Die Leitvorstellung der Kostenbeteiligung der Eltern ist, dass sie über den Kostenbeitrag nicht stärker belastet werden als durch die eigentliche Unterhaltszahlung. Nach der Rechtsprechung hat sich damit die Unterschreitung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts als einzige Fallgruppe herausgebildet, bei der regelmäßig das Vorliegen einer besonderen Härte bejaht wird. § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII hat somit eine Garantiefunktion für den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt. Gleichzeitig verengt sich durch dieses Verständnis der Anwendungsfall von § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII ganz erheblich, weil kaum mehr ein Fall vorstellbar ist, bei dem trotz Garantie des Selbstbehalts die Heranziehung gegen Leitvorstellungen der Kostenbeteiligung – auch noch grob – verstieße (Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 92 Rn. 28).
Diese stark an den Maßstäben des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts orientierte Auslegung der besonderen Härte stellt damit primär rein auf die finanzielle Belastung des Kostenbeitragspflichtigen ab. Andere als finanzielle Umstände rund um die Erhebung eines Kostenbeitrags sind an sich nicht dazu geeignet, eine derartige besondere Härte zu bedingen.
Dieses Normverständnis vertritt der Beklagte, wenn er sich zur Verneinung der besonderen Härte auf die Sätze des zu leistenden Regelunterhalts bei getrenntlebenden Eltern oder die jeweiligen Sätze nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezieht. Darauf, dass die Fallkonstellation nach dem Dafürhalten des Beklagten sehr unglücklich ist, kommt es im Rahmen der Kostenbeitragserhebung nach dessen Rechtsauffassung nicht an.
Diese rein auf die finanzielle Grundlage der Kostenbeitragserhebung beschränkte Auslegung von § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII vermag zwar zunächst einleuchtend erscheinen, da die §§ 91 ff SGB VIII im Wesentlichen auf finanzielle Aspekte abstellen. Dem ist im Ergebnis jedoch nicht zu folgen, da es ansonsten zu einer Verkennung der den §§ 91 ff. SGB VIII innewohnenden Systematik führen würde. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzgeber selbst keine Regelung getroffen hat, die eine Auslegung von § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII in die durch den Beklagten vorgenommene Richtung vorgibt. Auch eine Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien hat dem Gericht keine Erkenntnisse geliefert (BT-Drs. 503/89; BT-Drs. 11/5948; BT-Drs. 11/6002; BT-Drs. 11/6748; BT-Drs. 12/2866). Vielmehr gilt es im Zuge der Auslegung der besonderen Härte als unbestimmter Rechtsbegriff auch die ganze Systematik der §§ 91 ff. SGB VIII miteinzubeziehen und mögliche Grenzen der Auslegung daraus zu ziehen. Da etwa gemäß § 92 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sowie gemäß § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 SGB VIII bei der Kostenbeitragserhebung auch sonstige persönliche Verhältnisse des Kostenbeitragspflichtigen und des jungen Menschen und das soziale Beziehungsgeflecht zwischen ihnen zu berücksichtigen sind, kann sich aus der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag eine besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII auch aufgrund von derartigen persönlichen Verhältnissen und Umständen ergeben, wenn diese in den §§ 91 bis 93 SGB VIII keine Berücksichtigung gefunden haben. Herauszuheben ist dabei, dass die Frage nach einer besonderen Härte stets eine Frage des Einzelfalles ist, die die Bildung einer typisierenden Kasuistik verbietet (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 24.10.2014 – 7 D 10511/14 – juris Rn. 15; Nellissen, jurisPR-SozR 2/2015 Anm. 5; Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 92 Rn. 29; VG Karlsruhe, U.v. 3.12.2019 – 8 K 7612/18 – juris Rn. 40; OVG Thüringen, B.v. 23.3.2015 – 3 ZKO 163/12 – juris Rn. 7ff).
Nach alledem sind all jene Umstände gleich welcher Art geeignet, einen Fall der besonderen Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII zu begründen, bei denen es sich um völlig außergewöhnliche Belastungen handelt, die von den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht erfasst sind und für den Kostenbeitragspflichtigen eine Erhebung des Kostenbeitrags schlechthin unzumutbar machen.
Daran gemessen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen gegeben, um von der Erhebung eines Kostenbeitrags abzusehen. Dem liegen die folgenden Erwägungen zu Grunde:
Die Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, ist primär bei der elterlichen Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) zu verorten. Daneben ist sie auch Aufgabe des Staates. Dies ergibt sich zum einen aus der Verwirklichung des Grundrechts des Kindes oder Jugendlichen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) und zum anderen – akzessorisch zur elterlichen Erziehungsverantwortung – aus dem staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), das eine staatliche Schutzpflicht zugunsten des Kindes beinhaltet. Die Ausgestaltung der Schutzpflicht ist Aufgabe des Gesetzgebers. Sie ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit primär darauf gerichtet, die Eltern bei der Gefahrenabwehr zu unterstützen, falls erforderlich aber auch ohne Beteiligung der Eltern Kinder vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen (Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Aufl. 2015, § 8a Rn. 6).
