Familienrecht

Kostenverteilung eines erledigten Unterhaltsabänderungsverfahrens

Aktenzeichen  33 WF 1581/18

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2019, 3636
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1615l Abs. 1
FamFG § 243
ZPO § 91a

 

Leitsatz

1 § 243 FamFG geht als Spezialgesetz derallgemeinen Regelung des § 91a ZPO vor, der über § 113 Abs. 1 FamFG grundsätzlichanwendbar wäre. (Rn. 9) (red. LS Axel Burghart)
2 Bei der summarischen Prüfung des Sach- undStreitstandes muss das Gericht nicht nur die unstreitigen Tatsachen und die vorliegendenBeweise würdigen, sondern auch die bei Weiterführung des Verfahrens möglichenund wahrscheinlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel bedenken. (Rn. 12) (red. LS Axel Burghart)
3 In Abänderungsfällen muss der Antragsteller denAntragsgegner außergerichtlich zum Verzicht auf den vorhandenen Titel oderdessen Anpassung an die geänderten Verhältnisse auffordern, will er nicht dieVerfahrenskosten auf Grund sofortigen Anerkenntnisses tragen. Zudem muss demAntragsgegner eine angemessene Prüfungszeit eingeräumt werden. (Rn. 15) (red. LS Axel Burghart)
4 Bei einer bestehenden Erwerbsverpflichtung desnach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten ist die sofortige Aufnahme einervollschichtigen Erwerbstätigkeit tagesgenau am dritten Geburtstag desgemeinsamen Kindes nicht erforderlich. (Rn. 16) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