Die Kinder- und Jugendhilfe fungiert damit gewissermaßen als Ausfallbürge für das Kindeswohl (Jestaedt in Münder/Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht, 2. Aufl. 2011, 1.5.3.2 Rn. 21 m.w.N.).
Voraussetzung für die staatliche Intervention ist eine auf elterlichem Fehlverhalten beruhende schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls, weshalb der Staat nicht bei jedem Versagen oder jeder Nachlässigkeit der Eltern aufgrund seines Wächteramtes zum Eingreifen befugt ist. Liegen die Voraussetzungen für ein staatliches Eingreifen vor, so hat der Staat das Elternrecht so weit wie möglich zu wahren, also unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu verfahren, wobei sich Art und Maß der Zulässigkeit eines Eingriffs nach dem Grad des Versagens der Eltern und seinen Konsequenzen für das Kindeswohl richten (Uhle in Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand: 15.02.2021, Art. 6 Rn. 61, 61a m.w.N.).
Anlass für das Handeln des Beklagten war vorliegend die Überzeugung der Kindsmutter, dass der Kläger seine Kinder sexuell missbraucht haben soll. Allerdings war diese Überzeugung nicht realitätskonform. So ergibt sich aus den einschlägigen familiengerichtlichen Verfahren und Gutachten, dass die Missbrauchsvorstellungen der Kindsmutter auf einer unbegründeten und stetig fortschreitenden, nicht realitätskonformen Überzeugung basieren. Auch hat die Kindsmutter ihre Kinder stets in suggestiver Weise befragt, um ihre eigenen Vorstellungen von einem vermeintlichen Kindesmissbrauch bestätigt zu sehen.
So veranlasste die Kindsmutter bereits im April 2018 die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kindsvater aufgrund des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes La … in der Zeit rund um den 27. März 2018. In den familiengerichtlichen Verfahren in der Folgezeit (1 F 187/18 und 1 F 188/18) sprach sich die den Kindern beigeordnete Verfahrensbeiständin in ihrem schriftlichen Bericht vom 17. April 2018 dafür aus, ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen, da sie die Kinder von der Mutter bewusst oder unbewusst gegen den Kläger beeinflusst hielt. Im Rahmen der Anhörung der Kinder La … und Lu am 20. April 2018 hat La … der damaligen Familienrichterin gegenüber einstudiert wirkende Äußerungen mit sexuellem Bezug von sich gegeben. Mit Lu war altersbedingt noch kein Gespräch möglich. Im Verfahren 1 F 187/18 erklärte die Verfahrensbeiständin, dass sie die Kinder in der Obhut der Mutter durch deren Beeinflussung als gefährdet ansehe. Im familiengerichtlichen Hauptsacheverfahren 1 F 211/18 wurde bereits die Sachverständige Dr. S …-Z … beauftragt, mit Mitteln der Glaubhaftigkeitsbegutachtung unter anderem zu einer Kindeswohlgefährdung durch die Mutter und zur künftigen Regelung der elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht des Klägers, jeweils unter Auseinandersetzung mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, Stellung zu beziehen. In ihrem Gutachten vom 28. September 2018 kam sie zu dem Ergebnis, dass ein sexueller Missbrauch durch den Kläger sehr unwahrscheinlich sei. Auch wurde bereits die Notwendigkeit für die Kindsmutter, sich von ihrer Überzeugung, dass ein sexueller Missbrauch der Kinder durch den Kläger stattgefunden habe, zu lösen, betont. Als die Kindsmutter im März 2019 mit neuen und sehr gravierenden Vorwürfen gegen den Kindsvater aufwartete und sich mit vermeintlichem Beweismaterial (u.a. eine benutzte Windel des Kindes C … mit schleimigem bislang undefiniertem Inhalt) erneut an die Polizei wandte, kam es dann zu der Inobhutnahme der Kinder am 22. März 2019 durch den Beklagten. Mit Beschluss vom 6. Juni 2019 entzog das Familiengericht vorläufig beiden Elternteilen mehrere Teilbereiche der elterlichen Sorge und bestellte den Beklagten als Ergänzungspfleger. Im Hauptsacheverfahren 1 F 253/19 wurde unter anderem ein psychologisches Gutachten der Sachverständigen A … E … in Auftrag gegeben. Dieses sollte Auskunft zur Frage der Rückführung der Kinder in die Obhut eines Elternteils ohne Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Kinder und zur Frage der Ausgestaltung des Umgangs und der elterlichen Sorge geben. Weiter wurde der Auftrag erteilt, sich für alle Fragestellungen mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Kinder durch den Kläger auseinanderzusetzen, auch mit Mitteln der Glaubhaftigkeitsbegutachtung. Aus dem am 20. Februar 2020 vorgelegten Sachverständigengutachten von A … E … ergab sich insbesondere, dass es bei den Kindern stichhaltige Hinweise auf Störfaktoren in Form fremdsuggestiver Einflüsse gebe, sodass die kindlichen Aussagen gerade nicht als zuverlässiger Hinweis auf einen sexuellen Missbrauch durch den Kläger herangezogen werden könnten. Daten, die den Verdacht des sexuellen Missbrauchs erhärten könnten, lägen nicht vor. Sämtliches von der Kindsmutter für einen sexuellen Missbrauch vorgelegtes vermeintliches Spurenmaterial sei nicht geeignet, ihre Vorwürfe gegen den Kläger zu erhärten bzw. nachzuweisen. Die Kindsmutter selbst habe sich nicht von ihrer Missbrauchsüberzeugung distanzieren können. In den familiengerichtlichen Terminen vom 21. Juni 2019 und vom 5. Mai 2020 äußerte die Kindsmutter sogar den Verdacht, dass der Kläger seine Tochter vielleicht auch verkauft habe. Das Familiengericht sah bei der Klägerin eine fortbestehende, nicht realitätskonforme Missbrauchsüberzeugung, sodass es die gemeinsame elterliche Sorge insgesamt aufhob und auf den Kläger übertrug. Auch ließ es den Umgang der Kindsmutter mit ihren Kindern nur noch in begleiteter Form zu. Rechtsmittel der Kindsmutter gegen diese familiengerichtliche Entscheidung blieben ohne Erfolg.
Nach dem Dafürhalten des Gerichts lag zum Zeitpunkt der Inobhutnahme am 22. März 2019 – insbesondere aufgrund der diffusen und unklaren Spurenlage – eine familiäre Situation vor, welche aus der damaligen Sicht die Inobhutnahme rechtfertigte. Es lagen derart schwere Anschuldigungen der Kindsmutter gegen den Kindsvater unter Vorlage möglicher noch zu prüfender Beweise vor, dass ein weiteres Zuwarten des Beklagten mit dessen staatlichem Wächteramt nicht vereinbar gewesen wäre, auch wenn bereits damals ein Sachverständigengutachten vorgelegen hat, welches einen Missbrauch der Kinder des Klägers durch den Kläger ausgeschlossen hat. Unter Anwendung des allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsatzes, dass an den Nachweis der Gefährdung geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn dem gefährdeten Rechtsgut von der Rechtsordnung ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird, ist es für das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass das Jugendamt des Beklagten in Situationen, in denen sich die Gefahr für das Kindswohl bei vorläufiger Sachkenntnis ganz erheblich zugespitzt hat, nicht weiter zuwarten kann, sondern zum Handeln verpflichtet ist. Dem Jugendamt ist insoweit kein Vorwurf zu machen. Das ergibt sich auch aus dem Beschluss des Familiengerichts vom 6. Juni 2019.
Im Nachhinein betrachtet war diese Inobhutnahme jedoch nicht erforderlich, da diese Maßnahme ausschließlich aufgrund der nicht realitätskonformen Aussagen der Kindsmutter und deren beständigen Beschuldigungen gegen den Kindsvater hervorgerufen worden ist.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat für eine vergleichbare Situation in einem Eilverfahren erwogen, dass die Durchführung einer Inobhutnahme, die wie hier zwar aus der ex ante-Betrachtung rechtmäßig war, sich aber nachträglich als nicht erforderlich herausstellte, möglicherweise den Leitvorstellungen der Kostenbeteiligung gem. §§ 91 bis 94 SGB VIII widerspricht. Da die Kostenbeteiligung im betreffenden Verfahren jedoch bereits aus anderen Gründen nicht in Betracht kam, setzte sich das Verwaltungsgericht Stuttgart mit seinen aufgeworfenen Überlegungen inhaltlich nicht weiter auseinander (VG Stuttgart, B.v. 23.11.2011 – 7 K 2240/11 – JAmt 2012, 414; Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, Vorbem. zum 8. Kapitel Rn. 8, § 92 Rn. 32; Krome in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 92 Rn. 53).
Unter Berücksichtigung der vorliegend völlig außergewöhnlichen und atypischen Umstände des Einzelfalls nimmt die Kammer – auch unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart – im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine besondere Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII an, sodass damit beim Kläger kein Kostenbeitrag erhoben werden kann.