001 F 1124/18 2018-11-08 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 8.11.2018 dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1358,69 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Kostenverteilung eines erledigten Unterhaltsabänderungsverfahrens.
Mit Antrag vom 3.9.2018 begehrte der Antragsteller die Abänderung einer Vereinbarung mit Wirkung ab 9.9.2018 dahingehend, dass er nicht verpflichtet sei, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt von 870 € gemäß § 1615 I BGB zu bezahlen.
Die Beteiligten sind die nichtverheirateten Eltern des gemeinsamen Kindes Thomas, geboren am 8.9.2015. Mit Schreiben vom 9.8.2018 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Fristsetzung zum 22.8.2018 auf, über den 8. 9.2018 hinausgehend auf ihre Rechte aus dem Unterhaltstitel zu verzichten, da der gemeinsame Sohn am 8.9.2018 das dritte Lebensjahr vollende und sie daher aufgrund ihrer Erwerbsverpflichtung nicht unterhaltsberechtigt sei.
Noch vor Zustellung des Antrages am 13.9.2018 erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.9.2018 das Verfahren für erledigt, da die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 6.9.2018 außergerichtlich erklärt hatte, aus der gerichtlichen Vereinbarung ab Oktober 2018 keine Rechte mehr herzuleiten. Mit Schriftsatz vom 27.9.2018 stimmte die Antragsgegnerin der Erledigterklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8.11.2018 entschied das Amtsgericht, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Gegen diesen am 9.11.2018 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 22.11.2018, die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist und die er mit Schriftsätzen vom 16.1. und 28.2.2019 begründete. Er vertritt die Auffassung, dass die vorgerichtliche Aufforderung der Antragstellerseite, auf Rechte aus dem Titel zu verzichten, verfrüht gewesen sei, da ein derartiger Anspruch frühestens ab Vollendung des dritten Lebensjahres des gemeinsamen Kindes bestanden habe. Auch nach dem dritten Geburtstag des Kindes sei jedenfalls ein sofortiger Verzicht innerhalb des Monats, in den der Geburtstag fällt, selbst bei einer Erwerbsverpflichtung der Mutter nicht üblich.
Die Antragsgegnerin beantragt im Ergebnis, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, der Antragsteller habe gerade zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens rechtzeitig vor dem Zeitpunkt, ab dem rechtlich einen Unterhaltsanspruch wegfallen könne, sich Klarheit darüber verschaffen müssen, ob es eines Gerichtsverfahrens bedarf oder diese Streitfrage außergerichtlich geklärt werden kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Schriftsätze und den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige (OLG Oldenburg NJW 2010,2815) Beschwerde ist begründet. Gemäß § 243 FamFG sind nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
1. Das Amtsgericht hat zu Recht als gesetzliche Grundlage für die Kostenentscheidung § 243 FamFG angesehen, der als Spezialgesetz der allgemeinen Regelung des § 91a ZPO, der über § 113 Abs. 1 FamFG grundsätzlich anwendbar wäre, vorgeht. Es ist jedoch allgemein anerkannt dass im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung die allgemeinen, zu § 91a ZPO von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze berücksichtigt werden können (Neumann, FPR 2013, 163 m.w.Nw.).
2. Haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, beurteilt sich die Kostenverteilung danach, ob der Antrag ohne erledigendes Ereignis erfolgreich gewesen wäre. Dabei nimmt das Gericht eine summarische Prüfung des Sach- und Streitstandes vor (Hüßtege, Thomas Putzo 39. Auflage, § 91 Art ZPO Nr. 46 ff).
a. Im Rahmen dessen ist zunächst die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrages zu prüfen. Der vorliegende Abänderungsantrag war nach § 239 FamFG zulässig. Im Hinblick auf den von der Antragsgegnerin erklärten Verzicht auf ihre Rechte ist auch davon auszugehen, dass ab dem dritten Geburtstag des gemeinsamen Kindes und der sich daraus ergebenen Erwerbsverpflichtung der Antragsgegnerin kein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB bestanden hätte. Der Antrag wäre daher auch begründet gewesen.
b. Bei der summarischen Prüfung ist jedoch in Erwägung zu ziehen, dass die Antragsgegnerin nach Rechtshängigkeit den Antrag anerkennen hätte können. Im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung muss das Gericht nicht nur die unstreitigen Tatsachen und die zum oben genannten Zeitpunkt vorliegenden Beweise würdigen, sondern auch die bei Weiterführung des Verfahrens möglichen und – ggf. erst nach erforderlichen Hinweisen – wahrscheinlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel bedenken. Dabei ist es nicht generell ausgeschlossen, naheliegende hypothetische Entwicklungen zu berücksichtigen (BeckOK ZPO/Jaspersen, 31. Ed. 1.12.2018, ZPO § 91a Rn. 29). Gemäß § 243 S. 2 Nr. 4 FamFG wäre bei einem Anerkenntnis im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung § 93 ZPO anzuwenden. Danach fallen, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat, dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
aa. Zeitlich betrachtet hätte ein sofortiges Anerkenntnis in der Antragserwiderung erfolgen können.
bb. Die Antragsgegnerin hat auch keine Veranlassung zu Antragserhebung gegeben.