Gerade unter Berücksichtigung des in § 92 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII normierten Bestrebens, für Einzelfallgerechtigkeit zu sorgen, soll der Kläger nicht das Risiko der Kostenbeteiligung tragen, weil sich die in das Erziehungsrecht des Klägers eingreifende Jugendhilfemaßnahme, die einzig in nicht realitätskonformen Anschuldigungen der Kindsmutter begründet ist, deswegen im Nachhinein als nicht erforderlich herausgestellt hat. Das Gericht sieht es daher als legitim an, dem Kläger ausnahmsweise nicht die Kosten dieser Jugendhilfemaßnahme aufzuerlegen. Ausschlaggebend waren für das Gericht die völlig atypischen Begleitumstände, die letztendlich zur Inobhutnahme der Kinder geführt haben und die der Kläger selbst nicht einmal ansatzweise zu verantworten hatte.
Unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse im familiengerichtlichen Verfahren ist zunächst festzustellen, dass nichts dafür spricht, dass der Kläger seine Kinder missbraucht hat. Gleichwohl hat die Kindsmutter in der Vergangenheit mehrfach derartige Vorwürfe gegen ihn erhoben. Der Missbrauchsvorwurf basiert unter Verweis auf die Erkenntnisse des Familiengerichts einzig auf der Vorstellung der Kindsmutter. Diese konnte sich trotz gegenteiliger Befunde nicht von ihrer Überzeugung, der Kläger habe seine Kinder missbraucht, lösen. Mit anderen Worten verkennt die Kindsmutter diesbezüglich die Realität. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass die Kindsmutter Gespräche mit den Kindern im Bestreben geführt hat, ihre eigenen Missbrauchsüberzeugungen weiter zu bestätigen. Durch diese hochsuggestive Kommunikation hat die Kindsmutter für die Kinder die Grenzen zwischen tatsächlich Erlebtem und den mütterlichen Vorstellungen verwischt, was eine Aufklärung des Sachverhalts extrem erschwert hat. Dies wurde zudem noch dadurch verstärkt, dass die Kindsmutter vermeintliche Beweismittel für ihre Missbrauchsüberzeugung vorgelegt hat, die die zuständigen Behörden zum Handeln gezwungen haben. Nach alledem sah sich der Kläger einem Konstrukt aus Anschuldigungen, beeinflussten Kindern und vermeintlichen Beweismitteln der Kindsmutter gegenüber, welches er zunächst nicht entkräften konnte. Vor diesem Hintergrund konnte der Beklagte gar nicht anders, als die Kinder des Klägers in Obhut zu nehmen. Nach der Überzeugung des Gerichts muss in einem derartig atypischen Fall das Risiko der Kostenbeteiligung der Allgemeinheit anheimfallen, da das Jugendamt des Beklagten in deren Auftrag handelt. Diese Einstandspflicht ist gewissermaßen als konsequente Kehrseite des staatlichen Wächteramts anzusehen. Durch die Einräumung umfassender Befugnisse für das Jugendamt als Ausfallbürgen des Kindswohls erscheint es nur gerecht, dem Jugendamt eine Weitergabe der Kosten seiner Maßnahmen zu verwehren, wenn ganz ausnahmsweise – aufgrund besonderer und atypischer Umstände zunächst nicht erkennbar – kein Grund vorgelegen hat, in die elterliche Erziehungsverantwortung – so wie hier geschehen – einzugreifen. Diese Auffassung ermöglicht einerseits den Jugendämtern eine effektive Garantie des Kindswohls und bietet andererseits die Möglichkeit, sich aus dem staatlichen Wächteramt und dem jeweiligen Einzelfall ergebenden Unbilligkeiten abzuhelfen. Soweit der Beklagte vorträgt, dass dem Kläger auch bei Verbleib der Kinder in seinem Haushalt Aufwendungen angefallen wären, ist dies unbehelflich. Dieses Argument kann im vorliegenden Fall nicht zur Verneinung einer besonderen Härte führen, denn dies würde den Inhalt des Begriffs wiederum auf eine rein finanzielle Bedeutung reduzieren, was aus den oben dargestellten Gründen nicht sachgerecht ist. Das Absehen vom Kostenbeitrag ist unter den gegebenen Umständen auch ein wichtiges Element, um nach der Inobhutnahme und anschließenden familiengerichtlich initiierten Rückführung der Kinder wieder Vertrauen zwischen dem Kläger und dem Beklagten herzustellen und eine konstruktive Hilfebeziehung sicher zu stellen.
Die Frage nach einer etwaigen Leistungsunfähigkeit des Klägers kann somit offenbleiben.
Aufgrund der Bejahung einer besonderen Härte erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtswidrig und er verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war daher aufzuheben.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 S.2 VwGO, die Entscheidung zur Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren aus § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.


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