(1) Veranlassung hierzu hätte sie nach allgemeiner Ansicht gegeben, wenn ihr Verhalten vor Verfahrensbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Antragsteller so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne den Antrag nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rz. 3). Der Antragsgegner gibt Veranlassung zu Antragserhebung erst dann, wenn ihn der Antragsteller vor Antragserhebung zur Anspruchserfüllung, die in einem Tun oder Unterlassen bestehen kann, auffordert (MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 93 Rn. 25). Auch in Abänderungsfällen muss der Antragsteller den Antragsgegner außergerichtlich zum Verzicht auf den vorhandenen Titel oder dessen Anpassung an die geänderten Verhältnisse auffordern, will er nicht die Verfahrenskosten auf Grund sofortigen Anerkenntnisses tragen. Zudem muss dem Antragsgegner eine angemessene Prüfungszeit eingeräumt werden (MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 93 Rn. 57). Hierbei ist in Leistungsfällen eine fehlende Veranlassung zur Antragstellung immer dann anzunehmen, wenn der Antragsgegner vorgerichtlich nicht ordnungsgemäß in Verzug gesetzt wurde. Eine Mahnung setzt grundsätzlich die Fälligkeit des angemahnten Anspruchs voraus. Nachdem es im vorliegenden Fall nicht um Anmahnung einer fälligen Forderung, sondern um die Erklärung eines Verzichts wegen eines behaupteten Wegfalls einer Leistungsverpflichtung geht, stellt sich die Frage, zu welchen Zeitpunkt eine solche „Negativmahnung“ möglich ist.
(2) Der Antragsteller forderte mit Schreiben vom 9.8.2018 von der Antragsgegnerin, über den 8. 9.2018 hinausgehend aus dem Unterhaltstitel keine Rechte mehr herzuleiten. Gegenstand des abzuändernden Titels war die Zahlung eines monatlichen Unterhalts wegen der Betreuung des am 8.9.2015 geborenen gemeinsamen Kindes Thomas. Gemäß § 1615l Abs. 2 BGB besteht die Möglichkeit des betreuenden Elternteils von dem anderen Elternteil Unterhalt wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes ab dem dritten Geburtstag des Kindes zu verlangen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierbei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Auch ist in der Rechtsprechung für diesen Fall ebenso wie bei der gleichartigen Problematik des § 1570 BGB entschieden, dass bei einer bestehenden Erwerbsverpflichtung die sofortige Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit tagesgenau an dem dritten Geburtstag des gemeinsamen Kindes nicht erforderlich ist. Da der Gesetzgeber keinen übergangslosen Wechsel von der Vollzeitkinderbetreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit gewünscht hat, sollte auch bei normal entwickelten Kindern jedenfalls eine Vollzeittätigkeit im unmittelbaren Anschluss an die Vollendung des dritten Lebensjahres – gleichsam eine Beschleunigung von „Null auf Hundert“ – allenfalls in Ausnahmefällen verlangt werden (BeckOGK/Lettmaier, 1.12.2018, BGB § 1570 Rn. 78). Bis zum dritten Geburtstag des gemeinsamen Kindes steht der Antragstellerin ein Betreuungsunterhaltsanspruch als Basisunterhalt zu, wobei sie nicht zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet ist. Erst ab dem dritten Geburtstag ist sie darlegungs – und beweispflichtig dafür, inwieweit sie unter Berücksichtigung der Belange des Kindes und der vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten noch unterhaltsbedürftig ist. Eine gesetzliche Verpflichtung der Antragsgegnerin, sich hierzu bereits vor dem eigentlichen Fälligkeitszeitpunkt zu äußern besteht nicht. Auch das Interesse des Antragstellers an einer zeitnahen Abänderung rechtfertigt es nicht, von der Antragsgegnerin zu verlangen, sich bereits vor Wegfall des Basisunterhaltsanspruches zu der Frage zu äußern, ob nach dem dritten Geburtstag des gemeinsamen Kindes einen Anschlussbilligkeitsunterhalt gegeben sein wird. Bei dem hier abzuändernden Titel handelte es sich um einen Vergleich, dessen Abänderung sich gemäß § 239 Abs. 2 FamFG nach den Vorschriften des materiellen Rechts richtet. Die bei der Abänderung gerichtlicher Entscheidungen bestehenden Zeitgrenzen des § 238 Abs. 3 FamFG gelten für diesen Fall gerade nicht, so dass, wenn materiellrechtlich die Voraussetzungen für einen Wegfall des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB gegeben sind, auch rückwirkend eine Abänderung zu dem Zeitpunkt möglich ist, ab dem der Unterhaltsanspruch weggefallen ist. Im Hinblick darauf war das Verzichtsverlangen des Antragstellers vom 9.8.2018 unter Fristsetzung zum 22.8.2018 verfrüht. Das verfrühte Verzichtsverlangen fällt allein in den Verantwortungsbereich des Antragstellers. Die Antragsgegnerin war daher auch nicht gehalten, die Fristsetzung zu rügen und eine Fristverlängerung zu beantragen. Der mit außergerichtlichem Schreiben vom 6.9.2018 erklärte Verzicht lag sogar noch vor dem dritten Geburtstag des gemeinsamen Kindes und erfolgte damit rechtzeitig. Die Antragstellerin hat aufgrund ihres vorgerichtlichen Verhaltens dem Antragsteller keine Veranlassung zur Stellung des Abänderungsantrages bereits am 3.9.2018 gegeben und hätte sich ohne ihren vorgerichtlich erklärten Verzicht vom 6.9.2018 mit einem sofortigen Anerkenntnis im Rahmen der Antragserwiderung ohne Kostenfolge verteidigen können. Eine hypothetische Betrachtung der Erfolgsaussichten des erledigten Verfahrens ergibt daher, dass der Antragsteller zwar obsiegt hätte, die Antragsgegnerin bei einem zu erwartenden sofortigen Anerkenntnis aber nicht verpflichtet worden wäre, ganz oder teilweise Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.
4. Hinsichtlich der Verfahrenswertfestsetzung war von folgendem auszugehen:
Nach § 40 Abs. 1 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert für das Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Familiengerichts, in dem bei einem festgesetzten Verfahrenswert von 10.440,-€ Kosten gegeneinander aufgehoben wurden. Die Beschwerde zielt darauf ab, dass der Antragsteller zur alleinigen Kostentragung verpflichtet hat. Damit erstrebt die Beschwerdeführerin, nicht mit der Hälfte der entstandenen Gerichtskosten und nicht mit der Tragung ihrer eigenen Anwaltskosten belastet zu werden.
Die halben Gerichtskosten errechnen sich aus einer 0,5 – Gerichtsgebühr nach FamGKG – VV Nr. 1310 der Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) FamGKG in Höhe von 400,50 €.
Die Anwaltskosten des Beschwerdegegners errechnen sich aus einer 1,3 Verfahrensgebühr, nebst 20 € Postpauschale nebst Umsatzsteuer gemäß Nummern 3100, 7002, 7008 RVG – VV Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG), mithin auf 958,19 €.


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